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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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Fremden 81). Volumnius aber verwarf dies als eitle
Deutungen, weil es tuskische Worte wären 82), ein Ur-
theil welches als entscheidend gelten muß, weil er dieser
Sprache mächtig war, und sie schrieb. Waren es aber
tuskische Worte, so waren es auch wohl Nahmen von
Stämmen, in der ganzen Nation gebräuchlich, und der
Nahme der Luceres erinnert höchst wahrscheinlich nicht
bloß durch den Schall an die Lucumonen Etruriens 83).
Daß sie der Ordnung nach als die dritten aufgeführt wer-
den widerlegt dieses mit nichten, denn nach der Erklärung
durch die Abstammung von den verschiedenen Grundvöl-
kern mußten die Stämme welche auf Romulus und Tatius
zurückgeführt wurden, zuerst gestellt werden.

Das römische Patriciat trägt vollkommen das Ge-
präge einer scharf abgesonderten Caste, vorzüglich weil die
Heirathen mit Plebejern ursprünglich ungesetzlich waren.
Die Casteneintheilung war in der alten Welt weit verbrei-
tet, außer Indien und Aegypten, in Persien, wie es
scheint auch in Babylonien, und unverkennbar bey den

81) Varro de L. L. IV. c. 9. Festus im Auszuge s. v.
Lucerenses.
82) Varro a. a. O.
83) Niemand kann eine stärkere Scheu vor etruskischer Sprach-
deutung haben als ich: doch zeigt bey diesem Volk vieles nach
Norden. Den Gott, vielleicht die Götter nannten sie Aesar
(Sueton. Aug. c. 97.); dies erinnert unwiderstehlich an die
Asen: auch bey Lucer denkt man an Luger, Seher: weil
die Patricier allein durch die Auspicien in die Zukunft zu
schauen sich anmaaßten. (Livius IV. c. 6. VI. c. 41.
X. c.
8.)
Erster Theil. P

Fremden 81). Volumnius aber verwarf dies als eitle
Deutungen, weil es tuskiſche Worte waͤren 82), ein Ur-
theil welches als entſcheidend gelten muß, weil er dieſer
Sprache maͤchtig war, und ſie ſchrieb. Waren es aber
tuskiſche Worte, ſo waren es auch wohl Nahmen von
Staͤmmen, in der ganzen Nation gebraͤuchlich, und der
Nahme der Luceres erinnert hoͤchſt wahrſcheinlich nicht
bloß durch den Schall an die Lucumonen Etruriens 83).
Daß ſie der Ordnung nach als die dritten aufgefuͤhrt wer-
den widerlegt dieſes mit nichten, denn nach der Erklaͤrung
durch die Abſtammung von den verſchiedenen Grundvoͤl-
kern mußten die Staͤmme welche auf Romulus und Tatius
zuruͤckgefuͤhrt wurden, zuerſt geſtellt werden.

Das roͤmiſche Patriciat traͤgt vollkommen das Ge-
praͤge einer ſcharf abgeſonderten Caſte, vorzuͤglich weil die
Heirathen mit Plebejern urſpruͤnglich ungeſetzlich waren.
Die Caſteneintheilung war in der alten Welt weit verbrei-
tet, außer Indien und Aegypten, in Perſien, wie es
ſcheint auch in Babylonien, und unverkennbar bey den

81) Varro de L. L. IV. c. 9. Feſtus im Auszuge s. v.
Lucerenses.
82) Varro a. a. O.
83) Niemand kann eine ſtaͤrkere Scheu vor etruskiſcher Sprach-
deutung haben als ich: doch zeigt bey dieſem Volk vieles nach
Norden. Den Gott, vielleicht die Goͤtter nannten ſie Aeſar
(Sueton. Aug. c. 97.); dies erinnert unwiderſtehlich an die
Aſen: auch bey Lucer denkt man an Luger, Seher: weil
die Patricier allein durch die Auſpicien in die Zukunft zu
ſchauen ſich anmaaßten. (Livius IV. c. 6. VI. c. 41.
X. c.
8.)
Erſter Theil. P
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[225/0247] Fremden 81). Volumnius aber verwarf dies als eitle Deutungen, weil es tuskiſche Worte waͤren 82), ein Ur- theil welches als entſcheidend gelten muß, weil er dieſer Sprache maͤchtig war, und ſie ſchrieb. Waren es aber tuskiſche Worte, ſo waren es auch wohl Nahmen von Staͤmmen, in der ganzen Nation gebraͤuchlich, und der Nahme der Luceres erinnert hoͤchſt wahrſcheinlich nicht bloß durch den Schall an die Lucumonen Etruriens 83). Daß ſie der Ordnung nach als die dritten aufgefuͤhrt wer- den widerlegt dieſes mit nichten, denn nach der Erklaͤrung durch die Abſtammung von den verſchiedenen Grundvoͤl- kern mußten die Staͤmme welche auf Romulus und Tatius zuruͤckgefuͤhrt wurden, zuerſt geſtellt werden. Das roͤmiſche Patriciat traͤgt vollkommen das Ge- praͤge einer ſcharf abgeſonderten Caſte, vorzuͤglich weil die Heirathen mit Plebejern urſpruͤnglich ungeſetzlich waren. Die Caſteneintheilung war in der alten Welt weit verbrei- tet, außer Indien und Aegypten, in Perſien, wie es ſcheint auch in Babylonien, und unverkennbar bey den 81) Varro de L. L. IV. c. 9. Feſtus im Auszuge s. v. Lucerenses. 82) Varro a. a. O. 83) Niemand kann eine ſtaͤrkere Scheu vor etruskiſcher Sprach- deutung haben als ich: doch zeigt bey dieſem Volk vieles nach Norden. Den Gott, vielleicht die Goͤtter nannten ſie Aeſar (Sueton. Aug. c. 97.); dies erinnert unwiderſtehlich an die Aſen: auch bey Lucer denkt man an Luger, Seher: weil die Patricier allein durch die Auſpicien in die Zukunft zu ſchauen ſich anmaaßten. (Livius IV. c. 6. VI. c. 41. X. c. 8.) Erſter Theil. P

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/247>, abgerufen am 25.04.2024.