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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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ren ältere Jahrbücher und historische Denkmähler in der
gallischen Zerstörung größtentheils untergegangen wären.
Aehnliche Erfahrungen über das Dunkel worin Zerstö-
rung der Archive und Chroniken die Geschichte einzelner
Landschaften versenkt hat, geben dieser Aeußerung einen
Schein von Glaublichkeit. Selbst die Gesetztafeln waren
im Brande untergegangen: und das Archiv der Aedilen
mit allen Senatusconsulten ist ohne Zweifel ganz preis-
gegeben worden: nur äußerst weniger Bündnisse und
des Vertrags zwischen Senat und Volk scheint man sich
in der allgemeinen Betäubung als rettungswerther
Schätze erinnert zu haben, wenn sie sich nicht schon auf
dem Capitol befanden.

Aber von Urkunden machten kaum einzelne unter
den Historikern Roms Gebrauch: und die späteren ver-
nachlässigten vielmehr die Forschungen ihrer Vorgänger
aus dem Zeitalter vor dem marsischen Kriege. Livius
hat offenbar sogar die licinischen Gesetze nicht selbst ge-
lesen: die vollständigsten Archive vom Anfang der Repu-
blik an wären für ihn todte Schätze gewesen.

Von Chroniken ging wahrscheinlich nicht einmal
etwas bedeutendes verlohren: die wichtigsten waren doch
wohl die Annalen der Pontifices, und Fastenverzeichnisse
mit Erwähnung der Triumphe, welche erhalten wurden.
Hätte es auch außer der Poesie in jener alten Zeit eine
Litteratur zu Rom gegeben, so war ihre Sprache doch
vielleicht, wie die Bildung und Erziehung, etrus-
kisch 66): eben wie sie griechisch ward als Rom grie-

66) Siehe Th. I. S. 95.

ren aͤltere Jahrbuͤcher und hiſtoriſche Denkmaͤhler in der
galliſchen Zerſtoͤrung groͤßtentheils untergegangen waͤren.
Aehnliche Erfahrungen uͤber das Dunkel worin Zerſtoͤ-
rung der Archive und Chroniken die Geſchichte einzelner
Landſchaften verſenkt hat, geben dieſer Aeußerung einen
Schein von Glaublichkeit. Selbſt die Geſetztafeln waren
im Brande untergegangen: und das Archiv der Aedilen
mit allen Senatusconſulten iſt ohne Zweifel ganz preis-
gegeben worden: nur aͤußerſt weniger Buͤndniſſe und
des Vertrags zwiſchen Senat und Volk ſcheint man ſich
in der allgemeinen Betaͤubung als rettungswerther
Schaͤtze erinnert zu haben, wenn ſie ſich nicht ſchon auf
dem Capitol befanden.

Aber von Urkunden machten kaum einzelne unter
den Hiſtorikern Roms Gebrauch: und die ſpaͤteren ver-
nachlaͤſſigten vielmehr die Forſchungen ihrer Vorgaͤnger
aus dem Zeitalter vor dem marſiſchen Kriege. Livius
hat offenbar ſogar die liciniſchen Geſetze nicht ſelbſt ge-
leſen: die vollſtaͤndigſten Archive vom Anfang der Repu-
blik an waͤren fuͤr ihn todte Schaͤtze geweſen.

Von Chroniken ging wahrſcheinlich nicht einmal
etwas bedeutendes verlohren: die wichtigſten waren doch
wohl die Annalen der Pontifices, und Faſtenverzeichniſſe
mit Erwaͤhnung der Triumphe, welche erhalten wurden.
Haͤtte es auch außer der Poeſie in jener alten Zeit eine
Litteratur zu Rom gegeben, ſo war ihre Sprache doch
vielleicht, wie die Bildung und Erziehung, etrus-
kiſch 66): eben wie ſie griechiſch ward als Rom grie-

66) Siehe Th. I. S. 95.
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[282/0298] ren aͤltere Jahrbuͤcher und hiſtoriſche Denkmaͤhler in der galliſchen Zerſtoͤrung groͤßtentheils untergegangen waͤren. Aehnliche Erfahrungen uͤber das Dunkel worin Zerſtoͤ- rung der Archive und Chroniken die Geſchichte einzelner Landſchaften verſenkt hat, geben dieſer Aeußerung einen Schein von Glaublichkeit. Selbſt die Geſetztafeln waren im Brande untergegangen: und das Archiv der Aedilen mit allen Senatusconſulten iſt ohne Zweifel ganz preis- gegeben worden: nur aͤußerſt weniger Buͤndniſſe und des Vertrags zwiſchen Senat und Volk ſcheint man ſich in der allgemeinen Betaͤubung als rettungswerther Schaͤtze erinnert zu haben, wenn ſie ſich nicht ſchon auf dem Capitol befanden. Aber von Urkunden machten kaum einzelne unter den Hiſtorikern Roms Gebrauch: und die ſpaͤteren ver- nachlaͤſſigten vielmehr die Forſchungen ihrer Vorgaͤnger aus dem Zeitalter vor dem marſiſchen Kriege. Livius hat offenbar ſogar die liciniſchen Geſetze nicht ſelbſt ge- leſen: die vollſtaͤndigſten Archive vom Anfang der Repu- blik an waͤren fuͤr ihn todte Schaͤtze geweſen. Von Chroniken ging wahrſcheinlich nicht einmal etwas bedeutendes verlohren: die wichtigſten waren doch wohl die Annalen der Pontifices, und Faſtenverzeichniſſe mit Erwaͤhnung der Triumphe, welche erhalten wurden. Haͤtte es auch außer der Poeſie in jener alten Zeit eine Litteratur zu Rom gegeben, ſo war ihre Sprache doch vielleicht, wie die Bildung und Erziehung, etrus- kiſch 66): eben wie ſie griechiſch ward als Rom grie- 66) Siehe Th. I. S. 95.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/298>, abgerufen am 28.03.2024.