Hab 'n Jäger, lieb ihn als meinen Sohn, ist Holzgerecht und versteht sich aufs Weid- werk, 'n praver Junge, hat 'n gerades, or- dentliches, verständiges, treues, gesetztes Gesicht. Mit dem zog ich in aller Früh' zu Holz', war 'n heitrer Frühlingsmorgen, recht gemacht dazu, die Phantasey anzufeuern. Wie wir beyd' an der Brahne des Waldes so vor uns hinwandelten, schwebten mir all' die Gestalten vor, die ich Tages vorher, bey meinem Gutsnachbar, Kapitän Ram- bold observiret hatte, und stieg allgemach allerley Konterfey in meiner Jmagination empor, wie die leichten Nebel unten aus dem Thal' an den Horizont heraufzogen, und allerley Wölklein formten, darüber hatt' ich so meine Betrachtung. Philipp spe- kulirt' auch auf seine Manier, über die Fir- ten des Wildes, die er im Thau und im feuchten Erdreich eingedruckt fand. Fuhr
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Am Tage Pancratii. Dialog.
Hab ’n Jaͤger, lieb ihn als meinen Sohn, iſt Holzgerecht und verſteht ſich aufs Weid- werk, ’n praver Junge, hat ’n gerades, or- dentliches, verſtaͤndiges, treues, geſetztes Geſicht. Mit dem zog ich in aller Fruͤh’ zu Holz’, war ’n heitrer Fruͤhlingsmorgen, recht gemacht dazu, die Phantaſey anzufeuern. Wie wir beyd’ an der Brahne des Waldes ſo vor uns hinwandelten, ſchwebten mir all’ die Geſtalten vor, die ich Tages vorher, bey meinem Gutsnachbar, Kapitaͤn Ram- bold obſerviret hatte, und ſtieg allgemach allerley Konterfey in meiner Jmagination empor, wie die leichten Nebel unten aus dem Thal’ an den Horizont heraufzogen, und allerley Woͤlklein formten, daruͤber hatt’ ich ſo meine Betrachtung. Philipp ſpe- kulirt’ auch auf ſeine Manier, uͤber die Fir- ten des Wildes, die er im Thau und im feuchten Erdreich eingedruckt fand. Fuhr
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Am Tage Pancratii.
Dialog.
Hab ’n Jaͤger, lieb ihn als meinen Sohn,
iſt Holzgerecht und verſteht ſich aufs Weid-
werk, ’n praver Junge, hat ’n gerades, or-
dentliches, verſtaͤndiges, treues, geſetztes
Geſicht. Mit dem zog ich in aller Fruͤh’ zu
Holz’, war ’n heitrer Fruͤhlingsmorgen, recht
gemacht dazu, die Phantaſey anzufeuern.
Wie wir beyd’ an der Brahne des Waldes
ſo vor uns hinwandelten, ſchwebten mir all’
die Geſtalten vor, die ich Tages vorher,
bey meinem Gutsnachbar, Kapitaͤn Ram-
bold obſerviret hatte, und ſtieg allgemach
allerley Konterfey in meiner Jmagination
empor, wie die leichten Nebel unten aus
dem Thal’ an den Horizont heraufzogen,
und allerley Woͤlklein formten, daruͤber hatt’
ich ſo meine Betrachtung. Philipp ſpe-
kulirt’ auch auf ſeine Manier, uͤber die Fir-
ten des Wildes, die er im Thau und im
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/35>, abgerufen am 03.12.2023.
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