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Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen. Nr. 19. Berlin, 11. August 1740.

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[Beginn Spaltensatz] Weisheit regieret, in allen Jahrhunderten so selten ge-
funden werden.

Allein wir haben gesehen, daß die guten Fürsten nur
solchen Völkern gegeben werden, die GOtt liebt. Die
Völker aber sind oft so verderbt, und so lasterhaft, daß sie
sich einer so besondern Gnade unwürdig machen. Sie
sind ungerecht, und verdienen einen ungerechten Regen-
ten. Sie geben dem Geitze Gehör, und ihre Könige
werden geitzig. Sie erwarten von demselben nur einen
äusserlichen Schutz, sie sehen allein auf ihren zeitlichen
Vortheil, und er wird ihnen mit Recht versagt. Sie
mißbrauchen den Uberfluß und den Frieden, und ihre
Undankbarkeit wird durch Krieg und Auflagen bestraft,
von welchen sie erschöpft werden Sie bemerken nur
ihren eigenen Nutzen, und vergessen das allgemeine
Wohl Die Fürsten ahmen ihnen nach, und glauben
auch, daß das allgemeine Wohl von ihrem eigenen Vor-
theile unterschieden ist.

Auf der andern Seite sind die Fürsten selten von ihrer
Pflicht unterrichtet, und der erste Eindruck einer guten
Erziehung, wird oft bald ausgelöscht. Sie überlassen
sich der Lust zu regieren, ohne sich um die wahren Grenzen
ihrer Gewalt zu bekümmern Der Stolz, welcher die
höchste Gewalt heimlich vergiftet, macht, daß sie keinem
Rath Gehör geben, oder ihm doch nicht folgen. Sie
nehmen ohne Vorsicht die Fehler dererjenigen an, welche
ihnen schmeicheln. Sie werden gegen die Warheit
gleichgültig, oder wohl gar ihre Feinde. Sie gewehnen
sich die Vernunft und die Gerechtigkeit mit ihrem Willen
zu vermischen. Sie überlassen die Sorge für den Staat
andern, und werden durch die Wollüste weichlich. Sie
halten sich allein bey solchen Dingen auf, die keine Auf-
merksamkeit und keine Arbeit erfordern. Sie wollen
von nichts wissen, als was ihre Ruhe nicht störet. Sie
glauben, daß alles gut regieret wird, weil sie in allem,
was sie umgiebet, ein Bildniß von dem Uberflusse und
von der Glückseligkeit entdecken Sie meynen, daß ih-
nen alles gehöret, und daß ihre Pracht und ihr Ruhm
der Endzweck von allem ist. Sie nähren sich von der
ausschweifenden Ehrerbietung dererjenigen, von wel-
chen sie gleichsam angebetet werden. Sie setzen den
Staat und die Pracht der königlichen Würde an die
[Spaltenumbruch] Stelle der wahren und dauerhaften Grösse. Sie sin-
ken unter der Majestät des erhabnen Plazes, den sie ein-
nehmen, von welchem sie nur den Schein haben, ohne
das Wahre davon zu besitzen. Sie leben und sterben,
ohne den Ursprung ihrer Macht, deren rechten Ge-
brauch, und die Rechenschaft zu kennen, welche sie davon
geben müssen. Sie sind in ihrem ganzen Leben, in ihren
Ländern, und bey ihrem Volke Fremdlinge. deren Noth
sie nicht abgeholfen, deren Glückseligkeit sie versäumet,
und deren Klagen von ihnen verachtet worden; und end-
lich haben sie vergessen, was sie seyn solten, da sie bestän-
dig mit sich selbst, und mit ihrem eigenen Nutzen beschäf-
tigt gewesen.

Es giebt, heißt es weiter viele Fürsten, bey welchen
nicht alle diese Fehler angetroffen werden, und die selbst
einige grosse Eigenschaften haben. Allein man findet
wenige, welche alle die Vorzüge besitzen, die einem
Prinzen nothwendig sind, der sich seines Platzes würdig
machen will, und der Mangel einer einzigen Tugend
hindert oft, daß die andern nicht nützlich seyn können,
weil sie von der Einbildung und von dem Jrrthum von
dem rechten Wege geführet werden, an statt, daß sie die
Klugheit und die Einsicht zu Führerinnen haben sollten.

Man kann die Fürsten nicht von dem allgemeinen
Unglücke der Menschen ausnehmen, wodurch auch die
gerechtesten entweder aus Unwissenheit oder aus
Schwachheit fehlen. Allein es ist sehr viel daran ge-
legen, daß die Fehler der Prinzen nicht aus einem Man-
gel entstehen, der beständig bleibt, daß sie keine Wurzel
schlagen; daß sie das Herz nicht verderben, daß sie den
Verstand nicht verfinstern, und daß sie durch die andern
Verfassungen der Seele verbessert und geheilet werden.

Dieses sucht der Verfasser in der gegenwärtigen
Schrift zu befördern. Er will dem Fürsten zeigen, wo-
nach er streben, und welche Mittel er dazu gebrauchen
muß. Er will seinen Augen ein Bildniß vorstellen,
von welchem er selbst das Original seyn soll, und an statt
ihn, über diesen hohen Begrif in Erstaunen zu setzen,
so will er vielmehr dadurch, daß er seinen Muth erwecket,
sein Verlangen reitze, und seine Hofnung unter-
halte.

[Ende Spaltensatz]

Diese Nachrichten werden wöchentlich 3mahl, nemlich Dienstags, Donnerstags und Sonnabends, bey dem Königl.
und der Societät der Wissenschaften privilegirten Buchhändler, AMBROSIUS HAUDE und dem Königl.
Hof=Post=Amte ausgegeben.

[Beginn Spaltensatz] Weisheit regieret, in allen Jahrhunderten so selten ge-
funden werden.

Allein wir haben gesehen, daß die guten Fürsten nur
solchen Völkern gegeben werden, die GOtt liebt. Die
Völker aber sind oft so verderbt, und so lasterhaft, daß sie
sich einer so besondern Gnade unwürdig machen. Sie
sind ungerecht, und verdienen einen ungerechten Regen-
ten. Sie geben dem Geitze Gehör, und ihre Könige
werden geitzig. Sie erwarten von demselben nur einen
äusserlichen Schutz, sie sehen allein auf ihren zeitlichen
Vortheil, und er wird ihnen mit Recht versagt. Sie
mißbrauchen den Uberfluß und den Frieden, und ihre
Undankbarkeit wird durch Krieg und Auflagen bestraft,
von welchen sie erschöpft werden Sie bemerken nur
ihren eigenen Nutzen, und vergessen das allgemeine
Wohl Die Fürsten ahmen ihnen nach, und glauben
auch, daß das allgemeine Wohl von ihrem eigenen Vor-
theile unterschieden ist.

Auf der andern Seite sind die Fürsten selten von ihrer
Pflicht unterrichtet, und der erste Eindruck einer guten
Erziehung, wird oft bald ausgelöscht. Sie überlassen
sich der Lust zu regieren, ohne sich um die wahren Grenzen
ihrer Gewalt zu bekümmern Der Stolz, welcher die
höchste Gewalt heimlich vergiftet, macht, daß sie keinem
Rath Gehör geben, oder ihm doch nicht folgen. Sie
nehmen ohne Vorsicht die Fehler dererjenigen an, welche
ihnen schmeicheln. Sie werden gegen die Warheit
gleichgültig, oder wohl gar ihre Feinde. Sie gewehnen
sich die Vernunft und die Gerechtigkeit mit ihrem Willen
zu vermischen. Sie überlassen die Sorge für den Staat
andern, und werden durch die Wollüste weichlich. Sie
halten sich allein bey solchen Dingen auf, die keine Auf-
merksamkeit und keine Arbeit erfordern. Sie wollen
von nichts wissen, als was ihre Ruhe nicht störet. Sie
glauben, daß alles gut regieret wird, weil sie in allem,
was sie umgiebet, ein Bildniß von dem Uberflusse und
von der Glückseligkeit entdecken Sie meynen, daß ih-
nen alles gehöret, und daß ihre Pracht und ihr Ruhm
der Endzweck von allem ist. Sie nähren sich von der
ausschweifenden Ehrerbietung dererjenigen, von wel-
chen sie gleichsam angebetet werden. Sie setzen den
Staat und die Pracht der königlichen Würde an die
[Spaltenumbruch] Stelle der wahren und dauerhaften Grösse. Sie sin-
ken unter der Majestät des erhabnen Plazes, den sie ein-
nehmen, von welchem sie nur den Schein haben, ohne
das Wahre davon zu besitzen. Sie leben und sterben,
ohne den Ursprung ihrer Macht, deren rechten Ge-
brauch, und die Rechenschaft zu kennen, welche sie davon
geben müssen. Sie sind in ihrem ganzen Leben, in ihren
Ländern, und bey ihrem Volke Fremdlinge. deren Noth
sie nicht abgeholfen, deren Glückseligkeit sie versäumet,
und deren Klagen von ihnen verachtet worden; und end-
lich haben sie vergessen, was sie seyn solten, da sie bestän-
dig mit sich selbst, und mit ihrem eigenen Nutzen beschäf-
tigt gewesen.

Es giebt, heißt es weiter viele Fürsten, bey welchen
nicht alle diese Fehler angetroffen werden, und die selbst
einige grosse Eigenschaften haben. Allein man findet
wenige, welche alle die Vorzüge besitzen, die einem
Prinzen nothwendig sind, der sich seines Platzes würdig
machen will, und der Mangel einer einzigen Tugend
hindert oft, daß die andern nicht nützlich seyn können,
weil sie von der Einbildung und von dem Jrrthum von
dem rechten Wege geführet werden, an statt, daß sie die
Klugheit und die Einsicht zu Führerinnen haben sollten.

Man kann die Fürsten nicht von dem allgemeinen
Unglücke der Menschen ausnehmen, wodurch auch die
gerechtesten entweder aus Unwissenheit oder aus
Schwachheit fehlen. Allein es ist sehr viel daran ge-
legen, daß die Fehler der Prinzen nicht aus einem Man-
gel entstehen, der beständig bleibt, daß sie keine Wurzel
schlagen; daß sie das Herz nicht verderben, daß sie den
Verstand nicht verfinstern, und daß sie durch die andern
Verfassungen der Seele verbessert und geheilet werden.

Dieses sucht der Verfasser in der gegenwärtigen
Schrift zu befördern. Er will dem Fürsten zeigen, wo-
nach er streben, und welche Mittel er dazu gebrauchen
muß. Er will seinen Augen ein Bildniß vorstellen,
von welchem er selbst das Original seyn soll, und an statt
ihn, über diesen hohen Begrif in Erstaunen zu setzen,
so will er vielmehr dadurch, daß er seinen Muth erwecket,
sein Verlangen reitze, und seine Hofnung unter-
halte.

[Ende Spaltensatz]

Diese Nachrichten werden wöchentlich 3mahl, nemlich Dienstags, Donnerstags und Sonnabends, bey dem Königl.
und der Societät der Wissenschaften privilegirten Buchhändler, AMBROSIUS HAUDE und dem Königl.
Hof=Post=Amte ausgegeben.

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Zitationshilfe: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen. Nr. 19. Berlin, 11. August 1740, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_berlin019_1740/4>, abgerufen am 11.12.2024.