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Die Bayerische Presse. Nr. 131. Würzburg, 1. Juni 1850.

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[Spaltenumbruch] Jn der Assemblee will die Montagne nicht anbei-
ßen, sie fürchtet Changarnier und das Heer; aber
Caussidiere und Louis Blanc drängen von Lon-
don aus, die Delegirten der Clubs, oder wie
man sie genannt hat, die Männer des Conclave,
welche die Ernennungen der HH. E. Sue betrie-
ben, sind wüthend, befehlen den Häuptern der
Montagne zu gehorchen. Flotte hat bei dieser
Gelegenheit einen kecken Muth bewiesen. Er ist
im Hauptelub aufgetreten, hat den Conclavisten
erklärt, sie hätten der Montagne zu gehorchen
und sie sollten ihr nicht das Spiel verderben;
wenn man losschlagen müsse, werde er der erste
sein, aber keiner solle sich unterfangen loszuschla-
gen ohne ihn. Er hat für den Augenblick, heißt
es, imponirt, aber das ist nichts, die Bursche sind
zu wüthend, werden zu sehr gestachelt, gehetzt, als
daß man ihnen eine langwierige Geduld zutrauen
dürfte. Vergebens warnt Girardin in der Presse;
seine Rache kocht ihr einsames Gift aus. Er
möchte für sich allein eine ganze Revolution, ein
ganzes Frankreich sein, aber die Demagogen wol-
len nicht viel wissen von diesem Demagogen, dem
sie keinen Volksenthusiasmus irgend einer Art zu-
trauen. Der National befindet sich in einer ver-
zweifelten Lage. Er befürchtet einen Ausbruch,
und doch ist er gezwungen parat zu sein, seine
Charras und andere Manner, die nach einer gro-
ßen Rolle lechzen, vorzuschieben. Er steckt eigent-
lich zwischen zwei Feuern; auf der einen Seite
der Volksschlund gähnender Demagogik, in dessen
Rachen er von Zeit zu Zeit appetitliche Kuchen
hineinwirft: "Nun, nun Cerberus, still! still!"
Aber dieser Cerberus ist doch gar zu grauslich.
Auf der anderen Seite seine Haupt = und Tod-
feinde, diejenigen, welche Marrast während der
ganzen Regierung Ludwig Philipps stets verhöhnt
hatte, die ihm brennenden unauslöschlichen Haß
mit gleichem Hasse vergelten. Cavaignae steht
sehr einsam, ist sehr vertieft. Aber Changarnier,
ah! da steckt der Haken. Changarnier hat ein
Rundschreiben ergehen lassen an alle Generale im
Bezirke seiner Macht, indem er ihnen zusagt, daß
er Alles auf sein Haupt nehme, was sie zu thun
sich veranlaßt finden würden, im Falle des Aus-
bruches des Bürgerkrieges; dadurch flößt er Allen
Zuversicht ein. Hier zu Paris hat er die Ober-
sten und das Offizierkorps versammelt; unter sei-
nen Worten hat man die bemerkt: "Gehorcht
keinem Befehle, woher er komme, als der direkt
von mir ausgeht; wenn es heißt, ich sei todt, so
sagt dreist: es ist eine Lüge. Wenn ich aber
wirklich fallen sollte, habt keine Besorgniß, alle
Maßregeln sind genommen, ich lebe in meinem
Nachfolger fort." Jn das tiefste Detail ist er
darauf eingegangen in allem Dem was einem
Jeden als Verhalten obliege. Bis jetzt ist das
Heer der vernünftigste Theil der Nation; das
macht die Disciplin und der Begriff der Ehre.
Was die Legitimisten und zum Theil auch die
Bonapartisten betrifft, so sind sie in diesem Au-
genblicke gesetzter, weniger heftig, weniger gereizt
als die Orleanisten. Aber die Leidenschaften sind
zu sehr gespannt. Vielleicht, daß die imponirende
Stellung des Heeres zu Paris alle Ausbrüche
hindert. Es geschieht dieses auf Kosten der Zeit;
denn das Werk des Angriffes gegen die Dema-
gogie durch die Gesetzgebung setzt sich nothgedrun-
gen fort.



Landtagsverhandlungen.

München, 28. Mai. ( CXX. Sitzung der
Kammer der Abgeordneten.
) ( Schluß. ) Am
Ministertische v. Kleinschrod und Ministerialrath
v. Kiliani. -- Gegenstand der Berathung sind die
von der Kammer der Reichsräthe vorgetragenen
Schlußanträge, die der erste Präsident einzeln zu
berathen räth. Der 1. Antrag lautet: Die hohe
Staatsregierung wolle bei dem Vollzug der Ge-
richtsorganisation allen Bedacht darauf nehmen,
daß die Sitze der Kreisgerichte in die Mitte
der Kreise und wo möglich in die größern Städte
verlegt werden. -- I. Sekr. Nar spricht sich ge-
gen diesen Wunsch aus. Viele Städte hätten oft
[Spaltenumbruch] große Opfer gebracht, einen Gerichtssitz in ihrer
Mitte zu haben, nun wären diese Opfer ganz
umsonst, da sie ihre Gerichte wieder verlören. --
Wallerstein gleichfalls dagegen. -- Breiten-
bach
bemerkt, sich schon im Ausschusse gegen diese
Wünsche erklärt zu haben. -- Kirchgeßner ver-
theidigt den Antrag der Kammer der Reichsräthe.
Als Schnitzlein sprechen wollte, wurde allge-
mein Schluß gerufen. Nur zwei Worte wurden
ihm erlaubt, derselbe sprach sich gegen den Wunsch
aus, in dem die Verlegung der Gerichtssitze mehr Ko-
sten machen als Vortheile bringen würde. --
Thinnes ( zur thatsächlichen Erklärung ) : Herr
Justizminister habe im Ausschüsse eine kleine Zu-
sammenstellung der Kosten gemacht, die so groß
ausgefallen, daß er diese Wünsche bis zur Vor-
lage dieser Kosten vertagt wünschte. Es wird so-
fort zur Abstimmung geschritten und derselbe fast
einstimmig verworfen. Ebenso geschah es dem
zweiten Antrag der Kammer der Reichsräthe, der
dahin ging, daß die Staatsregierung für den Fall,
daß sich der gleichzeitigen Einführung des vor-
stehenden Gesetzes Schwierigkeiten entgegenstellen
sollten, dieselbe successive in den verschiedenen Krei-
sen des Königreiches bewerkstelligen möge. -- Der
3. Antrag lauter: Die Staatsregierung möge bei
Bildung der Gerichtsbezirke, insbesondere der
Stadt= und Landgerichte, dann aber auch bei Bil-
dung der Verwaltungsbezirke, welche mit der er-
stern im engsten Zusammenhange steht, Fürsorge
treffen, daß den Staatseinwohnern eine möglichst
nahe Justizpflege und Verwaltung gesichert und
die Formation zu großer Gerichts= und Verwal-
tungsbezirke vermieden werde. -- Lerchenfeld
räth zur Ablehnung dieses Wunsches, Hopf und
Schnitzlein aber glauben die Annahme dessen
bevorworten zu müssen. Dieser wurde ebenfalls
verworfen. Die in dem Betreffe der Gerichtsor-
ganisation eingelaufenen Eingaben werden auf An-
trag des zweiten Präsidenten dem Justizministe-
rium im Original überschickt. Es war bisher in
der Kammer [unleserliches Material - 4 Zeichen fehlen]Usns die Eingaben abgeschrieben,
die Abschrift an das Ministertum gelangen und
die Originale im Archive hinterlegen zu lassen.
Da dieses sehr viele Kosten bereite, so fand es
Weiß für gut, gleich die Originalien an das
Ministerium zu überschicken. -- Lerchenfeld
stellte zwei Anträge auf Vereinfachung des Ge-
schäftsganges bei den Stadt= und Landgerichten
und Weglassung der vielen unnützen Formalitäten.
Diese werden angenommen. Der Präsident ver-
liest hierauf eine Erklärung, welche die 23 Ab-
geordneten, die gegen das Gesetz stimmten, auf
den Präsidententisch niedergelegt hatten. Der Prä-
sident schließt hierauf die Sitzung um 1 / 2 6 Uhr.

München, 28. Mai. Heute fand die 47ste
Sitzung der Kammer der Reichsräthe Statt. Am
Beginn derselben, Vormittags 10 Uhr, erhielt
S. k. H. der Herzog Max einen sechswöchentli-
chen Urlaub zum Gebrauch des Bades Kissingen,
da voraussichtlich der Landtag am 10. Juni noch
nicht vertagt wird. Der Einlauf enthielt ein
Schreiben des Finanzministers, Hrn. Dr. Aschen-
brenner, worin der Kammer eröffnet wird, daß
die Staatsregierung demnächst einen Gesetzesent-
wurf, "das Streu= und Weiderecht betr.," vorle-
gen werde; hiermit ist die in diesem Betreff kürz-
lich gestellte Jnterpellation des Grafen K. v. Seins-
heim zugleich beantwortet. -- Die Kammer geht
hierauf zur Berathung der zweiten Rückäußerung
der Kammer der Abgeordneten, bezüglich des Ge-
setzes=Entwurfs: "den Geschäftsgang des Land-
tags betr.," über, und beschließt nach einer Dis-
cussion gegen sechs Stimmen, daß unbedingt auf
dem früheren Beschlusse zu beharren sei, wonach
die Regierungsvorlagen auf Verlangen der Mini-
ster oder Regierungs=Commissare zuerst in Bear-
beitung und Berathung genommen werden müssen.
-- Der Gesetzes=Entwurf: "den Ersatz des Wild-
schadens betr.," wird angenommen; nur wurde
hier der von der 2. Kammer als instructiv be-
trachtete und deßhalb gänzlich gestrichene Art. 8
des Entwurfs wieder aufgenommen und einge-
schaltet. Derselbe lautet: "Bei der von den Be-
theiligten beantragten oder von Richteramtswegen
[Spaltenumbruch] angeordneten Abschätzung des Wildschadens haben
die hiezu vorgeschlagenen Schätzmänner auch darauf
Rücksicht zu nehmen, in wie weit der Wildscha-
den nach den Grundsätzen einer ordentlichen Be-
wirthschaftung durch Wiederanbau ausgeglichen
werden könne." Die Annahme des Gesammtge-
setzes erfolgte mit allen gegen zwei ( Gumppen-
berg und Aretin ) Stimmen. Der Reihe der Ta-
gesordnung nach kam nun der unlängst der Kam-
mer vorgelegte Gesetzes=Entwurf: "den Art. 4 des
Gesetzes über die Ablösung des Lehenverbandes
vom 4. Juni 1848 betr.," zur Berathung, und
wird derselbe nach einigen Erläuterungen einstim-
mig in der vorgelegten Fassung angenommen.
Nachdem hierauf Graf Arco=Valley noch Namens
des 6. Ausschusses angezeigt hatte, daß sämmtliche
Anträge auf Verbesserung der Lage der Lyceal-
professoren, so wie auch jener Antrag: "die Gleich-
stellung der nach dem älteren Pensionsregulativ
pensionirten Offiziere und Militärbeamten mit den
nach den neueren Regulativs Pensionirten betr.,"
vollkommen geeignet und zulässig befunden wur-
den, schließt der Präsident die Sitzung, indem er
die nächste auf Sonnabend anberaumt, um1 1 / 2 Uhr.

   
Deutschland.

München, 29. Mai. Gestern Abend hatte
im königl. Hoftheater das Publikum einen großen
Schrecken zu bestehen. Jn der Vorstellung: "eine
verhängnißvolle Wette," ging plötzlich ein Kessel
mit brennendem Spiritus entzwei, so daß eine un-
endliche Flamme den Tisch, auf welchem der Kes-
sel stund, bedeckte. Die gerade beschäftigte Künst-
lerin, Fräulein Dencker, hatte Geistesgegenwart
genug, sofort einen Diener herbeizurufen. Da
dieser aber den Tisch wegtragen wollte, schlug die
Flamme hoch empor und breitete sich erst recht
auf den Brettern aus. Das Publikum lief er-
schreckt durcheinander, und schon verließ ein Theil
rasch das Haus, als der eiserne Vorhang herab-
gelassen wurde. Kaum hatten sich die Zurückge-
bliebenen vom ersten Schrecken erholt, da öffnete
sich der Vorhang wieder und die Gefahr war
glücklich beseitigt. Mittlerweile hatte sich jedoch
das Theater wohl zur Hälfte geleert.

Aus der bayerischen Pfalz, 25. Mai. Das
Mainzer Journal theilt über die Exzesse in Groß-
bockenheim folgenden ausführlichen Bericht mit:
Sonntag den 12. Mai waren nämlich in Gesell-
schaft vagabundirender Schauspieler zwölf Demo-
kraten aus dem Hessischen nach besagtem Orte
gekommen, um allda ihr sogenanntes Schauspiel
Wilhelm Tell aufzuführen, wozu ihnen in Als-
heim
die Erlaubniß von der hessischen Behörde
verweigert worden war. Von Mittag bis Abend
brachte man mit dem Herrüsten der Bühne zu
und verzögerte den Anfang der Komödie bis auf
10 Uhr, wo die ordentlichen Bürger schon schlie-
fen, oder sich zurückgezogen hatten. Um diese
Zeit ging eben die Komödie los, und dauerte
bis zwei Uhr Morgens, mit Jubeln und Frei-
heitsrufen, Heckerliedern und ähnlichem Spectackel.
Auf gemachte Anzeige kam am folgenden Mittwoch
Aktuar Ottmann von Frankenthal zur Untersu-
chung; Freitags darauf die Truppen. Am ersten
Tage waren dieselben nach der Steuerliste ver-
theilt; Samstag erschien aber der Aktuar wieder-
holt und dictirte sie den Demokraten zu. Vorne
an bekam der große Freiheitsprediger Jsraels,
der im vorletzten Winter sich um das Demokra-
tenwesen schon so unsterbliche Verdienste in G.
gesammelt, Bürger Levi, 15 Mann; andere 7
Mann, oder 6, oder 3 Mann. Zu den 60 er-
sten Soldaten kamen später noch einige hinzu; so
daß heute, am 26. Mai noch 79 im Orte liegen.
Der Soldat erhält täglich 15 kr., der Unteroffi-
zier 24 kr., der Lieutenant 3 fl. Executionsgebühr
von dem Quartiergeber ausbezahlt, nebst freier
Verköstigung. Wie ich auf meiner kleinen Reise
zu hören Gelegenheit hatte, sind unsere Demo-
kraten trotz allem Grimme der Meinung: jetzt
müsse man sich noch ruhig halten und noch nicht

[Spaltenumbruch] Jn der Assemblee will die Montagne nicht anbei-
ßen, sie fürchtet Changarnier und das Heer; aber
Caussidière und Louis Blanc drängen von Lon-
don aus, die Delegirten der Clubs, oder wie
man sie genannt hat, die Männer des Conclave,
welche die Ernennungen der HH. E. Sue betrie-
ben, sind wüthend, befehlen den Häuptern der
Montagne zu gehorchen. Flotte hat bei dieser
Gelegenheit einen kecken Muth bewiesen. Er ist
im Hauptelub aufgetreten, hat den Conclavisten
erklärt, sie hätten der Montagne zu gehorchen
und sie sollten ihr nicht das Spiel verderben;
wenn man losschlagen müsse, werde er der erste
sein, aber keiner solle sich unterfangen loszuschla-
gen ohne ihn. Er hat für den Augenblick, heißt
es, imponirt, aber das ist nichts, die Bursche sind
zu wüthend, werden zu sehr gestachelt, gehetzt, als
daß man ihnen eine langwierige Geduld zutrauen
dürfte. Vergebens warnt Girardin in der Presse;
seine Rache kocht ihr einsames Gift aus. Er
möchte für sich allein eine ganze Revolution, ein
ganzes Frankreich sein, aber die Demagogen wol-
len nicht viel wissen von diesem Demagogen, dem
sie keinen Volksenthusiasmus irgend einer Art zu-
trauen. Der National befindet sich in einer ver-
zweifelten Lage. Er befürchtet einen Ausbruch,
und doch ist er gezwungen parat zu sein, seine
Charras und andere Manner, die nach einer gro-
ßen Rolle lechzen, vorzuschieben. Er steckt eigent-
lich zwischen zwei Feuern; auf der einen Seite
der Volksschlund gähnender Demagogik, in dessen
Rachen er von Zeit zu Zeit appetitliche Kuchen
hineinwirft: „Nun, nun Cerberus, still! still!“
Aber dieser Cerberus ist doch gar zu grauslich.
Auf der anderen Seite seine Haupt = und Tod-
feinde, diejenigen, welche Marrast während der
ganzen Regierung Ludwig Philipps stets verhöhnt
hatte, die ihm brennenden unauslöschlichen Haß
mit gleichem Hasse vergelten. Cavaignae steht
sehr einsam, ist sehr vertieft. Aber Changarnier,
ah! da steckt der Haken. Changarnier hat ein
Rundschreiben ergehen lassen an alle Generale im
Bezirke seiner Macht, indem er ihnen zusagt, daß
er Alles auf sein Haupt nehme, was sie zu thun
sich veranlaßt finden würden, im Falle des Aus-
bruches des Bürgerkrieges; dadurch flößt er Allen
Zuversicht ein. Hier zu Paris hat er die Ober-
sten und das Offizierkorps versammelt; unter sei-
nen Worten hat man die bemerkt: „Gehorcht
keinem Befehle, woher er komme, als der direkt
von mir ausgeht; wenn es heißt, ich sei todt, so
sagt dreist: es ist eine Lüge. Wenn ich aber
wirklich fallen sollte, habt keine Besorgniß, alle
Maßregeln sind genommen, ich lebe in meinem
Nachfolger fort.“ Jn das tiefste Detail ist er
darauf eingegangen in allem Dem was einem
Jeden als Verhalten obliege. Bis jetzt ist das
Heer der vernünftigste Theil der Nation; das
macht die Disciplin und der Begriff der Ehre.
Was die Legitimisten und zum Theil auch die
Bonapartisten betrifft, so sind sie in diesem Au-
genblicke gesetzter, weniger heftig, weniger gereizt
als die Orleanisten. Aber die Leidenschaften sind
zu sehr gespannt. Vielleicht, daß die imponirende
Stellung des Heeres zu Paris alle Ausbrüche
hindert. Es geschieht dieses auf Kosten der Zeit;
denn das Werk des Angriffes gegen die Dema-
gogie durch die Gesetzgebung setzt sich nothgedrun-
gen fort.



Landtagsverhandlungen.

München, 28. Mai. ( CXX. Sitzung der
Kammer der Abgeordneten.
) ( Schluß. ) Am
Ministertische v. Kleinschrod und Ministerialrath
v. Kiliani. -- Gegenstand der Berathung sind die
von der Kammer der Reichsräthe vorgetragenen
Schlußanträge, die der erste Präsident einzeln zu
berathen räth. Der 1. Antrag lautet: Die hohe
Staatsregierung wolle bei dem Vollzug der Ge-
richtsorganisation allen Bedacht darauf nehmen,
daß die Sitze der Kreisgerichte in die Mitte
der Kreise und wo möglich in die größern Städte
verlegt werden. -- I. Sekr. Nar spricht sich ge-
gen diesen Wunsch aus. Viele Städte hätten oft
[Spaltenumbruch] große Opfer gebracht, einen Gerichtssitz in ihrer
Mitte zu haben, nun wären diese Opfer ganz
umsonst, da sie ihre Gerichte wieder verlören. --
Wallerstein gleichfalls dagegen. -- Breiten-
bach
bemerkt, sich schon im Ausschusse gegen diese
Wünsche erklärt zu haben. -- Kirchgeßner ver-
theidigt den Antrag der Kammer der Reichsräthe.
Als Schnitzlein sprechen wollte, wurde allge-
mein Schluß gerufen. Nur zwei Worte wurden
ihm erlaubt, derselbe sprach sich gegen den Wunsch
aus, in dem die Verlegung der Gerichtssitze mehr Ko-
sten machen als Vortheile bringen würde. --
Thinnes ( zur thatsächlichen Erklärung ) : Herr
Justizminister habe im Ausschüsse eine kleine Zu-
sammenstellung der Kosten gemacht, die so groß
ausgefallen, daß er diese Wünsche bis zur Vor-
lage dieser Kosten vertagt wünschte. Es wird so-
fort zur Abstimmung geschritten und derselbe fast
einstimmig verworfen. Ebenso geschah es dem
zweiten Antrag der Kammer der Reichsräthe, der
dahin ging, daß die Staatsregierung für den Fall,
daß sich der gleichzeitigen Einführung des vor-
stehenden Gesetzes Schwierigkeiten entgegenstellen
sollten, dieselbe successive in den verschiedenen Krei-
sen des Königreiches bewerkstelligen möge. -- Der
3. Antrag lauter: Die Staatsregierung möge bei
Bildung der Gerichtsbezirke, insbesondere der
Stadt= und Landgerichte, dann aber auch bei Bil-
dung der Verwaltungsbezirke, welche mit der er-
stern im engsten Zusammenhange steht, Fürsorge
treffen, daß den Staatseinwohnern eine möglichst
nahe Justizpflege und Verwaltung gesichert und
die Formation zu großer Gerichts= und Verwal-
tungsbezirke vermieden werde. -- Lerchenfeld
räth zur Ablehnung dieses Wunsches, Hopf und
Schnitzlein aber glauben die Annahme dessen
bevorworten zu müssen. Dieser wurde ebenfalls
verworfen. Die in dem Betreffe der Gerichtsor-
ganisation eingelaufenen Eingaben werden auf An-
trag des zweiten Präsidenten dem Justizministe-
rium im Original überschickt. Es war bisher in
der Kammer [unleserliches Material – 4 Zeichen fehlen]Usns die Eingaben abgeschrieben,
die Abschrift an das Ministertum gelangen und
die Originale im Archive hinterlegen zu lassen.
Da dieses sehr viele Kosten bereite, so fand es
Weiß für gut, gleich die Originalien an das
Ministerium zu überschicken. -- Lerchenfeld
stellte zwei Anträge auf Vereinfachung des Ge-
schäftsganges bei den Stadt= und Landgerichten
und Weglassung der vielen unnützen Formalitäten.
Diese werden angenommen. Der Präsident ver-
liest hierauf eine Erklärung, welche die 23 Ab-
geordneten, die gegen das Gesetz stimmten, auf
den Präsidententisch niedergelegt hatten. Der Prä-
sident schließt hierauf die Sitzung um 1 / 2 6 Uhr.

München, 28. Mai. Heute fand die 47ste
Sitzung der Kammer der Reichsräthe Statt. Am
Beginn derselben, Vormittags 10 Uhr, erhielt
S. k. H. der Herzog Max einen sechswöchentli-
chen Urlaub zum Gebrauch des Bades Kissingen,
da voraussichtlich der Landtag am 10. Juni noch
nicht vertagt wird. Der Einlauf enthielt ein
Schreiben des Finanzministers, Hrn. Dr. Aschen-
brenner, worin der Kammer eröffnet wird, daß
die Staatsregierung demnächst einen Gesetzesent-
wurf, „das Streu= und Weiderecht betr.,“ vorle-
gen werde; hiermit ist die in diesem Betreff kürz-
lich gestellte Jnterpellation des Grafen K. v. Seins-
heim zugleich beantwortet. -- Die Kammer geht
hierauf zur Berathung der zweiten Rückäußerung
der Kammer der Abgeordneten, bezüglich des Ge-
setzes=Entwurfs: „den Geschäftsgang des Land-
tags betr.,“ über, und beschließt nach einer Dis-
cussion gegen sechs Stimmen, daß unbedingt auf
dem früheren Beschlusse zu beharren sei, wonach
die Regierungsvorlagen auf Verlangen der Mini-
ster oder Regierungs=Commissare zuerst in Bear-
beitung und Berathung genommen werden müssen.
-- Der Gesetzes=Entwurf: „den Ersatz des Wild-
schadens betr.,“ wird angenommen; nur wurde
hier der von der 2. Kammer als instructiv be-
trachtete und deßhalb gänzlich gestrichene Art. 8
des Entwurfs wieder aufgenommen und einge-
schaltet. Derselbe lautet: „Bei der von den Be-
theiligten beantragten oder von Richteramtswegen
[Spaltenumbruch] angeordneten Abschätzung des Wildschadens haben
die hiezu vorgeschlagenen Schätzmänner auch darauf
Rücksicht zu nehmen, in wie weit der Wildscha-
den nach den Grundsätzen einer ordentlichen Be-
wirthschaftung durch Wiederanbau ausgeglichen
werden könne.“ Die Annahme des Gesammtge-
setzes erfolgte mit allen gegen zwei ( Gumppen-
berg und Aretin ) Stimmen. Der Reihe der Ta-
gesordnung nach kam nun der unlängst der Kam-
mer vorgelegte Gesetzes=Entwurf: „den Art. 4 des
Gesetzes über die Ablösung des Lehenverbandes
vom 4. Juni 1848 betr.,“ zur Berathung, und
wird derselbe nach einigen Erläuterungen einstim-
mig in der vorgelegten Fassung angenommen.
Nachdem hierauf Graf Arco=Valley noch Namens
des 6. Ausschusses angezeigt hatte, daß sämmtliche
Anträge auf Verbesserung der Lage der Lyceal-
professoren, so wie auch jener Antrag: „die Gleich-
stellung der nach dem älteren Pensionsregulativ
pensionirten Offiziere und Militärbeamten mit den
nach den neueren Regulativs Pensionirten betr.,“
vollkommen geeignet und zulässig befunden wur-
den, schließt der Präsident die Sitzung, indem er
die nächste auf Sonnabend anberaumt, um1 1 / 2 Uhr.

   
Deutschland.

München, 29. Mai. Gestern Abend hatte
im königl. Hoftheater das Publikum einen großen
Schrecken zu bestehen. Jn der Vorstellung: „eine
verhängnißvolle Wette,“ ging plötzlich ein Kessel
mit brennendem Spiritus entzwei, so daß eine un-
endliche Flamme den Tisch, auf welchem der Kes-
sel stund, bedeckte. Die gerade beschäftigte Künst-
lerin, Fräulein Dencker, hatte Geistesgegenwart
genug, sofort einen Diener herbeizurufen. Da
dieser aber den Tisch wegtragen wollte, schlug die
Flamme hoch empor und breitete sich erst recht
auf den Brettern aus. Das Publikum lief er-
schreckt durcheinander, und schon verließ ein Theil
rasch das Haus, als der eiserne Vorhang herab-
gelassen wurde. Kaum hatten sich die Zurückge-
bliebenen vom ersten Schrecken erholt, da öffnete
sich der Vorhang wieder und die Gefahr war
glücklich beseitigt. Mittlerweile hatte sich jedoch
das Theater wohl zur Hälfte geleert.

Aus der bayerischen Pfalz, 25. Mai. Das
Mainzer Journal theilt über die Exzesse in Groß-
bockenheim folgenden ausführlichen Bericht mit:
Sonntag den 12. Mai waren nämlich in Gesell-
schaft vagabundirender Schauspieler zwölf Demo-
kraten aus dem Hessischen nach besagtem Orte
gekommen, um allda ihr sogenanntes Schauspiel
Wilhelm Tell aufzuführen, wozu ihnen in Als-
heim
die Erlaubniß von der hessischen Behörde
verweigert worden war. Von Mittag bis Abend
brachte man mit dem Herrüsten der Bühne zu
und verzögerte den Anfang der Komödie bis auf
10 Uhr, wo die ordentlichen Bürger schon schlie-
fen, oder sich zurückgezogen hatten. Um diese
Zeit ging eben die Komödie los, und dauerte
bis zwei Uhr Morgens, mit Jubeln und Frei-
heitsrufen, Heckerliedern und ähnlichem Spectackel.
Auf gemachte Anzeige kam am folgenden Mittwoch
Aktuar Ottmann von Frankenthal zur Untersu-
chung; Freitags darauf die Truppen. Am ersten
Tage waren dieselben nach der Steuerliste ver-
theilt; Samstag erschien aber der Aktuar wieder-
holt und dictirte sie den Demokraten zu. Vorne
an bekam der große Freiheitsprediger Jsraels,
der im vorletzten Winter sich um das Demokra-
tenwesen schon so unsterbliche Verdienste in G.
gesammelt, Bürger Levi, 15 Mann; andere 7
Mann, oder 6, oder 3 Mann. Zu den 60 er-
sten Soldaten kamen später noch einige hinzu; so
daß heute, am 26. Mai noch 79 im Orte liegen.
Der Soldat erhält täglich 15 kr., der Unteroffi-
zier 24 kr., der Lieutenant 3 fl. Executionsgebühr
von dem Quartiergeber ausbezahlt, nebst freier
Verköstigung. Wie ich auf meiner kleinen Reise
zu hören Gelegenheit hatte, sind unsere Demo-
kraten trotz allem Grimme der Meinung: jetzt
müsse man sich noch ruhig halten und noch nicht

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[0002] Jn der Assemblee will die Montagne nicht anbei- ßen, sie fürchtet Changarnier und das Heer; aber Caussidière und Louis Blanc drängen von Lon- don aus, die Delegirten der Clubs, oder wie man sie genannt hat, die Männer des Conclave, welche die Ernennungen der HH. E. Sue betrie- ben, sind wüthend, befehlen den Häuptern der Montagne zu gehorchen. Flotte hat bei dieser Gelegenheit einen kecken Muth bewiesen. Er ist im Hauptelub aufgetreten, hat den Conclavisten erklärt, sie hätten der Montagne zu gehorchen und sie sollten ihr nicht das Spiel verderben; wenn man losschlagen müsse, werde er der erste sein, aber keiner solle sich unterfangen loszuschla- gen ohne ihn. Er hat für den Augenblick, heißt es, imponirt, aber das ist nichts, die Bursche sind zu wüthend, werden zu sehr gestachelt, gehetzt, als daß man ihnen eine langwierige Geduld zutrauen dürfte. Vergebens warnt Girardin in der Presse; seine Rache kocht ihr einsames Gift aus. Er möchte für sich allein eine ganze Revolution, ein ganzes Frankreich sein, aber die Demagogen wol- len nicht viel wissen von diesem Demagogen, dem sie keinen Volksenthusiasmus irgend einer Art zu- trauen. Der National befindet sich in einer ver- zweifelten Lage. Er befürchtet einen Ausbruch, und doch ist er gezwungen parat zu sein, seine Charras und andere Manner, die nach einer gro- ßen Rolle lechzen, vorzuschieben. Er steckt eigent- lich zwischen zwei Feuern; auf der einen Seite der Volksschlund gähnender Demagogik, in dessen Rachen er von Zeit zu Zeit appetitliche Kuchen hineinwirft: „Nun, nun Cerberus, still! still!“ Aber dieser Cerberus ist doch gar zu grauslich. Auf der anderen Seite seine Haupt = und Tod- feinde, diejenigen, welche Marrast während der ganzen Regierung Ludwig Philipps stets verhöhnt hatte, die ihm brennenden unauslöschlichen Haß mit gleichem Hasse vergelten. Cavaignae steht sehr einsam, ist sehr vertieft. Aber Changarnier, ah! da steckt der Haken. Changarnier hat ein Rundschreiben ergehen lassen an alle Generale im Bezirke seiner Macht, indem er ihnen zusagt, daß er Alles auf sein Haupt nehme, was sie zu thun sich veranlaßt finden würden, im Falle des Aus- bruches des Bürgerkrieges; dadurch flößt er Allen Zuversicht ein. Hier zu Paris hat er die Ober- sten und das Offizierkorps versammelt; unter sei- nen Worten hat man die bemerkt: „Gehorcht keinem Befehle, woher er komme, als der direkt von mir ausgeht; wenn es heißt, ich sei todt, so sagt dreist: es ist eine Lüge. Wenn ich aber wirklich fallen sollte, habt keine Besorgniß, alle Maßregeln sind genommen, ich lebe in meinem Nachfolger fort.“ Jn das tiefste Detail ist er darauf eingegangen in allem Dem was einem Jeden als Verhalten obliege. Bis jetzt ist das Heer der vernünftigste Theil der Nation; das macht die Disciplin und der Begriff der Ehre. Was die Legitimisten und zum Theil auch die Bonapartisten betrifft, so sind sie in diesem Au- genblicke gesetzter, weniger heftig, weniger gereizt als die Orleanisten. Aber die Leidenschaften sind zu sehr gespannt. Vielleicht, daß die imponirende Stellung des Heeres zu Paris alle Ausbrüche hindert. Es geschieht dieses auf Kosten der Zeit; denn das Werk des Angriffes gegen die Dema- gogie durch die Gesetzgebung setzt sich nothgedrun- gen fort. Landtagsverhandlungen. München, 28. Mai. ( CXX. Sitzung der Kammer der Abgeordneten. ) ( Schluß. ) Am Ministertische v. Kleinschrod und Ministerialrath v. Kiliani. -- Gegenstand der Berathung sind die von der Kammer der Reichsräthe vorgetragenen Schlußanträge, die der erste Präsident einzeln zu berathen räth. Der 1. Antrag lautet: Die hohe Staatsregierung wolle bei dem Vollzug der Ge- richtsorganisation allen Bedacht darauf nehmen, daß die Sitze der Kreisgerichte in die Mitte der Kreise und wo möglich in die größern Städte verlegt werden. -- I. Sekr. Nar spricht sich ge- gen diesen Wunsch aus. Viele Städte hätten oft große Opfer gebracht, einen Gerichtssitz in ihrer Mitte zu haben, nun wären diese Opfer ganz umsonst, da sie ihre Gerichte wieder verlören. -- Wallerstein gleichfalls dagegen. -- Breiten- bach bemerkt, sich schon im Ausschusse gegen diese Wünsche erklärt zu haben. -- Kirchgeßner ver- theidigt den Antrag der Kammer der Reichsräthe. Als Schnitzlein sprechen wollte, wurde allge- mein Schluß gerufen. Nur zwei Worte wurden ihm erlaubt, derselbe sprach sich gegen den Wunsch aus, in dem die Verlegung der Gerichtssitze mehr Ko- sten machen als Vortheile bringen würde. -- Thinnes ( zur thatsächlichen Erklärung ) : Herr Justizminister habe im Ausschüsse eine kleine Zu- sammenstellung der Kosten gemacht, die so groß ausgefallen, daß er diese Wünsche bis zur Vor- lage dieser Kosten vertagt wünschte. Es wird so- fort zur Abstimmung geschritten und derselbe fast einstimmig verworfen. Ebenso geschah es dem zweiten Antrag der Kammer der Reichsräthe, der dahin ging, daß die Staatsregierung für den Fall, daß sich der gleichzeitigen Einführung des vor- stehenden Gesetzes Schwierigkeiten entgegenstellen sollten, dieselbe successive in den verschiedenen Krei- sen des Königreiches bewerkstelligen möge. -- Der 3. Antrag lauter: Die Staatsregierung möge bei Bildung der Gerichtsbezirke, insbesondere der Stadt= und Landgerichte, dann aber auch bei Bil- dung der Verwaltungsbezirke, welche mit der er- stern im engsten Zusammenhange steht, Fürsorge treffen, daß den Staatseinwohnern eine möglichst nahe Justizpflege und Verwaltung gesichert und die Formation zu großer Gerichts= und Verwal- tungsbezirke vermieden werde. -- Lerchenfeld räth zur Ablehnung dieses Wunsches, Hopf und Schnitzlein aber glauben die Annahme dessen bevorworten zu müssen. Dieser wurde ebenfalls verworfen. Die in dem Betreffe der Gerichtsor- ganisation eingelaufenen Eingaben werden auf An- trag des zweiten Präsidenten dem Justizministe- rium im Original überschickt. Es war bisher in der Kammer ____Usns die Eingaben abgeschrieben, die Abschrift an das Ministertum gelangen und die Originale im Archive hinterlegen zu lassen. Da dieses sehr viele Kosten bereite, so fand es Weiß für gut, gleich die Originalien an das Ministerium zu überschicken. -- Lerchenfeld stellte zwei Anträge auf Vereinfachung des Ge- schäftsganges bei den Stadt= und Landgerichten und Weglassung der vielen unnützen Formalitäten. Diese werden angenommen. Der Präsident ver- liest hierauf eine Erklärung, welche die 23 Ab- geordneten, die gegen das Gesetz stimmten, auf den Präsidententisch niedergelegt hatten. Der Prä- sident schließt hierauf die Sitzung um 1 / 2 6 Uhr. München, 28. Mai. Heute fand die 47ste Sitzung der Kammer der Reichsräthe Statt. Am Beginn derselben, Vormittags 10 Uhr, erhielt S. k. H. der Herzog Max einen sechswöchentli- chen Urlaub zum Gebrauch des Bades Kissingen, da voraussichtlich der Landtag am 10. Juni noch nicht vertagt wird. Der Einlauf enthielt ein Schreiben des Finanzministers, Hrn. Dr. Aschen- brenner, worin der Kammer eröffnet wird, daß die Staatsregierung demnächst einen Gesetzesent- wurf, „das Streu= und Weiderecht betr.,“ vorle- gen werde; hiermit ist die in diesem Betreff kürz- lich gestellte Jnterpellation des Grafen K. v. Seins- heim zugleich beantwortet. -- Die Kammer geht hierauf zur Berathung der zweiten Rückäußerung der Kammer der Abgeordneten, bezüglich des Ge- setzes=Entwurfs: „den Geschäftsgang des Land- tags betr.,“ über, und beschließt nach einer Dis- cussion gegen sechs Stimmen, daß unbedingt auf dem früheren Beschlusse zu beharren sei, wonach die Regierungsvorlagen auf Verlangen der Mini- ster oder Regierungs=Commissare zuerst in Bear- beitung und Berathung genommen werden müssen. -- Der Gesetzes=Entwurf: „den Ersatz des Wild- schadens betr.,“ wird angenommen; nur wurde hier der von der 2. Kammer als instructiv be- trachtete und deßhalb gänzlich gestrichene Art. 8 des Entwurfs wieder aufgenommen und einge- schaltet. Derselbe lautet: „Bei der von den Be- theiligten beantragten oder von Richteramtswegen angeordneten Abschätzung des Wildschadens haben die hiezu vorgeschlagenen Schätzmänner auch darauf Rücksicht zu nehmen, in wie weit der Wildscha- den nach den Grundsätzen einer ordentlichen Be- wirthschaftung durch Wiederanbau ausgeglichen werden könne.“ Die Annahme des Gesammtge- setzes erfolgte mit allen gegen zwei ( Gumppen- berg und Aretin ) Stimmen. Der Reihe der Ta- gesordnung nach kam nun der unlängst der Kam- mer vorgelegte Gesetzes=Entwurf: „den Art. 4 des Gesetzes über die Ablösung des Lehenverbandes vom 4. Juni 1848 betr.,“ zur Berathung, und wird derselbe nach einigen Erläuterungen einstim- mig in der vorgelegten Fassung angenommen. Nachdem hierauf Graf Arco=Valley noch Namens des 6. 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Da dieser aber den Tisch wegtragen wollte, schlug die Flamme hoch empor und breitete sich erst recht auf den Brettern aus. Das Publikum lief er- schreckt durcheinander, und schon verließ ein Theil rasch das Haus, als der eiserne Vorhang herab- gelassen wurde. Kaum hatten sich die Zurückge- bliebenen vom ersten Schrecken erholt, da öffnete sich der Vorhang wieder und die Gefahr war glücklich beseitigt. Mittlerweile hatte sich jedoch das Theater wohl zur Hälfte geleert. ( A. A.=Z. ) Aus der bayerischen Pfalz, 25. Mai. Das Mainzer Journal theilt über die Exzesse in Groß- bockenheim folgenden ausführlichen Bericht mit: Sonntag den 12. Mai waren nämlich in Gesell- schaft vagabundirender Schauspieler zwölf Demo- kraten aus dem Hessischen nach besagtem Orte gekommen, um allda ihr sogenanntes Schauspiel Wilhelm Tell aufzuführen, wozu ihnen in Als- heim die Erlaubniß von der hessischen Behörde verweigert worden war. Von Mittag bis Abend brachte man mit dem Herrüsten der Bühne zu und verzögerte den Anfang der Komödie bis auf 10 Uhr, wo die ordentlichen Bürger schon schlie- fen, oder sich zurückgezogen hatten. Um diese Zeit ging eben die Komödie los, und dauerte bis zwei Uhr Morgens, mit Jubeln und Frei- heitsrufen, Heckerliedern und ähnlichem Spectackel. Auf gemachte Anzeige kam am folgenden Mittwoch Aktuar Ottmann von Frankenthal zur Untersu- chung; Freitags darauf die Truppen. Am ersten Tage waren dieselben nach der Steuerliste ver- theilt; Samstag erschien aber der Aktuar wieder- holt und dictirte sie den Demokraten zu. Vorne an bekam der große Freiheitsprediger Jsraels, der im vorletzten Winter sich um das Demokra- tenwesen schon so unsterbliche Verdienste in G. gesammelt, Bürger Levi, 15 Mann; andere 7 Mann, oder 6, oder 3 Mann. Zu den 60 er- sten Soldaten kamen später noch einige hinzu; so daß heute, am 26. Mai noch 79 im Orte liegen. Der Soldat erhält täglich 15 kr., der Unteroffi- zier 24 kr., der Lieutenant 3 fl. Executionsgebühr von dem Quartiergeber ausbezahlt, nebst freier Verköstigung. Wie ich auf meiner kleinen Reise zu hören Gelegenheit hatte, sind unsere Demo- kraten trotz allem Grimme der Meinung: jetzt müsse man sich noch ruhig halten und noch nicht

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 131. Würzburg, 1. Juni 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische131_1850/2>, abgerufen am 29.03.2024.