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Badener Zeitung. Nr. 86, Baden (Niederösterreich), 26.10.1904.

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Nr. 86. Mittwoch Badener Zeitung 26 Oktober 1904.

[Spaltenumbruch]

Herzog, Hölzl, Hubler, Kollmann, Dr. Lautin, Bürger-
schuldirektor Martin, Mayerhofer, Schratt, Schulrat
Schwetz, Dr. Süß, Weber, Witzmann; entschuldigt
die Herren Brusatti, Fasching, Odorfer und Zimmer-
mann.

Die Sitzung wird um 4 Uhr 15 Min. eröffnet.
Der Vorsitzende bringt ein Schreiben des Professors
Reinöhl zur Verlesung, der dem Ausschuß für die
ihm verliehene Archivarstelle in herzlichen Worten
dankt und daran die Bemerkung knüpft, daß ihm
das städtische Museum vom Bäderdirektor Frühauf
in musterhafter Weise übergeben wurde; man möge
demselben hiefür die Anerkennung aussprechen, und
plaidiert der Vorsitzende sodann dafür, daß man
beschließen möge, dem Bäderdirektor Frühauf die
Anerkennung in schriftlicher Form zum Ausdruck zu
bringen, was angenommen wird.

Der Vorsitzende teilt weiter mit, daß ein
Schreiben des Lehrers Hammerschmid eingelangt
sei der sich zufolge des am 6. September einstimmig
gefaßten Ausschußbeschlusses, ihm für sein hierortiges
43jähriges Wirken das Bürgerrecht zu verleihen, sehr
geehrt fühlt und seinen Dank äußert.

GR. Dr. Trenner bringt unter Hinweis
darauf, daß sich der niederösterreichische Landtag gegen-
wärtig mit der Gehaltsregulierung der Lehrer im
Zusammenhange mit den Entwürfen zu einem neuen
Schulgesetz befaßt, nach welchen Entwürfen die Rechte
der Gemeinde und Steuerzahler eingeschränkt werden,
nachstehenden Dringlichkeitsantrag ein:

"Da in den Entwürfen zur Abänderung der
niederösterr. Schulgesetzgebung das Recht der Ge-
meinde und der Steuerzahler eingeschränkt wird,
indem unter gewissen Verhältnissen in Zukunft die
Vertreter der Steuerzahler im Bezirksschulrate
nun nicht mehr zur Hälfte von den Gemeinde-
vertretern gewählt und zur Hälfte vom Landes-
ausschuß ernannt werden sollen, hiemit also das
bisherige Ernennungsrecht und die Disziplinar-
behandlung der Lehrer den Bezirksschulräten ab-
genommen werden soll, legt die Gemeindevertretung
der l. f. Stadt Baden gegen den geplanten Gesetz-
entwurf entschiedene Verwahrung ein und stellt an
einen hohen niederösterr. Landtag das dringliche
Ersuchen, dieser geplanten Abänderung bisheriger
gesetzlicher Bestimmungen, wodurch den Gemeinden
jahrelang innegehabte Rechte ohneweiters genommen
werden sollen, die Zustimmung zu versagen."

GR. Dr. Trenner greift in Begründung
seines Antrages Momente heraus, die geeignet sind,
schwere Bedenken hervorzurufen. Er führt aus, daß es
durchaus nicht angeht, wenn man schon den Lehrern
eine Gehaltserhöhung vergönnt, Maßnahmen zu er-
greifen, die danach angetan sind, die freie Schule in
entschiedener Weise zu fesseln und zu knebeln; die
Gemeinde als solche habe die Pflicht, ihre Rechte
zu wahren.

GA. Herzog konstatiert, daß es heute zum
[Spaltenumbruch] ersten Male ist, daß ein politischer Gegenstand in
den Saal geworfen wird, die Sache habe politischen
Hintergrund; was Antragsteller sagt, läßt sich im
Meritum unterschreiben. Die Mehrheit des Land-
tages habe ihre Macht in unqualifizierbarer Weise
mißbraucht; Redner verspricht sich von der Resolution
keine Wirkung, da sie an eine ganz falsche Adresse
gerichtet sei. Er bezeichnet die Sache als einen Schlag
ins Wasser. Der Landtag wird sich um die Reso-
lution nicht kümmern und wird dem Entwurf morgen
natürlich seine Zustimmung geben; unser Protest
also wird wirkungslos verhallen.

GR. Grab ist mit der Vorlage dieser Reso-
lution einverstanden, wünscht aber, dieselbe auch an
die hohe Regierung gerichtet, damit Se. Majestät
nicht die Allerhöchste Sanktion gebe.

GA. Süß gibt sich zwar auch keiner Täuschung
über den Erfolg dieser Entschließung im Landtage
hin, aber er kann nicht der Ansicht Herzogs zustimmen,
daß sie ein Schlag ins Wasser sei; denn es sei nicht
einerlei, ob die herrschende Partei ihre schulfeindlichen
Pläne durchsetzt, ohne daß jemand dagegen seine
Stimme erhebt, oder ob sie dieselben durchsetzt unter
dem l[a]uten Widerspruche der ersten Städt des Landes;
Baden dürfte zu den ersten Städten des Landes
zählen. Er beantragt, den Landtagsabgeordneten der
Stadt, Herrn Thoma, auf kürzestem Wege von dieser
Entschließung zu verständigen und zu ersuchen, die
Entrechtung der Steuerzahler, Gemeinden und Lehrer
tatkräftigst zu bekämpfen.

GA. Martin hält es für eine Pflicht der
Gemeindevertretung, für die freie Schule einzutreten
in dem Momente, wo man die Axt an die Wurzeln
legen will; das Gesetz sei der Tod für das Reichs-
Volksschulgesetz in Niederösterreich. Es verringert den
Einfluß der Vertreter der einzelnen Gemeinden im
Bezirksschulrate; weiters befürchte ich (Reduer spricht
nun mit scharfer Betonung) einen sehr ungünstigen
Einfluß auf den Charakter unserer deutschen
Lehrer.
Wir haben in Oesterreich schon einmal ein
freies und gutes Schulgesetz unter Maria Theresia
und Kaiser Josef gehabt, allein es wurde durch
andere Einflüsse eingeschränkt. Redner spricht davon,
wie viele politische Parteien es denn gebe, die ein
Verantwortlichkeitsgefühl hätten. Die Schule soll in
Pacht gegeben werden, wenn der Staat schon wirklich
so weit ist, daß er sich die Selbstverwaltung nicht
mehr zutraut, dann ist es um ihn schon traurig be-
stellt. Redner glaubt nicht, daß die Vorlage Gesetz
wird, umsomehr als Leute darin sitzen, die dafür
eintreten werden, daß dies nicht geschehen kann.

GA. Kollmann glaubt, daß das Ansuchen
an den Landtag wenig Erfolg haben wird und gibt
dabei zu bedenken, daß mit dem Gesetz die Gehalts-
regulierung der Lehrer, die sehr notwendig sei, in
Verbindung stehe. Redner wünscht, daß über die An-
träge Trenner und Grab separat abgestimmt werde.

GR. Dr. Trenner ist der Ansicht, daß der
Gemeindevertretung die Verpflichtung obliegt, ihrer
[Spaltenumbruch] Meinung Ausdruck zu verleihen, selbst wenn es
umsonst ist. Mit dem Antrag Grab kann er sich aus
formellen Gründen nicht einverstanden erklären.

GA. Kollmann bespricht die politische Seite
der Sache und sagt, daß nicht alle Menschen Partei-
Fanatiker sein müssen und daß nicht alles schlecht sein
müsse, was andere machen; es gebe auch Politiker,
denen man auch als Gegner und Feind recht geben
müsse.

GA. Herzog repliziert auf die Ausführungen
Kollmann's, daß die Sache denn doch nicht so harm-
los sei. Nach den Ausführungen desselben hätte man
von den Christlichfozialen gar nichts zu befürchten,
währenddem man jedoch an einer Unzahl von Bei-
spielen das Gegenteil nachweisen könne; so sagt der
Führer der Antisemiten selbst: Alldeutsche und Sozial-
demokraten werden bei mir nicht angestellt oder ihr
werdet wegen eurer Gesinnung nicht befördert; so
ganz harmlos sei die Sache also nicht.

GR. Notar Grab verwahrt sich dagegen, daß
in seinem Antrag etwas unlogisches enthalten sei;
er ist sich klar darüber, daß dieser Entwurf unver-
ändert zur Annahme kommt, wir sagen dagegen:
für den Fall, daß der Entwurf in dieser Fassung
angenommen wird, verwahrt sich die Gemeindevertre-
tung dagegen mit der Bitte, die Sanktion verweigern
zu wollen.

Der Vorsitzende bringt nun den Antrag Dr.
Trenner's, der sowohl an den Landtag als an das
Ministerium und an den Abgeordneten Thoma abge-
sendet werden soll, zur Abstimmung, der sodann mit
allen Stimmen gegen die jenige Kollmann's
angenommen wird.

An Thoma wird noch heute abends das ent-
sprechende eingeleitet, daß er bereits morgen davon
informiert ist.

GA. Herzog verlangt Aufklärung betreffend
eine in den hiesigen Blättern erschienene Notiz, be-
züglich der Kommission zur Verwaltung des hiesigen
Museums, die ihm vom Vorsitzenden zuteil wird.
Redner rügt ferner einen Uebelstand beim Josefsbad.
Das Geleise der Bahn dort ist derart ausgefahren,
daß nicht nur Fuhrwerke leicht zu Schaden kommen
können, sondern auch Schäden für die Person ein-
treten können; es sei mit aller Energie darauf zu
dringen, daß dieser Schaden ausgebessert werde, das
weiche Pflaster sei dort überhaupt nicht passend und
sei hartes Pflaster erwünscht.

Der Vorsitzende bemerkt, daß ein diesbezüglicher
Auftrag an die Lokalbahn bereits länger hinaus-
gegangen sei, worauf GA. Herzog sagt, dann ist
es eben notwendig, in der Sache einen energischen
Ton anzuschlagen.

GA. Herzog bringt zu oft wiederholtenmalen
die Beeidigung Höferl's zur Sprache und sagt, daß
das Schriftstück schon längst abgegangen sei, ohne
daß es von Seite der Bezirkshauptmannschaft er-
ledigt worden wäre; Redner sieht nicht ein, sich ein
derartiges Vorgehen weiter gefallen zu lassen und




[Spaltenumbruch]

widerte nichts, sie ging schweigend an der Seite der
Alten hinein.

Nach dem Essen, als die Leitenbäuerin mit ihrer
Tochter wieder auf einige Momente allein war, sagte
sie: "Wenn's oft nachher Ernst wird, ba dir und
'n Toni, oft muaß d'Hofbäuerin weg! D'Schwieger-
muatter in Haus, das tuat niamals koa guat net
-- und wann's ös an Rat braucht's, oft bin scho i
do -- dei Muatter!"




Der Sepp war zur Mittagszeit noch immer
nicht zuhause, was den Kapellenbauern und seine
Ehehälfte sehr beunruhigte, denn derlei Unregel-
mäßigkeiten ließ sich der alte Großknecht nie zu
schulden kommen.

Endlich -- um zwei Uhr -- traf er auf dem
Kapellenhofe ein, kein anderer Mensch hatte ihn
kommen sehen als die Therese, die saß unter dem
blühenden Apfelbaum im Hof und hing einer neuen
Gewohnheit gemäß, wieder ihren trüben Gedanken
nach. Sepp wurde ihrer gleich ansichtig -- aber der
Tirolerwein mußte auch in dieser Hülle seine Wir-
kung nicht verfehlt haben -- denn mit ausgebreiteten
Armen eilte der Großnecht auf die Tochter des
Hauses zu. "Threserl! Wann i der Hofbauern-Toni
war --!"

"Oft hiast wohl alle Tag' an solch'n Rausch!"
schnitt sie ihm das Wort ab und wich ihm mit einer
Geberde voll Verachtung aus.

Man mußte den Vorfall im Hause drinnen
gehört haben, denn gleich erschien der Bauer in
Hemdärmeln unter der Küchentür, welche in den Hof
mündete und hinter ihm darein das gesamte Gesinde.


[Spaltenumbruch]

"Wia kummst denn du daher?" rief der Schwarz-
böck seinen Großknecht an und schlug verwundert die
Hände zusammen, das kecke Volk hinter ihm aber
brach in ein Gelächter aus.

Bald war der Sepp wie ein Weltwunder von
all seinen Arbeitsgenossen umrungen und besonders
der männliche Teil interessierte sich lebhaft für die
Provenienz seines Ausnahmszustandes, daß sich der
Sepp für eigenes Geld in einen solchen hineinversetzte
-- das gab es nicht.

Anfangs leugnete er, überhaupt einen Tropfen
getrunken zu haben, als man ihn aber doch zu stark
mit schlagenden Beweisen in die Enge getrieben hatte,
schritt er wohl zu einem Geständnis, was aber nur
eine Anklage gegen die Leitnerin war, denn Sepp,
dem beim Tirolerwirt das Erinnerungsvermögen
teilweise abhanden gekommen sein mußte, sagte, die
Leitenbäuerin habe ihm an der Kirchtüre aufgelauert,
ihn meuchlings in das Wirtshaus hineingezerrt und
dort mußte er trinken bis er nicht mehr konnte.

Die Aussage begegnete wohl allenthalben großem
Zweifel und der Bauer sagte: "Na, na, Sepp --
das muaßt wen andern derzähl'n, der d'Leitnerin net
kennt, aber net uns".

"Na freili was denn! Dö lassert sie enter va
dir was zahl'n!" sagte eine der Mägde.

"Da losserst a no enter du was aus", sagte
ein Knecht und damit war die Sache abgetan.

Sepp suchte seine Schlafstelle auf -- es war
ja Sonntag heute -- dachte lange nach, wie er wohl
heute den Berg bezwungen haben mochte -- und
gänzlich im Unklaren darüber, schlief er ein.

Die übrigen Dorfbewohner, der ältere Teil
nämlich, die taten sich am Sonntag-Nachmittag zu-
[Spaltenumbruch] sammen und plauschten ein paar Stunden, die jüngere
Generation saß auf den Hausbänken, lachend oder
singend, hie und da hörte man auch eine Harmonika
und schlechte Witze flogen hin und her. Therese, die
bei diesem Treiben der Dorfjugend sonst nie fehlte,
zog sich heute ganz von ihr zurück; jeder heitere Ton
schnitt ihr ja ins Herz hinein und bei den ländlich
einfachen, aber manchmal recht innigen Musikweisen,
konnte sie sich der Tränen kaum wehren. Sie suchte
ihre Kammer auf und schloß sich ein.

Die Kapellenbäuerin sowie ihren Mann versetzte
das ungewöhnliche Gebaren ihres Kindes in nicht
geringe Aufregung, gar als sie heute von der Kirche
nachhause kamen und das blasse Gesicht und die vom
Weinen verschwollenen Augen sahen, da waren sie
zu Tode erschrocken, aber alles Fragen war umsonst,
was der Therese so furchtbares widerfahren, brachte
man nicht heraus.

Das Mädchen war stundenlang für die Haus-
genossen unsichtbar. Wiederholt ging die Bäuerin
hinauf, klopfte an der verschlossenen Türe und rief
ihr Kind mit den zärtlichsten Namen. Endlich ließ
sich Therese doch erweichen und öffnete, bat aber die
Mutter, man möge ihr doch Ruhe gönnen, sie fühle
sich nicht wohl, und in der Tat, das sonst so frische
und kerngesunde Naturkind glich einer Schwerleidenden.
Die Schwarzböckin aber, in ihrer Herzensangst um
ihre einzige Freude, lief gleich zur Hofbäuerin
hinüber um Rat und Beistand; die packte sogleich
ihre gesamte Hausapotheke zusammen und ging unter
beständigen Beileidskundgebungen nach dem Kapellen-
hof. Der Franzl und die Kathl standen beisammen
und sahen ihr nach, und das ruchlose Paar --
lachte sogar.


Nr. 86. Mittwoch Badener Zeitung 26 Oktober 1904.

[Spaltenumbruch]

Herzog, Hölzl, Hubler, Kollmann, Dr. Lautin, Bürger-
ſchuldirektor Martin, Mayerhofer, Schratt, Schulrat
Schwetz, Dr. Süß, Weber, Witzmann; entſchuldigt
die Herren Bruſatti, Faſching, Odorfer und Zimmer-
mann.

Die Sitzung wird um 4 Uhr 15 Min. eröffnet.
Der Vorſitzende bringt ein Schreiben des Profeſſors
Reinöhl zur Verleſung, der dem Ausſchuß für die
ihm verliehene Archivarſtelle in herzlichen Worten
dankt und daran die Bemerkung knüpft, daß ihm
das ſtädtiſche Muſeum vom Bäderdirektor Frühauf
in muſterhafter Weiſe übergeben wurde; man möge
demſelben hiefür die Anerkennung ausſprechen, und
plaidiert der Vorſitzende ſodann dafür, daß man
beſchließen möge, dem Bäderdirektor Frühauf die
Anerkennung in ſchriftlicher Form zum Ausdruck zu
bringen, was angenommen wird.

Der Vorſitzende teilt weiter mit, daß ein
Schreiben des Lehrers Hammerſchmid eingelangt
ſei der ſich zufolge des am 6. September einſtimmig
gefaßten Ausſchußbeſchluſſes, ihm für ſein hierortiges
43jähriges Wirken das Bürgerrecht zu verleihen, ſehr
geehrt fühlt und ſeinen Dank äußert.

GR. Dr. Trenner bringt unter Hinweis
darauf, daß ſich der niederöſterreichiſche Landtag gegen-
wärtig mit der Gehaltsregulierung der Lehrer im
Zuſammenhange mit den Entwürfen zu einem neuen
Schulgeſetz befaßt, nach welchen Entwürfen die Rechte
der Gemeinde und Steuerzahler eingeſchränkt werden,
nachſtehenden Dringlichkeitsantrag ein:

„Da in den Entwürfen zur Abänderung der
niederöſterr. Schulgeſetzgebung das Recht der Ge-
meinde und der Steuerzahler eingeſchränkt wird,
indem unter gewiſſen Verhältniſſen in Zukunft die
Vertreter der Steuerzahler im Bezirksſchulrate
nun nicht mehr zur Hälfte von den Gemeinde-
vertretern gewählt und zur Hälfte vom Landes-
ausſchuß ernannt werden ſollen, hiemit alſo das
bisherige Ernennungsrecht und die Disziplinar-
behandlung der Lehrer den Bezirksſchulräten ab-
genommen werden ſoll, legt die Gemeindevertretung
der l. f. Stadt Baden gegen den geplanten Geſetz-
entwurf entſchiedene Verwahrung ein und ſtellt an
einen hohen niederöſterr. Landtag das dringliche
Erſuchen, dieſer geplanten Abänderung bisheriger
geſetzlicher Beſtimmungen, wodurch den Gemeinden
jahrelang innegehabte Rechte ohneweiters genommen
werden ſollen, die Zuſtimmung zu verſagen.“

GR. Dr. Trenner greift in Begründung
ſeines Antrages Momente heraus, die geeignet ſind,
ſchwere Bedenken hervorzurufen. Er führt aus, daß es
durchaus nicht angeht, wenn man ſchon den Lehrern
eine Gehaltserhöhung vergönnt, Maßnahmen zu er-
greifen, die danach angetan ſind, die freie Schule in
entſchiedener Weiſe zu feſſeln und zu knebeln; die
Gemeinde als ſolche habe die Pflicht, ihre Rechte
zu wahren.

GA. Herzog konſtatiert, daß es heute zum
[Spaltenumbruch] erſten Male iſt, daß ein politiſcher Gegenſtand in
den Saal geworfen wird, die Sache habe politiſchen
Hintergrund; was Antragſteller ſagt, läßt ſich im
Meritum unterſchreiben. Die Mehrheit des Land-
tages habe ihre Macht in unqualifizierbarer Weiſe
mißbraucht; Redner verſpricht ſich von der Reſolution
keine Wirkung, da ſie an eine ganz falſche Adreſſe
gerichtet ſei. Er bezeichnet die Sache als einen Schlag
ins Waſſer. Der Landtag wird ſich um die Reſo-
lution nicht kümmern und wird dem Entwurf morgen
natürlich ſeine Zuſtimmung geben; unſer Proteſt
alſo wird wirkungslos verhallen.

GR. Grab iſt mit der Vorlage dieſer Reſo-
lution einverſtanden, wünſcht aber, dieſelbe auch an
die hohe Regierung gerichtet, damit Se. Majeſtät
nicht die Allerhöchſte Sanktion gebe.

GA. Süß gibt ſich zwar auch keiner Täuſchung
über den Erfolg dieſer Entſchließung im Landtage
hin, aber er kann nicht der Anſicht Herzogs zuſtimmen,
daß ſie ein Schlag ins Waſſer ſei; denn es ſei nicht
einerlei, ob die herrſchende Partei ihre ſchulfeindlichen
Pläne durchſetzt, ohne daß jemand dagegen ſeine
Stimme erhebt, oder ob ſie dieſelben durchſetzt unter
dem l[a]uten Widerſpruche der erſten Städt des Landes;
Baden dürfte zu den erſten Städten des Landes
zählen. Er beantragt, den Landtagsabgeordneten der
Stadt, Herrn Thoma, auf kürzeſtem Wege von dieſer
Entſchließung zu verſtändigen und zu erſuchen, die
Entrechtung der Steuerzahler, Gemeinden und Lehrer
tatkräftigſt zu bekämpfen.

GA. Martin hält es für eine Pflicht der
Gemeindevertretung, für die freie Schule einzutreten
in dem Momente, wo man die Axt an die Wurzeln
legen will; das Geſetz ſei der Tod für das Reichs-
Volksſchulgeſetz in Niederöſterreich. Es verringert den
Einfluß der Vertreter der einzelnen Gemeinden im
Bezirksſchulrate; weiters befürchte ich (Reduer ſpricht
nun mit ſcharfer Betonung) einen ſehr ungünſtigen
Einfluß auf den Charakter unſerer deutſchen
Lehrer.
Wir haben in Oeſterreich ſchon einmal ein
freies und gutes Schulgeſetz unter Maria Thereſia
und Kaiſer Joſef gehabt, allein es wurde durch
andere Einflüſſe eingeſchränkt. Redner ſpricht davon,
wie viele politiſche Parteien es denn gebe, die ein
Verantwortlichkeitsgefühl hätten. Die Schule ſoll in
Pacht gegeben werden, wenn der Staat ſchon wirklich
ſo weit iſt, daß er ſich die Selbſtverwaltung nicht
mehr zutraut, dann iſt es um ihn ſchon traurig be-
ſtellt. Redner glaubt nicht, daß die Vorlage Geſetz
wird, umſomehr als Leute darin ſitzen, die dafür
eintreten werden, daß dies nicht geſchehen kann.

GA. Kollmann glaubt, daß das Anſuchen
an den Landtag wenig Erfolg haben wird und gibt
dabei zu bedenken, daß mit dem Geſetz die Gehalts-
regulierung der Lehrer, die ſehr notwendig ſei, in
Verbindung ſtehe. Redner wünſcht, daß über die An-
träge Trenner und Grab ſeparat abgeſtimmt werde.

GR. Dr. Trenner iſt der Anſicht, daß der
Gemeindevertretung die Verpflichtung obliegt, ihrer
[Spaltenumbruch] Meinung Ausdruck zu verleihen, ſelbſt wenn es
umſonſt iſt. Mit dem Antrag Grab kann er ſich aus
formellen Gründen nicht einverſtanden erklären.

GA. Kollmann beſpricht die politiſche Seite
der Sache und ſagt, daß nicht alle Menſchen Partei-
Fanatiker ſein müſſen und daß nicht alles ſchlecht ſein
müſſe, was andere machen; es gebe auch Politiker,
denen man auch als Gegner und Feind recht geben
müſſe.

GA. Herzog repliziert auf die Ausführungen
Kollmann’s, daß die Sache denn doch nicht ſo harm-
los ſei. Nach den Ausführungen desſelben hätte man
von den Chriſtlichfozialen gar nichts zu befürchten,
währenddem man jedoch an einer Unzahl von Bei-
ſpielen das Gegenteil nachweiſen könne; ſo ſagt der
Führer der Antiſemiten ſelbſt: Alldeutſche und Sozial-
demokraten werden bei mir nicht angeſtellt oder ihr
werdet wegen eurer Geſinnung nicht befördert; ſo
ganz harmlos ſei die Sache alſo nicht.

GR. Notar Grab verwahrt ſich dagegen, daß
in ſeinem Antrag etwas unlogiſches enthalten ſei;
er iſt ſich klar darüber, daß dieſer Entwurf unver-
ändert zur Annahme kommt, wir ſagen dagegen:
für den Fall, daß der Entwurf in dieſer Faſſung
angenommen wird, verwahrt ſich die Gemeindevertre-
tung dagegen mit der Bitte, die Sanktion verweigern
zu wollen.

Der Vorſitzende bringt nun den Antrag Dr.
Trenner’s, der ſowohl an den Landtag als an das
Miniſterium und an den Abgeordneten Thoma abge-
ſendet werden ſoll, zur Abſtimmung, der ſodann mit
allen Stimmen gegen die jenige Kollmann’s
angenommen wird.

An Thoma wird noch heute abends das ent-
ſprechende eingeleitet, daß er bereits morgen davon
informiert iſt.

GA. Herzog verlangt Aufklärung betreffend
eine in den hieſigen Blättern erſchienene Notiz, be-
züglich der Kommiſſion zur Verwaltung des hieſigen
Muſeums, die ihm vom Vorſitzenden zuteil wird.
Redner rügt ferner einen Uebelſtand beim Joſefsbad.
Das Geleiſe der Bahn dort iſt derart ausgefahren,
daß nicht nur Fuhrwerke leicht zu Schaden kommen
können, ſondern auch Schäden für die Perſon ein-
treten können; es ſei mit aller Energie darauf zu
dringen, daß dieſer Schaden ausgebeſſert werde, das
weiche Pflaſter ſei dort überhaupt nicht paſſend und
ſei hartes Pflaſter erwünſcht.

Der Vorſitzende bemerkt, daß ein diesbezüglicher
Auftrag an die Lokalbahn bereits länger hinaus-
gegangen ſei, worauf GA. Herzog ſagt, dann iſt
es eben notwendig, in der Sache einen energiſchen
Ton anzuſchlagen.

GA. Herzog bringt zu oft wiederholtenmalen
die Beeidigung Höferl’s zur Sprache und ſagt, daß
das Schriftſtück ſchon längſt abgegangen ſei, ohne
daß es von Seite der Bezirkshauptmannſchaft er-
ledigt worden wäre; Redner ſieht nicht ein, ſich ein
derartiges Vorgehen weiter gefallen zu laſſen und




[Spaltenumbruch]

widerte nichts, ſie ging ſchweigend an der Seite der
Alten hinein.

Nach dem Eſſen, als die Leitenbäuerin mit ihrer
Tochter wieder auf einige Momente allein war, ſagte
ſie: „Wenn’s oft nachher Ernſt wird, ba dir und
’n Toni, oft muaß d’Hofbäuerin weg! D’Schwieger-
muatter in Haus, das tuat niamals koa guat net
— und wann’s ös an Rat braucht’s, oft bin ſcho i
do — dei Muatter!“




Der Sepp war zur Mittagszeit noch immer
nicht zuhauſe, was den Kapellenbauern und ſeine
Ehehälfte ſehr beunruhigte, denn derlei Unregel-
mäßigkeiten ließ ſich der alte Großknecht nie zu
ſchulden kommen.

Endlich — um zwei Uhr — traf er auf dem
Kapellenhofe ein, kein anderer Menſch hatte ihn
kommen ſehen als die Thereſe, die ſaß unter dem
blühenden Apfelbaum im Hof und hing einer neuen
Gewohnheit gemäß, wieder ihren trüben Gedanken
nach. Sepp wurde ihrer gleich anſichtig — aber der
Tirolerwein mußte auch in dieſer Hülle ſeine Wir-
kung nicht verfehlt haben — denn mit ausgebreiteten
Armen eilte der Großnecht auf die Tochter des
Hauſes zu. „Threſerl! Wann i der Hofbauern-Toni
war —!“

„Oft hiaſt wohl alle Tag’ an ſolch’n Rauſch!“
ſchnitt ſie ihm das Wort ab und wich ihm mit einer
Geberde voll Verachtung aus.

Man mußte den Vorfall im Hauſe drinnen
gehört haben, denn gleich erſchien der Bauer in
Hemdärmeln unter der Küchentür, welche in den Hof
mündete und hinter ihm darein das geſamte Geſinde.


[Spaltenumbruch]

„Wia kummſt denn du daher?“ rief der Schwarz-
böck ſeinen Großknecht an und ſchlug verwundert die
Hände zuſammen, das kecke Volk hinter ihm aber
brach in ein Gelächter aus.

Bald war der Sepp wie ein Weltwunder von
all ſeinen Arbeitsgenoſſen umrungen und beſonders
der männliche Teil intereſſierte ſich lebhaft für die
Provenienz ſeines Ausnahmszuſtandes, daß ſich der
Sepp für eigenes Geld in einen ſolchen hineinverſetzte
— das gab es nicht.

Anfangs leugnete er, überhaupt einen Tropfen
getrunken zu haben, als man ihn aber doch zu ſtark
mit ſchlagenden Beweiſen in die Enge getrieben hatte,
ſchritt er wohl zu einem Geſtändnis, was aber nur
eine Anklage gegen die Leitnerin war, denn Sepp,
dem beim Tirolerwirt das Erinnerungsvermögen
teilweiſe abhanden gekommen ſein mußte, ſagte, die
Leitenbäuerin habe ihm an der Kirchtüre aufgelauert,
ihn meuchlings in das Wirtshaus hineingezerrt und
dort mußte er trinken bis er nicht mehr konnte.

Die Ausſage begegnete wohl allenthalben großem
Zweifel und der Bauer ſagte: „Na, na, Sepp —
das muaßt wen andern derzähl’n, der d’Leitnerin net
kennt, aber net uns“.

„Na freili was denn! Dö laſſert ſie enter va
dir was zahl’n!“ ſagte eine der Mägde.

„Da loſſerſt a no enter du was aus“, ſagte
ein Knecht und damit war die Sache abgetan.

Sepp ſuchte ſeine Schlafſtelle auf — es war
ja Sonntag heute — dachte lange nach, wie er wohl
heute den Berg bezwungen haben mochte — und
gänzlich im Unklaren darüber, ſchlief er ein.

Die übrigen Dorfbewohner, der ältere Teil
nämlich, die taten ſich am Sonntag-Nachmittag zu-
[Spaltenumbruch] ſammen und plauſchten ein paar Stunden, die jüngere
Generation ſaß auf den Hausbänken, lachend oder
ſingend, hie und da hörte man auch eine Harmonika
und ſchlechte Witze flogen hin und her. Thereſe, die
bei dieſem Treiben der Dorfjugend ſonſt nie fehlte,
zog ſich heute ganz von ihr zurück; jeder heitere Ton
ſchnitt ihr ja ins Herz hinein und bei den ländlich
einfachen, aber manchmal recht innigen Muſikweiſen,
konnte ſie ſich der Tränen kaum wehren. Sie ſuchte
ihre Kammer auf und ſchloß ſich ein.

Die Kapellenbäuerin ſowie ihren Mann verſetzte
das ungewöhnliche Gebaren ihres Kindes in nicht
geringe Aufregung, gar als ſie heute von der Kirche
nachhauſe kamen und das blaſſe Geſicht und die vom
Weinen verſchwollenen Augen ſahen, da waren ſie
zu Tode erſchrocken, aber alles Fragen war umſonſt,
was der Thereſe ſo furchtbares widerfahren, brachte
man nicht heraus.

Das Mädchen war ſtundenlang für die Haus-
genoſſen unſichtbar. Wiederholt ging die Bäuerin
hinauf, klopfte an der verſchloſſenen Türe und rief
ihr Kind mit den zärtlichſten Namen. Endlich ließ
ſich Thereſe doch erweichen und öffnete, bat aber die
Mutter, man möge ihr doch Ruhe gönnen, ſie fühle
ſich nicht wohl, und in der Tat, das ſonſt ſo friſche
und kerngeſunde Naturkind glich einer Schwerleidenden.
Die Schwarzböckin aber, in ihrer Herzensangſt um
ihre einzige Freude, lief gleich zur Hofbäuerin
hinüber um Rat und Beiſtand; die packte ſogleich
ihre geſamte Hausapotheke zuſammen und ging unter
beſtändigen Beileidskundgebungen nach dem Kapellen-
hof. Der Franzl und die Kathl ſtanden beiſammen
und ſahen ihr nach, und das ruchloſe Paar —
lachte ſogar.


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[3/0003] Nr. 86. Mittwoch Badener Zeitung 26 Oktober 1904. Herzog, Hölzl, Hubler, Kollmann, Dr. Lautin, Bürger- ſchuldirektor Martin, Mayerhofer, Schratt, Schulrat Schwetz, Dr. Süß, Weber, Witzmann; entſchuldigt die Herren Bruſatti, Faſching, Odorfer und Zimmer- mann. Die Sitzung wird um 4 Uhr 15 Min. eröffnet. Der Vorſitzende bringt ein Schreiben des Profeſſors Reinöhl zur Verleſung, der dem Ausſchuß für die ihm verliehene Archivarſtelle in herzlichen Worten dankt und daran die Bemerkung knüpft, daß ihm das ſtädtiſche Muſeum vom Bäderdirektor Frühauf in muſterhafter Weiſe übergeben wurde; man möge demſelben hiefür die Anerkennung ausſprechen, und plaidiert der Vorſitzende ſodann dafür, daß man beſchließen möge, dem Bäderdirektor Frühauf die Anerkennung in ſchriftlicher Form zum Ausdruck zu bringen, was angenommen wird. Der Vorſitzende teilt weiter mit, daß ein Schreiben des Lehrers Hammerſchmid eingelangt ſei der ſich zufolge des am 6. September einſtimmig gefaßten Ausſchußbeſchluſſes, ihm für ſein hierortiges 43jähriges Wirken das Bürgerrecht zu verleihen, ſehr geehrt fühlt und ſeinen Dank äußert. GR. Dr. Trenner bringt unter Hinweis darauf, daß ſich der niederöſterreichiſche Landtag gegen- wärtig mit der Gehaltsregulierung der Lehrer im Zuſammenhange mit den Entwürfen zu einem neuen Schulgeſetz befaßt, nach welchen Entwürfen die Rechte der Gemeinde und Steuerzahler eingeſchränkt werden, nachſtehenden Dringlichkeitsantrag ein: „Da in den Entwürfen zur Abänderung der niederöſterr. Schulgeſetzgebung das Recht der Ge- meinde und der Steuerzahler eingeſchränkt wird, indem unter gewiſſen Verhältniſſen in Zukunft die Vertreter der Steuerzahler im Bezirksſchulrate nun nicht mehr zur Hälfte von den Gemeinde- vertretern gewählt und zur Hälfte vom Landes- ausſchuß ernannt werden ſollen, hiemit alſo das bisherige Ernennungsrecht und die Disziplinar- behandlung der Lehrer den Bezirksſchulräten ab- genommen werden ſoll, legt die Gemeindevertretung der l. f. Stadt Baden gegen den geplanten Geſetz- entwurf entſchiedene Verwahrung ein und ſtellt an einen hohen niederöſterr. Landtag das dringliche Erſuchen, dieſer geplanten Abänderung bisheriger geſetzlicher Beſtimmungen, wodurch den Gemeinden jahrelang innegehabte Rechte ohneweiters genommen werden ſollen, die Zuſtimmung zu verſagen.“ GR. Dr. Trenner greift in Begründung ſeines Antrages Momente heraus, die geeignet ſind, ſchwere Bedenken hervorzurufen. Er führt aus, daß es durchaus nicht angeht, wenn man ſchon den Lehrern eine Gehaltserhöhung vergönnt, Maßnahmen zu er- greifen, die danach angetan ſind, die freie Schule in entſchiedener Weiſe zu feſſeln und zu knebeln; die Gemeinde als ſolche habe die Pflicht, ihre Rechte zu wahren. GA. Herzog konſtatiert, daß es heute zum erſten Male iſt, daß ein politiſcher Gegenſtand in den Saal geworfen wird, die Sache habe politiſchen Hintergrund; was Antragſteller ſagt, läßt ſich im Meritum unterſchreiben. Die Mehrheit des Land- tages habe ihre Macht in unqualifizierbarer Weiſe mißbraucht; Redner verſpricht ſich von der Reſolution keine Wirkung, da ſie an eine ganz falſche Adreſſe gerichtet ſei. Er bezeichnet die Sache als einen Schlag ins Waſſer. Der Landtag wird ſich um die Reſo- lution nicht kümmern und wird dem Entwurf morgen natürlich ſeine Zuſtimmung geben; unſer Proteſt alſo wird wirkungslos verhallen. GR. Grab iſt mit der Vorlage dieſer Reſo- lution einverſtanden, wünſcht aber, dieſelbe auch an die hohe Regierung gerichtet, damit Se. Majeſtät nicht die Allerhöchſte Sanktion gebe. GA. Süß gibt ſich zwar auch keiner Täuſchung über den Erfolg dieſer Entſchließung im Landtage hin, aber er kann nicht der Anſicht Herzogs zuſtimmen, daß ſie ein Schlag ins Waſſer ſei; denn es ſei nicht einerlei, ob die herrſchende Partei ihre ſchulfeindlichen Pläne durchſetzt, ohne daß jemand dagegen ſeine Stimme erhebt, oder ob ſie dieſelben durchſetzt unter dem lauten Widerſpruche der erſten Städt des Landes; Baden dürfte zu den erſten Städten des Landes zählen. Er beantragt, den Landtagsabgeordneten der Stadt, Herrn Thoma, auf kürzeſtem Wege von dieſer Entſchließung zu verſtändigen und zu erſuchen, die Entrechtung der Steuerzahler, Gemeinden und Lehrer tatkräftigſt zu bekämpfen. GA. Martin hält es für eine Pflicht der Gemeindevertretung, für die freie Schule einzutreten in dem Momente, wo man die Axt an die Wurzeln legen will; das Geſetz ſei der Tod für das Reichs- Volksſchulgeſetz in Niederöſterreich. Es verringert den Einfluß der Vertreter der einzelnen Gemeinden im Bezirksſchulrate; weiters befürchte ich (Reduer ſpricht nun mit ſcharfer Betonung) einen ſehr ungünſtigen Einfluß auf den Charakter unſerer deutſchen Lehrer. Wir haben in Oeſterreich ſchon einmal ein freies und gutes Schulgeſetz unter Maria Thereſia und Kaiſer Joſef gehabt, allein es wurde durch andere Einflüſſe eingeſchränkt. Redner ſpricht davon, wie viele politiſche Parteien es denn gebe, die ein Verantwortlichkeitsgefühl hätten. Die Schule ſoll in Pacht gegeben werden, wenn der Staat ſchon wirklich ſo weit iſt, daß er ſich die Selbſtverwaltung nicht mehr zutraut, dann iſt es um ihn ſchon traurig be- ſtellt. Redner glaubt nicht, daß die Vorlage Geſetz wird, umſomehr als Leute darin ſitzen, die dafür eintreten werden, daß dies nicht geſchehen kann. GA. Kollmann glaubt, daß das Anſuchen an den Landtag wenig Erfolg haben wird und gibt dabei zu bedenken, daß mit dem Geſetz die Gehalts- regulierung der Lehrer, die ſehr notwendig ſei, in Verbindung ſtehe. Redner wünſcht, daß über die An- träge Trenner und Grab ſeparat abgeſtimmt werde. GR. Dr. Trenner iſt der Anſicht, daß der Gemeindevertretung die Verpflichtung obliegt, ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen, ſelbſt wenn es umſonſt iſt. Mit dem Antrag Grab kann er ſich aus formellen Gründen nicht einverſtanden erklären. GA. Kollmann beſpricht die politiſche Seite der Sache und ſagt, daß nicht alle Menſchen Partei- Fanatiker ſein müſſen und daß nicht alles ſchlecht ſein müſſe, was andere machen; es gebe auch Politiker, denen man auch als Gegner und Feind recht geben müſſe. GA. Herzog repliziert auf die Ausführungen Kollmann’s, daß die Sache denn doch nicht ſo harm- los ſei. Nach den Ausführungen desſelben hätte man von den Chriſtlichfozialen gar nichts zu befürchten, währenddem man jedoch an einer Unzahl von Bei- ſpielen das Gegenteil nachweiſen könne; ſo ſagt der Führer der Antiſemiten ſelbſt: Alldeutſche und Sozial- demokraten werden bei mir nicht angeſtellt oder ihr werdet wegen eurer Geſinnung nicht befördert; ſo ganz harmlos ſei die Sache alſo nicht. GR. Notar Grab verwahrt ſich dagegen, daß in ſeinem Antrag etwas unlogiſches enthalten ſei; er iſt ſich klar darüber, daß dieſer Entwurf unver- ändert zur Annahme kommt, wir ſagen dagegen: für den Fall, daß der Entwurf in dieſer Faſſung angenommen wird, verwahrt ſich die Gemeindevertre- tung dagegen mit der Bitte, die Sanktion verweigern zu wollen. Der Vorſitzende bringt nun den Antrag Dr. Trenner’s, der ſowohl an den Landtag als an das Miniſterium und an den Abgeordneten Thoma abge- ſendet werden ſoll, zur Abſtimmung, der ſodann mit allen Stimmen gegen die jenige Kollmann’s angenommen wird. An Thoma wird noch heute abends das ent- ſprechende eingeleitet, daß er bereits morgen davon informiert iſt. GA. Herzog verlangt Aufklärung betreffend eine in den hieſigen Blättern erſchienene Notiz, be- züglich der Kommiſſion zur Verwaltung des hieſigen Muſeums, die ihm vom Vorſitzenden zuteil wird. Redner rügt ferner einen Uebelſtand beim Joſefsbad. Das Geleiſe der Bahn dort iſt derart ausgefahren, daß nicht nur Fuhrwerke leicht zu Schaden kommen können, ſondern auch Schäden für die Perſon ein- treten können; es ſei mit aller Energie darauf zu dringen, daß dieſer Schaden ausgebeſſert werde, das weiche Pflaſter ſei dort überhaupt nicht paſſend und ſei hartes Pflaſter erwünſcht. Der Vorſitzende bemerkt, daß ein diesbezüglicher Auftrag an die Lokalbahn bereits länger hinaus- gegangen ſei, worauf GA. Herzog ſagt, dann iſt es eben notwendig, in der Sache einen energiſchen Ton anzuſchlagen. GA. Herzog bringt zu oft wiederholtenmalen die Beeidigung Höferl’s zur Sprache und ſagt, daß das Schriftſtück ſchon längſt abgegangen ſei, ohne daß es von Seite der Bezirkshauptmannſchaft er- ledigt worden wäre; Redner ſieht nicht ein, ſich ein derartiges Vorgehen weiter gefallen zu laſſen und widerte nichts, ſie ging ſchweigend an der Seite der Alten hinein. Nach dem Eſſen, als die Leitenbäuerin mit ihrer Tochter wieder auf einige Momente allein war, ſagte ſie: „Wenn’s oft nachher Ernſt wird, ba dir und ’n Toni, oft muaß d’Hofbäuerin weg! D’Schwieger- muatter in Haus, das tuat niamals koa guat net — und wann’s ös an Rat braucht’s, oft bin ſcho i do — dei Muatter!“ Der Sepp war zur Mittagszeit noch immer nicht zuhauſe, was den Kapellenbauern und ſeine Ehehälfte ſehr beunruhigte, denn derlei Unregel- mäßigkeiten ließ ſich der alte Großknecht nie zu ſchulden kommen. Endlich — um zwei Uhr — traf er auf dem Kapellenhofe ein, kein anderer Menſch hatte ihn kommen ſehen als die Thereſe, die ſaß unter dem blühenden Apfelbaum im Hof und hing einer neuen Gewohnheit gemäß, wieder ihren trüben Gedanken nach. Sepp wurde ihrer gleich anſichtig — aber der Tirolerwein mußte auch in dieſer Hülle ſeine Wir- kung nicht verfehlt haben — denn mit ausgebreiteten Armen eilte der Großnecht auf die Tochter des Hauſes zu. „Threſerl! Wann i der Hofbauern-Toni war —!“ „Oft hiaſt wohl alle Tag’ an ſolch’n Rauſch!“ ſchnitt ſie ihm das Wort ab und wich ihm mit einer Geberde voll Verachtung aus. Man mußte den Vorfall im Hauſe drinnen gehört haben, denn gleich erſchien der Bauer in Hemdärmeln unter der Küchentür, welche in den Hof mündete und hinter ihm darein das geſamte Geſinde. „Wia kummſt denn du daher?“ rief der Schwarz- böck ſeinen Großknecht an und ſchlug verwundert die Hände zuſammen, das kecke Volk hinter ihm aber brach in ein Gelächter aus. Bald war der Sepp wie ein Weltwunder von all ſeinen Arbeitsgenoſſen umrungen und beſonders der männliche Teil intereſſierte ſich lebhaft für die Provenienz ſeines Ausnahmszuſtandes, daß ſich der Sepp für eigenes Geld in einen ſolchen hineinverſetzte — das gab es nicht. Anfangs leugnete er, überhaupt einen Tropfen getrunken zu haben, als man ihn aber doch zu ſtark mit ſchlagenden Beweiſen in die Enge getrieben hatte, ſchritt er wohl zu einem Geſtändnis, was aber nur eine Anklage gegen die Leitnerin war, denn Sepp, dem beim Tirolerwirt das Erinnerungsvermögen teilweiſe abhanden gekommen ſein mußte, ſagte, die Leitenbäuerin habe ihm an der Kirchtüre aufgelauert, ihn meuchlings in das Wirtshaus hineingezerrt und dort mußte er trinken bis er nicht mehr konnte. Die Ausſage begegnete wohl allenthalben großem Zweifel und der Bauer ſagte: „Na, na, Sepp — das muaßt wen andern derzähl’n, der d’Leitnerin net kennt, aber net uns“. „Na freili was denn! Dö laſſert ſie enter va dir was zahl’n!“ ſagte eine der Mägde. „Da loſſerſt a no enter du was aus“, ſagte ein Knecht und damit war die Sache abgetan. Sepp ſuchte ſeine Schlafſtelle auf — es war ja Sonntag heute — dachte lange nach, wie er wohl heute den Berg bezwungen haben mochte — und gänzlich im Unklaren darüber, ſchlief er ein. Die übrigen Dorfbewohner, der ältere Teil nämlich, die taten ſich am Sonntag-Nachmittag zu- ſammen und plauſchten ein paar Stunden, die jüngere Generation ſaß auf den Hausbänken, lachend oder ſingend, hie und da hörte man auch eine Harmonika und ſchlechte Witze flogen hin und her. Thereſe, die bei dieſem Treiben der Dorfjugend ſonſt nie fehlte, zog ſich heute ganz von ihr zurück; jeder heitere Ton ſchnitt ihr ja ins Herz hinein und bei den ländlich einfachen, aber manchmal recht innigen Muſikweiſen, konnte ſie ſich der Tränen kaum wehren. Sie ſuchte ihre Kammer auf und ſchloß ſich ein. Die Kapellenbäuerin ſowie ihren Mann verſetzte das ungewöhnliche Gebaren ihres Kindes in nicht geringe Aufregung, gar als ſie heute von der Kirche nachhauſe kamen und das blaſſe Geſicht und die vom Weinen verſchwollenen Augen ſahen, da waren ſie zu Tode erſchrocken, aber alles Fragen war umſonſt, was der Thereſe ſo furchtbares widerfahren, brachte man nicht heraus. Das Mädchen war ſtundenlang für die Haus- genoſſen unſichtbar. Wiederholt ging die Bäuerin hinauf, klopfte an der verſchloſſenen Türe und rief ihr Kind mit den zärtlichſten Namen. Endlich ließ ſich Thereſe doch erweichen und öffnete, bat aber die Mutter, man möge ihr doch Ruhe gönnen, ſie fühle ſich nicht wohl, und in der Tat, das ſonſt ſo friſche und kerngeſunde Naturkind glich einer Schwerleidenden. Die Schwarzböckin aber, in ihrer Herzensangſt um ihre einzige Freude, lief gleich zur Hofbäuerin hinüber um Rat und Beiſtand; die packte ſogleich ihre geſamte Hausapotheke zuſammen und ging unter beſtändigen Beileidskundgebungen nach dem Kapellen- hof. Der Franzl und die Kathl ſtanden beiſammen und ſahen ihr nach, und das ruchloſe Paar — lachte ſogar.

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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 86, Baden (Niederösterreich), 26.10.1904, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener086_1904/3>, abgerufen am 29.03.2024.