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Mährisches Tagblatt. Nr. 167, Olmütz, 24.07.1889.

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[Spaltenumbruch]

wollte, die Waffe entriß. Es erschien ein Lieute-
nant der Wache und der Officier, der verletzt
war, wurde in ein Krankenzimmer des Garni-
sonsspitals getragen. Der lebensmüde Officier
ist der etwa 45jährige Major Wenzel Kabelik
des Traincorps. Der Major war früher im
Dragoner Regiment Nr. 3, wurde versetzt und
mit Wartegebühr beurlaubt. Vor drei Tagen
langte er aus Kremsier in Wien an und
logirte sich in einem Josefstädter Hotel ein.
Schon am ersten Tage seiner jetzigen Anwesen-
heit in Wien f[u]hr er bei dem Garnisonsspital
vor und b[e]gab sich zu einem Generalstabsarzt.
Wie es heißt, wurde der Major für leidend er-
kannt, und man rieth ihm, sich in den Kranken-
stand aufnehmen zu lassen. Man fand bei ihm
ein Testament, in welchem er sein Vermögen
von 12.000 fl. seinen Verwandten vermacht. In
seinem Besitze waren außerdem zwanzig Ducaten
und ein Koffer mit Effecten, unter welchen sich
auch O[r]den befanden. Der Major hatte sich in
die linke Brust geschossen. Die Kugel prallte an
den Rippen ab, so daß nur eine leichte Verletzung
erfolgte. Der Zustand des Verletzten ist ein guter,
so daß man seiner baldigen Wiederherstellung
entgegensehen kann.

(Brieftauben-Wettflug.)

Von der I.
österr. schles. Brieftaubengesellschaft in Freuden-
thal erhalten wir nachstehende Mittheilung: Die
I. österr. schles. Brieftaubengesellschaft in Freu-
denthat veranstaltete ihren ersten heurigen Brief-
taubenwettflug von Przemysl nach Freudenthal.
Die Tauben wurden von dem Herrn Stationsvor-
stand in Przemysl in Gegenwart mehrerer
Herren am 7. Juli früh 8 Uhr 24 Min. aus-
gelassen und wurde die 380 Kilometer (Luftlinie)
betragende Strecke von der ersten Taube in
7 Stunden und 49 Min. zurückgelegt; bei der
vorletzten Station von Przemysl, Tarnow, flogen
die Tauben als ersten 5 Stunden 23 Min. Es
wurden im Ganzen 20 Tauben nach Przemysl
eingesetzt, wovon 15 Stück im Verlaufe des
nächsten Vormittags noch eingetroffen sind, was
gewiß als eine recht schöne Leistung der Brief-
taube genannt werden darf.

(Entgleisung.)

Am 19. d. M. Abends
gegen 10 Uhr entgleiste der Correspondenzwagen
des von Wien nach Prag verkehrenden Personen-
zuges der Staatsbahn nächst der Station Kanitz-
Eibenschitz, und zwar in Folge Losewerdens eines
Rades am genannten Wagen, der dann die Bahn
verstellt hat. Ein Hilfszug von Brünn brachte
die Reisenden vom besagten Personenzuge wie
auch von dem etwa zwei Stunden später ange-
langten Wiener Courierzuge nach Brünn, von
wo dieselben dann mit mehrstündiger Verspätung
die Reise fortsetzten. Weitere Folgen hatte dieser
Unfall nicht.


[Spaltenumbruch]
(Gegen die "großen Borten".)

Der Po-
lizeidirector von Cassel, Graf Königsdorff, geht
jetzt gegen einen Mißbrauch der Bierwirthe vor,
indem er die Bestrafung derselben wegen Betruges
veranlassen will. Die betreffende Bekanntmachung,
welche unter den Biertrinkern große Freude, bei
den Wirthen wohl ein ganz anderes Gefühl er-
zeugt haben mag, lautet: "Die Berechtigung der
laut gewordenen Klage, daß in vielen hiesigen
Bierwirthschaften die Gäste dadurch benachtheiligt
werden, daß ihnen beim Bierverkauf das Biergefäß
bis zum Füllstriche nicht mit Bier, sondern zu
einem großen Theile mit Bierschaum gefüllt wird,
hat sich durch die gemachten Feststellungen bestä-
tigt. Es erhält also zum größten Theile der Gast
nicht das Bierquantum, welches er bezahlt. Nach-
dem nun sämmtliche Wirthe unter Hinweis auf
§ 263 des Strafgesetzbuches verwarnt worden
sind, fordere ich das Publicum auf, weitere Be-
nachtheiligungen dieser Art der Polizeibehörde
oder deren Beamten zur Anzeige zu bringen behufs
strafrechtlicher Verfolgung der betreffenden Wirthe."




Vom Tage.
(Der Temesvarer Lottogewinn.)

Aus
Budapest, 23. Juli wird gemeldet: Der gestrige
Tag brachte eine entschiedene Wendung in der
Lotto-Angelegenheit. Spät Abends erschien näm-
lich der Untersuchungsrichter unverhofft im Ge-
richtsgebäude und ließ den bereits im Bette be-
fiadlichen Farkas vorführen. Nach einigen schein-
bar belanglosen Fragen, welche Farkas ruhig,
aber lauernden Blickes beantwortete, ging der
Richter auf die Verbindungen Farkas über und
kam endlich auf die kritische Zeit vom 3. bis 9.
Juli zu sprechen. Farkas leugnete anfangs, wie
bisher immer, daß sein Aufenthalt in Temesvar
zur Zeit der Ziehung einen speciellen Grund
hatte, und der Untersuchungsrichter gewann die
Ueberzeugung, daß Farkas nicht ahne, daß sein
weiblicher Complice bereits ausgeforscht und ver-
haftet sei. Nach einer kurzen Pause sah der
Richter Farkas plötzlich fest in die Augen und
sagte mit er[h]obener Stimme: "Sie behaupten
also noch immer, daß Sie die "Frau in Schwarz"
nicht kennen? Die Witwe Ferdinand Telkessy?"
Farkas, der diesen Namen aus dem Munde des
Richters jetzt zum erstenmale vernahm, fuhr sicht-
bar zusammen, erbleichte und schwieg. Nach eini-
gem Zögern sagte er mit bebender Stimme:
"Nun, wenn wir so weit sind, ich kenne sie."
An dieses wichtige Geständniß knüpfte nun der
Untersuchungsrichter ein ganzes Syste[m] von Fra-
gen, welche Farkas insoferne geständig beantwor-
tete, als er zugab, mit der Familie Telkessy,
deren Oberhaupt sein Freund gewesen, seit Jah-
ren bekannt zu sein. Er habe die Familie
nach Kräften oft unterstützt. "Ich hatte in Wien
[Spaltenumbruch] zu thun und setzte große Summen auf die
Zahlenserien, die ich seit Jahren setzte. Auf dem
Rückwege hielt ich mich in Szegedin auf und
kam Frau Telkesy zusammen, da kam mir die
Idee, daß mir vielleicht diese armen Leute Glück
bringen könnten. Ich überredete die Frau, mit
der kleinen Margit in meiner Gesellschaft nach
Temesvar zu reisen. Dort gelang es ihr, durch-
zusetzen, daß die als Knabe verkleidete Margit
zur Ziehung zugelassen wurde." Auf die Frage,
wer dem Mädchen die bei der Ziehung üblichen
Bewegungen und Griffe einlernte, kam Farkas
einen Moment in Verlegenheit, dann sagte er,
er habe es ihr gezeigt; er habe ja oft Ziehun-
gen beigewohnt. Farkas wurde nach 10 Uhr ins
Gefängniß abgeführt. Sodann folgte ein zwei-
stündiges Verhör der Frau Telkessy, welches je-
doch keine meritorischen Momente ergab. Als sie
durch den Hof in die Zelle geführt wurde, grüßte
ein Herr äußerst ehrerbietig. Sie sah denselben
erstaunt an. Es war ein Photograph, der sie
abnehmen wollte. Man gestattete ihm dies nicht.
Im Ho[f]raume küßte sie ihre Tochter wortlos.
Nachmittags schrieb sie einen Brief an ihre in
Kis-Körös wohnhafte Tochter. Die Polizei soll
dem verschwundenen Probir-Glücksrad, welches
Farkas in Budapest durch den Tischler Mattausch
anfertigen ließ, auf der Spur sein. Sämmtliche
Häftlinge benehmen sich ruhig, nur Farkas sehr
nervös; er beschied den Arzt zu sich.

Ueber die Beziehungen der Familie Telkesy
zu Farkas schreibt ein Correspondent auf Grund
einer Unterredung mit dem Stiefsohne der Wit-
we noch Folgendes: Nachdem der Verkehr des
Farkas im Hause der Telkesy mehrere Jahre
hindurch unterbrochen war, kam Farkas genau
an dem Tuge nach Szegedin, als man Ferdi-
nand Telkesy begrub. Farkas suchte die Witwe
mit dem Bemerken auf, daß er in der Absicht
nach Szegedin gekommen sei, um mit seinem
verstorbenen Freunde gemeinschaftlich Schweine-
handel zu betreiben, denn, also lautete die Anga-
be des Farkas, ein ehemaliger Freund, der ihn
noch während seiner Beamtenzeit zu Brood um
70.000 fl. betrogen hatte und dann nach Amerika
entflohen war, habe daselbst Vermögen erworben
und nichts Eiligeres zu thuu gehabt, als die
70.000 fl. wieder zu ersetzen. Aus diesem ihm
angeblich restituirten Gelde deponirte Farkas auch
die Kaution von 1000 fl., die Frau Telkesy
zur Errichtung einer Lottokollektur in Szabadka
benöthigte. Die Lotterie ging sehr schlecht und
Frau Telkesy gab das Geschäft auf; sie übersie-
delte abermals nach Szegedin, wo sie ihre Fa-
milie aufs kümmerlichste mit der Nadel ernährte.
Damals schrieb sie an Farkas einen langen
Brief und bat ihn, er möge ihr Hilfe senden.
Farkas antwortete ihr kurz, er wäre derzeit
nicht in der Lage, Hilfe zu bieten, da er selbst




[Spaltenumbruch]

-- Wenn Alles gut abläuft, werden sie wohl
mit dem Morgengrauen wieder hier sein, erwi-
derte der Wirth.

-- Sie kehren wohl alle Nächte hier ein.

-- So unklug sind sie nicht; Kosaken und
Grenzjäger würden ihnen leicht die Stege ab-
lauern. Manchmal kommen sie einige Nächte hin-
tereinander; dann vergehen aber auch Wochen,
daß sie mir nich zu Gesicht kommen.

So offenherzig der frühere Schauspieler
schien, jedenfalls sagte er nicht die reine Wahr-
heit und stand mit den Schmugglern in innigerer
Verbindung, als er zugestand. Auch ließen seine
Fragen darauf schließen, daß er mich im Bette
wünschte.

Als ich mich auf mein Zimmer im oberen
Stock zurückgezogen hatte, trat ich an das Fenster
und bemerkte, daß es der Grenze zugekehrt war.
Ich löschte mein Licht aus. Nur der eintönige
Tropfenfall des nachlassenden Regens unterbrach
die tiefe Stille, die um das Gasthaus herrschte.
In der Ferne sah ich ein Haus, in dem ein Fenster
noch erhellt war, sonst vermochte man nichts in
der Dunkelheit zu erkennen. Ich wurde müde und
begab mich zu Bett.

Ich hatte vielleicht drei Stunden geschlafen,
als ich plötzlich durch einen Schuß aus einiger
Entfernung geweckt wurde, andere folgten dicht
hintereinander, dann trat wieder Ruhe ein. Ich
war aufgesprungen, hatte das Fenster geöffnet,
konnte aber nichts sehen. Bei dem Hause hörte
ich flüstern und vernahm, indem ich mein Gehör
[Spaltenumbruch] anstrengte, die gedämpfte Stimme meines Wirthes:
Sie brauchen für Ihre Waaren nicht zu fürchten,
die sind den richtigen Händen schon übergeben
worden. Woher wissen Sie das? fragte eine
andere Stimme. Die Schwärzer befinden sich auf
dem Rückzuge, sonst wären die Schüsse früher
gefallen. Wahrscheinlich sind diese Schüsse nur
blinder Lärm, der thöricht genug ist, da er un-
sere Grenzaufseher aus dem Schlafe weckt.

Wie richtig der frühere Schauspieler die Schüsse
beurtheilt hatte, zeigte sich eine halbe Stunde später,
als die Schwärzer anlangten. Sie führten drei be-
packte Wagen mit sich, die sogleich weiter in das
Land gefahren wurden. Ein viertes Gefährtstand
bereit. Auf dasselbe wurden die Packe geworfen,
welche sie trugen. Dann fuhr es ebenfalls fort.
Die Schmuggler traten in das Wirthshaus,
doch entfernten sie sich noch vor Tagesgrauen.

Als ich am folgenden Vormittag mit dem
Wirth zusammentraf, meinte derselbe, ich möchte
über die Vorfälle der Nacht weder reden noch
schreiben. Ich drückte ihm die Hand und verließ
Soldau schon am Nachmittag, um über Thorn
nach Berlin zu reisen.

In dem Geräusch der kaiserlichen Residenz
traten Magda Friedrichstein und Stefan Petrowsky
zu rück. Da wollte es der Zufall, daß ich nach
Verlauf eines halben Jahres das Mädchen traf.
Aus dem preußischen Mädchen war jedoch eine
Dame in einem eleganten Wagen geworden. Ne-
ben ihr saß ein Herr, dessen Aeußeres den reichen
Mann kennzeichnete. Armer Stefan Petrowski!
ärmere Magda Friedrichstein!


[Spaltenumbruch]

Wieder war ein Vierteljahr vergangen, als die
Zeitungen folgende Notiz brachten: Gestern Abends
hat sich ein tragisches Ereigniß abgespielt, dem
Herrn Rudolf B., einer unserer Tageslöwen und
seine Braut Fräulein Magda F. in der Fried-
richstraße fast zum Opfer gefallen sind. Aus frü-
herer Zeit muß die Dame ein inniges Verhältniß
mit einem Landsmann gehabt haben, das sie aber
löste. Der frühere Bräutigam trat gestern plötzlich
in die Wohnung der Braut. Herr B. eilt ihr
zur Hilfe, da zieht der Andere ein Messer, und
stößt es jenem in die Brust. Glücklicherweise ist
die Verwundung nicht gerade tödtlich. Dem Thä-
ter ist es gelungen zu entkommen, hoffentlich nicht
für immer.

Diese Hoffnung sollte nicht in Erfüllung
gehen, und die Polizei verfolgte Stefan Petrowski
vergebens. Allgemein wurde angenommen, daß
der Schwärzer nach seiner blutigen That sich das
Leben genommen habe, nur Magda war nicht
dieser Ansicht. Bedeutender, als man anfangs
angenommen, war Rudolf's Wunde, denn der
Stich hatte ihm die Lange beschädigt. Die Aerzte
riethen ihm den Aufenthalt in Italien an, wohin
ihm Magda folgte. Ob er sie geheiratet, habe ich
nie erfahren.


("Budapester Tagbla[tt]".)



[Spaltenumbruch]

wollte, die Waffe entriß. Es erſchien ein Lieute-
nant der Wache und der Officier, der verletzt
war, wurde in ein Krankenzimmer des Garni-
ſonsſpitals getragen. Der lebensmüde Officier
iſt der etwa 45jährige Major Wenzel Kabelik
des Traincorps. Der Major war früher im
Dragoner Regiment Nr. 3, wurde verſetzt und
mit Wartegebühr beurlaubt. Vor drei Tagen
langte er aus Kremſier in Wien an und
logirte ſich in einem Joſefſtädter Hotel ein.
Schon am erſten Tage ſeiner jetzigen Anweſen-
heit in Wien f[u]hr er bei dem Garniſonsſpital
vor und b[e]gab ſich zu einem Generalſtabsarzt.
Wie es heißt, wurde der Major für leidend er-
kannt, und man rieth ihm, ſich in den Kranken-
ſtand aufnehmen zu laſſen. Man fand bei ihm
ein Teſtament, in welchem er ſein Vermögen
von 12.000 fl. ſeinen Verwandten vermacht. In
ſeinem Beſitze waren außerdem zwanzig Ducaten
und ein Koffer mit Effecten, unter welchen ſich
auch O[r]den befanden. Der Major hatte ſich in
die linke Bruſt geſchoſſen. Die Kugel prallte an
den Rippen ab, ſo daß nur eine leichte Verletzung
erfolgte. Der Zuſtand des Verletzten iſt ein guter,
ſo daß man ſeiner baldigen Wiederherſtellung
entgegenſehen kann.

(Brieftauben-Wettflug.)

Von der I.
öſterr. ſchleſ. Brieftaubengeſellſchaft in Freuden-
thal erhalten wir nachſtehende Mittheilung: Die
I. öſterr. ſchleſ. Brieftaubengeſellſchaft in Freu-
denthat veranſtaltete ihren erſten heurigen Brief-
taubenwettflug von Przemysl nach Freudenthal.
Die Tauben wurden von dem Herrn Stationsvor-
ſtand in Przemysl in Gegenwart mehrerer
Herren am 7. Juli früh 8 Uhr 24 Min. aus-
gelaſſen und wurde die 380 Kilometer (Luftlinie)
betragende Strecke von der erſten Taube in
7 Stunden und 49 Min. zurückgelegt; bei der
vorletzten Station von Przemysl, Tarnow, flogen
die Tauben als erſten 5 Stunden 23 Min. Es
wurden im Ganzen 20 Tauben nach Przemysl
eingeſetzt, wovon 15 Stück im Verlaufe des
nächſten Vormittags noch eingetroffen ſind, was
gewiß als eine recht ſchöne Leiſtung der Brief-
taube genannt werden darf.

(Entgleiſung.)

Am 19. d. M. Abends
gegen 10 Uhr entgleiſte der Correſpondenzwagen
des von Wien nach Prag verkehrenden Perſonen-
zuges der Staatsbahn nächſt der Station Kanitz-
Eibenſchitz, und zwar in Folge Loſewerdens eines
Rades am genannten Wagen, der dann die Bahn
verſtellt hat. Ein Hilfszug von Brünn brachte
die Reiſenden vom beſagten Perſonenzuge wie
auch von dem etwa zwei Stunden ſpäter ange-
langten Wiener Courierzuge nach Brünn, von
wo dieſelben dann mit mehrſtündiger Verſpätung
die Reiſe fortſetzten. Weitere Folgen hatte dieſer
Unfall nicht.


[Spaltenumbruch]
(Gegen die „großen Borten“.)

Der Po-
lizeidirector von Caſſel, Graf Königsdorff, geht
jetzt gegen einen Mißbrauch der Bierwirthe vor,
indem er die Beſtrafung derſelben wegen Betruges
veranlaſſen will. Die betreffende Bekanntmachung,
welche unter den Biertrinkern große Freude, bei
den Wirthen wohl ein ganz anderes Gefühl er-
zeugt haben mag, lautet: „Die Berechtigung der
laut gewordenen Klage, daß in vielen hieſigen
Bierwirthſchaften die Gäſte dadurch benachtheiligt
werden, daß ihnen beim Bierverkauf das Biergefäß
bis zum Füllſtriche nicht mit Bier, ſondern zu
einem großen Theile mit Bierſchaum gefüllt wird,
hat ſich durch die gemachten Feſtſtellungen beſtä-
tigt. Es erhält alſo zum größten Theile der Gaſt
nicht das Bierquantum, welches er bezahlt. Nach-
dem nun ſämmtliche Wirthe unter Hinweis auf
§ 263 des Strafgeſetzbuches verwarnt worden
ſind, fordere ich das Publicum auf, weitere Be-
nachtheiligungen dieſer Art der Polizeibehörde
oder deren Beamten zur Anzeige zu bringen behufs
ſtrafrechtlicher Verfolgung der betreffenden Wirthe.“




Vom Tage.
(Der Temesvarer Lottogewinn.)

Aus
Budapeſt, 23. Juli wird gemeldet: Der geſtrige
Tag brachte eine entſchiedene Wendung in der
Lotto-Angelegenheit. Spät Abends erſchien näm-
lich der Unterſuchungsrichter unverhofft im Ge-
richtsgebäude und ließ den bereits im Bette be-
fiadlichen Farkas vorführen. Nach einigen ſchein-
bar belangloſen Fragen, welche Farkas ruhig,
aber lauernden Blickes beantwortete, ging der
Richter auf die Verbindungen Farkas über und
kam endlich auf die kritiſche Zeit vom 3. bis 9.
Juli zu ſprechen. Farkas leugnete anfangs, wie
bisher immer, daß ſein Aufenthalt in Temesvar
zur Zeit der Ziehung einen ſpeciellen Grund
hatte, und der Unterſuchungsrichter gewann die
Ueberzeugung, daß Farkas nicht ahne, daß ſein
weiblicher Complice bereits ausgeforſcht und ver-
haftet ſei. Nach einer kurzen Pauſe ſah der
Richter Farkas plötzlich feſt in die Augen und
ſagte mit er[h]obener Stimme: „Sie behaupten
alſo noch immer, daß Sie die „Frau in Schwarz“
nicht kennen? Die Witwe Ferdinand Telkeſſy?“
Farkas, der dieſen Namen aus dem Munde des
Richters jetzt zum erſtenmale vernahm, fuhr ſicht-
bar zuſammen, erbleichte und ſchwieg. Nach eini-
gem Zögern ſagte er mit bebender Stimme:
„Nun, wenn wir ſo weit ſind, ich kenne ſie.“
An dieſes wichtige Geſtändniß knüpfte nun der
Unterſuchungsrichter ein ganzes Syſte[m] von Fra-
gen, welche Farkas inſoferne geſtändig beantwor-
tete, als er zugab, mit der Familie Telkeſſy,
deren Oberhaupt ſein Freund geweſen, ſeit Jah-
ren bekannt zu ſein. Er habe die Familie
nach Kräften oft unterſtützt. „Ich hatte in Wien
[Spaltenumbruch] zu thun und ſetzte große Summen auf die
Zahlenſerien, die ich ſeit Jahren ſetzte. Auf dem
Rückwege hielt ich mich in Szegedin auf und
kam Frau Telkeſy zuſammen, da kam mir die
Idee, daß mir vielleicht dieſe armen Leute Glück
bringen könnten. Ich überredete die Frau, mit
der kleinen Margit in meiner Geſellſchaft nach
Temesvar zu reiſen. Dort gelang es ihr, durch-
zuſetzen, daß die als Knabe verkleidete Margit
zur Ziehung zugelaſſen wurde.“ Auf die Frage,
wer dem Mädchen die bei der Ziehung üblichen
Bewegungen und Griffe einlernte, kam Farkas
einen Moment in Verlegenheit, dann ſagte er,
er habe es ihr gezeigt; er habe ja oft Ziehun-
gen beigewohnt. Farkas wurde nach 10 Uhr ins
Gefängniß abgeführt. Sodann folgte ein zwei-
ſtündiges Verhör der Frau Telkeſſy, welches je-
doch keine meritoriſchen Momente ergab. Als ſie
durch den Hof in die Zelle geführt wurde, grüßte
ein Herr äußerſt ehrerbietig. Sie ſah denſelben
erſtaunt an. Es war ein Photograph, der ſie
abnehmen wollte. Man geſtattete ihm dies nicht.
Im Ho[f]raume küßte ſie ihre Tochter wortlos.
Nachmittags ſchrieb ſie einen Brief an ihre in
Kis-Körös wohnhafte Tochter. Die Polizei ſoll
dem verſchwundenen Probir-Glücksrad, welches
Farkas in Budapeſt durch den Tiſchler Mattauſch
anfertigen ließ, auf der Spur ſein. Sämmtliche
Häftlinge benehmen ſich ruhig, nur Farkas ſehr
nervös; er beſchied den Arzt zu ſich.

Ueber die Beziehungen der Familie Telkeſy
zu Farkas ſchreibt ein Correſpondent auf Grund
einer Unterredung mit dem Stiefſohne der Wit-
we noch Folgendes: Nachdem der Verkehr des
Farkas im Hauſe der Telkeſy mehrere Jahre
hindurch unterbrochen war, kam Farkas genau
an dem Tuge nach Szegedin, als man Ferdi-
nand Telkeſy begrub. Farkas ſuchte die Witwe
mit dem Bemerken auf, daß er in der Abſicht
nach Szegedin gekommen ſei, um mit ſeinem
verſtorbenen Freunde gemeinſchaftlich Schweine-
handel zu betreiben, denn, alſo lautete die Anga-
be des Farkas, ein ehemaliger Freund, der ihn
noch während ſeiner Beamtenzeit zu Brood um
70.000 fl. betrogen hatte und dann nach Amerika
entflohen war, habe daſelbſt Vermögen erworben
und nichts Eiligeres zu thuu gehabt, als die
70.000 fl. wieder zu erſetzen. Aus dieſem ihm
angeblich reſtituirten Gelde deponirte Farkas auch
die Kaution von 1000 fl., die Frau Telkeſy
zur Errichtung einer Lottokollektur in Szabadka
benöthigte. Die Lotterie ging ſehr ſchlecht und
Frau Telkeſy gab das Geſchäft auf; ſie überſie-
delte abermals nach Szegedin, wo ſie ihre Fa-
milie aufs kümmerlichſte mit der Nadel ernährte.
Damals ſchrieb ſie an Farkas einen langen
Brief und bat ihn, er möge ihr Hilfe ſenden.
Farkas antwortete ihr kurz, er wäre derzeit
nicht in der Lage, Hilfe zu bieten, da er ſelbſt




[Spaltenumbruch]

— Wenn Alles gut abläuft, werden ſie wohl
mit dem Morgengrauen wieder hier ſein, erwi-
derte der Wirth.

— Sie kehren wohl alle Nächte hier ein.

— So unklug ſind ſie nicht; Koſaken und
Grenzjäger würden ihnen leicht die Stege ab-
lauern. Manchmal kommen ſie einige Nächte hin-
tereinander; dann vergehen aber auch Wochen,
daß ſie mir nich zu Geſicht kommen.

So offenherzig der frühere Schauſpieler
ſchien, jedenfalls ſagte er nicht die reine Wahr-
heit und ſtand mit den Schmugglern in innigerer
Verbindung, als er zugeſtand. Auch ließen ſeine
Fragen darauf ſchließen, daß er mich im Bette
wünſchte.

Als ich mich auf mein Zimmer im oberen
Stock zurückgezogen hatte, trat ich an das Fenſter
und bemerkte, daß es der Grenze zugekehrt war.
Ich löſchte mein Licht aus. Nur der eintönige
Tropfenfall des nachlaſſenden Regens unterbrach
die tiefe Stille, die um das Gaſthaus herrſchte.
In der Ferne ſah ich ein Haus, in dem ein Fenſter
noch erhellt war, ſonſt vermochte man nichts in
der Dunkelheit zu erkennen. Ich wurde müde und
begab mich zu Bett.

Ich hatte vielleicht drei Stunden geſchlafen,
als ich plötzlich durch einen Schuß aus einiger
Entfernung geweckt wurde, andere folgten dicht
hintereinander, dann trat wieder Ruhe ein. Ich
war aufgeſprungen, hatte das Fenſter geöffnet,
konnte aber nichts ſehen. Bei dem Hauſe hörte
ich flüſtern und vernahm, indem ich mein Gehör
[Spaltenumbruch] anſtrengte, die gedämpfte Stimme meines Wirthes:
Sie brauchen für Ihre Waaren nicht zu fürchten,
die ſind den richtigen Händen ſchon übergeben
worden. Woher wiſſen Sie das? fragte eine
andere Stimme. Die Schwärzer befinden ſich auf
dem Rückzuge, ſonſt wären die Schüſſe früher
gefallen. Wahrſcheinlich ſind dieſe Schüſſe nur
blinder Lärm, der thöricht genug iſt, da er un-
ſere Grenzaufſeher aus dem Schlafe weckt.

Wie richtig der frühere Schauſpieler die Schüſſe
beurtheilt hatte, zeigte ſich eine halbe Stunde ſpäter,
als die Schwärzer anlangten. Sie führten drei be-
packte Wagen mit ſich, die ſogleich weiter in das
Land gefahren wurden. Ein viertes Gefährtſtand
bereit. Auf dasſelbe wurden die Packe geworfen,
welche ſie trugen. Dann fuhr es ebenfalls fort.
Die Schmuggler traten in das Wirthshaus,
doch entfernten ſie ſich noch vor Tagesgrauen.

Als ich am folgenden Vormittag mit dem
Wirth zuſammentraf, meinte derſelbe, ich möchte
über die Vorfälle der Nacht weder reden noch
ſchreiben. Ich drückte ihm die Hand und verließ
Soldau ſchon am Nachmittag, um über Thorn
nach Berlin zu reiſen.

In dem Geräuſch der kaiſerlichen Reſidenz
traten Magda Friedrichſtein und Stefan Petrowsky
zu rück. Da wollte es der Zufall, daß ich nach
Verlauf eines halben Jahres das Mädchen traf.
Aus dem preußiſchen Mädchen war jedoch eine
Dame in einem eleganten Wagen geworden. Ne-
ben ihr ſaß ein Herr, deſſen Aeußeres den reichen
Mann kennzeichnete. Armer Stefan Petrowski!
ärmere Magda Friedrichſtein!


[Spaltenumbruch]

Wieder war ein Vierteljahr vergangen, als die
Zeitungen folgende Notiz brachten: Geſtern Abends
hat ſich ein tragiſches Ereigniß abgeſpielt, dem
Herrn Rudolf B., einer unſerer Tageslöwen und
ſeine Braut Fräulein Magda F. in der Fried-
richſtraße faſt zum Opfer gefallen ſind. Aus frü-
herer Zeit muß die Dame ein inniges Verhältniß
mit einem Landsmann gehabt haben, das ſie aber
löſte. Der frühere Bräutigam trat geſtern plötzlich
in die Wohnung der Braut. Herr B. eilt ihr
zur Hilfe, da zieht der Andere ein Meſſer, und
ſtößt es jenem in die Bruſt. Glücklicherweiſe iſt
die Verwundung nicht gerade tödtlich. Dem Thä-
ter iſt es gelungen zu entkommen, hoffentlich nicht
für immer.

Dieſe Hoffnung ſollte nicht in Erfüllung
gehen, und die Polizei verfolgte Stefan Petrowski
vergebens. Allgemein wurde angenommen, daß
der Schwärzer nach ſeiner blutigen That ſich das
Leben genommen habe, nur Magda war nicht
dieſer Anſicht. Bedeutender, als man anfangs
angenommen, war Rudolf’s Wunde, denn der
Stich hatte ihm die Lange beſchädigt. Die Aerzte
riethen ihm den Aufenthalt in Italien an, wohin
ihm Magda folgte. Ob er ſie geheiratet, habe ich
nie erfahren.


(„Budapeſter Tagbla[tt]“.)



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[[5]/0005] wollte, die Waffe entriß. Es erſchien ein Lieute- nant der Wache und der Officier, der verletzt war, wurde in ein Krankenzimmer des Garni- ſonsſpitals getragen. Der lebensmüde Officier iſt der etwa 45jährige Major Wenzel Kabelik des Traincorps. Der Major war früher im Dragoner Regiment Nr. 3, wurde verſetzt und mit Wartegebühr beurlaubt. Vor drei Tagen langte er aus Kremſier in Wien an und logirte ſich in einem Joſefſtädter Hotel ein. Schon am erſten Tage ſeiner jetzigen Anweſen- heit in Wien fuhr er bei dem Garniſonsſpital vor und begab ſich zu einem Generalſtabsarzt. Wie es heißt, wurde der Major für leidend er- kannt, und man rieth ihm, ſich in den Kranken- ſtand aufnehmen zu laſſen. Man fand bei ihm ein Teſtament, in welchem er ſein Vermögen von 12.000 fl. ſeinen Verwandten vermacht. In ſeinem Beſitze waren außerdem zwanzig Ducaten und ein Koffer mit Effecten, unter welchen ſich auch Orden befanden. Der Major hatte ſich in die linke Bruſt geſchoſſen. Die Kugel prallte an den Rippen ab, ſo daß nur eine leichte Verletzung erfolgte. Der Zuſtand des Verletzten iſt ein guter, ſo daß man ſeiner baldigen Wiederherſtellung entgegenſehen kann. (Brieftauben-Wettflug.) Von der I. öſterr. ſchleſ. Brieftaubengeſellſchaft in Freuden- thal erhalten wir nachſtehende Mittheilung: Die I. öſterr. ſchleſ. Brieftaubengeſellſchaft in Freu- denthat veranſtaltete ihren erſten heurigen Brief- taubenwettflug von Przemysl nach Freudenthal. Die Tauben wurden von dem Herrn Stationsvor- ſtand in Przemysl in Gegenwart mehrerer Herren am 7. Juli früh 8 Uhr 24 Min. aus- gelaſſen und wurde die 380 Kilometer (Luftlinie) betragende Strecke von der erſten Taube in 7 Stunden und 49 Min. zurückgelegt; bei der vorletzten Station von Przemysl, Tarnow, flogen die Tauben als erſten 5 Stunden 23 Min. Es wurden im Ganzen 20 Tauben nach Przemysl eingeſetzt, wovon 15 Stück im Verlaufe des nächſten Vormittags noch eingetroffen ſind, was gewiß als eine recht ſchöne Leiſtung der Brief- taube genannt werden darf. (Entgleiſung.) Am 19. d. M. Abends gegen 10 Uhr entgleiſte der Correſpondenzwagen des von Wien nach Prag verkehrenden Perſonen- zuges der Staatsbahn nächſt der Station Kanitz- Eibenſchitz, und zwar in Folge Loſewerdens eines Rades am genannten Wagen, der dann die Bahn verſtellt hat. Ein Hilfszug von Brünn brachte die Reiſenden vom beſagten Perſonenzuge wie auch von dem etwa zwei Stunden ſpäter ange- langten Wiener Courierzuge nach Brünn, von wo dieſelben dann mit mehrſtündiger Verſpätung die Reiſe fortſetzten. Weitere Folgen hatte dieſer Unfall nicht. (Gegen die „großen Borten“.) Der Po- lizeidirector von Caſſel, Graf Königsdorff, geht jetzt gegen einen Mißbrauch der Bierwirthe vor, indem er die Beſtrafung derſelben wegen Betruges veranlaſſen will. Die betreffende Bekanntmachung, welche unter den Biertrinkern große Freude, bei den Wirthen wohl ein ganz anderes Gefühl er- zeugt haben mag, lautet: „Die Berechtigung der laut gewordenen Klage, daß in vielen hieſigen Bierwirthſchaften die Gäſte dadurch benachtheiligt werden, daß ihnen beim Bierverkauf das Biergefäß bis zum Füllſtriche nicht mit Bier, ſondern zu einem großen Theile mit Bierſchaum gefüllt wird, hat ſich durch die gemachten Feſtſtellungen beſtä- tigt. Es erhält alſo zum größten Theile der Gaſt nicht das Bierquantum, welches er bezahlt. Nach- dem nun ſämmtliche Wirthe unter Hinweis auf § 263 des Strafgeſetzbuches verwarnt worden ſind, fordere ich das Publicum auf, weitere Be- nachtheiligungen dieſer Art der Polizeibehörde oder deren Beamten zur Anzeige zu bringen behufs ſtrafrechtlicher Verfolgung der betreffenden Wirthe.“ Vom Tage. (Der Temesvarer Lottogewinn.) Aus Budapeſt, 23. Juli wird gemeldet: Der geſtrige Tag brachte eine entſchiedene Wendung in der Lotto-Angelegenheit. Spät Abends erſchien näm- lich der Unterſuchungsrichter unverhofft im Ge- richtsgebäude und ließ den bereits im Bette be- fiadlichen Farkas vorführen. Nach einigen ſchein- bar belangloſen Fragen, welche Farkas ruhig, aber lauernden Blickes beantwortete, ging der Richter auf die Verbindungen Farkas über und kam endlich auf die kritiſche Zeit vom 3. bis 9. Juli zu ſprechen. Farkas leugnete anfangs, wie bisher immer, daß ſein Aufenthalt in Temesvar zur Zeit der Ziehung einen ſpeciellen Grund hatte, und der Unterſuchungsrichter gewann die Ueberzeugung, daß Farkas nicht ahne, daß ſein weiblicher Complice bereits ausgeforſcht und ver- haftet ſei. Nach einer kurzen Pauſe ſah der Richter Farkas plötzlich feſt in die Augen und ſagte mit erhobener Stimme: „Sie behaupten alſo noch immer, daß Sie die „Frau in Schwarz“ nicht kennen? Die Witwe Ferdinand Telkeſſy?“ Farkas, der dieſen Namen aus dem Munde des Richters jetzt zum erſtenmale vernahm, fuhr ſicht- bar zuſammen, erbleichte und ſchwieg. Nach eini- gem Zögern ſagte er mit bebender Stimme: „Nun, wenn wir ſo weit ſind, ich kenne ſie.“ An dieſes wichtige Geſtändniß knüpfte nun der Unterſuchungsrichter ein ganzes Syſtem von Fra- gen, welche Farkas inſoferne geſtändig beantwor- tete, als er zugab, mit der Familie Telkeſſy, deren Oberhaupt ſein Freund geweſen, ſeit Jah- ren bekannt zu ſein. Er habe die Familie nach Kräften oft unterſtützt. „Ich hatte in Wien zu thun und ſetzte große Summen auf die Zahlenſerien, die ich ſeit Jahren ſetzte. Auf dem Rückwege hielt ich mich in Szegedin auf und kam Frau Telkeſy zuſammen, da kam mir die Idee, daß mir vielleicht dieſe armen Leute Glück bringen könnten. Ich überredete die Frau, mit der kleinen Margit in meiner Geſellſchaft nach Temesvar zu reiſen. Dort gelang es ihr, durch- zuſetzen, daß die als Knabe verkleidete Margit zur Ziehung zugelaſſen wurde.“ Auf die Frage, wer dem Mädchen die bei der Ziehung üblichen Bewegungen und Griffe einlernte, kam Farkas einen Moment in Verlegenheit, dann ſagte er, er habe es ihr gezeigt; er habe ja oft Ziehun- gen beigewohnt. Farkas wurde nach 10 Uhr ins Gefängniß abgeführt. Sodann folgte ein zwei- ſtündiges Verhör der Frau Telkeſſy, welches je- doch keine meritoriſchen Momente ergab. Als ſie durch den Hof in die Zelle geführt wurde, grüßte ein Herr äußerſt ehrerbietig. Sie ſah denſelben erſtaunt an. Es war ein Photograph, der ſie abnehmen wollte. Man geſtattete ihm dies nicht. Im Hofraume küßte ſie ihre Tochter wortlos. Nachmittags ſchrieb ſie einen Brief an ihre in Kis-Körös wohnhafte Tochter. Die Polizei ſoll dem verſchwundenen Probir-Glücksrad, welches Farkas in Budapeſt durch den Tiſchler Mattauſch anfertigen ließ, auf der Spur ſein. Sämmtliche Häftlinge benehmen ſich ruhig, nur Farkas ſehr nervös; er beſchied den Arzt zu ſich. Ueber die Beziehungen der Familie Telkeſy zu Farkas ſchreibt ein Correſpondent auf Grund einer Unterredung mit dem Stiefſohne der Wit- we noch Folgendes: Nachdem der Verkehr des Farkas im Hauſe der Telkeſy mehrere Jahre hindurch unterbrochen war, kam Farkas genau an dem Tuge nach Szegedin, als man Ferdi- nand Telkeſy begrub. Farkas ſuchte die Witwe mit dem Bemerken auf, daß er in der Abſicht nach Szegedin gekommen ſei, um mit ſeinem verſtorbenen Freunde gemeinſchaftlich Schweine- handel zu betreiben, denn, alſo lautete die Anga- be des Farkas, ein ehemaliger Freund, der ihn noch während ſeiner Beamtenzeit zu Brood um 70.000 fl. betrogen hatte und dann nach Amerika entflohen war, habe daſelbſt Vermögen erworben und nichts Eiligeres zu thuu gehabt, als die 70.000 fl. wieder zu erſetzen. Aus dieſem ihm angeblich reſtituirten Gelde deponirte Farkas auch die Kaution von 1000 fl., die Frau Telkeſy zur Errichtung einer Lottokollektur in Szabadka benöthigte. Die Lotterie ging ſehr ſchlecht und Frau Telkeſy gab das Geſchäft auf; ſie überſie- delte abermals nach Szegedin, wo ſie ihre Fa- milie aufs kümmerlichſte mit der Nadel ernährte. Damals ſchrieb ſie an Farkas einen langen Brief und bat ihn, er möge ihr Hilfe ſenden. Farkas antwortete ihr kurz, er wäre derzeit nicht in der Lage, Hilfe zu bieten, da er ſelbſt — Wenn Alles gut abläuft, werden ſie wohl mit dem Morgengrauen wieder hier ſein, erwi- derte der Wirth. — Sie kehren wohl alle Nächte hier ein. — So unklug ſind ſie nicht; Koſaken und Grenzjäger würden ihnen leicht die Stege ab- lauern. Manchmal kommen ſie einige Nächte hin- tereinander; dann vergehen aber auch Wochen, daß ſie mir nich zu Geſicht kommen. So offenherzig der frühere Schauſpieler ſchien, jedenfalls ſagte er nicht die reine Wahr- heit und ſtand mit den Schmugglern in innigerer Verbindung, als er zugeſtand. Auch ließen ſeine Fragen darauf ſchließen, daß er mich im Bette wünſchte. Als ich mich auf mein Zimmer im oberen Stock zurückgezogen hatte, trat ich an das Fenſter und bemerkte, daß es der Grenze zugekehrt war. Ich löſchte mein Licht aus. Nur der eintönige Tropfenfall des nachlaſſenden Regens unterbrach die tiefe Stille, die um das Gaſthaus herrſchte. In der Ferne ſah ich ein Haus, in dem ein Fenſter noch erhellt war, ſonſt vermochte man nichts in der Dunkelheit zu erkennen. Ich wurde müde und begab mich zu Bett. Ich hatte vielleicht drei Stunden geſchlafen, als ich plötzlich durch einen Schuß aus einiger Entfernung geweckt wurde, andere folgten dicht hintereinander, dann trat wieder Ruhe ein. Ich war aufgeſprungen, hatte das Fenſter geöffnet, konnte aber nichts ſehen. Bei dem Hauſe hörte ich flüſtern und vernahm, indem ich mein Gehör anſtrengte, die gedämpfte Stimme meines Wirthes: Sie brauchen für Ihre Waaren nicht zu fürchten, die ſind den richtigen Händen ſchon übergeben worden. Woher wiſſen Sie das? fragte eine andere Stimme. Die Schwärzer befinden ſich auf dem Rückzuge, ſonſt wären die Schüſſe früher gefallen. Wahrſcheinlich ſind dieſe Schüſſe nur blinder Lärm, der thöricht genug iſt, da er un- ſere Grenzaufſeher aus dem Schlafe weckt. Wie richtig der frühere Schauſpieler die Schüſſe beurtheilt hatte, zeigte ſich eine halbe Stunde ſpäter, als die Schwärzer anlangten. Sie führten drei be- packte Wagen mit ſich, die ſogleich weiter in das Land gefahren wurden. Ein viertes Gefährtſtand bereit. Auf dasſelbe wurden die Packe geworfen, welche ſie trugen. Dann fuhr es ebenfalls fort. Die Schmuggler traten in das Wirthshaus, doch entfernten ſie ſich noch vor Tagesgrauen. Als ich am folgenden Vormittag mit dem Wirth zuſammentraf, meinte derſelbe, ich möchte über die Vorfälle der Nacht weder reden noch ſchreiben. Ich drückte ihm die Hand und verließ Soldau ſchon am Nachmittag, um über Thorn nach Berlin zu reiſen. In dem Geräuſch der kaiſerlichen Reſidenz traten Magda Friedrichſtein und Stefan Petrowsky zu rück. Da wollte es der Zufall, daß ich nach Verlauf eines halben Jahres das Mädchen traf. Aus dem preußiſchen Mädchen war jedoch eine Dame in einem eleganten Wagen geworden. Ne- ben ihr ſaß ein Herr, deſſen Aeußeres den reichen Mann kennzeichnete. Armer Stefan Petrowski! ärmere Magda Friedrichſtein! Wieder war ein Vierteljahr vergangen, als die Zeitungen folgende Notiz brachten: Geſtern Abends hat ſich ein tragiſches Ereigniß abgeſpielt, dem Herrn Rudolf B., einer unſerer Tageslöwen und ſeine Braut Fräulein Magda F. in der Fried- richſtraße faſt zum Opfer gefallen ſind. Aus frü- herer Zeit muß die Dame ein inniges Verhältniß mit einem Landsmann gehabt haben, das ſie aber löſte. Der frühere Bräutigam trat geſtern plötzlich in die Wohnung der Braut. Herr B. eilt ihr zur Hilfe, da zieht der Andere ein Meſſer, und ſtößt es jenem in die Bruſt. Glücklicherweiſe iſt die Verwundung nicht gerade tödtlich. Dem Thä- ter iſt es gelungen zu entkommen, hoffentlich nicht für immer. Dieſe Hoffnung ſollte nicht in Erfüllung gehen, und die Polizei verfolgte Stefan Petrowski vergebens. Allgemein wurde angenommen, daß der Schwärzer nach ſeiner blutigen That ſich das Leben genommen habe, nur Magda war nicht dieſer Anſicht. Bedeutender, als man anfangs angenommen, war Rudolf’s Wunde, denn der Stich hatte ihm die Lange beſchädigt. Die Aerzte riethen ihm den Aufenthalt in Italien an, wohin ihm Magda folgte. Ob er ſie geheiratet, habe ich nie erfahren. („Budapeſter Tagblatt“.)

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 167, Olmütz, 24.07.1889, S. [5]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches167_1889/5>, abgerufen am 28.03.2024.