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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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tum, einen Begriff "Mensch" frei erklärt: so
ist die Freiheit selbst ein Begriff, und kann keine
andre Kraft begehren, als die der bloßen Masse;
sie kann wie ein großer Fels andre kleinere Fel-
sen zerschmettern, ist aber in dem allgemeinen
Ruin eben auch nichts mehr als Trümmer. --

Nichts kann der Freiheit, wie ich sie beschrie-
ben habe, und wie sie nicht bloß mit dem Ge-
setze besteht, sondern vom Gesetze erzeugt und
getragen wird, und dafür wieder das Gesetz
erzeugt und trägt, mehr widersprechen, als
der Begriff einer äußeren Gleichheit. Wenn
die Freiheit nichts anders als das allgemeine
Streben der verschiedenartigsten Naturen nach
Wachsthum und Leben ist, so kann man kei-
nen größeren Widerspruch ausdenken, als indem
man, mit Einführung der Freiheit zugleich, die
ganze Eigenthümlichkeit, d. h. Verschiedenartig-
keit, dieser Naturen aufhebt. Indeß war auch
von meiner Freiheit in Frankreich nicht die
Rede; das Wesentliche, was jene engherzigen
Schwärmer meinten, ihre Freiheit und ihre
Gleichheit, wurde realisirt; denn der Begriff
der Freiheit, da er die Freiheit herausreißt aus
jener unendlichen Reaction mit der Gegenfrei-
heit unter allen möglichen Formen, da er die
Freiheit an sich begehrt, meint er und erhebt

tum, einen Begriff „Menſch” frei erklaͤrt: ſo
iſt die Freiheit ſelbſt ein Begriff, und kann keine
andre Kraft begehren, als die der bloßen Maſſe;
ſie kann wie ein großer Fels andre kleinere Fel-
ſen zerſchmettern, iſt aber in dem allgemeinen
Ruin eben auch nichts mehr als Truͤmmer. —

Nichts kann der Freiheit, wie ich ſie beſchrie-
ben habe, und wie ſie nicht bloß mit dem Ge-
ſetze beſteht, ſondern vom Geſetze erzeugt und
getragen wird, und dafuͤr wieder das Geſetz
erzeugt und traͤgt, mehr widerſprechen, als
der Begriff einer aͤußeren Gleichheit. Wenn
die Freiheit nichts anders als das allgemeine
Streben der verſchiedenartigſten Naturen nach
Wachsthum und Leben iſt, ſo kann man kei-
nen groͤßeren Widerſpruch ausdenken, als indem
man, mit Einfuͤhrung der Freiheit zugleich, die
ganze Eigenthuͤmlichkeit, d. h. Verſchiedenartig-
keit, dieſer Naturen aufhebt. Indeß war auch
von meiner Freiheit in Frankreich nicht die
Rede; das Weſentliche, was jene engherzigen
Schwaͤrmer meinten, ihre Freiheit und ihre
Gleichheit, wurde realiſirt; denn der Begriff
der Freiheit, da er die Freiheit herausreißt aus
jener unendlichen Reaction mit der Gegenfrei-
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[212/0246] tum, einen Begriff „Menſch” frei erklaͤrt: ſo iſt die Freiheit ſelbſt ein Begriff, und kann keine andre Kraft begehren, als die der bloßen Maſſe; ſie kann wie ein großer Fels andre kleinere Fel- ſen zerſchmettern, iſt aber in dem allgemeinen Ruin eben auch nichts mehr als Truͤmmer. — Nichts kann der Freiheit, wie ich ſie beſchrie- ben habe, und wie ſie nicht bloß mit dem Ge- ſetze beſteht, ſondern vom Geſetze erzeugt und getragen wird, und dafuͤr wieder das Geſetz erzeugt und traͤgt, mehr widerſprechen, als der Begriff einer aͤußeren Gleichheit. Wenn die Freiheit nichts anders als das allgemeine Streben der verſchiedenartigſten Naturen nach Wachsthum und Leben iſt, ſo kann man kei- nen groͤßeren Widerſpruch ausdenken, als indem man, mit Einfuͤhrung der Freiheit zugleich, die ganze Eigenthuͤmlichkeit, d. h. Verſchiedenartig- keit, dieſer Naturen aufhebt. Indeß war auch von meiner Freiheit in Frankreich nicht die Rede; das Weſentliche, was jene engherzigen Schwaͤrmer meinten, ihre Freiheit und ihre Gleichheit, wurde realiſirt; denn der Begriff der Freiheit, da er die Freiheit herausreißt aus jener unendlichen Reaction mit der Gegenfrei- heit unter allen moͤglichen Formen, da er die Freiheit an ſich begehrt, meint er und erhebt

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/246>, abgerufen am 24.04.2024.