Dictatoren Roms anfänglich nicht also, sondern Heer- meister 33) genannt wurden.
Es gab nicht mehr Candidaten des Senats: die Wahl des zweyten Decemvirats ist sichtbar ganz frey dem Volk überlassen, und so blieben es die folgenden Comitien, wenn der vorsitzende Magistrat seine Macht nicht mißbrauchte.
Die Idee daß die Gesetzgebung der zwölf Tafeln zum Zweck hatte die Nation zu vereinigen wäre wider- legt wenn es wahr wäre daß erst durch sie das Connu- bium der Stände verboten sey. Aber das können wir als einen Wahn des Dionysius schlechthin verwerfen, welcher Verzeichnung des bestehenden Rechts, und Ge- setzgebung verwirrte 34): er fühlte nicht einmal die Un- wahrscheinlichkeit daß dies geschehen seyn solle während eben ein Theil der Decemvirn plebejisch war. Ein sol- ches Gesetz kann nur durch unvordenkliches Herkommen bestehen, nicht eingeführt werden.
Sehr glaublich ist es hingegen daß erst jetzt ein allge- meines Commercium, Veräußerungs- und Erwerbrecht der Gegenstände quiritarisches Eigenthums, zwischen den verschiedenen Ständen eingeführt ward.
Die Fragmente der zwölf Tafeln sind so zufällig erhalten, und so gering, daß sie wenig Belehrung über das bürgerliche und peinliche Recht gewähren welches diese Gesetzgebung enthielt: und diese zerrissenen Bruch-
33)Magister populi. Varro de L. L. IV. c. 14. Cicero de leg. III. c. 5.
34) Dionysius X. c. 60.
Dictatoren Roms anfaͤnglich nicht alſo, ſondern Heer- meiſter 33) genannt wurden.
Es gab nicht mehr Candidaten des Senats: die Wahl des zweyten Decemvirats iſt ſichtbar ganz frey dem Volk uͤberlaſſen, und ſo blieben es die folgenden Comitien, wenn der vorſitzende Magiſtrat ſeine Macht nicht mißbrauchte.
Die Idee daß die Geſetzgebung der zwoͤlf Tafeln zum Zweck hatte die Nation zu vereinigen waͤre wider- legt wenn es wahr waͤre daß erſt durch ſie das Connu- bium der Staͤnde verboten ſey. Aber das koͤnnen wir als einen Wahn des Dionyſius ſchlechthin verwerfen, welcher Verzeichnung des beſtehenden Rechts, und Ge- ſetzgebung verwirrte 34): er fuͤhlte nicht einmal die Un- wahrſcheinlichkeit daß dies geſchehen ſeyn ſolle waͤhrend eben ein Theil der Decemvirn plebejiſch war. Ein ſol- ches Geſetz kann nur durch unvordenkliches Herkommen beſtehen, nicht eingefuͤhrt werden.
Sehr glaublich iſt es hingegen daß erſt jetzt ein allge- meines Commercium, Veraͤußerungs- und Erwerbrecht der Gegenſtaͤnde quiritariſches Eigenthums, zwiſchen den verſchiedenen Staͤnden eingefuͤhrt ward.
Die Fragmente der zwoͤlf Tafeln ſind ſo zufaͤllig erhalten, und ſo gering, daß ſie wenig Belehrung uͤber das buͤrgerliche und peinliche Recht gewaͤhren welches dieſe Geſetzgebung enthielt: und dieſe zerriſſenen Bruch-
33)Magister populi. Varro de L. L. IV. c. 14. Cicero de leg. III. c. 5.
34) Dionyſius X. c. 60.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0135"n="119"/>
Dictatoren Roms anfaͤnglich nicht alſo, ſondern Heer-<lb/>
meiſter <noteplace="foot"n="33)"><hirendition="#aq">Magister populi.</hi> Varro <hirendition="#aq">de L. L. IV. c.</hi> 14. Cicero<lb/><hirendition="#aq">de leg. III. c.</hi> 5.</note> genannt wurden.</p><lb/><p>Es gab nicht mehr Candidaten des Senats: die<lb/>
Wahl des zweyten Decemvirats iſt ſichtbar ganz frey<lb/>
dem Volk uͤberlaſſen, und ſo blieben es die folgenden<lb/>
Comitien, wenn der vorſitzende Magiſtrat ſeine Macht<lb/>
nicht mißbrauchte.</p><lb/><p>Die Idee daß die Geſetzgebung der zwoͤlf Tafeln<lb/>
zum Zweck hatte die Nation zu vereinigen waͤre wider-<lb/>
legt wenn es wahr waͤre daß erſt durch ſie das Connu-<lb/>
bium der Staͤnde verboten ſey. Aber das koͤnnen wir<lb/>
als einen Wahn des Dionyſius ſchlechthin verwerfen,<lb/>
welcher Verzeichnung des beſtehenden Rechts, und Ge-<lb/>ſetzgebung verwirrte <noteplace="foot"n="34)">Dionyſius <hirendition="#aq">X. c.</hi> 60.</note>: er fuͤhlte nicht einmal die Un-<lb/>
wahrſcheinlichkeit daß dies geſchehen ſeyn ſolle waͤhrend<lb/>
eben ein Theil der Decemvirn plebejiſch war. Ein ſol-<lb/>
ches Geſetz kann nur durch unvordenkliches Herkommen<lb/>
beſtehen, nicht eingefuͤhrt werden.</p><lb/><p>Sehr glaublich iſt es hingegen daß erſt jetzt ein allge-<lb/>
meines Commercium, Veraͤußerungs- und Erwerbrecht<lb/>
der Gegenſtaͤnde quiritariſches Eigenthums, zwiſchen den<lb/>
verſchiedenen Staͤnden eingefuͤhrt ward.</p><lb/><p>Die Fragmente der zwoͤlf Tafeln ſind ſo zufaͤllig<lb/>
erhalten, und ſo gering, daß ſie wenig Belehrung uͤber<lb/>
das buͤrgerliche und peinliche Recht gewaͤhren welches<lb/>
dieſe Geſetzgebung enthielt: und dieſe zerriſſenen Bruch-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[119/0135]
Dictatoren Roms anfaͤnglich nicht alſo, ſondern Heer-
meiſter 33) genannt wurden.
Es gab nicht mehr Candidaten des Senats: die
Wahl des zweyten Decemvirats iſt ſichtbar ganz frey
dem Volk uͤberlaſſen, und ſo blieben es die folgenden
Comitien, wenn der vorſitzende Magiſtrat ſeine Macht
nicht mißbrauchte.
Die Idee daß die Geſetzgebung der zwoͤlf Tafeln
zum Zweck hatte die Nation zu vereinigen waͤre wider-
legt wenn es wahr waͤre daß erſt durch ſie das Connu-
bium der Staͤnde verboten ſey. Aber das koͤnnen wir
als einen Wahn des Dionyſius ſchlechthin verwerfen,
welcher Verzeichnung des beſtehenden Rechts, und Ge-
ſetzgebung verwirrte 34): er fuͤhlte nicht einmal die Un-
wahrſcheinlichkeit daß dies geſchehen ſeyn ſolle waͤhrend
eben ein Theil der Decemvirn plebejiſch war. Ein ſol-
ches Geſetz kann nur durch unvordenkliches Herkommen
beſtehen, nicht eingefuͤhrt werden.
Sehr glaublich iſt es hingegen daß erſt jetzt ein allge-
meines Commercium, Veraͤußerungs- und Erwerbrecht
der Gegenſtaͤnde quiritariſches Eigenthums, zwiſchen den
verſchiedenen Staͤnden eingefuͤhrt ward.
Die Fragmente der zwoͤlf Tafeln ſind ſo zufaͤllig
erhalten, und ſo gering, daß ſie wenig Belehrung uͤber
das buͤrgerliche und peinliche Recht gewaͤhren welches
dieſe Geſetzgebung enthielt: und dieſe zerriſſenen Bruch-
33) Magister populi. Varro de L. L. IV. c. 14. Cicero
de leg. III. c. 5.
34) Dionyſius X. c. 60.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/135>, abgerufen am 24.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.