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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.

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höchsten Hoffnung und ein Regenbogen nach langen
Unwettern.

Aber anders wollen es freilich die Taranteln.
"Das gerade heisse uns Gerechtigkeit, dass die Welt
voll werde von den Unwettern unsrer Rache" -- also
reden sie mit einander.

"Rache wollen wir üben und Beschimpfung an
Allen, die uns nicht gleich sind" -- so geloben sich
die Tarantel-Herzen.

Und "Wille zur Gleichheit" -- das selber fürder¬
hin der Name für Tugend werden; und gegen Alles,
was Macht hat, wollen wir unser Geschrei erheben!"

Ihr Prediger der Gleichheit, der Tyrannen-Wahn¬
sinn der Ohnmacht schreit also aus euch nach "Gleich¬
heit": eure heimlichsten Tyrannen-Gelüste vermummen
sich also in Tugend -Worte!

Vergrämter Dünkel, verhaltener Neid, vielleicht
eurer Väter Dünkel und Neid: aus euch bricht's als
Flamme heraus und Wahnsinn der Rache.

Was der Vater schwieg, das kommt im Sohne
zum Reden; und oft fand ich den Sohn als des Vaters
entblösstes Geheimniss.

Den Begeisterten gleichen sie: aber nicht das
Herz ist es, was sie begeistert, -- sondern die Rache.
Und wenn sie fein und kalt werden, ist's nicht der
Geist, sondern der Neid, der sie fein und kalt macht.

Ihre Eifersucht führt sie auch auf der Denker
Pfade; und diess ist das Merkmal ihrer Eifersucht --
immer gehn sie zu weit: dass ihre Müdigkeit sich zu¬
letzt noch auf Schnee schlafen legen muss.

Aus jeder ihrer Klagen tönt Rache, in jedem

höchsten Hoffnung und ein Regenbogen nach langen
Unwettern.

Aber anders wollen es freilich die Taranteln.
„Das gerade heisse uns Gerechtigkeit, dass die Welt
voll werde von den Unwettern unsrer Rache“ — also
reden sie mit einander.

„Rache wollen wir üben und Beschimpfung an
Allen, die uns nicht gleich sind“ — so geloben sich
die Tarantel-Herzen.

Und „Wille zur Gleichheit“ — das selber fürder¬
hin der Name für Tugend werden; und gegen Alles,
was Macht hat, wollen wir unser Geschrei erheben!“

Ihr Prediger der Gleichheit, der Tyrannen-Wahn¬
sinn der Ohnmacht schreit also aus euch nach „Gleich¬
heit“: eure heimlichsten Tyrannen-Gelüste vermummen
sich also in Tugend -Worte!

Vergrämter Dünkel, verhaltener Neid, vielleicht
eurer Väter Dünkel und Neid: aus euch bricht's als
Flamme heraus und Wahnsinn der Rache.

Was der Vater schwieg, das kommt im Sohne
zum Reden; und oft fand ich den Sohn als des Vaters
entblösstes Geheimniss.

Den Begeisterten gleichen sie: aber nicht das
Herz ist es, was sie begeistert, — sondern die Rache.
Und wenn sie fein und kalt werden, ist's nicht der
Geist, sondern der Neid, der sie fein und kalt macht.

Ihre Eifersucht führt sie auch auf der Denker
Pfade; und diess ist das Merkmal ihrer Eifersucht —
immer gehn sie zu weit: dass ihre Müdigkeit sich zu¬
letzt noch auf Schnee schlafen legen muss.

Aus jeder ihrer Klagen tönt Rache, in jedem

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[27/0037] höchsten Hoffnung und ein Regenbogen nach langen Unwettern. Aber anders wollen es freilich die Taranteln. „Das gerade heisse uns Gerechtigkeit, dass die Welt voll werde von den Unwettern unsrer Rache“ — also reden sie mit einander. „Rache wollen wir üben und Beschimpfung an Allen, die uns nicht gleich sind“ — so geloben sich die Tarantel-Herzen. Und „Wille zur Gleichheit“ — das selber fürder¬ hin der Name für Tugend werden; und gegen Alles, was Macht hat, wollen wir unser Geschrei erheben!“ Ihr Prediger der Gleichheit, der Tyrannen-Wahn¬ sinn der Ohnmacht schreit also aus euch nach „Gleich¬ heit“: eure heimlichsten Tyrannen-Gelüste vermummen sich also in Tugend -Worte! Vergrämter Dünkel, verhaltener Neid, vielleicht eurer Väter Dünkel und Neid: aus euch bricht's als Flamme heraus und Wahnsinn der Rache. Was der Vater schwieg, das kommt im Sohne zum Reden; und oft fand ich den Sohn als des Vaters entblösstes Geheimniss. Den Begeisterten gleichen sie: aber nicht das Herz ist es, was sie begeistert, — sondern die Rache. Und wenn sie fein und kalt werden, ist's nicht der Geist, sondern der Neid, der sie fein und kalt macht. Ihre Eifersucht führt sie auch auf der Denker Pfade; und diess ist das Merkmal ihrer Eifersucht — immer gehn sie zu weit: dass ihre Müdigkeit sich zu¬ letzt noch auf Schnee schlafen legen muss. Aus jeder ihrer Klagen tönt Rache, in jedem

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/37>, abgerufen am 19.04.2024.