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Die Bayerische Presse. Nr. 133. Würzburg, 4. Juni 1850.

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[Spaltenumbruch] rung v. Schlayer's interpretirt worden ist wegen
dem "Fortbestehen des deutschen Bundes." Es
geht über alle Begriffe, sowohl die eckelhafte, Al-
les verneinende und Alles herausfordernde Hal-
tung der rothen Kammermajorität, als die unbe-
grenzte Langmuth des Ministeriums diesem Be-
nehmen gegenüber. Wir wünschen deßwegen nicht,
daß dasselbe seiner Geduld jetzt schon eine Grenze
setze, im Gegentheil: es wird durch seine männ-
liche Ruhe sich nur um soviel mehr Freunde im
Lande erwerben, als die rothe Kammermajorität
durch tolles Umspringen mit den wesentlichsten
Jnteressen des Landes Anhänger verlieren muß.

Bonn, 29. Mai. An der Spitze des Ver-
zeichnisses der Studierenden befinden sich diesmal
sechs Prinzen aus souveränen und fürstlichen Häu-
sern. Namentlich: Se. königl. Hoheit Friedrich
Wilhelm Nicolaus Carl, Prinz von Preußen;
Se. königl. Hoheit Friedrich August Georg, Her-
zog von Sachsen; Se. Hochfürstliche Durchlaucht
Carl Günther, Erbprinz von Schwarzburg=Son-
dershausen; Se. Hochfürstliche Durchlaucht Georg
Victor, Fürst zu Waldeck und Pyrmont; und Se.
herzogliche Durchlaucht Nicolaus Wilhelm, Prinz
von Nassau.

Aus Kurhessen, 28. Mai. Wir hatten lange
nichts über das Treiben des weil. Gymnasial=Leh-
rers Jak. Schell erfahren, der am Ostertag
1846 in Frankfurt a. M. öffentlich sich vom rö-
misch=kathol. Glauben lossagte und zur deutsch-
katholischen Gemeinde überging. Später hatte er
eine anrüchige Sache im Nassauischen, und begab
sich hierauf nach Preußen, saß in Berlin 1848
im Parlament, und lebt jetzt in München, wo er
sich verehelicht hat. Auf einmal begegnen wir
wieder seiner Spur in Leipzig, wo er von der
Polizei wegen mangelhafter Legitimation ausge-
wiesen worden. Das Alles würde uns wenig
oder nicht interessiren, wenn wir uns die Selt-
samkeit erklären könnten, weßhalb dieser ehemal.
kurhessische Gymnasiallehrer vom Staate Hessen
immer noch jährlich 500 Thlr. Besoldung bezieht,
und mit Hilfe dieser Gratification in andern deut-
schen Staaten bald als Prediger, bald als preuß.
Parlamentsmitglied, nun wieder als Privatgelehr-
ter in München und confessioneller Sendling auf-
treten kann. Warum -- wenn er tauglich ist --
ruft ihn unser Ministerium nicht zurück und ver-
wendet ihn, wenn auch nicht gerade zum Gym-
nasial=Lehrer in Fulda? Warum gestattet man
ihm vielmehr seinen ganzen Gehalt außer unse-
rem Lande, sogar unter Uebernahme fremder geist-
licher und politischer Functionen Jahre lang fort
zu beziehen?

   

Kassel, 31. Mai. Jn der heutigen Sitzung
des Landtags übergab der Landtagskommissär, um
auf den Antrag des Abg. Oetker beschlossenen Er-
suchen um Auskunft über das deutsche Verfassungs-
werk zu entsprechen, Namens des Ministeriums
der auswärtigen Angelegenheiten eine Abschrift der
Note desselben an den Geschäftsträger in Berlin
vom 13. April d. J., worin der Standpunkt des
Ministeriums in dieser Frage ausführlich entwickelt
sei, sowie die Protokolle über die Berliner Con-
ferenzen, zugleich mit der Eröffnung, daß auch
die Protokolle des Verwaltungsrathes zu Diensten
ständen, daß jedoch die Regierung, da sie nur
ein Exemplar: derselben besitze, dieselben nur auf
einige Tage mitzutheilen im Stande sein werde.
Die Vorlagen werden dem Verfassungsausschusse
überwiesen. Die Frage des Abgeordneten Bayr-
hoffer, ob auch die in Erfurt gefaßten Revisions-
beschlüsse sich in den vorgelegten Aktenstücken be-
fänden, verneint der Landtagskommissär; dieselben
würden jedoch einen Theil der Protokolle des Ver-
waltungsrathes bilden. Der Abg. Oetker hält,
soweit er es im Augenblicke aufgefaßt habe, die
Auskunft für sehr mangelhaft, namentlich weil
über die augenblickliche Lage des deutschen Ver-
fassungswerks daraus nichts hervorgehe. Der Land-
tagskommissär: Wenn noch weitere Auskunft be-
gehrt werde, so müsse er doch bitten, zuvor das
Verfassungswerk, welches man meine, bestimmt zu
bezeichnen, ob das in Erfurt? oder ein anderes?
Der Abg. Oetker erwidert: Es werde ihm genü-
[Spaltenumbruch] gen, wenn über die Lage des Verfassungswerkes
Aufschluß ertheilt werde, welches die Regierung
im Auge habe.

   

Dresden, 1. Juni. Die Kammern sind die-
sen Morgen aufgelöst worden. Die Erklärung des
Staatsministers v. Beust in dem deutschen Aus-
schusse und die darauf folgende Beanstandung der
Anleihe hatten die Lage der Dinge auf einen
Punkt gebracht, wo der Bruch unvermeidlich er-
folgen mußte. Gestern Vormittag ist Ministerrath
abgehalten worden, bei welchem der König selbst
zugegen gewesen sein soll. Auch waren schon ge-
stern Abend Gerüchte von der beschlossenen Auf-
lösung verbreitet. Ein zahlreiches Publikum hatte
sich in beiden Kammern auf den Gallerien einge-
funden. Die II. Kammer begann ihre Sitzung
etwas früher als die I.; am Ministertische war
Staatsminister Dr. Zschinsky anwesend. Nach der
Vollziehung des Protokolls der gestrigen Sitzung
ergriff Staatsminister Dr. Zschinsky das Wort,
bemerkte, daß er von der Staatsregierung beauf-
tragt sei, der Kammer eine Mittheilung zu ma-
chen, und verlas hierauf das kurze königl. Auflö-
sungsdekret. Jn der I. Kammer erfolgte der Auf-
lösungsakt ebenfalls von dem Staatsminister Dr.
Zschinsky unter denselben Formalitäten nach dem
Vortrage der Registrande.

   

Bremen, 30. Mai. Die "Weser Zeitung"
enthält in ihrem Leitartikel folgenden sehr wahren
Passus: "Wenn aber die Demokratie auch die
Möglichkeit eines inneren Zusammenhanges der
That mit ihrer politischen Tendenz voll tugend-
hafter Entrüstung als eine unerhörte Verdächtig-
ung zurückweis't, so darf man billig fragen, war-
um diese Demokratie nicht früher, als aus ihrer
Mitte der Mord und der Königsmord nicht nur
entschuldigt, sondern sogar gepredigt wurden, die
Welt von der Strenge und Reinheit ihrer Grund-
sätze in Kenntniß gesetzt hat? Wir wissen sehr
wohl, daß unter der Demokratie Unterschiede zu
machen sind, daß die gemäßigte, jetzt noch auf
politischem Boden stehende Demokratie, welche
Nichts als die aufrichtige Durchführung des Re-
präsentativen Staates auch mit monarchischer Spitze
will, gar nichts mit dem blutdürstigen Jakobinis-
mus des demokratischen Berges gemein hat; aber
dieser blutdürstige Jakobinismus existirt in der
That, er hat sich in Aufrufen und Pamphleten,
unter den Arbeitervereinen in der Schweiz, in
den Heinzen'schen Flugschriften, in Gedichten Re-
den und Artikeln der in London und den Ver-
einigten Staaten erscheinenden außerdeutschen Presse
ohne alle Maske kundgegeben. Wir haben ja in
solchen Blättern die ganze Liste der Preise gele-
sen, welche auf die Köpfe der europäischen Mo-
narchen ausgefetzt sein sollten; wir haben die
Koketterie gesehen, welche Männer aus den Rei-
hen dieser Demokratie mit der Tochter des Kö-
nigsmörders Tschech getrieben haben, und was
die Entschuldigung des politischen Mordes betrifft,
so braucht man sich nur der entmentschten Sprache
erinnern, womit ein Theil der rothen Presse seiner
Zeit den Mord Lichnowsky's und Auerswald's
als eine nicht gar so verdammenswerthe That
darzustellen wußte, um die Frage gerechtfertigt zu
finden, warum die demokratische Partei nicht frü-
her schon ihren Abscheu gegen solche Grundsätze
und solche Aufreitzungen ausgesprochen hat? Wir
erinnern uns nicht, in demokratischen Blättern
ernste energische Zurückweisungen der Gemeinschaft
mit den äußersten Extremen jemals gelesen zu
haben. Die demokratische Presse, auch die ge-
mäßigte, pflegt bei den hirnverbranntesten Plänen,
bei offenbaren Dummheiten und Schandthaten,
wenn sie von den Jhrigen ausgehen; ein Auge
zuzudrücken und höchstens das, was sie nicht ent-
schuldigen mag, für Lüge und Verdächtigungen
der Gegner auszugeben. Hat man nicht alle Ruch-
losigkeiten der "Kämpfer für Vökkerfreiheit" in
dem badischen und pfälzischen Aufstand entschul-
digt, gemeinen Raub wie Diebstahl mit dem Brauch
des Krieges entschuldigt, sucht man nicht noch
jetzt die kolossale Lüge, als sei dieser Kampf für
die Reichsverfassung geführt, wieder aufzufrischen?
Wenn in dieser Weise auf Seiten der Demokra-
[Spaltenumbruch] tie ein politischer Jesuitismus ( ! ) im größten
Style geübt wird, wo -- fragen wir -- fängt
dann die Sünde im demokratischen Katechismus
an, und wie will man in Abrede stellen, daß ge-
rade ein Unzurechnungsfähiger und Schwachköpfi-
ger durch diese demokratische Sittenlehre auch bis
zu dem, vor dem staatlichen Gewissen, äußersten
Verbrechen gebracht werden könnte.

Wien, 25. Mai. Die Colonisirung in Un-
garn: "Es ist bedauerlich, zu sehen, wie 40 bis
60,000 Deutsche jährlich ihr Vaterland verlassen,
um sich in einem fremden Welttheil eine neue
Heimath zu gründen. Sie tragen ihre Kräfte,
Geld und Blut in ungewisse Fernen und verges-
sen, daß nahe der eigenen Heimath sichere und
reichere Schätze zu haben sind. Das mathemati-
sche Klima von Ungarn stimmt mit dem von Süd-
deutschland, der Lombardei und Venedigs überein.
Ungarn gehört zu den am Meisten gesegneten Län-
dern Europas. Und welcher Cultur wäre das
Land fähig! Es zählt mehr als 160 größere
Flüsse; wie leicht die innere Verbindung, der
Verkehr, wenn man dazu noch die der Schifffahrt
dienenden Kanäle in Rechnung bringt! Wie frucht-
bar die Oberfläche; der Schooß der Erde voll
Metalle! -- Endlich, wenn Oesterreich mit sei-
nen sämmtlichen Kronländern in den deutschen
Bund eintritt, was es beabsichtigt, dann ist der
Auswanderer in keinem fremden Lande, er bleibt
deutsch, theilt die Gesammtinteressen, und wirkt
wesentlich mit an der innigen Einigung und Ver-
schmelzung des eintretenden Bundesstaates mit den
andern. Man muß auf Ungarn blicken, nicht wie
es war, sondern wie es jetzt zu werden verspricht.
Aus dem alten Adelsstaate wird ein Rechtsstaat
gebildet; die Bevorrechtungen liegen in Trümmer
geschlagen. Jeder ist gleich vor dem Gesetze.
Grundbücher verbürgen den Besitz. Sicherheit
und Festigkeit treten an die Stelle früherer Will-
kür und Unduldsamkeit; Freiheit der Religion,
Wahrung der Nationalität, Sicherheit der Person
und des Eigenthums werden verbürgt."

Wien, 27. Mai. Aus Debreczin meldet der
"Magyar Hirlap," daß durch die energischen Be-
mühungen der Civil= und Militärbehörden in der
ganzen, von Räubern so sehr beunruhigten Um-
gegend die Sicherheit wieder hergestellt ist, insbe-
sondere nachdem sechs ihrer Häupter im Szabolc-
ser und Biharer Comitat aufgeknüpft worden.

Wien, 31. Mai. Die ministerielle Oesterr.
Correspondenz sagt: "Bereits gestern erhielten
wir auf telegraphischen Wege die Nachricht, daß
der Flügeladjutant Sr. Maj. des Königs von
Preuße, Hr. v. Manteuffel, nach Warschau ent-
sendet worden sei, um dem Kaiser aller Reußen
ein eigenhändiges Schreiben seines Monarchen zu
überbringen, worin angeblich die definitive Erklä-
rung enthalten wäre: Preußen werde niemals und
unter keiner Bedingung in die Wiedereinsetzung
des alten Bundestages willigen, und daß, wenn
ein Einverständniß zwischen Oesterreich und Preu-
ßen bisher nicht zu erreichen war, die Schuld le-
diglich an der Politik des Wiener Cabinets liegt,
die deßhalb nothwendigerweise zu verlassen sei.
Dahin wirken und seinen Einfluß aufbieten zu
wollen, wird der Kaiser ersucht. Wir erklären zu-
förderst, daß wir die Authenticitstt der eben er-
wähnten Nachricht nicht verbürgen mögen. Wir
theilen sie gleichwohl mit, da sie uns aus gut un-
terrichteter Quelle zugekommen, und Anlaß bietet,
etliche allgemeine für den jetzigen Standpunkt der
deutschen Frage bezeichnende Bemerkungen anzu-
knüpfen. Für's erste scheint die Zuversicht, welche
die Unionsgläubigen vor kurzem noch mit der
freundlichen Zustimmung Rußlands zu dem Uni-
onswerke zu erheitern und zu trösten beflissen war,
so ziemlich in nichts zu zerrinnen. Weßhalb be-
dürfte es wohl dieser Note, dieses Tones, wenn
bereits schon erreicht wäre, was man jetzt erst er-
reichen zu wollen versicht? Für's zweite wünsch-
ten wir herzlich gerne darüber eine Aufklärung
zu vernehmen, aus welchem Umstande Preußen
die Ueberzeugung schöpft, Oesterreich beabsich-
tige die Wiedereinsetzung des alten Bundes-
tags? Das k. k. Kabinet will eben nicht mehr

[Spaltenumbruch] rung v. Schlayer's interpretirt worden ist wegen
dem „Fortbestehen des deutschen Bundes.“ Es
geht über alle Begriffe, sowohl die eckelhafte, Al-
les verneinende und Alles herausfordernde Hal-
tung der rothen Kammermajorität, als die unbe-
grenzte Langmuth des Ministeriums diesem Be-
nehmen gegenüber. Wir wünschen deßwegen nicht,
daß dasselbe seiner Geduld jetzt schon eine Grenze
setze, im Gegentheil: es wird durch seine männ-
liche Ruhe sich nur um soviel mehr Freunde im
Lande erwerben, als die rothe Kammermajorität
durch tolles Umspringen mit den wesentlichsten
Jnteressen des Landes Anhänger verlieren muß.

Bonn, 29. Mai. An der Spitze des Ver-
zeichnisses der Studierenden befinden sich diesmal
sechs Prinzen aus souveränen und fürstlichen Häu-
sern. Namentlich: Se. königl. Hoheit Friedrich
Wilhelm Nicolaus Carl, Prinz von Preußen;
Se. königl. Hoheit Friedrich August Georg, Her-
zog von Sachsen; Se. Hochfürstliche Durchlaucht
Carl Günther, Erbprinz von Schwarzburg=Son-
dershausen; Se. Hochfürstliche Durchlaucht Georg
Victor, Fürst zu Waldeck und Pyrmont; und Se.
herzogliche Durchlaucht Nicolaus Wilhelm, Prinz
von Nassau.

Aus Kurhessen, 28. Mai. Wir hatten lange
nichts über das Treiben des weil. Gymnasial=Leh-
rers Jak. Schell erfahren, der am Ostertag
1846 in Frankfurt a. M. öffentlich sich vom rö-
misch=kathol. Glauben lossagte und zur deutsch-
katholischen Gemeinde überging. Später hatte er
eine anrüchige Sache im Nassauischen, und begab
sich hierauf nach Preußen, saß in Berlin 1848
im Parlament, und lebt jetzt in München, wo er
sich verehelicht hat. Auf einmal begegnen wir
wieder seiner Spur in Leipzig, wo er von der
Polizei wegen mangelhafter Legitimation ausge-
wiesen worden. Das Alles würde uns wenig
oder nicht interessiren, wenn wir uns die Selt-
samkeit erklären könnten, weßhalb dieser ehemal.
kurhessische Gymnasiallehrer vom Staate Hessen
immer noch jährlich 500 Thlr. Besoldung bezieht,
und mit Hilfe dieser Gratification in andern deut-
schen Staaten bald als Prediger, bald als preuß.
Parlamentsmitglied, nun wieder als Privatgelehr-
ter in München und confessioneller Sendling auf-
treten kann. Warum -- wenn er tauglich ist --
ruft ihn unser Ministerium nicht zurück und ver-
wendet ihn, wenn auch nicht gerade zum Gym-
nasial=Lehrer in Fulda? Warum gestattet man
ihm vielmehr seinen ganzen Gehalt außer unse-
rem Lande, sogar unter Uebernahme fremder geist-
licher und politischer Functionen Jahre lang fort
zu beziehen?

   

Kassel, 31. Mai. Jn der heutigen Sitzung
des Landtags übergab der Landtagskommissär, um
auf den Antrag des Abg. Oetker beschlossenen Er-
suchen um Auskunft über das deutsche Verfassungs-
werk zu entsprechen, Namens des Ministeriums
der auswärtigen Angelegenheiten eine Abschrift der
Note desselben an den Geschäftsträger in Berlin
vom 13. April d. J., worin der Standpunkt des
Ministeriums in dieser Frage ausführlich entwickelt
sei, sowie die Protokolle über die Berliner Con-
ferenzen, zugleich mit der Eröffnung, daß auch
die Protokolle des Verwaltungsrathes zu Diensten
ständen, daß jedoch die Regierung, da sie nur
ein Exemplar: derselben besitze, dieselben nur auf
einige Tage mitzutheilen im Stande sein werde.
Die Vorlagen werden dem Verfassungsausschusse
überwiesen. Die Frage des Abgeordneten Bayr-
hoffer, ob auch die in Erfurt gefaßten Revisions-
beschlüsse sich in den vorgelegten Aktenstücken be-
fänden, verneint der Landtagskommissär; dieselben
würden jedoch einen Theil der Protokolle des Ver-
waltungsrathes bilden. Der Abg. Oetker hält,
soweit er es im Augenblicke aufgefaßt habe, die
Auskunft für sehr mangelhaft, namentlich weil
über die augenblickliche Lage des deutschen Ver-
fassungswerks daraus nichts hervorgehe. Der Land-
tagskommissär: Wenn noch weitere Auskunft be-
gehrt werde, so müsse er doch bitten, zuvor das
Verfassungswerk, welches man meine, bestimmt zu
bezeichnen, ob das in Erfurt? oder ein anderes?
Der Abg. Oetker erwidert: Es werde ihm genü-
[Spaltenumbruch] gen, wenn über die Lage des Verfassungswerkes
Aufschluß ertheilt werde, welches die Regierung
im Auge habe.

   

Dresden, 1. Juni. Die Kammern sind die-
sen Morgen aufgelöst worden. Die Erklärung des
Staatsministers v. Beust in dem deutschen Aus-
schusse und die darauf folgende Beanstandung der
Anleihe hatten die Lage der Dinge auf einen
Punkt gebracht, wo der Bruch unvermeidlich er-
folgen mußte. Gestern Vormittag ist Ministerrath
abgehalten worden, bei welchem der König selbst
zugegen gewesen sein soll. Auch waren schon ge-
stern Abend Gerüchte von der beschlossenen Auf-
lösung verbreitet. Ein zahlreiches Publikum hatte
sich in beiden Kammern auf den Gallerien einge-
funden. Die II. Kammer begann ihre Sitzung
etwas früher als die I.; am Ministertische war
Staatsminister Dr. Zschinsky anwesend. Nach der
Vollziehung des Protokolls der gestrigen Sitzung
ergriff Staatsminister Dr. Zschinsky das Wort,
bemerkte, daß er von der Staatsregierung beauf-
tragt sei, der Kammer eine Mittheilung zu ma-
chen, und verlas hierauf das kurze königl. Auflö-
sungsdekret. Jn der I. Kammer erfolgte der Auf-
lösungsakt ebenfalls von dem Staatsminister Dr.
Zschinsky unter denselben Formalitäten nach dem
Vortrage der Registrande.

   

Bremen, 30. Mai. Die „Weser Zeitung“
enthält in ihrem Leitartikel folgenden sehr wahren
Passus: „Wenn aber die Demokratie auch die
Möglichkeit eines inneren Zusammenhanges der
That mit ihrer politischen Tendenz voll tugend-
hafter Entrüstung als eine unerhörte Verdächtig-
ung zurückweis't, so darf man billig fragen, war-
um diese Demokratie nicht früher, als aus ihrer
Mitte der Mord und der Königsmord nicht nur
entschuldigt, sondern sogar gepredigt wurden, die
Welt von der Strenge und Reinheit ihrer Grund-
sätze in Kenntniß gesetzt hat? Wir wissen sehr
wohl, daß unter der Demokratie Unterschiede zu
machen sind, daß die gemäßigte, jetzt noch auf
politischem Boden stehende Demokratie, welche
Nichts als die aufrichtige Durchführung des Re-
präsentativen Staates auch mit monarchischer Spitze
will, gar nichts mit dem blutdürstigen Jakobinis-
mus des demokratischen Berges gemein hat; aber
dieser blutdürstige Jakobinismus existirt in der
That, er hat sich in Aufrufen und Pamphleten,
unter den Arbeitervereinen in der Schweiz, in
den Heinzen'schen Flugschriften, in Gedichten Re-
den und Artikeln der in London und den Ver-
einigten Staaten erscheinenden außerdeutschen Presse
ohne alle Maske kundgegeben. Wir haben ja in
solchen Blättern die ganze Liste der Preise gele-
sen, welche auf die Köpfe der europäischen Mo-
narchen ausgefetzt sein sollten; wir haben die
Koketterie gesehen, welche Männer aus den Rei-
hen dieser Demokratie mit der Tochter des Kö-
nigsmörders Tschech getrieben haben, und was
die Entschuldigung des politischen Mordes betrifft,
so braucht man sich nur der entmentschten Sprache
erinnern, womit ein Theil der rothen Presse seiner
Zeit den Mord Lichnowsky's und Auerswald's
als eine nicht gar so verdammenswerthe That
darzustellen wußte, um die Frage gerechtfertigt zu
finden, warum die demokratische Partei nicht frü-
her schon ihren Abscheu gegen solche Grundsätze
und solche Aufreitzungen ausgesprochen hat? Wir
erinnern uns nicht, in demokratischen Blättern
ernste energische Zurückweisungen der Gemeinschaft
mit den äußersten Extremen jemals gelesen zu
haben. Die demokratische Presse, auch die ge-
mäßigte, pflegt bei den hirnverbranntesten Plänen,
bei offenbaren Dummheiten und Schandthaten,
wenn sie von den Jhrigen ausgehen; ein Auge
zuzudrücken und höchstens das, was sie nicht ent-
schuldigen mag, für Lüge und Verdächtigungen
der Gegner auszugeben. Hat man nicht alle Ruch-
losigkeiten der „Kämpfer für Vökkerfreiheit“ in
dem badischen und pfälzischen Aufstand entschul-
digt, gemeinen Raub wie Diebstahl mit dem Brauch
des Krieges entschuldigt, sucht man nicht noch
jetzt die kolossale Lüge, als sei dieser Kampf für
die Reichsverfassung geführt, wieder aufzufrischen?
Wenn in dieser Weise auf Seiten der Demokra-
[Spaltenumbruch] tie ein politischer Jesuitismus ( ! ) im größten
Style geübt wird, wo -- fragen wir -- fängt
dann die Sünde im demokratischen Katechismus
an, und wie will man in Abrede stellen, daß ge-
rade ein Unzurechnungsfähiger und Schwachköpfi-
ger durch diese demokratische Sittenlehre auch bis
zu dem, vor dem staatlichen Gewissen, äußersten
Verbrechen gebracht werden könnte.

Wien, 25. Mai. Die Colonisirung in Un-
garn: „Es ist bedauerlich, zu sehen, wie 40 bis
60,000 Deutsche jährlich ihr Vaterland verlassen,
um sich in einem fremden Welttheil eine neue
Heimath zu gründen. Sie tragen ihre Kräfte,
Geld und Blut in ungewisse Fernen und verges-
sen, daß nahe der eigenen Heimath sichere und
reichere Schätze zu haben sind. Das mathemati-
sche Klima von Ungarn stimmt mit dem von Süd-
deutschland, der Lombardei und Venedigs überein.
Ungarn gehört zu den am Meisten gesegneten Län-
dern Europas. Und welcher Cultur wäre das
Land fähig! Es zählt mehr als 160 größere
Flüsse; wie leicht die innere Verbindung, der
Verkehr, wenn man dazu noch die der Schifffahrt
dienenden Kanäle in Rechnung bringt! Wie frucht-
bar die Oberfläche; der Schooß der Erde voll
Metalle! -- Endlich, wenn Oesterreich mit sei-
nen sämmtlichen Kronländern in den deutschen
Bund eintritt, was es beabsichtigt, dann ist der
Auswanderer in keinem fremden Lande, er bleibt
deutsch, theilt die Gesammtinteressen, und wirkt
wesentlich mit an der innigen Einigung und Ver-
schmelzung des eintretenden Bundesstaates mit den
andern. Man muß auf Ungarn blicken, nicht wie
es war, sondern wie es jetzt zu werden verspricht.
Aus dem alten Adelsstaate wird ein Rechtsstaat
gebildet; die Bevorrechtungen liegen in Trümmer
geschlagen. Jeder ist gleich vor dem Gesetze.
Grundbücher verbürgen den Besitz. Sicherheit
und Festigkeit treten an die Stelle früherer Will-
kür und Unduldsamkeit; Freiheit der Religion,
Wahrung der Nationalität, Sicherheit der Person
und des Eigenthums werden verbürgt.“

Wien, 27. Mai. Aus Debreczin meldet der
„Magyar Hirlap,“ daß durch die energischen Be-
mühungen der Civil= und Militärbehörden in der
ganzen, von Räubern so sehr beunruhigten Um-
gegend die Sicherheit wieder hergestellt ist, insbe-
sondere nachdem sechs ihrer Häupter im Szabolc-
ser und Biharer Comitat aufgeknüpft worden.

Wien, 31. Mai. Die ministerielle Oesterr.
Correspondenz sagt: „Bereits gestern erhielten
wir auf telegraphischen Wege die Nachricht, daß
der Flügeladjutant Sr. Maj. des Königs von
Preuße, Hr. v. Manteuffel, nach Warschau ent-
sendet worden sei, um dem Kaiser aller Reußen
ein eigenhändiges Schreiben seines Monarchen zu
überbringen, worin angeblich die definitive Erklä-
rung enthalten wäre: Preußen werde niemals und
unter keiner Bedingung in die Wiedereinsetzung
des alten Bundestages willigen, und daß, wenn
ein Einverständniß zwischen Oesterreich und Preu-
ßen bisher nicht zu erreichen war, die Schuld le-
diglich an der Politik des Wiener Cabinets liegt,
die deßhalb nothwendigerweise zu verlassen sei.
Dahin wirken und seinen Einfluß aufbieten zu
wollen, wird der Kaiser ersucht. Wir erklären zu-
förderst, daß wir die Authenticitstt der eben er-
wähnten Nachricht nicht verbürgen mögen. Wir
theilen sie gleichwohl mit, da sie uns aus gut un-
terrichteter Quelle zugekommen, und Anlaß bietet,
etliche allgemeine für den jetzigen Standpunkt der
deutschen Frage bezeichnende Bemerkungen anzu-
knüpfen. Für's erste scheint die Zuversicht, welche
die Unionsgläubigen vor kurzem noch mit der
freundlichen Zustimmung Rußlands zu dem Uni-
onswerke zu erheitern und zu trösten beflissen war,
so ziemlich in nichts zu zerrinnen. Weßhalb be-
dürfte es wohl dieser Note, dieses Tones, wenn
bereits schon erreicht wäre, was man jetzt erst er-
reichen zu wollen versicht? Für's zweite wünsch-
ten wir herzlich gerne darüber eine Aufklärung
zu vernehmen, aus welchem Umstande Preußen
die Ueberzeugung schöpft, Oesterreich beabsich-
tige die Wiedereinsetzung des alten Bundes-
tags? Das k. k. Kabinet will eben nicht mehr

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[0002] rung v. Schlayer's interpretirt worden ist wegen dem „Fortbestehen des deutschen Bundes.“ Es geht über alle Begriffe, sowohl die eckelhafte, Al- les verneinende und Alles herausfordernde Hal- tung der rothen Kammermajorität, als die unbe- grenzte Langmuth des Ministeriums diesem Be- nehmen gegenüber. Wir wünschen deßwegen nicht, daß dasselbe seiner Geduld jetzt schon eine Grenze setze, im Gegentheil: es wird durch seine männ- liche Ruhe sich nur um soviel mehr Freunde im Lande erwerben, als die rothe Kammermajorität durch tolles Umspringen mit den wesentlichsten Jnteressen des Landes Anhänger verlieren muß. Bonn, 29. Mai. An der Spitze des Ver- zeichnisses der Studierenden befinden sich diesmal sechs Prinzen aus souveränen und fürstlichen Häu- sern. Namentlich: Se. königl. Hoheit Friedrich Wilhelm Nicolaus Carl, Prinz von Preußen; Se. königl. Hoheit Friedrich August Georg, Her- zog von Sachsen; Se. Hochfürstliche Durchlaucht Carl Günther, Erbprinz von Schwarzburg=Son- dershausen; Se. Hochfürstliche Durchlaucht Georg Victor, Fürst zu Waldeck und Pyrmont; und Se. herzogliche Durchlaucht Nicolaus Wilhelm, Prinz von Nassau. Aus Kurhessen, 28. Mai. Wir hatten lange nichts über das Treiben des weil. Gymnasial=Leh- rers Jak. Schell erfahren, der am Ostertag 1846 in Frankfurt a. M. öffentlich sich vom rö- misch=kathol. Glauben lossagte und zur deutsch- katholischen Gemeinde überging. Später hatte er eine anrüchige Sache im Nassauischen, und begab sich hierauf nach Preußen, saß in Berlin 1848 im Parlament, und lebt jetzt in München, wo er sich verehelicht hat. Auf einmal begegnen wir wieder seiner Spur in Leipzig, wo er von der Polizei wegen mangelhafter Legitimation ausge- wiesen worden. Das Alles würde uns wenig oder nicht interessiren, wenn wir uns die Selt- samkeit erklären könnten, weßhalb dieser ehemal. kurhessische Gymnasiallehrer vom Staate Hessen immer noch jährlich 500 Thlr. Besoldung bezieht, und mit Hilfe dieser Gratification in andern deut- schen Staaten bald als Prediger, bald als preuß. Parlamentsmitglied, nun wieder als Privatgelehr- ter in München und confessioneller Sendling auf- treten kann. Warum -- wenn er tauglich ist -- ruft ihn unser Ministerium nicht zurück und ver- wendet ihn, wenn auch nicht gerade zum Gym- nasial=Lehrer in Fulda? Warum gestattet man ihm vielmehr seinen ganzen Gehalt außer unse- rem Lande, sogar unter Uebernahme fremder geist- licher und politischer Functionen Jahre lang fort zu beziehen? ( F. O.=P.=Z. ) Kassel, 31. Mai. Jn der heutigen Sitzung des Landtags übergab der Landtagskommissär, um auf den Antrag des Abg. Oetker beschlossenen Er- suchen um Auskunft über das deutsche Verfassungs- werk zu entsprechen, Namens des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten eine Abschrift der Note desselben an den Geschäftsträger in Berlin vom 13. April d. J., worin der Standpunkt des Ministeriums in dieser Frage ausführlich entwickelt sei, sowie die Protokolle über die Berliner Con- ferenzen, zugleich mit der Eröffnung, daß auch die Protokolle des Verwaltungsrathes zu Diensten ständen, daß jedoch die Regierung, da sie nur ein Exemplar: derselben besitze, dieselben nur auf einige Tage mitzutheilen im Stande sein werde. Die Vorlagen werden dem Verfassungsausschusse überwiesen. Die Frage des Abgeordneten Bayr- hoffer, ob auch die in Erfurt gefaßten Revisions- beschlüsse sich in den vorgelegten Aktenstücken be- fänden, verneint der Landtagskommissär; dieselben würden jedoch einen Theil der Protokolle des Ver- waltungsrathes bilden. Der Abg. Oetker hält, soweit er es im Augenblicke aufgefaßt habe, die Auskunft für sehr mangelhaft, namentlich weil über die augenblickliche Lage des deutschen Ver- fassungswerks daraus nichts hervorgehe. Der Land- tagskommissär: Wenn noch weitere Auskunft be- gehrt werde, so müsse er doch bitten, zuvor das Verfassungswerk, welches man meine, bestimmt zu bezeichnen, ob das in Erfurt? oder ein anderes? Der Abg. Oetker erwidert: Es werde ihm genü- gen, wenn über die Lage des Verfassungswerkes Aufschluß ertheilt werde, welches die Regierung im Auge habe. ( N. Hess. Z. ) Dresden, 1. Juni. Die Kammern sind die- sen Morgen aufgelöst worden. Die Erklärung des Staatsministers v. Beust in dem deutschen Aus- schusse und die darauf folgende Beanstandung der Anleihe hatten die Lage der Dinge auf einen Punkt gebracht, wo der Bruch unvermeidlich er- folgen mußte. Gestern Vormittag ist Ministerrath abgehalten worden, bei welchem der König selbst zugegen gewesen sein soll. Auch waren schon ge- stern Abend Gerüchte von der beschlossenen Auf- lösung verbreitet. Ein zahlreiches Publikum hatte sich in beiden Kammern auf den Gallerien einge- funden. Die II. Kammer begann ihre Sitzung etwas früher als die I.; am Ministertische war Staatsminister Dr. Zschinsky anwesend. Nach der Vollziehung des Protokolls der gestrigen Sitzung ergriff Staatsminister Dr. Zschinsky das Wort, bemerkte, daß er von der Staatsregierung beauf- tragt sei, der Kammer eine Mittheilung zu ma- chen, und verlas hierauf das kurze königl. Auflö- sungsdekret. Jn der I. Kammer erfolgte der Auf- lösungsakt ebenfalls von dem Staatsminister Dr. Zschinsky unter denselben Formalitäten nach dem Vortrage der Registrande. ( D. A. Z. ) Bremen, 30. Mai. Die „Weser Zeitung“ enthält in ihrem Leitartikel folgenden sehr wahren Passus: „Wenn aber die Demokratie auch die Möglichkeit eines inneren Zusammenhanges der That mit ihrer politischen Tendenz voll tugend- hafter Entrüstung als eine unerhörte Verdächtig- ung zurückweis't, so darf man billig fragen, war- um diese Demokratie nicht früher, als aus ihrer Mitte der Mord und der Königsmord nicht nur entschuldigt, sondern sogar gepredigt wurden, die Welt von der Strenge und Reinheit ihrer Grund- sätze in Kenntniß gesetzt hat? Wir wissen sehr wohl, daß unter der Demokratie Unterschiede zu machen sind, daß die gemäßigte, jetzt noch auf politischem Boden stehende Demokratie, welche Nichts als die aufrichtige Durchführung des Re- präsentativen Staates auch mit monarchischer Spitze will, gar nichts mit dem blutdürstigen Jakobinis- mus des demokratischen Berges gemein hat; aber dieser blutdürstige Jakobinismus existirt in der That, er hat sich in Aufrufen und Pamphleten, unter den Arbeitervereinen in der Schweiz, in den Heinzen'schen Flugschriften, in Gedichten Re- den und Artikeln der in London und den Ver- einigten Staaten erscheinenden außerdeutschen Presse ohne alle Maske kundgegeben. Wir haben ja in solchen Blättern die ganze Liste der Preise gele- sen, welche auf die Köpfe der europäischen Mo- narchen ausgefetzt sein sollten; wir haben die Koketterie gesehen, welche Männer aus den Rei- hen dieser Demokratie mit der Tochter des Kö- nigsmörders Tschech getrieben haben, und was die Entschuldigung des politischen Mordes betrifft, so braucht man sich nur der entmentschten Sprache erinnern, womit ein Theil der rothen Presse seiner Zeit den Mord Lichnowsky's und Auerswald's als eine nicht gar so verdammenswerthe That darzustellen wußte, um die Frage gerechtfertigt zu finden, warum die demokratische Partei nicht frü- her schon ihren Abscheu gegen solche Grundsätze und solche Aufreitzungen ausgesprochen hat? Wir erinnern uns nicht, in demokratischen Blättern ernste energische Zurückweisungen der Gemeinschaft mit den äußersten Extremen jemals gelesen zu haben. Die demokratische Presse, auch die ge- mäßigte, pflegt bei den hirnverbranntesten Plänen, bei offenbaren Dummheiten und Schandthaten, wenn sie von den Jhrigen ausgehen; ein Auge zuzudrücken und höchstens das, was sie nicht ent- schuldigen mag, für Lüge und Verdächtigungen der Gegner auszugeben. Hat man nicht alle Ruch- losigkeiten der „Kämpfer für Vökkerfreiheit“ in dem badischen und pfälzischen Aufstand entschul- digt, gemeinen Raub wie Diebstahl mit dem Brauch des Krieges entschuldigt, sucht man nicht noch jetzt die kolossale Lüge, als sei dieser Kampf für die Reichsverfassung geführt, wieder aufzufrischen? Wenn in dieser Weise auf Seiten der Demokra- tie ein politischer Jesuitismus ( ! ) im größten Style geübt wird, wo -- fragen wir -- fängt dann die Sünde im demokratischen Katechismus an, und wie will man in Abrede stellen, daß ge- rade ein Unzurechnungsfähiger und Schwachköpfi- ger durch diese demokratische Sittenlehre auch bis zu dem, vor dem staatlichen Gewissen, äußersten Verbrechen gebracht werden könnte. Wien, 25. Mai. Die Colonisirung in Un- garn: „Es ist bedauerlich, zu sehen, wie 40 bis 60,000 Deutsche jährlich ihr Vaterland verlassen, um sich in einem fremden Welttheil eine neue Heimath zu gründen. Sie tragen ihre Kräfte, Geld und Blut in ungewisse Fernen und verges- sen, daß nahe der eigenen Heimath sichere und reichere Schätze zu haben sind. Das mathemati- sche Klima von Ungarn stimmt mit dem von Süd- deutschland, der Lombardei und Venedigs überein. Ungarn gehört zu den am Meisten gesegneten Län- dern Europas. Und welcher Cultur wäre das Land fähig! Es zählt mehr als 160 größere Flüsse; wie leicht die innere Verbindung, der Verkehr, wenn man dazu noch die der Schifffahrt dienenden Kanäle in Rechnung bringt! Wie frucht- bar die Oberfläche; der Schooß der Erde voll Metalle! -- Endlich, wenn Oesterreich mit sei- nen sämmtlichen Kronländern in den deutschen Bund eintritt, was es beabsichtigt, dann ist der Auswanderer in keinem fremden Lande, er bleibt deutsch, theilt die Gesammtinteressen, und wirkt wesentlich mit an der innigen Einigung und Ver- schmelzung des eintretenden Bundesstaates mit den andern. Man muß auf Ungarn blicken, nicht wie es war, sondern wie es jetzt zu werden verspricht. Aus dem alten Adelsstaate wird ein Rechtsstaat gebildet; die Bevorrechtungen liegen in Trümmer geschlagen. Jeder ist gleich vor dem Gesetze. Grundbücher verbürgen den Besitz. Sicherheit und Festigkeit treten an die Stelle früherer Will- kür und Unduldsamkeit; Freiheit der Religion, Wahrung der Nationalität, Sicherheit der Person und des Eigenthums werden verbürgt.“ Wien, 27. Mai. Aus Debreczin meldet der „Magyar Hirlap,“ daß durch die energischen Be- mühungen der Civil= und Militärbehörden in der ganzen, von Räubern so sehr beunruhigten Um- gegend die Sicherheit wieder hergestellt ist, insbe- sondere nachdem sechs ihrer Häupter im Szabolc- ser und Biharer Comitat aufgeknüpft worden. Wien, 31. Mai. Die ministerielle Oesterr. Correspondenz sagt: „Bereits gestern erhielten wir auf telegraphischen Wege die Nachricht, daß der Flügeladjutant Sr. Maj. des Königs von Preuße, Hr. v. Manteuffel, nach Warschau ent- sendet worden sei, um dem Kaiser aller Reußen ein eigenhändiges Schreiben seines Monarchen zu überbringen, worin angeblich die definitive Erklä- rung enthalten wäre: Preußen werde niemals und unter keiner Bedingung in die Wiedereinsetzung des alten Bundestages willigen, und daß, wenn ein Einverständniß zwischen Oesterreich und Preu- ßen bisher nicht zu erreichen war, die Schuld le- diglich an der Politik des Wiener Cabinets liegt, die deßhalb nothwendigerweise zu verlassen sei. Dahin wirken und seinen Einfluß aufbieten zu wollen, wird der Kaiser ersucht. Wir erklären zu- förderst, daß wir die Authenticitstt der eben er- wähnten Nachricht nicht verbürgen mögen. Wir theilen sie gleichwohl mit, da sie uns aus gut un- terrichteter Quelle zugekommen, und Anlaß bietet, etliche allgemeine für den jetzigen Standpunkt der deutschen Frage bezeichnende Bemerkungen anzu- knüpfen. Für's erste scheint die Zuversicht, welche die Unionsgläubigen vor kurzem noch mit der freundlichen Zustimmung Rußlands zu dem Uni- onswerke zu erheitern und zu trösten beflissen war, so ziemlich in nichts zu zerrinnen. Weßhalb be- dürfte es wohl dieser Note, dieses Tones, wenn bereits schon erreicht wäre, was man jetzt erst er- reichen zu wollen versicht? Für's zweite wünsch- ten wir herzlich gerne darüber eine Aufklärung zu vernehmen, aus welchem Umstande Preußen die Ueberzeugung schöpft, Oesterreich beabsich- tige die Wiedereinsetzung des alten Bundes- tags? Das k. k. Kabinet will eben nicht mehr

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 133. Würzburg, 4. Juni 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische133_1850/2>, abgerufen am 29.03.2024.