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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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betrachteten ihn aufmerksam, besonders schien der
älteste von beiden sehr bewegt, hob endlich die Hände
empor, that einen Ausruf, und wolte auf den Sebal-
dus
zugehen. Der andere hielt ihn zurück, und
man hörte, daß er sagte: ,Last 's seyn, Jhr wür-
'det 's sonst noch schlimmer machen.' Sie kehrten
sich darauf um, und sprachen einander ins Ohr.

Sebaldus, in frommer Entzückung, hatte diesen
Vorfall nicht einmahl bemerkt, aber seine Gefährten
fiengen an, die Köpfe zusammen zu stecken. Dieß
war genug für die argwöhnischen Wächter, den gan-
zen Trupp sogleich aufstehen zu lassen, und ihn nach
Hause zu führen. Die beiden Geistlichen, nachdem
der Zug sich in etwas entfernt hatte, folgten demsel-
ben von weiten, bis an des Seelenverkäufers Haus,
das sie auf diese Art entdeckten.

Fünfter Abschnitt.

Der eine dieser Geistlichen, der den Sebaldus
hatte anreden wollen, war niemand anders als
der rechtschaffene Prediger aus Alkmaar, der der Erb-
schaft eines Waisen wegen, eine Reise nach Amster-
dam hatte thun müssen, und bey diesem zufälligen Spa-
ziergange, den Mann, den er schon einmahl aus dem

Elende
D 2



betrachteten ihn aufmerkſam, beſonders ſchien der
aͤlteſte von beiden ſehr bewegt, hob endlich die Haͤnde
empor, that einen Ausruf, und wolte auf den Sebal-
dus
zugehen. Der andere hielt ihn zuruͤck, und
man hoͤrte, daß er ſagte: ‚Laſt ’s ſeyn, Jhr wuͤr-
’det ’s ſonſt noch ſchlimmer machen.‛ Sie kehrten
ſich darauf um, und ſprachen einander ins Ohr.

Sebaldus, in frommer Entzuͤckung, hatte dieſen
Vorfall nicht einmahl bemerkt, aber ſeine Gefaͤhrten
fiengen an, die Koͤpfe zuſammen zu ſtecken. Dieß
war genug fuͤr die argwoͤhniſchen Waͤchter, den gan-
zen Trupp ſogleich aufſtehen zu laſſen, und ihn nach
Hauſe zu fuͤhren. Die beiden Geiſtlichen, nachdem
der Zug ſich in etwas entfernt hatte, folgten demſel-
ben von weiten, bis an des Seelenverkaͤufers Haus,
das ſie auf dieſe Art entdeckten.

Fuͤnfter Abſchnitt.

Der eine dieſer Geiſtlichen, der den Sebaldus
hatte anreden wollen, war niemand anders als
der rechtſchaffene Prediger aus Alkmaar, der der Erb-
ſchaft eines Waiſen wegen, eine Reiſe nach Amſter-
dam hatte thun muͤſſen, und bey dieſem zufaͤlligen Spa-
ziergange, den Mann, den er ſchon einmahl aus dem

Elende
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[49[48]/0057] betrachteten ihn aufmerkſam, beſonders ſchien der aͤlteſte von beiden ſehr bewegt, hob endlich die Haͤnde empor, that einen Ausruf, und wolte auf den Sebal- dus zugehen. Der andere hielt ihn zuruͤck, und man hoͤrte, daß er ſagte: ‚Laſt ’s ſeyn, Jhr wuͤr- ’det ’s ſonſt noch ſchlimmer machen.‛ Sie kehrten ſich darauf um, und ſprachen einander ins Ohr. Sebaldus, in frommer Entzuͤckung, hatte dieſen Vorfall nicht einmahl bemerkt, aber ſeine Gefaͤhrten fiengen an, die Koͤpfe zuſammen zu ſtecken. Dieß war genug fuͤr die argwoͤhniſchen Waͤchter, den gan- zen Trupp ſogleich aufſtehen zu laſſen, und ihn nach Hauſe zu fuͤhren. Die beiden Geiſtlichen, nachdem der Zug ſich in etwas entfernt hatte, folgten demſel- ben von weiten, bis an des Seelenverkaͤufers Haus, das ſie auf dieſe Art entdeckten. Fuͤnfter Abſchnitt. Der eine dieſer Geiſtlichen, der den Sebaldus hatte anreden wollen, war niemand anders als der rechtſchaffene Prediger aus Alkmaar, der der Erb- ſchaft eines Waiſen wegen, eine Reiſe nach Amſter- dam hatte thun muͤſſen, und bey dieſem zufaͤlligen Spa- ziergange, den Mann, den er ſchon einmahl aus dem Elende D 2

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 49[48]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/57>, abgerufen am 18.04.2024.