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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.

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"Freilich, ihr heisst es Wille zur Zeugung oder
Trieb zum Zwecke, zum Höheren, Ferneren, Vielfacheren:
aber all diess ist Eins und Ein Geheimniss.

"Lieber noch gehe ich unter, als dass ich diesem
Einen absagte; und wahrlich, wo es Untergang giebt
und Blätterfallen, siehe, da opfert sich Leben -- um
Macht!

"Dass ich Kampf sein muss und Werden und
Zweck und der Zwecke Widerspruch: ach, wer meinen
Willen erräth, erräth wohl auch, auf welchen krummen
Wegen er gehen muss!

"Was ich auch schaffe und wie ich's auch liebe,
-- bald muss ich Gegner ihm sein und meiner Liebe:
so will es mein Wille.

"Und auch du, Erkennender, bist nur ein Pfad und
Fusstapfen meines Willens: wahrlich, mein Wille zur
Macht wandelt auch auf den Füssen deines Willens
zur Wahrheit!

"Der traf freilich die Wahrheit nicht, der das
Wort nach ihr schoss vom "Willen zum Dasein": diesen
Willen -- giebt es nicht!

"Denn: was nicht ist, das kann nicht wollen; was
aber im Dasein ist, wie könnte das noch zum Dasein
wollen!

"Nur, wo Leben ist, da ist auch Wille: aber nicht
Wille zum Leben, sondern -- so lehre ich's dich --
Wille zur Macht!

"Vieles ist dem Lebenden höher geschätzt, als Leben
selber; doch aus dem Schätzen selber heraus redet --
der Wille zur Macht!" --

„Freilich, ihr heisst es Wille zur Zeugung oder
Trieb zum Zwecke, zum Höheren, Ferneren, Vielfacheren:
aber all diess ist Eins und Ein Geheimniss.

„Lieber noch gehe ich unter, als dass ich diesem
Einen absagte; und wahrlich, wo es Untergang giebt
und Blätterfallen, siehe, da opfert sich Leben — um
Macht!

„Dass ich Kampf sein muss und Werden und
Zweck und der Zwecke Widerspruch: ach, wer meinen
Willen erräth, erräth wohl auch, auf welchen krummen
Wegen er gehen muss!

„Was ich auch schaffe und wie ich's auch liebe,
— bald muss ich Gegner ihm sein und meiner Liebe:
so will es mein Wille.

„Und auch du, Erkennender, bist nur ein Pfad und
Fusstapfen meines Willens: wahrlich, mein Wille zur
Macht wandelt auch auf den Füssen deines Willens
zur Wahrheit!

„Der traf freilich die Wahrheit nicht, der das
Wort nach ihr schoss vom „Willen zum Dasein“: diesen
Willen — giebt es nicht!

„Denn: was nicht ist, das kann nicht wollen; was
aber im Dasein ist, wie könnte das noch zum Dasein
wollen!

„Nur, wo Leben ist, da ist auch Wille: aber nicht
Wille zum Leben, sondern — so lehre ich's dich —
Wille zur Macht!

„Vieles ist dem Lebenden höher geschätzt, als Leben
selber; doch aus dem Schätzen selber heraus redet —
der Wille zur Macht!“ —

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[50/0060] „Freilich, ihr heisst es Wille zur Zeugung oder Trieb zum Zwecke, zum Höheren, Ferneren, Vielfacheren: aber all diess ist Eins und Ein Geheimniss. „Lieber noch gehe ich unter, als dass ich diesem Einen absagte; und wahrlich, wo es Untergang giebt und Blätterfallen, siehe, da opfert sich Leben — um Macht! „Dass ich Kampf sein muss und Werden und Zweck und der Zwecke Widerspruch: ach, wer meinen Willen erräth, erräth wohl auch, auf welchen krummen Wegen er gehen muss! „Was ich auch schaffe und wie ich's auch liebe, — bald muss ich Gegner ihm sein und meiner Liebe: so will es mein Wille. „Und auch du, Erkennender, bist nur ein Pfad und Fusstapfen meines Willens: wahrlich, mein Wille zur Macht wandelt auch auf den Füssen deines Willens zur Wahrheit! „Der traf freilich die Wahrheit nicht, der das Wort nach ihr schoss vom „Willen zum Dasein“: diesen Willen — giebt es nicht! „Denn: was nicht ist, das kann nicht wollen; was aber im Dasein ist, wie könnte das noch zum Dasein wollen! „Nur, wo Leben ist, da ist auch Wille: aber nicht Wille zum Leben, sondern — so lehre ich's dich — Wille zur Macht! „Vieles ist dem Lebenden höher geschätzt, als Leben selber; doch aus dem Schätzen selber heraus redet — der Wille zur Macht!“ —

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/60>, abgerufen am 16.04.2024.