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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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Wege er nun von seiner Verirrung zurückgekommen sey.
Er äußerte die Besorgniß, die er hatte, daß sein Freund,
der Graf Brandt, durch seine natürliche Lebhaftigkeit
noch an dem Ernst gehindert werden möchte, mit wel-
chem er itzt über die Religion und seinen Zustand billig
nachdenken müßte. Da der Graf Brandt immer noch
mehr von der Wahrheit der Religion geglaubt als er,
und auch wohl in seinen Unterredungen ihm das zu er-
kennen gegeben hätte, so hoffe er, es solle demselben nicht
allein angenehm seyn, wenn er hörte, daß er nun zur
Ueberzeugung gekommen sey, sondern auch auf das Herz
seines Freundes einen guten Eindruck machen. Er habe
sich zwar sonst nicht darauf eingelassen, wenn Graf
Brandt mit ihm über die Religion habe reden wollen:
itzt hielte er es für seine Pflicht ihm seine gegenwärtigen
Gesinnungen darüber bekannt machen zu lassen. Und
das um so viel mehr, da er an dem Unglücke desselben
mit Schuld sey. --

Das Buch des Herrn D. Leß von der Wahrheit
der christlichen Religion, war in diesen letzten Tage die
Lectüre des Grafen gewesen. Er hatte in demselben den
Beweis vollendet, der aus den Weißagungen Christi für
die Göttlichkeit seiner Sendung geführt wird, und laß
eben die Betrachtung über die Wunder des Abts Paris.
Er konnte es nicht begreifen, warum man in Frankreich
über diese Sache, die so sehr viel Aufsehen machte,
damals keine gerichtliche Untersuchung anstellte, und
wünschte, daß dieß itzt noch, da vermuhtlich noch Augen-
zeugen vorhanden wären, geschehen möchte. Jnzwischen
sagte er, wäre er sehr geneigt, die ganze Geschichte, ob
man gleich vieles in derselben aus natürlichen Ursachen
schwerlich werde zu erklären wissen, für eine Wirkung
der Schwärmerey zu halten. Das Betragen des Monge-
ron, als er die Sache untersucht, sey würklich enthusiastisch,

und



Wege er nun von ſeiner Verirrung zuruͤckgekommen ſey.
Er aͤußerte die Beſorgniß, die er hatte, daß ſein Freund,
der Graf Brandt, durch ſeine natuͤrliche Lebhaftigkeit
noch an dem Ernſt gehindert werden moͤchte, mit wel-
chem er itzt uͤber die Religion und ſeinen Zuſtand billig
nachdenken muͤßte. Da der Graf Brandt immer noch
mehr von der Wahrheit der Religion geglaubt als er,
und auch wohl in ſeinen Unterredungen ihm das zu er-
kennen gegeben haͤtte, ſo hoffe er, es ſolle demſelben nicht
allein angenehm ſeyn, wenn er hoͤrte, daß er nun zur
Ueberzeugung gekommen ſey, ſondern auch auf das Herz
ſeines Freundes einen guten Eindruck machen. Er habe
ſich zwar ſonſt nicht darauf eingelaſſen, wenn Graf
Brandt mit ihm uͤber die Religion habe reden wollen:
itzt hielte er es fuͤr ſeine Pflicht ihm ſeine gegenwaͤrtigen
Geſinnungen daruͤber bekannt machen zu laſſen. Und
das um ſo viel mehr, da er an dem Ungluͤcke deſſelben
mit Schuld ſey. —

Das Buch des Herrn D. Leß von der Wahrheit
der chriſtlichen Religion, war in dieſen letzten Tage die
Lectuͤre des Grafen geweſen. Er hatte in demſelben den
Beweis vollendet, der aus den Weißagungen Chriſti fuͤr
die Goͤttlichkeit ſeiner Sendung gefuͤhrt wird, und laß
eben die Betrachtung uͤber die Wunder des Abts Paris.
Er konnte es nicht begreifen, warum man in Frankreich
uͤber dieſe Sache, die ſo ſehr viel Aufſehen machte,
damals keine gerichtliche Unterſuchung anſtellte, und
wuͤnſchte, daß dieß itzt noch, da vermuhtlich noch Augen-
zeugen vorhanden waͤren, geſchehen moͤchte. Jnzwiſchen
ſagte er, waͤre er ſehr geneigt, die ganze Geſchichte, ob
man gleich vieles in derſelben aus natuͤrlichen Urſachen
ſchwerlich werde zu erklaͤren wiſſen, fuͤr eine Wirkung
der Schwaͤrmerey zu halten. Das Betragen des Monge-
ron, als er die Sache unterſucht, ſey wuͤrklich enthuſiaſtiſch,

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[128/0140] Wege er nun von ſeiner Verirrung zuruͤckgekommen ſey. Er aͤußerte die Beſorgniß, die er hatte, daß ſein Freund, der Graf Brandt, durch ſeine natuͤrliche Lebhaftigkeit noch an dem Ernſt gehindert werden moͤchte, mit wel- chem er itzt uͤber die Religion und ſeinen Zuſtand billig nachdenken muͤßte. Da der Graf Brandt immer noch mehr von der Wahrheit der Religion geglaubt als er, und auch wohl in ſeinen Unterredungen ihm das zu er- kennen gegeben haͤtte, ſo hoffe er, es ſolle demſelben nicht allein angenehm ſeyn, wenn er hoͤrte, daß er nun zur Ueberzeugung gekommen ſey, ſondern auch auf das Herz ſeines Freundes einen guten Eindruck machen. Er habe ſich zwar ſonſt nicht darauf eingelaſſen, wenn Graf Brandt mit ihm uͤber die Religion habe reden wollen: itzt hielte er es fuͤr ſeine Pflicht ihm ſeine gegenwaͤrtigen Geſinnungen daruͤber bekannt machen zu laſſen. Und das um ſo viel mehr, da er an dem Ungluͤcke deſſelben mit Schuld ſey. — Das Buch des Herrn D. Leß von der Wahrheit der chriſtlichen Religion, war in dieſen letzten Tage die Lectuͤre des Grafen geweſen. Er hatte in demſelben den Beweis vollendet, der aus den Weißagungen Chriſti fuͤr die Goͤttlichkeit ſeiner Sendung gefuͤhrt wird, und laß eben die Betrachtung uͤber die Wunder des Abts Paris. Er konnte es nicht begreifen, warum man in Frankreich uͤber dieſe Sache, die ſo ſehr viel Aufſehen machte, damals keine gerichtliche Unterſuchung anſtellte, und wuͤnſchte, daß dieß itzt noch, da vermuhtlich noch Augen- zeugen vorhanden waͤren, geſchehen moͤchte. Jnzwiſchen ſagte er, waͤre er ſehr geneigt, die ganze Geſchichte, ob man gleich vieles in derſelben aus natuͤrlichen Urſachen ſchwerlich werde zu erklaͤren wiſſen, fuͤr eine Wirkung der Schwaͤrmerey zu halten. Das Betragen des Monge- ron, als er die Sache unterſucht, ſey wuͤrklich enthuſiaſtiſch, und

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/140>, abgerufen am 19.04.2024.