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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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auszurichten sey, und daß er ihn, auf irgend eine
Art, müsse zu beugen suchen. Er hatte ausgerech-
net, daß sein Vater ihn liebe und sonst eben nicht
allzu standhaft sey. Er hatte also, die Nacht über,
alle schwachen Seiten, die er seinem Vater abge-
winnen könnte, ausfündig zu machen gesucht, und
griff ihn diesen Morgen, mit einer Jnbrunst und
mit einer Beredsamkeit an, die er für unwider-
stehlich hielt.

Er betrog sich aber. Der Vater runzelte, sel-
nem angenommenen Entschlusse gemäß, die Stirn,
und gebot ihm in einem| verdrießlichen Tone:
,Von dieser Sache kein Wort mehr zu reden, weil
"es sich für ihn einmahl nicht schicke, ein Mäd-
"chen ohne alles Vermögen zu heurathen.'

Der Sohn wolte Einwendungen machen, aber
der Vater setzte trockner Weise hinzu:

,Die Sache sey so klar, daß er Marianens
"eignen Vater zum Schiedsrichter annehmen wolle.'

Sebaldus fiel ihm völlig bey. Der junge
Säugling, dem, seiner schönen Rede ungeachtet,
von der er sich die kräftigste Wirkung versprochen
hatte, von beiden zukünftigen Schwiegervätern,
seine Braut abgesprochen wurde, stand starr da,
wie eine Bildsäule.

Der
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auszurichten ſey, und daß er ihn, auf irgend eine
Art, muͤſſe zu beugen ſuchen. Er hatte ausgerech-
net, daß ſein Vater ihn liebe und ſonſt eben nicht
allzu ſtandhaft ſey. Er hatte alſo, die Nacht uͤber,
alle ſchwachen Seiten, die er ſeinem Vater abge-
winnen koͤnnte, ausfuͤndig zu machen geſucht, und
griff ihn dieſen Morgen, mit einer Jnbrunſt und
mit einer Beredſamkeit an, die er fuͤr unwider-
ſtehlich hielt.

Er betrog ſich aber. Der Vater runzelte, ſel-
nem angenommenen Entſchluſſe gemaͤß, die Stirn,
und gebot ihm in einem| verdrießlichen Tone:
‚Von dieſer Sache kein Wort mehr zu reden, weil
„es ſich fuͤr ihn einmahl nicht ſchicke, ein Maͤd-
„chen ohne alles Vermoͤgen zu heurathen.‛

Der Sohn wolte Einwendungen machen, aber
der Vater ſetzte trockner Weiſe hinzu:

‚Die Sache ſey ſo klar, daß er Marianens
„eignen Vater zum Schiedsrichter annehmen wolle.‛

Sebaldus fiel ihm voͤllig bey. Der junge
Saͤugling, dem, ſeiner ſchoͤnen Rede ungeachtet,
von der er ſich die kraͤftigſte Wirkung verſprochen
hatte, von beiden zukuͤnftigen Schwiegervaͤtern,
ſeine Braut abgeſprochen wurde, ſtand ſtarr da,
wie eine Bildſaͤule.

Der
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[149[148]/0163] auszurichten ſey, und daß er ihn, auf irgend eine Art, muͤſſe zu beugen ſuchen. Er hatte ausgerech- net, daß ſein Vater ihn liebe und ſonſt eben nicht allzu ſtandhaft ſey. Er hatte alſo, die Nacht uͤber, alle ſchwachen Seiten, die er ſeinem Vater abge- winnen koͤnnte, ausfuͤndig zu machen geſucht, und griff ihn dieſen Morgen, mit einer Jnbrunſt und mit einer Beredſamkeit an, die er fuͤr unwider- ſtehlich hielt. Er betrog ſich aber. Der Vater runzelte, ſel- nem angenommenen Entſchluſſe gemaͤß, die Stirn, und gebot ihm in einem| verdrießlichen Tone: ‚Von dieſer Sache kein Wort mehr zu reden, weil „es ſich fuͤr ihn einmahl nicht ſchicke, ein Maͤd- „chen ohne alles Vermoͤgen zu heurathen.‛ Der Sohn wolte Einwendungen machen, aber der Vater ſetzte trockner Weiſe hinzu: ‚Die Sache ſey ſo klar, daß er Marianens „eignen Vater zum Schiedsrichter annehmen wolle.‛ Sebaldus fiel ihm voͤllig bey. Der junge Saͤugling, dem, ſeiner ſchoͤnen Rede ungeachtet, von der er ſich die kraͤftigſte Wirkung verſprochen hatte, von beiden zukuͤnftigen Schwiegervaͤtern, ſeine Braut abgeſprochen wurde, ſtand ſtarr da, wie eine Bildſaͤule. Der K 4

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 149[148]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/163>, abgerufen am 29.03.2024.