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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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hat, die um die Zeit der Zerstörung Jerusalems gesche-
hen sollten. Aber alles übrige, antwortete ich, wird
Jhnen desto deutlicher gewesen seyn, und Sie werden es
durch den Erfolg nach allen Umständen erfüllt gefunden
haben? "Jch muß gestehen diese Uebereinstimmung der
Begebenheiten mit der Weißagung ist sehr entscheidend
für das Christenthum." Und bleibt es auch, wenn
gleich einige Stellen der Weißagung dunkel sind. Stel-
len Sie sich vor, diese dunkeln Ausdrücke wären in einer
unbekannten Sprache oder mit unleserlichen Buchstaben
geschrieben, so daß man die Worte entweder nicht ver-
stünde oder auch nicht einmahl herausbringen könnte,
würde man denn wohl Ursache haben deswegen, daß
man diese Stelle nicht lesen oder verstehen könnte, die
ganze Weißagung für verdächtig zu halten, vornemlich
wenn man wüßte, daß sie allen übrigen Umständen nach
aufs genaueste erfüllt worden wäre? -- Jn Ansehung
der noch immer fortdaurenden Zerstreuung der Juden
und ihrer Erhaltung unter derselben, setzte er hinzu,
ist mir zwar eingefallen, daß ich gelesen habe, wie sich
eine gewisse Nation in Africa, wo ich nicht irre so heißen
sie die Guebern, auf eine ähnliche Art in der Zerstreu-
ung erhalte. Aber ihre Zerstreuung ist nicht allgemein
noch vorher gesagt, wie der Juden ihre, sie leben nicht
unter dem Drucke wie diese, und man kann über die
Nachrichten von ihnen nicht gewiß seyn.

Meine irdischen Geschäffte, fuhr er fort, sind
nun alle bis auf einige Gespräche mit meinem Defen-
sor und ein paar Briefe nach, die ich noch schreiben will,
geendigt. So können wir also, sagte ich, in unsern
Unterredungen mit Zusammenhang und Ordnung fortfah-
ren. Lassen Sie uns nun die übrige Zeit gewissenhaft
auf die Sache Jhrer Seeligkeit verwenden. Das will
ich gewiß, antwortete er, sehr ernstlich thun. Jch bin,

Gottlob,
K



hat, die um die Zeit der Zerſtoͤrung Jeruſalems geſche-
hen ſollten. Aber alles uͤbrige, antwortete ich, wird
Jhnen deſto deutlicher geweſen ſeyn, und Sie werden es
durch den Erfolg nach allen Umſtaͤnden erfuͤllt gefunden
haben? “Jch muß geſtehen dieſe Uebereinſtimmung der
Begebenheiten mit der Weißagung iſt ſehr entſcheidend
fuͤr das Chriſtenthum.„ Und bleibt es auch, wenn
gleich einige Stellen der Weißagung dunkel ſind. Stel-
len Sie ſich vor, dieſe dunkeln Ausdruͤcke waͤren in einer
unbekannten Sprache oder mit unleſerlichen Buchſtaben
geſchrieben, ſo daß man die Worte entweder nicht ver-
ſtuͤnde oder auch nicht einmahl herausbringen koͤnnte,
wuͤrde man denn wohl Urſache haben deswegen, daß
man dieſe Stelle nicht leſen oder verſtehen koͤnnte, die
ganze Weißagung fuͤr verdaͤchtig zu halten, vornemlich
wenn man wuͤßte, daß ſie allen uͤbrigen Umſtaͤnden nach
aufs genaueſte erfuͤllt worden waͤre? — Jn Anſehung
der noch immer fortdaurenden Zerſtreuung der Juden
und ihrer Erhaltung unter derſelben, ſetzte er hinzu,
iſt mir zwar eingefallen, daß ich geleſen habe, wie ſich
eine gewiſſe Nation in Africa, wo ich nicht irre ſo heißen
ſie die Guebern, auf eine aͤhnliche Art in der Zerſtreu-
ung erhalte. Aber ihre Zerſtreuung iſt nicht allgemein
noch vorher geſagt, wie der Juden ihre, ſie leben nicht
unter dem Drucke wie dieſe, und man kann uͤber die
Nachrichten von ihnen nicht gewiß ſeyn.

Meine irdiſchen Geſchaͤffte, fuhr er fort, ſind
nun alle bis auf einige Geſpraͤche mit meinem Defen-
ſor und ein paar Briefe nach, die ich noch ſchreiben will,
geendigt. So koͤnnen wir alſo, ſagte ich, in unſern
Unterredungen mit Zuſammenhang und Ordnung fortfah-
ren. Laſſen Sie uns nun die uͤbrige Zeit gewiſſenhaft
auf die Sache Jhrer Seeligkeit verwenden. Das will
ich gewiß, antwortete er, ſehr ernſtlich thun. Jch bin,

Gottlob,
K
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[145/0157] hat, die um die Zeit der Zerſtoͤrung Jeruſalems geſche- hen ſollten. Aber alles uͤbrige, antwortete ich, wird Jhnen deſto deutlicher geweſen ſeyn, und Sie werden es durch den Erfolg nach allen Umſtaͤnden erfuͤllt gefunden haben? “Jch muß geſtehen dieſe Uebereinſtimmung der Begebenheiten mit der Weißagung iſt ſehr entſcheidend fuͤr das Chriſtenthum.„ Und bleibt es auch, wenn gleich einige Stellen der Weißagung dunkel ſind. Stel- len Sie ſich vor, dieſe dunkeln Ausdruͤcke waͤren in einer unbekannten Sprache oder mit unleſerlichen Buchſtaben geſchrieben, ſo daß man die Worte entweder nicht ver- ſtuͤnde oder auch nicht einmahl herausbringen koͤnnte, wuͤrde man denn wohl Urſache haben deswegen, daß man dieſe Stelle nicht leſen oder verſtehen koͤnnte, die ganze Weißagung fuͤr verdaͤchtig zu halten, vornemlich wenn man wuͤßte, daß ſie allen uͤbrigen Umſtaͤnden nach aufs genaueſte erfuͤllt worden waͤre? — Jn Anſehung der noch immer fortdaurenden Zerſtreuung der Juden und ihrer Erhaltung unter derſelben, ſetzte er hinzu, iſt mir zwar eingefallen, daß ich geleſen habe, wie ſich eine gewiſſe Nation in Africa, wo ich nicht irre ſo heißen ſie die Guebern, auf eine aͤhnliche Art in der Zerſtreu- ung erhalte. Aber ihre Zerſtreuung iſt nicht allgemein noch vorher geſagt, wie der Juden ihre, ſie leben nicht unter dem Drucke wie dieſe, und man kann uͤber die Nachrichten von ihnen nicht gewiß ſeyn. Meine irdiſchen Geſchaͤffte, fuhr er fort, ſind nun alle bis auf einige Geſpraͤche mit meinem Defen- ſor und ein paar Briefe nach, die ich noch ſchreiben will, geendigt. So koͤnnen wir alſo, ſagte ich, in unſern Unterredungen mit Zuſammenhang und Ordnung fortfah- ren. Laſſen Sie uns nun die uͤbrige Zeit gewiſſenhaft auf die Sache Jhrer Seeligkeit verwenden. Das will ich gewiß, antwortete er, ſehr ernſtlich thun. Jch bin, Gottlob, K

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/157>, abgerufen am 25.04.2024.