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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

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mann, ungeachtet seiner großen physiogno-
mischen Unwissenheit, für den glücklichsten
Sterblichen diesseits des Mondes zu preis-
sen: denn ein Ehemann, der nach vielen
Jahren sein Liebesglück noch so lebhaft fühlt,
daß er sich mit Jdealen von seiner Gattin
in ihrer Abwesenheit unterhält, ist wahrlich
eine seltne Erscheinung!

Endlich nutzt ich die Erfindung der Sil-
houetten-Malerey auf Porzellan, weil ich mich
zufälliger Weis' an Ort und Stelle befand,
wo ich in der Mutterfabrik des deutschen Por-
zellanwesens dergleichen Arbeit leicht konnt
fertigen lassen. Säumt deshalb nicht, meine
Bestellung zu machen, und erhielt zween
Tage drauf den Chocolatenbecher mit der
Sophie Silhouett', umschwebt von einer
Guirlande von Blümlein vergiß mein nicht,
alles gar natürlich und niedlich. Worauf ich
zusammenpackt, und weil hier meines Blei-
bens nicht länger war, von dannen zog.

Drit-
K 3

mann, ungeachtet ſeiner großen phyſiogno-
miſchen Unwiſſenheit, fuͤr den gluͤcklichſten
Sterblichen dieſſeits des Mondes zu preiſ-
ſen: denn ein Ehemann, der nach vielen
Jahren ſein Liebesgluͤck noch ſo lebhaft fuͤhlt,
daß er ſich mit Jdealen von ſeiner Gattin
in ihrer Abweſenheit unterhaͤlt, iſt wahrlich
eine ſeltne Erſcheinung!

Endlich nutzt ich die Erfindung der Sil-
houetten-Malerey auf Porzellan, weil ich mich
zufaͤlliger Weiſ’ an Ort und Stelle befand,
wo ich in der Mutterfabrik des deutſchen Por-
zellanweſens dergleichen Arbeit leicht konnt
fertigen laſſen. Saͤumt deshalb nicht, meine
Beſtellung zu machen, und erhielt zween
Tage drauf den Chocolatenbecher mit der
Sophie Silhouett’, umſchwebt von einer
Guirlande von Bluͤmlein vergiß mein nicht,
alles gar natuͤrlich und niedlich. Worauf ich
zuſammenpackt, und weil hier meines Blei-
bens nicht laͤnger war, von dannen zog.

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K 3
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[149/0149] mann, ungeachtet ſeiner großen phyſiogno- miſchen Unwiſſenheit, fuͤr den gluͤcklichſten Sterblichen dieſſeits des Mondes zu preiſ- ſen: denn ein Ehemann, der nach vielen Jahren ſein Liebesgluͤck noch ſo lebhaft fuͤhlt, daß er ſich mit Jdealen von ſeiner Gattin in ihrer Abweſenheit unterhaͤlt, iſt wahrlich eine ſeltne Erſcheinung! Endlich nutzt ich die Erfindung der Sil- houetten-Malerey auf Porzellan, weil ich mich zufaͤlliger Weiſ’ an Ort und Stelle befand, wo ich in der Mutterfabrik des deutſchen Por- zellanweſens dergleichen Arbeit leicht konnt fertigen laſſen. Saͤumt deshalb nicht, meine Beſtellung zu machen, und erhielt zween Tage drauf den Chocolatenbecher mit der Sophie Silhouett’, umſchwebt von einer Guirlande von Bluͤmlein vergiß mein nicht, alles gar natuͤrlich und niedlich. Worauf ich zuſammenpackt, und weil hier meines Blei- bens nicht laͤnger war, von dannen zog. Drit- K 3

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/149>, abgerufen am 28.03.2024.