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Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726.

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cept von der Religion eine mächtige Stütze ist/
worauf die Welt sich fusset, und wie das Leben
selbst defendiret werden muß. So wusten auch
ihre Philosophen gar wohl, daß Holtz und
Steine ihnen nichts könten gewehren/ und daß
ein gemachtes Bild weder eine vergeltende/ noch
straffende Krafft in sich hätte. Das thörichte
Volck aber hatte so weites Nachdencken nicht/
sondern bildete ihm ein/ es müsse der Creatur/
sie möchte ein Leben in sich hegen/ oder auch gar
lebloß seyn, von welcher sie einen Nutzen ver-
muhteten, eine Erkänntlichkeit erwiesen werden.
Dahero man in den ersten Zeiten die vornehmste
Abgötterey an der Sonnen, oder an dem/ was
einem Vortheil schaffe/ bemerckte. Und hier-
zu ist die blendende Liebe Schuld/ die auch durch
den Glantz des Goldes die Jsraeliten, das
Volck GOttes/ zur Abgötterey verführete.

§. 2. Unsere einfältige Ostiacken sind biß
hieher eben dieser Blendung gefolget/ weßfalls
sie ihnen theils selbst einige Götzen aus Holtz ge-
bildet/ theils aber einige aus Ertz gegossen/ die
sie von ihren Vorfahren/ wie erwehnt/ so sich
Tschut nannten, geerbet/ welchen sie die Ehre
der Anbetung erwiesen/ ihnen opfferten/ und
ihre Hülffe in allerhand Begebenheiten ver-
langten.

§. 3. Bey denen berühmten Völckern im
Heydenthum wuste des Künstlers Hand die
Götzen nicht sauber genug zu bilden/ massen
die allerberühmteste Bildhauer/ Steinmetzen/

Ertz-

cept von der Religion eine maͤchtige Stuͤtze iſt/
worauf die Welt ſich fuſſet, und wie das Leben
ſelbſt defendiret werden muß. So wuſten auch
ihre Philoſophen gar wohl, daß Holtz und
Steine ihnen nichts koͤnten gewehren/ und daß
ein gemachtes Bild weder eine vergeltende/ noch
ſtraffende Krafft in ſich haͤtte. Das thoͤrichte
Volck aber hatte ſo weites Nachdencken nicht/
ſondern bildete ihm ein/ es muͤſſe der Creatur/
ſie moͤchte ein Leben in ſich hegen/ oder auch gar
lebloß ſeyn, von welcher ſie einen Nutzen ver-
muhteten, eine Erkaͤnntlichkeit erwieſen werden.
Dahero man in den erſten Zeiten die vornehmſte
Abgoͤtterey an der Sonnen, oder an dem/ was
einem Vortheil ſchaffe/ bemerckte. Und hier-
zu iſt die blendende Liebe Schuld/ die auch durch
den Glantz des Goldes die Jſraeliten, das
Volck GOttes/ zur Abgoͤtterey verfuͤhrete.

§. 2. Unſere einfaͤltige Oſtiacken ſind biß
hieher eben dieſer Blendung gefolget/ weßfalls
ſie ihnen theils ſelbſt einige Goͤtzen aus Holtz ge-
bildet/ theils aber einige aus Ertz gegoſſen/ die
ſie von ihren Vorfahren/ wie erwehnt/ ſo ſich
Tſchut nannten, geerbet/ welchen ſie die Ehre
der Anbetung erwieſen/ ihnen opfferten/ und
ihre Huͤlffe in allerhand Begebenheiten ver-
langten.

§. 3. Bey denen beruͤhmten Voͤlckern im
Heydenthum wuſte des Kuͤnſtlers Hand die
Goͤtzen nicht ſauber genug zu bilden/ maſſen
die allerberuͤhmteſte Bildhauer/ Steinmetzen/

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[44/0060] cept von der Religion eine maͤchtige Stuͤtze iſt/ worauf die Welt ſich fuſſet, und wie das Leben ſelbſt defendiret werden muß. So wuſten auch ihre Philoſophen gar wohl, daß Holtz und Steine ihnen nichts koͤnten gewehren/ und daß ein gemachtes Bild weder eine vergeltende/ noch ſtraffende Krafft in ſich haͤtte. Das thoͤrichte Volck aber hatte ſo weites Nachdencken nicht/ ſondern bildete ihm ein/ es muͤſſe der Creatur/ ſie moͤchte ein Leben in ſich hegen/ oder auch gar lebloß ſeyn, von welcher ſie einen Nutzen ver- muhteten, eine Erkaͤnntlichkeit erwieſen werden. Dahero man in den erſten Zeiten die vornehmſte Abgoͤtterey an der Sonnen, oder an dem/ was einem Vortheil ſchaffe/ bemerckte. Und hier- zu iſt die blendende Liebe Schuld/ die auch durch den Glantz des Goldes die Jſraeliten, das Volck GOttes/ zur Abgoͤtterey verfuͤhrete. §. 2. Unſere einfaͤltige Oſtiacken ſind biß hieher eben dieſer Blendung gefolget/ weßfalls ſie ihnen theils ſelbſt einige Goͤtzen aus Holtz ge- bildet/ theils aber einige aus Ertz gegoſſen/ die ſie von ihren Vorfahren/ wie erwehnt/ ſo ſich Tſchut nannten, geerbet/ welchen ſie die Ehre der Anbetung erwieſen/ ihnen opfferten/ und ihre Huͤlffe in allerhand Begebenheiten ver- langten. §. 3. Bey denen beruͤhmten Voͤlckern im Heydenthum wuſte des Kuͤnſtlers Hand die Goͤtzen nicht ſauber genug zu bilden/ maſſen die allerberuͤhmteſte Bildhauer/ Steinmetzen/ Ertz-

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Zitationshilfe: Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726/60>, abgerufen am 29.03.2024.