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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

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an den Gouverneur genügte. Es ward von
diesem in meiner Gegenwart geöffnet, und
zugleich entspann sich zwischen uns eine ver-
trauliche Unterhaltung, worinn ich mit dem
Ehrenmanne um so weniger sonderliche Um-
stände machte, als sein Aufzug in einem lin-
nenen Schlafrock und einer schmierigen Schlaf-
mütze eben nicht geeignet war, einen großen
Respect einzuflößen; so wie er mir denn
überhaupt als eine gute grundehrliche Haut,
und was man einen alten deutschen Degen.
knopf nennt, erschien. Auch er selbst schien
das Cerimoniell wenig zu lieben, und lud
mich gutmüthig ein, ihm die Briefe sortiren
zu helfen, da deren verschiedene nach den an-
dern holländischen Forts auf der Küste abzu-
schicken waren.

Bei diesem Geschäft geriethen wir noch
tiefer in's Plaudern, und ich erzählte ihm,
was sich mit dem portugiesischen Schiffe be-
geben und wovon ich an dessen Borde Au-
genzeuge gewesen. Plötzlich gerieth mein
Mann in Feuer und ward ganz ein Andrer,
als er kaum ein paar Minuten zuvor gewe-
sen. "Das ist ein ernsthafter Casus"; sagte
er mit Gravität -- "und dem müssen wir
auf den Grund kommen!" -- Zugleich
nöthigte er mich, in ein anstoßendes Zimmer
zu treten und dort den ganzen Vorfall, mit
all seinen besondern Umständen, zu Papier

an den Gouverneur genuͤgte. Es ward von
dieſem in meiner Gegenwart geoͤffnet, und
zugleich entſpann ſich zwiſchen uns eine ver-
trauliche Unterhaltung, worinn ich mit dem
Ehrenmanne um ſo weniger ſonderliche Um-
ſtaͤnde machte, als ſein Aufzug in einem lin-
nenen Schlafrock und einer ſchmierigen Schlaf-
muͤtze eben nicht geeignet war, einen großen
Reſpect einzufloͤßen; ſo wie er mir denn
uͤberhaupt als eine gute grundehrliche Haut,
und was man einen alten deutſchen Degen.
knopf nennt, erſchien. Auch er ſelbſt ſchien
das Cerimoniell wenig zu lieben, und lud
mich gutmuͤthig ein, ihm die Briefe ſortiren
zu helfen, da deren verſchiedene nach den an-
dern hollaͤndiſchen Forts auf der Kuͤſte abzu-
ſchicken waren.

Bei dieſem Geſchaͤft geriethen wir noch
tiefer in’s Plaudern, und ich erzaͤhlte ihm,
was ſich mit dem portugieſiſchen Schiffe be-
geben und wovon ich an deſſen Borde Au-
genzeuge geweſen. Ploͤtzlich gerieth mein
Mann in Feuer und ward ganz ein Andrer,
als er kaum ein paar Minuten zuvor gewe-
ſen. „Das iſt ein ernſthafter Caſus‟; ſagte
er mit Gravitaͤt — „und dem muͤſſen wir
auf den Grund kommen!‟ — Zugleich
noͤthigte er mich, in ein anſtoßendes Zimmer
zu treten und dort den ganzen Vorfall, mit
all ſeinen beſondern Umſtaͤnden, zu Papier

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[21/0025] an den Gouverneur genuͤgte. Es ward von dieſem in meiner Gegenwart geoͤffnet, und zugleich entſpann ſich zwiſchen uns eine ver- trauliche Unterhaltung, worinn ich mit dem Ehrenmanne um ſo weniger ſonderliche Um- ſtaͤnde machte, als ſein Aufzug in einem lin- nenen Schlafrock und einer ſchmierigen Schlaf- muͤtze eben nicht geeignet war, einen großen Reſpect einzufloͤßen; ſo wie er mir denn uͤberhaupt als eine gute grundehrliche Haut, und was man einen alten deutſchen Degen. knopf nennt, erſchien. Auch er ſelbſt ſchien das Cerimoniell wenig zu lieben, und lud mich gutmuͤthig ein, ihm die Briefe ſortiren zu helfen, da deren verſchiedene nach den an- dern hollaͤndiſchen Forts auf der Kuͤſte abzu- ſchicken waren. Bei dieſem Geſchaͤft geriethen wir noch tiefer in’s Plaudern, und ich erzaͤhlte ihm, was ſich mit dem portugieſiſchen Schiffe be- geben und wovon ich an deſſen Borde Au- genzeuge geweſen. Ploͤtzlich gerieth mein Mann in Feuer und ward ganz ein Andrer, als er kaum ein paar Minuten zuvor gewe- ſen. „Das iſt ein ernſthafter Caſus‟; ſagte er mit Gravitaͤt — „und dem muͤſſen wir auf den Grund kommen!‟ — Zugleich noͤthigte er mich, in ein anſtoßendes Zimmer zu treten und dort den ganzen Vorfall, mit all ſeinen beſondern Umſtaͤnden, zu Papier

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Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/25>, abgerufen am 29.03.2024.