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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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gesagt war; und die Consuln durch ihre königliche Ge-
walt die heftigsten Mißvergnügten aus der Stadt füh-
ren, ohne Sold so lange sie wollten im Felde halten,
dem Feinde als Schlachtopfer überliefern 22), oder
selbst unter einem Vorwand zum Tode verdammen konn-
ten. Wir haben Mühe den Greuel zu dem im Alter-
thum oligarchische Tyranney stieg zu fassen und zu glau-
ben: doch spiegelt er sich in dem Eide der in griechi-
schen Oligarchieen von wegen des Staats denen die an
der Herrschaft Theil nahmen auferlegt ward: sie woll-
ten dem Volke gram seyn, und nach bestem Wissen ra-
then was ihm zum Schaden gereiche 23). Hätten nun
die Soldaten eine sichre Hoffnung gehabt wenigstens was
sie erbeuteten ausgetheilt zu erhalten, so würde die Menge
sich schon williger gefunden haben in das Feld zu zie-
hen: aber auch hier verkürzte sie der Geiz der Patricier.
Die Beute war für den Staat behalten 24), ein Aus-
druck dessen Sinn sehr unschuldig seyn und nur bedeu-
ten könnte daß der für den Verkauf gelößte Ertrag in
den Schatz eingezahlt, und zu den Staatsausgaben ver-
wandt geworden; wahrscheinlich aber etwas ganz ande-
res anzeigt. Die treueste Uebersetzung nämlich ist daß
die Beute zum Gemeingut eingezogen ward, und da

22) Wie es von dem Consul T. Romilius und dem Alttri-
bunen L. Siccius erzählt wird. Dionysius X. c. 44. ff.
23) Aristoteles Politic. V. c. 9. Nun men en eniais oligar-
khiais omnuousi, Kai to demo kakonous esomai,
kai bouleuso o ti an ekho kakon
.
24) In publicum redactum. Livius II. c. 42.

geſagt war; und die Conſuln durch ihre koͤnigliche Ge-
walt die heftigſten Mißvergnuͤgten aus der Stadt fuͤh-
ren, ohne Sold ſo lange ſie wollten im Felde halten,
dem Feinde als Schlachtopfer uͤberliefern 22), oder
ſelbſt unter einem Vorwand zum Tode verdammen konn-
ten. Wir haben Muͤhe den Greuel zu dem im Alter-
thum oligarchiſche Tyranney ſtieg zu faſſen und zu glau-
ben: doch ſpiegelt er ſich in dem Eide der in griechi-
ſchen Oligarchieen von wegen des Staats denen die an
der Herrſchaft Theil nahmen auferlegt ward: ſie woll-
ten dem Volke gram ſeyn, und nach beſtem Wiſſen ra-
then was ihm zum Schaden gereiche 23). Haͤtten nun
die Soldaten eine ſichre Hoffnung gehabt wenigſtens was
ſie erbeuteten ausgetheilt zu erhalten, ſo wuͤrde die Menge
ſich ſchon williger gefunden haben in das Feld zu zie-
hen: aber auch hier verkuͤrzte ſie der Geiz der Patricier.
Die Beute war fuͤr den Staat behalten 24), ein Aus-
druck deſſen Sinn ſehr unſchuldig ſeyn und nur bedeu-
ten koͤnnte daß der fuͤr den Verkauf geloͤßte Ertrag in
den Schatz eingezahlt, und zu den Staatsausgaben ver-
wandt geworden; wahrſcheinlich aber etwas ganz ande-
res anzeigt. Die treueſte Ueberſetzung naͤmlich iſt daß
die Beute zum Gemeingut eingezogen ward, und da

22) Wie es von dem Conſul T. Romilius und dem Alttri-
bunen L. Siccius erzaͤhlt wird. Dionyſius X. c. 44. ff.
23) Ariſtoteles Politic. V. c. 9. Νῦν μὲν ἐν ἐνίαις ὀλιγαρ-
χίαις ὀμνὐουσι, Καὶ τῷ δήμῳ κακόνους ἔσομαι,
καὶ βουλεύσω ὅ τι ἂν ἔχω κακὸν
.
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[22/0038] geſagt war; und die Conſuln durch ihre koͤnigliche Ge- walt die heftigſten Mißvergnuͤgten aus der Stadt fuͤh- ren, ohne Sold ſo lange ſie wollten im Felde halten, dem Feinde als Schlachtopfer uͤberliefern 22), oder ſelbſt unter einem Vorwand zum Tode verdammen konn- ten. Wir haben Muͤhe den Greuel zu dem im Alter- thum oligarchiſche Tyranney ſtieg zu faſſen und zu glau- ben: doch ſpiegelt er ſich in dem Eide der in griechi- ſchen Oligarchieen von wegen des Staats denen die an der Herrſchaft Theil nahmen auferlegt ward: ſie woll- ten dem Volke gram ſeyn, und nach beſtem Wiſſen ra- then was ihm zum Schaden gereiche 23). Haͤtten nun die Soldaten eine ſichre Hoffnung gehabt wenigſtens was ſie erbeuteten ausgetheilt zu erhalten, ſo wuͤrde die Menge ſich ſchon williger gefunden haben in das Feld zu zie- hen: aber auch hier verkuͤrzte ſie der Geiz der Patricier. Die Beute war fuͤr den Staat behalten 24), ein Aus- druck deſſen Sinn ſehr unſchuldig ſeyn und nur bedeu- ten koͤnnte daß der fuͤr den Verkauf geloͤßte Ertrag in den Schatz eingezahlt, und zu den Staatsausgaben ver- wandt geworden; wahrſcheinlich aber etwas ganz ande- res anzeigt. Die treueſte Ueberſetzung naͤmlich iſt daß die Beute zum Gemeingut eingezogen ward, und da 22) Wie es von dem Conſul T. Romilius und dem Alttri- bunen L. Siccius erzaͤhlt wird. Dionyſius X. c. 44. ff. 23) Ariſtoteles Politic. V. c. 9. Νῦν μὲν ἐν ἐνίαις ὀλιγαρ- χίαις ὀμνὐουσι, Καὶ τῷ δήμῳ κακόνους ἔσομαι, καὶ βουλεύσω ὅ τι ἂν ἔχω κακὸν. 24) In publicum redactum. Livius II. c. 42.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/38>, abgerufen am 25.04.2024.