Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite



phische Buße begnadigen würde. Jch bat ihn mir zu
sagen, ob er das itzt noch für wahrscheinlich hielte. Er
wußte nicht, was er antworten wollte, er fühlte es zu
sehr, daß er keinen Grund zu dieser Hoffnung habe, und
war auch nicht mehr geneigt, wie er es sonst gewesen war,
sich selbst zu betrügen. Sie empfinden es schon, sagte
ich, daß die philosophische Reue nicht hinlänglich ist ein
unruhiges Gewissen zu beruhigen. Weiß Jhnen etwa
Jhre Vernunft ein besseres Mittel dazu vorzuschlagen?
Lassen Sie uns das in unsrer nächsten Unterredung un-
tersuchen. Sie wissen, ich will Jhnen das Recht nicht
streitig machen, sich selbst zu heilen, wenn Sie es kön-
nen, ich will Jhnen die Hülfe des Evangelii nicht auf-
dringen.

Sie werden aber doch wohl thun, Herr Graf,
wenn Sie sich mit den Beweisen des Christenthums vor-
läufig bekannt machen, damit Sie, wenn Sie etwa
finden sollten, daß Sie des Rahts bedürfen, den es
Jhnen anbietet, durch Zweifel an der Wahrheit dessel-
ben nicht aufgehalten werden mögen, ihn bald anzuneh-
men um bald die Würkung desselben empfinden zu kön-
nen. Jch habe Jhnen in dieser Absicht Wests Buch
über die Auferstehung Jesu mitgebracht. Lesen Sie es
mit Aufmerksamkeit, und wenn Sie dann etwa finden
sollten, daß die Auferstehung Jesu alle erforderliche
Glaubwürdigkeit hat, so fragen Sie Jhre Vernunft,
ob Sie sich nicht für verbunden halten müsse, den Aufer-
standenen für einen göttlichen Gesandten an die Men-
schen, und seinen Antrag oder seine Lehre für Wahrheit
zu halten.

Achte
F 4



phiſche Buße begnadigen wuͤrde. Jch bat ihn mir zu
ſagen, ob er das itzt noch fuͤr wahrſcheinlich hielte. Er
wußte nicht, was er antworten wollte, er fuͤhlte es zu
ſehr, daß er keinen Grund zu dieſer Hoffnung habe, und
war auch nicht mehr geneigt, wie er es ſonſt geweſen war,
ſich ſelbſt zu betruͤgen. Sie empfinden es ſchon, ſagte
ich, daß die philoſophiſche Reue nicht hinlaͤnglich iſt ein
unruhiges Gewiſſen zu beruhigen. Weiß Jhnen etwa
Jhre Vernunft ein beſſeres Mittel dazu vorzuſchlagen?
Laſſen Sie uns das in unſrer naͤchſten Unterredung un-
terſuchen. Sie wiſſen, ich will Jhnen das Recht nicht
ſtreitig machen, ſich ſelbſt zu heilen, wenn Sie es koͤn-
nen, ich will Jhnen die Huͤlfe des Evangelii nicht auf-
dringen.

Sie werden aber doch wohl thun, Herr Graf,
wenn Sie ſich mit den Beweiſen des Chriſtenthums vor-
laͤufig bekannt machen, damit Sie, wenn Sie etwa
finden ſollten, daß Sie des Rahts beduͤrfen, den es
Jhnen anbietet, durch Zweifel an der Wahrheit deſſel-
ben nicht aufgehalten werden moͤgen, ihn bald anzuneh-
men um bald die Wuͤrkung deſſelben empfinden zu koͤn-
nen. Jch habe Jhnen in dieſer Abſicht Weſts Buch
uͤber die Auferſtehung Jeſu mitgebracht. Leſen Sie es
mit Aufmerkſamkeit, und wenn Sie dann etwa finden
ſollten, daß die Auferſtehung Jeſu alle erforderliche
Glaubwuͤrdigkeit hat, ſo fragen Sie Jhre Vernunft,
ob Sie ſich nicht fuͤr verbunden halten muͤſſe, den Aufer-
ſtandenen fuͤr einen goͤttlichen Geſandten an die Men-
ſchen, und ſeinen Antrag oder ſeine Lehre fuͤr Wahrheit
zu halten.

Achte
F 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0099" n="87"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
phi&#x017F;che Buße begnadigen wu&#x0364;rde. Jch bat ihn mir zu<lb/>
&#x017F;agen, ob er das itzt noch fu&#x0364;r wahr&#x017F;cheinlich hielte. Er<lb/>
wußte nicht, was er antworten wollte, er fu&#x0364;hlte es zu<lb/>
&#x017F;ehr, daß er keinen Grund zu die&#x017F;er Hoffnung habe, und<lb/>
war auch nicht mehr geneigt, wie er es &#x017F;on&#x017F;t gewe&#x017F;en war,<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu betru&#x0364;gen. Sie empfinden es &#x017F;chon, &#x017F;agte<lb/>
ich, daß die philo&#x017F;ophi&#x017F;che Reue nicht hinla&#x0364;nglich i&#x017F;t ein<lb/>
unruhiges Gewi&#x017F;&#x017F;en zu beruhigen. Weiß Jhnen etwa<lb/>
Jhre Vernunft ein be&#x017F;&#x017F;eres Mittel dazu vorzu&#x017F;chlagen?<lb/>
La&#x017F;&#x017F;en Sie uns das in un&#x017F;rer na&#x0364;ch&#x017F;ten Unterredung un-<lb/>
ter&#x017F;uchen. Sie wi&#x017F;&#x017F;en, ich will Jhnen das Recht nicht<lb/>
&#x017F;treitig machen, &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu heilen, wenn Sie es ko&#x0364;n-<lb/>
nen, ich will Jhnen die Hu&#x0364;lfe des Evangelii nicht auf-<lb/>
dringen.</p><lb/>
        <p>Sie werden aber doch wohl thun, Herr Graf,<lb/>
wenn Sie &#x017F;ich mit den Bewei&#x017F;en des Chri&#x017F;tenthums vor-<lb/>
la&#x0364;ufig bekannt machen, damit Sie, wenn Sie etwa<lb/>
finden &#x017F;ollten, daß Sie des Rahts bedu&#x0364;rfen, den es<lb/>
Jhnen anbietet, durch Zweifel an der Wahrheit de&#x017F;&#x017F;el-<lb/>
ben nicht aufgehalten werden mo&#x0364;gen, ihn bald anzuneh-<lb/>
men um bald die Wu&#x0364;rkung de&#x017F;&#x017F;elben empfinden zu ko&#x0364;n-<lb/>
nen. Jch habe Jhnen in die&#x017F;er Ab&#x017F;icht We&#x017F;ts Buch<lb/>
u&#x0364;ber die Aufer&#x017F;tehung Je&#x017F;u mitgebracht. Le&#x017F;en Sie es<lb/>
mit Aufmerk&#x017F;amkeit, und wenn Sie dann etwa finden<lb/>
&#x017F;ollten, daß die Aufer&#x017F;tehung Je&#x017F;u alle erforderliche<lb/>
Glaubwu&#x0364;rdigkeit hat, &#x017F;o fragen Sie Jhre Vernunft,<lb/>
ob Sie &#x017F;ich nicht fu&#x0364;r verbunden halten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, den Aufer-<lb/>
&#x017F;tandenen fu&#x0364;r einen go&#x0364;ttlichen Ge&#x017F;andten an die Men-<lb/>
&#x017F;chen, und &#x017F;einen Antrag oder &#x017F;eine Lehre fu&#x0364;r Wahrheit<lb/>
zu halten.</p>
      </div><lb/>
      <fw place="bottom" type="sig">F 4</fw>
      <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Achte</hi> </fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0099] phiſche Buße begnadigen wuͤrde. Jch bat ihn mir zu ſagen, ob er das itzt noch fuͤr wahrſcheinlich hielte. Er wußte nicht, was er antworten wollte, er fuͤhlte es zu ſehr, daß er keinen Grund zu dieſer Hoffnung habe, und war auch nicht mehr geneigt, wie er es ſonſt geweſen war, ſich ſelbſt zu betruͤgen. Sie empfinden es ſchon, ſagte ich, daß die philoſophiſche Reue nicht hinlaͤnglich iſt ein unruhiges Gewiſſen zu beruhigen. Weiß Jhnen etwa Jhre Vernunft ein beſſeres Mittel dazu vorzuſchlagen? Laſſen Sie uns das in unſrer naͤchſten Unterredung un- terſuchen. Sie wiſſen, ich will Jhnen das Recht nicht ſtreitig machen, ſich ſelbſt zu heilen, wenn Sie es koͤn- nen, ich will Jhnen die Huͤlfe des Evangelii nicht auf- dringen. Sie werden aber doch wohl thun, Herr Graf, wenn Sie ſich mit den Beweiſen des Chriſtenthums vor- laͤufig bekannt machen, damit Sie, wenn Sie etwa finden ſollten, daß Sie des Rahts beduͤrfen, den es Jhnen anbietet, durch Zweifel an der Wahrheit deſſel- ben nicht aufgehalten werden moͤgen, ihn bald anzuneh- men um bald die Wuͤrkung deſſelben empfinden zu koͤn- nen. Jch habe Jhnen in dieſer Abſicht Weſts Buch uͤber die Auferſtehung Jeſu mitgebracht. Leſen Sie es mit Aufmerkſamkeit, und wenn Sie dann etwa finden ſollten, daß die Auferſtehung Jeſu alle erforderliche Glaubwuͤrdigkeit hat, ſo fragen Sie Jhre Vernunft, ob Sie ſich nicht fuͤr verbunden halten muͤſſe, den Aufer- ſtandenen fuͤr einen goͤttlichen Geſandten an die Men- ſchen, und ſeinen Antrag oder ſeine Lehre fuͤr Wahrheit zu halten. Achte F 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/99
Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/99>, abgerufen am 16.04.2024.