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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.

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Anwendung der allgemeinen Grundsätze etc.

Dieser Unterschied, den allerdings der Philan-
thropinismus auffallender gemacht und dadurch die Be-
rücksichtigung desselben zur Sprache gebracht hat, indem
er auf Bürgerbildung drang, und Bürger-
schulen
forderte, läßt sich nach der oben entwickelten
Ansicht durch die Bemerkung der Hauptverschiedenheit
der Geistesanlagen bestimmen, daß ein Theil der In-
dividuen mehr für die Geistesideen, ein anderer
mehr für die Naturideen empfänglich ist. Diese
Eintheilung kann zugleich als die Hauptgrundlage be-
trachtet werden, nach der sich die Lehrlinge in der
Folge auch in die beiden Hauptclassen des Berufes
theilen, inwiefern die erstern mehr zum Gelehrten-
die letztern mehr zum Gewerbs-Beruf Verwandt-
schaft, Neigung und Geschick haben.

Die letztern verdienen auch unstreitig eine besondre
Rücksicht, nicht inwiefern die Verschiedenheit des äu-
ßeren Berufes dies erfordert, sondern inwiefern das
Gedeihen der Geistesbildung selbst davon abhängig ist,
daß sie an der Hauptart von Objecten geübt werden,
die ihrer Individualität entspricht. In dieser Rücksicht
wird mit Recht gefordert, daß für diese Individuen
eine eigne Art des Erziehungsunterrichts eingerichtet
werde, worinn die Naturgegenstände das Haupt-
object der Uebung ausmachen.

Da aber diese Eigenthümlichkeit der Geistesanlage
sich selten schon in den ersten Jahren so ganz entschie-
den auszeichnet, daß darauf schon im Anfangsunter-

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Anwendung der allgemeinen Grundſaͤtze ꝛc.

Dieſer Unterſchied, den allerdings der Philan-
thropiniſmus auffallender gemacht und dadurch die Be-
ruͤckſichtigung deſſelben zur Sprache gebracht hat, indem
er auf Buͤrgerbildung drang, und Buͤrger-
ſchulen
forderte, laͤßt ſich nach der oben entwickelten
Anſicht durch die Bemerkung der Hauptverſchiedenheit
der Geiſtesanlagen beſtimmen, daß ein Theil der In-
dividuen mehr fuͤr die Geiſtesideen, ein anderer
mehr fuͤr die Naturideen empfaͤnglich iſt. Dieſe
Eintheilung kann zugleich als die Hauptgrundlage be-
trachtet werden, nach der ſich die Lehrlinge in der
Folge auch in die beiden Hauptclaſſen des Berufes
theilen, inwiefern die erſtern mehr zum Gelehrten-
die letztern mehr zum Gewerbs-Beruf Verwandt-
ſchaft, Neigung und Geſchick haben.

Die letztern verdienen auch unſtreitig eine beſondre
Ruͤckſicht, nicht inwiefern die Verſchiedenheit des aͤu-
ßeren Berufes dies erfordert, ſondern inwiefern das
Gedeihen der Geiſtesbildung ſelbſt davon abhaͤngig iſt,
daß ſie an der Hauptart von Objecten geuͤbt werden,
die ihrer Individualitaͤt entſpricht. In dieſer Ruͤckſicht
wird mit Recht gefordert, daß fuͤr dieſe Individuen
eine eigne Art des Erziehungsunterrichts eingerichtet
werde, worinn die Naturgegenſtaͤnde das Haupt-
object der Uebung ausmachen.

Da aber dieſe Eigenthuͤmlichkeit der Geiſtesanlage
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den auszeichnet, daß darauf ſchon im Anfangsunter-

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[355/0367] Anwendung der allgemeinen Grundſaͤtze ꝛc. Dieſer Unterſchied, den allerdings der Philan- thropiniſmus auffallender gemacht und dadurch die Be- ruͤckſichtigung deſſelben zur Sprache gebracht hat, indem er auf Buͤrgerbildung drang, und Buͤrger- ſchulen forderte, laͤßt ſich nach der oben entwickelten Anſicht durch die Bemerkung der Hauptverſchiedenheit der Geiſtesanlagen beſtimmen, daß ein Theil der In- dividuen mehr fuͤr die Geiſtesideen, ein anderer mehr fuͤr die Naturideen empfaͤnglich iſt. Dieſe Eintheilung kann zugleich als die Hauptgrundlage be- trachtet werden, nach der ſich die Lehrlinge in der Folge auch in die beiden Hauptclaſſen des Berufes theilen, inwiefern die erſtern mehr zum Gelehrten- die letztern mehr zum Gewerbs-Beruf Verwandt- ſchaft, Neigung und Geſchick haben. Die letztern verdienen auch unſtreitig eine beſondre Ruͤckſicht, nicht inwiefern die Verſchiedenheit des aͤu- ßeren Berufes dies erfordert, ſondern inwiefern das Gedeihen der Geiſtesbildung ſelbſt davon abhaͤngig iſt, daß ſie an der Hauptart von Objecten geuͤbt werden, die ihrer Individualitaͤt entſpricht. In dieſer Ruͤckſicht wird mit Recht gefordert, daß fuͤr dieſe Individuen eine eigne Art des Erziehungsunterrichts eingerichtet werde, worinn die Naturgegenſtaͤnde das Haupt- object der Uebung ausmachen. Da aber dieſe Eigenthuͤmlichkeit der Geiſtesanlage ſich ſelten ſchon in den erſten Jahren ſo ganz entſchie- den auszeichnet, daß darauf ſchon im Anfangsunter- 23*

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Zitationshilfe: Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/367>, abgerufen am 26.04.2024.