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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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erscheinen Rom und alle Weltherrschaften als
bloße Krankheiten des Geschlechtes. Aller-
dings will ich nun sehen, welche Symptome
eine solche Krankheit hat, wie sie um sich
greift, wie sie das Geschlecht zerrüttet; und
dazu ist Montesquieu der erste und tüchtigste
Führer. Aber welches ist die gesunde, richtige
Form der Menschheit und des Staates?
und wie artet sie aus in jene Krankheit?
das ist eine noch größere Frage. Darüber
schweigt Montesquieu; und das nenne ich
seine Irreligiosität. Hier, wo das Aller-
heiligste der Politik angeht, endigt sein poli-
tisches Raisonnement; und wie das eigent-
liche
Rom, ich meine, wie das Römische
an Rom, durch das Christenthum und durch
nichts Anderes gesunken, d. h. wie die Krank-
heit durch die bloße Kraft der Gesundheit
überwunden worden sey, davon ist bei ihm
unter den causes de la decadence durchaus
nicht die Rede.

Durch den äußeren Ruhm solcher Werke

*

erſcheinen Rom und alle Weltherrſchaften als
bloße Krankheiten des Geſchlechtes. Aller-
dings will ich nun ſehen, welche Symptome
eine ſolche Krankheit hat, wie ſie um ſich
greift, wie ſie das Geſchlecht zerruͤttet; und
dazu iſt Montesquieu der erſte und tuͤchtigſte
Fuͤhrer. Aber welches iſt die geſunde, richtige
Form der Menſchheit und des Staates?
und wie artet ſie aus in jene Krankheit?
das iſt eine noch groͤßere Frage. Daruͤber
ſchweigt Montesquieu; und das nenne ich
ſeine Irreligioſitaͤt. Hier, wo das Aller-
heiligſte der Politik angeht, endigt ſein poli-
tiſches Raiſonnement; und wie das eigent-
liche
Rom, ich meine, wie das Roͤmiſche
an Rom, durch das Chriſtenthum und durch
nichts Anderes geſunken, d. h. wie die Krank-
heit durch die bloße Kraft der Geſundheit
uͤberwunden worden ſey, davon iſt bei ihm
unter den causes de la décadence durchaus
nicht die Rede.

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[XVII/0023] erſcheinen Rom und alle Weltherrſchaften als bloße Krankheiten des Geſchlechtes. Aller- dings will ich nun ſehen, welche Symptome eine ſolche Krankheit hat, wie ſie um ſich greift, wie ſie das Geſchlecht zerruͤttet; und dazu iſt Montesquieu der erſte und tuͤchtigſte Fuͤhrer. Aber welches iſt die geſunde, richtige Form der Menſchheit und des Staates? und wie artet ſie aus in jene Krankheit? das iſt eine noch groͤßere Frage. Daruͤber ſchweigt Montesquieu; und das nenne ich ſeine Irreligioſitaͤt. Hier, wo das Aller- heiligſte der Politik angeht, endigt ſein poli- tiſches Raiſonnement; und wie das eigent- liche Rom, ich meine, wie das Roͤmiſche an Rom, durch das Chriſtenthum und durch nichts Anderes geſunken, d. h. wie die Krank- heit durch die bloße Kraft der Geſundheit uͤberwunden worden ſey, davon iſt bei ihm unter den causes de la décadence durchaus nicht die Rede. Durch den aͤußeren Ruhm ſolcher Werke *

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. XVII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/23>, abgerufen am 29.03.2024.