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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

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Warnung mitzutheilen. Jch nennte das
Kniffgenie, mit den Aeuserlichkeiten des
ehrlichen frommen Mannes, einen Heuch-
ler, einen Schalk, einen Geizhals; sprach
frey und offenbar: du siehst aus wie ein
biedrer rechtschaffener Kerl; bist aber ein
Schelm im Herzen. -- Und mir wieder-
fuhr pünktlich, was Seher Lichtenberg ge-
weissagt hat: diese freymüthige Anrede wur-
de iederzeit mit geballter Faust beantwortet.
An einem öffentlichen Orte, wo ich von ein
paar Glücksrittern vor ungefehr einem Jah-
re aufgefordert wurde, ihrer Visage, wie sie
sagten, die Nativität zu stellen, sagt ich
nach meiner Ueberzeugung: sie hätten bey-
de die Physiognomie falscher betrüglicher
Spieler, und in dem nämlichen Augenblick
befand ich mich unter dem Tische, in einer
so mißlichen Lage, daß ich ohne die Dazwi-
schenkunft des Wirthes, schwerlich iemals
wieder auf die Füße gekommen wär. Jch

empfin-

Warnung mitzutheilen. Jch nennte das
Kniffgenie, mit den Aeuſerlichkeiten des
ehrlichen frommen Mannes, einen Heuch-
ler, einen Schalk, einen Geizhals; ſprach
frey und offenbar: du ſiehſt aus wie ein
biedrer rechtſchaffener Kerl; biſt aber ein
Schelm im Herzen. — Und mir wieder-
fuhr puͤnktlich, was Seher Lichtenberg ge-
weiſſagt hat: dieſe freymuͤthige Anrede wur-
de iederzeit mit geballter Fauſt beantwortet.
An einem oͤffentlichen Orte, wo ich von ein
paar Gluͤcksrittern vor ungefehr einem Jah-
re aufgefordert wurde, ihrer Viſage, wie ſie
ſagten, die Nativitaͤt zu ſtellen, ſagt ich
nach meiner Ueberzeugung: ſie haͤtten bey-
de die Phyſiognomie falſcher betruͤglicher
Spieler, und in dem naͤmlichen Augenblick
befand ich mich unter dem Tiſche, in einer
ſo mißlichen Lage, daß ich ohne die Dazwi-
ſchenkunft des Wirthes, ſchwerlich iemals
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[59/0059] Warnung mitzutheilen. Jch nennte das Kniffgenie, mit den Aeuſerlichkeiten des ehrlichen frommen Mannes, einen Heuch- ler, einen Schalk, einen Geizhals; ſprach frey und offenbar: du ſiehſt aus wie ein biedrer rechtſchaffener Kerl; biſt aber ein Schelm im Herzen. — Und mir wieder- fuhr puͤnktlich, was Seher Lichtenberg ge- weiſſagt hat: dieſe freymuͤthige Anrede wur- de iederzeit mit geballter Fauſt beantwortet. An einem oͤffentlichen Orte, wo ich von ein paar Gluͤcksrittern vor ungefehr einem Jah- re aufgefordert wurde, ihrer Viſage, wie ſie ſagten, die Nativitaͤt zu ſtellen, ſagt ich nach meiner Ueberzeugung: ſie haͤtten bey- de die Phyſiognomie falſcher betruͤglicher Spieler, und in dem naͤmlichen Augenblick befand ich mich unter dem Tiſche, in einer ſo mißlichen Lage, daß ich ohne die Dazwi- ſchenkunft des Wirthes, ſchwerlich iemals wieder auf die Fuͤße gekommen waͤr. Jch empfin-

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/59>, abgerufen am 28.03.2024.