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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.

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verräth mir, was vom Volke als gut und böse ge¬
glaubt wird.

Ihr wart es, ihr Weisesten, die solche Gäste in
diesen Nachen setzten und ihnen Prunk und stolze
Namen gaben, -- ihr und euer herrschender Wille!

Weiter trägt nun der Fluss euren Nachen: er muss
ihn tragen. Wenig thut's, ob die gebrochene Welle
schäumt und zornig dem Kiele widerspricht!

Nicht der Fluss ist eure Gefahr und das Ende
eures Guten und Bösen, ihr Weisesten: sondern jener
Wille selber, der Wille zur Macht, -- der unerschöpfte
zeugende Lebens-Wille.

Aber damit ihr mein Wort versteht vom Guten
und Bösen: dazu will ich euch noch mein Wort vom
Leben sagen und von der Art alles Lebendigen.

Dem Lebendigen gieng ich nach, ich gieng die
grössten und die kleinsten Wege, dass ich seine Art
erkenne.

Mit hundertfachem Spiegel fieng ich noch seinen
Blick auf, wenn ihm der Mund geschlossen war: dass
sein Auge mir rede. Und sein Auge redete mir.

Aber, wo ich nur Lebendiges fand, da hörte ich
auch die Rede vom Gehorsame. Alles Lebendige ist
ein Gehorchendes.

Und diess ist das Zweite: Dem wird befohlen, der
sich nicht selber gehorchen kann. So ist es des Leben¬
digen Art.

Diess aber ist das Dritte, was ich hörte: dass Be¬
fehlen schwerer ist, als Gehorchen. Und nicht nur,
dass der Befehlende die Last aller Gehorchenden trägt,
und dass leicht ihn diese Last zerdrückt: --

verräth mir, was vom Volke als gut und böse ge¬
glaubt wird.

Ihr wart es, ihr Weisesten, die solche Gäste in
diesen Nachen setzten und ihnen Prunk und stolze
Namen gaben, — ihr und euer herrschender Wille!

Weiter trägt nun der Fluss euren Nachen: er muss
ihn tragen. Wenig thut's, ob die gebrochene Welle
schäumt und zornig dem Kiele widerspricht!

Nicht der Fluss ist eure Gefahr und das Ende
eures Guten und Bösen, ihr Weisesten: sondern jener
Wille selber, der Wille zur Macht, — der unerschöpfte
zeugende Lebens-Wille.

Aber damit ihr mein Wort versteht vom Guten
und Bösen: dazu will ich euch noch mein Wort vom
Leben sagen und von der Art alles Lebendigen.

Dem Lebendigen gieng ich nach, ich gieng die
grössten und die kleinsten Wege, dass ich seine Art
erkenne.

Mit hundertfachem Spiegel fieng ich noch seinen
Blick auf, wenn ihm der Mund geschlossen war: dass
sein Auge mir rede. Und sein Auge redete mir.

Aber, wo ich nur Lebendiges fand, da hörte ich
auch die Rede vom Gehorsame. Alles Lebendige ist
ein Gehorchendes.

Und diess ist das Zweite: Dem wird befohlen, der
sich nicht selber gehorchen kann. So ist es des Leben¬
digen Art.

Diess aber ist das Dritte, was ich hörte: dass Be¬
fehlen schwerer ist, als Gehorchen. Und nicht nur,
dass der Befehlende die Last aller Gehorchenden trägt,
und dass leicht ihn diese Last zerdrückt: —

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[48/0058] verräth mir, was vom Volke als gut und böse ge¬ glaubt wird. Ihr wart es, ihr Weisesten, die solche Gäste in diesen Nachen setzten und ihnen Prunk und stolze Namen gaben, — ihr und euer herrschender Wille! Weiter trägt nun der Fluss euren Nachen: er muss ihn tragen. Wenig thut's, ob die gebrochene Welle schäumt und zornig dem Kiele widerspricht! Nicht der Fluss ist eure Gefahr und das Ende eures Guten und Bösen, ihr Weisesten: sondern jener Wille selber, der Wille zur Macht, — der unerschöpfte zeugende Lebens-Wille. Aber damit ihr mein Wort versteht vom Guten und Bösen: dazu will ich euch noch mein Wort vom Leben sagen und von der Art alles Lebendigen. Dem Lebendigen gieng ich nach, ich gieng die grössten und die kleinsten Wege, dass ich seine Art erkenne. Mit hundertfachem Spiegel fieng ich noch seinen Blick auf, wenn ihm der Mund geschlossen war: dass sein Auge mir rede. Und sein Auge redete mir. Aber, wo ich nur Lebendiges fand, da hörte ich auch die Rede vom Gehorsame. Alles Lebendige ist ein Gehorchendes. Und diess ist das Zweite: Dem wird befohlen, der sich nicht selber gehorchen kann. So ist es des Leben¬ digen Art. Diess aber ist das Dritte, was ich hörte: dass Be¬ fehlen schwerer ist, als Gehorchen. Und nicht nur, dass der Befehlende die Last aller Gehorchenden trägt, und dass leicht ihn diese Last zerdrückt: —

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/58>, abgerufen am 28.03.2024.