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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883.

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sah Zarathustra neben sich knieen. "Was machst du
da? sagte er endlich, ich wusste es lange, dass mir
der Teufel ein Bein stellen werde. Nun schleppt er
mich zur Hölle: willst du's ihm wehren?"

"Bei meiner Ehre, Freund, antwortete Zarathustra,
das giebt es Alles nicht, wovon du sprichst: es giebt
keinen Teufel und keine Hölle. Deine Seele wird
noch schneller todt sein als dein Leib: fürchte nun
Nichts mehr!"

Der Mann blickte misstrauisch auf. "Wenn du
die Wahrheit sprichst, sagte er dann, so verliere ich
Nichts, wenn ich das Leben verliere. Ich bin nicht
viel mehr als ein Thier, das man tanzen gelehrt hat,
durch Schläge und schmale Bissen."

"Nicht doch, sprach Zarathustra; du hast aus der
Gefahr deinen Beruf gemacht, daran ist Nichts zu
verachten. Nun gehst du an deinem Beruf zu Grunde:
dafür will ich dich mit meinen Händen begraben."

Als Zarathustra diess gesagt hatte, antwortete der
Sterbende nicht mehr; aber er bewegte die Hand,
wie als ob er die Hand Zarathustra's zum Danke
suche. --


7.

Inzwischen kam der Abend, und der Markt barg
sich in Dunkelheit: da verlief sich das Volk, denn
selbst Neugierde und Schrecken werden müde. Zara¬
thustra aber sass neben dem Todten auf der Erde und
war in Gedanken versunken: so vergass er die Zeit.

2 *

sah Zarathustra neben sich knieen. „Was machst du
da? sagte er endlich, ich wusste es lange, dass mir
der Teufel ein Bein stellen werde. Nun schleppt er
mich zur Hölle: willst du's ihm wehren?“

„Bei meiner Ehre, Freund, antwortete Zarathustra,
das giebt es Alles nicht, wovon du sprichst: es giebt
keinen Teufel und keine Hölle. Deine Seele wird
noch schneller todt sein als dein Leib: fürchte nun
Nichts mehr!“

Der Mann blickte misstrauisch auf. „Wenn du
die Wahrheit sprichst, sagte er dann, so verliere ich
Nichts, wenn ich das Leben verliere. Ich bin nicht
viel mehr als ein Thier, das man tanzen gelehrt hat,
durch Schläge und schmale Bissen.“

„Nicht doch, sprach Zarathustra; du hast aus der
Gefahr deinen Beruf gemacht, daran ist Nichts zu
verachten. Nun gehst du an deinem Beruf zu Grunde:
dafür will ich dich mit meinen Händen begraben.“

Als Zarathustra diess gesagt hatte, antwortete der
Sterbende nicht mehr; aber er bewegte die Hand,
wie als ob er die Hand Zarathustra's zum Danke
suche. —


7.

Inzwischen kam der Abend, und der Markt barg
sich in Dunkelheit: da verlief sich das Volk, denn
selbst Neugierde und Schrecken werden müde. Zara¬
thustra aber sass neben dem Todten auf der Erde und
war in Gedanken versunken: so vergass er die Zeit.

2 *
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[19/0025] sah Zarathustra neben sich knieen. „Was machst du da? sagte er endlich, ich wusste es lange, dass mir der Teufel ein Bein stellen werde. Nun schleppt er mich zur Hölle: willst du's ihm wehren?“ „Bei meiner Ehre, Freund, antwortete Zarathustra, das giebt es Alles nicht, wovon du sprichst: es giebt keinen Teufel und keine Hölle. Deine Seele wird noch schneller todt sein als dein Leib: fürchte nun Nichts mehr!“ Der Mann blickte misstrauisch auf. „Wenn du die Wahrheit sprichst, sagte er dann, so verliere ich Nichts, wenn ich das Leben verliere. Ich bin nicht viel mehr als ein Thier, das man tanzen gelehrt hat, durch Schläge und schmale Bissen.“ „Nicht doch, sprach Zarathustra; du hast aus der Gefahr deinen Beruf gemacht, daran ist Nichts zu verachten. Nun gehst du an deinem Beruf zu Grunde: dafür will ich dich mit meinen Händen begraben.“ Als Zarathustra diess gesagt hatte, antwortete der Sterbende nicht mehr; aber er bewegte die Hand, wie als ob er die Hand Zarathustra's zum Danke suche. — 7. Inzwischen kam der Abend, und der Markt barg sich in Dunkelheit: da verlief sich das Volk, denn selbst Neugierde und Schrecken werden müde. Zara¬ thustra aber sass neben dem Todten auf der Erde und war in Gedanken versunken: so vergass er die Zeit. 2 *

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883/25>, abgerufen am 19.04.2024.