Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

forscht hatte, sie aber als die Hauptstadt Latiums kannte,
wollte nur die Heimath dieser nördlichen Siculer bezeich-
nen. Neu und ohne Werth war sichtbar die Chronik von
Kuma, welche von einer alten, von griechischen Pelasgern
gestifteten, ursprünglich Valentia genannten Stadt er-
zählte, die nachher durch Euander den griechisch gleichbe-
deutenden Nahmen Roma erhalten habe 79).

Vor Timäus von Sicilien waren die Griechen welche
der Stiftung Roms gedachten einig in ihrer Meinung, daß
die Stadt unmittelbar oder in den nächsten Menschenal-
tern nach den Troischen Zeiten erbaut sey. Darin aber
theilten sie sich, daß zwar die meisten die Troer als ihre
Stifter ansahen, einige hingegen Griechen: endlich andere,
vermischte Haufen beyder Nationen.

Die Anhänger der ersten Meinung nannten theils
Aeneas selbst als Erbauer, theils Romulus, und diesen
bald seinen Sohn (nach einigen als Kind nach Italien ge-
führt, nach andern von einer italischen Mutter gebohren),
bald aber seinen Enkel. Kallias, der Agathokles Ge-
schichte geschrieben hat, nannte Romulus und Romus
Gründer der Stadt, Söhne des Königs Latinus und der
Trojanerinn Roma, welche die Frauen überredet batte,
um dem Umherirren ein Ende zu machen, die Schiffe an-
zuzünden: dieselbe Fabel deutet Lykophron an 80). Schon
Kephalon von Gergithes, der älteste von den angeführten

79) Bey Festus.
80) v. 1252. 53. wo man schlechterdings nicht mit einigen
Handschriften statt exokhon Romes genos -- ex. Rome g.
lesen darf.

forſcht hatte, ſie aber als die Hauptſtadt Latiums kannte,
wollte nur die Heimath dieſer noͤrdlichen Siculer bezeich-
nen. Neu und ohne Werth war ſichtbar die Chronik von
Kuma, welche von einer alten, von griechiſchen Pelasgern
geſtifteten, urſpruͤnglich Valentia genannten Stadt er-
zaͤhlte, die nachher durch Euander den griechiſch gleichbe-
deutenden Nahmen Roma erhalten habe 79).

Vor Timaͤus von Sicilien waren die Griechen welche
der Stiftung Roms gedachten einig in ihrer Meinung, daß
die Stadt unmittelbar oder in den naͤchſten Menſchenal-
tern nach den Troiſchen Zeiten erbaut ſey. Darin aber
theilten ſie ſich, daß zwar die meiſten die Troer als ihre
Stifter anſahen, einige hingegen Griechen: endlich andere,
vermiſchte Haufen beyder Nationen.

Die Anhaͤnger der erſten Meinung nannten theils
Aeneas ſelbſt als Erbauer, theils Romulus, und dieſen
bald ſeinen Sohn (nach einigen als Kind nach Italien ge-
fuͤhrt, nach andern von einer italiſchen Mutter gebohren),
bald aber ſeinen Enkel. Kallias, der Agathokles Ge-
ſchichte geſchrieben hat, nannte Romulus und Romus
Gruͤnder der Stadt, Soͤhne des Koͤnigs Latinus und der
Trojanerinn Roma, welche die Frauen uͤberredet batte,
um dem Umherirren ein Ende zu machen, die Schiffe an-
zuzuͤnden: dieſelbe Fabel deutet Lykophron an 80). Schon
Kephalon von Gergithes, der aͤlteſte von den angefuͤhrten

79) Bey Feſtus.
80) v. 1252. 53. wo man ſchlechterdings nicht mit einigen
Handſchriften ſtatt ἔξοχον Ῥώμης γένος — ἔξ. ῥώμη γ.
leſen darf.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0165" n="143"/>
for&#x017F;cht hatte, &#x017F;ie aber als die Haupt&#x017F;tadt Latiums kannte,<lb/>
wollte nur die Heimath die&#x017F;er no&#x0364;rdlichen Siculer bezeich-<lb/>
nen. Neu und ohne Werth war &#x017F;ichtbar die Chronik von<lb/>
Kuma, welche von einer alten, von griechi&#x017F;chen Pelasgern<lb/>
ge&#x017F;tifteten, ur&#x017F;pru&#x0364;nglich Valentia genannten Stadt er-<lb/>
za&#x0364;hlte, die nachher durch Euander den griechi&#x017F;ch gleichbe-<lb/>
deutenden Nahmen Roma erhalten habe <note place="foot" n="79)">Bey Fe&#x017F;tus.</note>.</p><lb/>
          <p>Vor Tima&#x0364;us von Sicilien waren die Griechen welche<lb/>
der Stiftung Roms gedachten einig in ihrer Meinung, daß<lb/>
die Stadt unmittelbar oder in den na&#x0364;ch&#x017F;ten Men&#x017F;chenal-<lb/>
tern nach den Troi&#x017F;chen Zeiten erbaut &#x017F;ey. Darin aber<lb/>
theilten &#x017F;ie &#x017F;ich, daß zwar die mei&#x017F;ten die Troer als ihre<lb/>
Stifter an&#x017F;ahen, einige hingegen Griechen: endlich andere,<lb/>
vermi&#x017F;chte Haufen beyder Nationen.</p><lb/>
          <p>Die Anha&#x0364;nger der er&#x017F;ten Meinung nannten theils<lb/>
Aeneas &#x017F;elb&#x017F;t als Erbauer, theils Romulus, und die&#x017F;en<lb/>
bald &#x017F;einen Sohn (nach einigen als Kind nach Italien ge-<lb/>
fu&#x0364;hrt, nach andern von einer itali&#x017F;chen Mutter gebohren),<lb/>
bald aber &#x017F;einen Enkel. Kallias, der Agathokles Ge-<lb/>
&#x017F;chichte ge&#x017F;chrieben hat, nannte Romulus und Romus<lb/>
Gru&#x0364;nder der Stadt, So&#x0364;hne des Ko&#x0364;nigs Latinus und der<lb/>
Trojanerinn Roma, welche die Frauen u&#x0364;berredet batte,<lb/>
um dem Umherirren ein Ende zu machen, die Schiffe an-<lb/>
zuzu&#x0364;nden: die&#x017F;elbe Fabel deutet Lykophron an <note place="foot" n="80)"><hi rendition="#aq">v.</hi> 1252. 53. wo man &#x017F;chlechterdings nicht mit einigen<lb/>
Hand&#x017F;chriften &#x017F;tatt &#x1F14;&#x03BE;&#x03BF;&#x03C7;&#x03BF;&#x03BD; &#x1FEC;&#x03CE;&#x03BC;&#x03B7;&#x03C2; &#x03B3;&#x03AD;&#x03BD;&#x03BF;&#x03C2; &#x2014; &#x1F14;&#x03BE;. &#x1FE5;&#x03CE;&#x03BC;&#x03B7; &#x03B3;.<lb/>
le&#x017F;en darf.</note>. Schon<lb/>
Kephalon von Gergithes, der a&#x0364;lte&#x017F;te von den angefu&#x0364;hrten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[143/0165] forſcht hatte, ſie aber als die Hauptſtadt Latiums kannte, wollte nur die Heimath dieſer noͤrdlichen Siculer bezeich- nen. Neu und ohne Werth war ſichtbar die Chronik von Kuma, welche von einer alten, von griechiſchen Pelasgern geſtifteten, urſpruͤnglich Valentia genannten Stadt er- zaͤhlte, die nachher durch Euander den griechiſch gleichbe- deutenden Nahmen Roma erhalten habe 79). Vor Timaͤus von Sicilien waren die Griechen welche der Stiftung Roms gedachten einig in ihrer Meinung, daß die Stadt unmittelbar oder in den naͤchſten Menſchenal- tern nach den Troiſchen Zeiten erbaut ſey. Darin aber theilten ſie ſich, daß zwar die meiſten die Troer als ihre Stifter anſahen, einige hingegen Griechen: endlich andere, vermiſchte Haufen beyder Nationen. Die Anhaͤnger der erſten Meinung nannten theils Aeneas ſelbſt als Erbauer, theils Romulus, und dieſen bald ſeinen Sohn (nach einigen als Kind nach Italien ge- fuͤhrt, nach andern von einer italiſchen Mutter gebohren), bald aber ſeinen Enkel. Kallias, der Agathokles Ge- ſchichte geſchrieben hat, nannte Romulus und Romus Gruͤnder der Stadt, Soͤhne des Koͤnigs Latinus und der Trojanerinn Roma, welche die Frauen uͤberredet batte, um dem Umherirren ein Ende zu machen, die Schiffe an- zuzuͤnden: dieſelbe Fabel deutet Lykophron an 80). Schon Kephalon von Gergithes, der aͤlteſte von den angefuͤhrten 79) Bey Feſtus. 80) v. 1252. 53. wo man ſchlechterdings nicht mit einigen Handſchriften ſtatt ἔξοχον Ῥώμης γένος — ἔξ. ῥώμη γ. leſen darf.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/165
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/165>, abgerufen am 28.03.2024.