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Mährisches Tagblatt. Nr. 230, Olmütz, 06.10.1884.

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[Spaltenumbruch]
An die mährischen Land-
boten deutscher Nation.
(Zuschrift eines Parteigenossen vom Lande.)


I.

Nicht bald ist die Lage der Deutschen in
Böhmen -- fast wie mitten in Feindesland --
so treffend geschildert worden, als in der histori-
schen Anklageschrift, genannt: "Interpellation
Knoll". All' jene den Deutschen Böhmens seit
dem Walten der Versöhnung zugefügten Unbil-
den, welche gewißermaßen aktenmäßig konstatirt
werden konnten, sind mit einer einzigen Ausnahme
angeführt worden. Jene Chicanen allerdings, denen
sie und ihre Leidensgenossen in Mähren tagtäg-
lich im socialen Verkehre ausgesetzt sind, konnten
und können nicht aufgezählt werden, so wünschens-
werth dies namentlich im Hinblick auf jene be-
zirksdemocratischen Versöhnungsmeier wäre, welche
niemals über den Horizont des Wiener Stephans-
thurmes hinauskommen, niemals die Verhältnisse
in Böhmen und Mähren aus eigenem Augen-
schein kennen gelernt haben und dennoch abspre-
chend über die Verhältnisse der Deutschen daselbst
urtheilen. Ein wesentlicher Punkt jedoch wird in
der langen Liste von Verunglimpfungen nicht an-
geführt: die seit Jahren gepredigte Aufforderung,
bei den Deutschen nicht zu kaufen; -- eine Auf-
forderung, die sich zuletzt bis zu förmlichen Pro-
scriptionslisten deutscher Geschäftsfirmen verstiegen
hat. Jahrelang ist dieses Agitations- und Pres-
sionsmittel gegen die Deutschen Böhmens und
Mährens unbeirrt und selten gehindert angewen-
det worden, bis es endlich einmal auch einer
deutschen Gemeinde einfiel, Gleiches mit Gleichem
vergelten zu wollen. Aber da kam sie schön an.
Denn der deutschnationalen Partei gegenüber ist
jeder Angriff erlaubt, aber wehe ihr, wenn sie
auch nur den Gedanken faßt, den Stein, welcher
in ihr Lager geworfen wird, einmal aufheben zu
wollen, und ihn den Schleuderern zurückzusenden.
Es gehört die ganze characteristische Richtung,
welche die tschechische Politik in den letzten Jahren
eingeschlagen, es gehört jene aus unedlem Erz
geformte Stirne dazu, von welcher Skreyschofsky
einst erklärt, daß sie mehr werth sei als ein Meier-
hof, um angesichts dieser aller Welt bekann-
ten Thatsachen den Ton der Entrüstung anzuschla-
gen ob des Vorgehens der Trautenauer Gemeinde.
Das ist ganz derselbe Biedersinn, welcher die k. k.
Lumpe und das Rescript auf dem famosen wei-
chen Papier erfunden hat, um einige Zeit später
im Dienste der -- sagen wir -- Länderbank einer
schon hochgradig loyalen Opposition den Vorwurf
der Factiosität papageienmäßig vor-, respective
[Spaltenumbruch] nachzureden. Das ist ganz dieselbe Aufrichtigkeit,
welche schon den bloßen Namen unseres Kron-
prinzen als eine Beleidigung der tschechischen Na-
tion hingestellt und den projectirten Namen
Rudolfs-Brücke aus echter, unverfälschter und
nicht aufdisputirter Factiosität in Palacky-Brücke
umgetauft hat, um wieder einige Zeit später den
Deutsch-Oesterreichern auf's Kerbholz zu schreiben
die Kornblumenreden eines Ritters von der Un-
besonnenheit, der durch seinen Antisemitismus
viel näher den tschechischen Hep-Hep-Rufern steht,
als der deutschliberalen Partei, welche ihn längst
von sich abgewiesen hat. Das ist jene selbe Wahr-
heitsliebe, welche fremde Potentaten mittelst Me-
moranden, Pilgerfahrten und officiell consta-
tirter Landespreisgebung zur Einmischung in die
Angelegenheiten Oesterreichs aufzurufen bemüht
war, welche Propaganda für russische Gramma-
tiken und russischen Gottesdienst betrieben, welche
Huldigungen für die Oesterreich bis zur Ver-
nichtung haßenden Tschernajeff, Skobelew, Katkow
und Aksakow arrangirt, um hintendrein die Reichs-
treue des deutschböhmischen Volkes zu verdächtigen
und die Mähr von der Verbreitung deutscher
Kaiserbildnisse durch nordböhmische Fabrikanten
aufzutischen, ohne auch nur einen einzigen Namen
eines solchen Kaiserbild-Spenders anführen zu
können. Das ist weiter ganz dieselbe Würde po-
litischer Gesinnung, welche in einer eigenen
Annonce der "Nar. Listy" zur Wallfahrt nach
Kuchelbad einladet und dann den vorbereiteten
Ueberfall als zufällige Wirthshausschlägerei, her-
vorgerufen durch die deutschen Studenten hinstellt.
Das ist schließlich und endlich jene Geradheit ohne
Falsch und Fehl, welche seit anderthalb Decen-
nien in rein deutsche Städte Schulen der "Ma-
tice" auf Schleichwegen einschmuggelt und nun-
mehr die Regierung um Unterdrückung des deut-
schen Schulvereins bestürmt, welche die lex Kwiczala
propagirt und die eigenen Kinder in Dresdener
Bildungsanstalten sendet; welche mit allen Mit-
teln des socialen Terrorismus slavisirt und
das Deutschthum aus einer Position um die
andere herausdrängt und trotzdem bei jeder
Gelegenheit den nationalen Jammerkasten die ab-
geleierte Melodie von der Germanisation auf-
spielen läßt; welche den Namen Versöhnung im
Munde führt und Vorstoß auf Vorstoß in die
geschlossenen deutschen Sprachgebiete Böhmens
und Mährens führt, um da unter der friedlichsten
Bevölkerung der Welt den Samen des Haßes
und der Zwietracht zu säen. Diesen unausgesetzten
Provocationen, Verleumdungen und diesen Ver-
drehungen der Thatsachen und der Wahrheit ge-
genüber benimmt sich die deutsche Partei zumal
in Mähren viel zu nachgiebig und viel zu ge-
duldig ertragend. Es nützt nichts den Frieden
um jeden Preis anzustreben, wenn der Gegner
ihn unter keiner Bedingung gewähren will, weil
[Spaltenumbruch] er auf die gänzliche Austilgung des deutschnationalen
Bewußtseins hinarbeitet. Wenn der Friedfertige
es sich fort und fort ruhig gefallen läßt, daß der
Nachbar den Grenzstein weiter vorrückt, so hat
die Lammsgeduld nur die eine Folge, daß sie
gerade den mächtigsten Anreiz bietet zu immer
neuer und immer erweiterter Aggression. Gewiß
wäre es schöner, in Ruhe und Frieden zu leben
und seine Kräfte wahrem Fortschritte zu widmen.
Allein wenn Ruhe und Frieden durch Nach-
giebigkeit nicht zu erzielen sind, dann müßen sie
durch Kampf erzwungen werden. Es ist eine be-
kannte Thatsache, daß dort, wo noch die Sitte
des allgemeinen Waffentragens besteht, die Be-
völkerung sich im Verkehre mit ihresgleichen einer
Höflichkeit bedient, die seltsam von ihrer sonstigen
Wildheit absticht. Es trachtet eben jeder seine
Leidenschaft zu zähmen, da er nur zu gut weiß,
das die geringste Verletzung der Empfindlichkeit
eine sofortige Sühne findet. Also wird es auch
nur dann zu einem anständigen Nebeneinander-
leben beider Nationalitäten im Lande kommen,
wenn nicht nur die eine, sondern auch die andere
eifersüchtig über die Integrität ihrer nationalen
Rechte wacht, und jeder Beeinträchtigung derselben
auf der Stelle und entschieden zu begegnen ent-
schlossen ist.

In Böhmen hat man seitens der tschechischen
Partei von wegen der Trautenauer Beschlüsse den
parlamentarischen Apparat unter entsprechender
Trommelbegleitung in Wirkung gesetzt. Bei uns
in Mähren vergeht keine Wahl, sei's in die Land-
tags-, sei's in die Gemeinderathsstube, sei's in
Proßnitz, sei's in Littau, sei's in Kremsier, sei's
wo anders, daß nicht unter dem Schlagwort svuj
k svemu
der deutsche Wahlmann in seinem ge-
schäftlichen Erw[e]rbe bedroht wird. Wochenlang
wühlen und schüren die slavischen Zeitungs-Or-
gane nach dieser Richtung, ohne auch nur ein
einzigesmal hierin gestört zu werden. Die Bür-
ger Littaus, welche bei deutschen Festen decorir-
ten, wurden flugs auf die Denuntiations-Tabelle
gesetzt und dem Landvolke zur Darnachachtung
eindringlich anempfohlen. Als aber angeblich
einige Bewohner Sternbergs, einen dortigen Ca-
fetier verständigten, daß sie sein Locale solange
nicht besuchen könnten, als dasselbe auch von einem
dortigen tschechischen Hauptagitator frequentirt
werde, da fuhr der Herr Bezirkshauptmann von
Sternberg wie ein Wetter dazwischen und hinein.
Ja Bauer, das ist eben ganz was anderes. Ist
aber der deutsche Geschäftsmann, Advocat, Arzt etc.
noch überdies Jude, so ist das Verbrechen seines
Daseins ein qualificirtes.     (Schluß folgt.)






[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Bild und Wort.

Merkwürdig, wie rasch es mit einer Industrie
bergab gehen kann! Gestern war der Zweig noch
frisch, grün und reichbelaubt und heute ist er
verdorrt, abgestorben; -- kein Mensch kümmert
sich mehr um ihn, er taugt zu nichts mehr.
Dürres Reisig, höchstens noch gut genug, in den
Ofen geworfen zu werden. Ist es Ihnen noch
nicht aufgefallen, meine Gnädigste, wie rapid die
ganze Album-Industrie zugrunde gegangen ist?
Früher, welche Mannigfaltigkeit und welcher
Luxus in der Ausstattung! Alle Galanterie-Aus-
lagen waren voll von Albums, auf jedem Salon-
tische waren welche zu finden, in jedem Warte-
zimmer lagen sie auf. Wenn es galt, ein Geschenk
zu machen, so verfiel man unter hundert in
neunzig Fällen auf ein Photographien-Album.
Das war eine sichere Speculation, man konnte
genau vorher wissen, daß man damit gut auf-
genommen werden würde. Wie sich das geändert
hat! Die Albums, die noch aufliegen, stammen
aus einer abgethanen Zeit und machen einen
kläglich unmodernen Eindruck; die in den Aus-
lagen noch sichtbar sind, machen sich schon von
Weitem als trübselige, abgeschossene Ladenhüter
kenntlich. Es ist keine Nachfrage mehr nach
ihnen, kein Mensch kauft sie, sie sind abgethan,
[Spaltenumbruch] außer Kurs gesetzt, lahmgelegt, aus ist's mit
ihnen.

Wieso das gekommen ist, da doch das Hand-
werk oder sagen wir um Gottes Willen die Kunst
des Photographen, sonst bekommen wir Händel,
noch immer einen goldenen Boden hat und mehr,
florirt, als jemals zuvor? Die Kunst florirt
sogar zu sehr und gerade das macht es. Wäh-
rend früher der ansehnliche Theil der Menschheit,
der das Bedürfniß in sich fühlte, sich photo-
graphisch porträtiren zu lassen, zwischen zwei
Maßen, dem Kabinets- und dem Visitekarten-
Format sich zu entscheiden hatte, wird uns
jetzt die Wahl zwischen unzähligen For-
maten überlassen. Jeder Tag bringt da ein
neues Caliber und je capriciöser es ist, desto
williger wird es acceptirt. Man kann heute nicht
wissen, welche sinnige Neuerung der morgige Tag
bringen wird. Da kann der Album-Fabrikant nicht
nachkommen, er möchte die Hände über dem
Kopfe zusammenschlagen, weil er gezwungen ist,
sie ruhig im Schoße liegen zu lassen. Wer kann
sich auch ein Album kaufen, wo er bestimmt weiß,
daß die erste beste Photographie, die er bekom-
men wird, nicht ins Format passen wird?

Mit dem Niedergang dieses Industriezweiges
steht das Aufblühen eines Kunst- und Literatur-
zweiges in einem nicht zu verkennenden Kansal-
nexus. Das klingt einigermaßen paradox, ist es
aber nicht. Die Tische in den Salons und in
den Wartezimmern wollen ihren Schmuck haben,
die leidende Menschheit in dem Vorzimmer des
fashionablen Zahnarztes will, bevor sie in das
Sanctuarium des Ateliers eingelassen wird, in
[Spaltenumbruch] einem Prachtbande blättern können, gerade so wie
die Gäste im Salon, die nicht die beglückende
Anwartschaft auf "schmerzlose" Behandlung haben.
So haben sich denn die bekannten und beliebten
Prachtwerke eingebürgert, sie haben sich an die
Stelle der verdrängten Albums gesetzt, sie ver-
mehren sich, wie der Sand am Meere. Jetzt
behaupten sie die Herrschaft auf den Tischen und
in den Auslagkästen, und wo es sich um Ge-
schenke handelt, spielen sie die erste Violine.

Prachtwerke und kein Ende! Zuerst wurden
die Classiker hergenommen; als sich aber zeigte,
daß mit den ethnographischen Prachtwerken noch
bessere Geschäfte zu machen seien, da wurden die
verschiedenen Länder verarbeitet. Es ist schon so
weit gekommen, daß ein Blatt eine Preisaus-
schreibung publiciren konnte zur Entdeckung eines
Landes, das noch nicht zu einem Prachtwerke
fructificirt worden sei. Das war ein Witzblatt,
ein ernstes Blatt hätte auch nicht riskiren dür-
fen, sich durch eine von Haus aus so aussichts-
lose Unternehmung zu blamiren. Ist denn nun
die Welt plötzlich und mit einem Schlage so
schrecklich wißbegierig geworden, und das gerade
mit besonderer Berücksichtigung der Geo- und
Ethnographie? Keine Idee! Wie die Sache zu-
sammenhängt, haben wir ja schon angedeutet.
Die Photographen machen heute quadratische, mor-
gen kreisrunde, übermorgen lattenförmige Bilder,
die Album-Macher können sich nicht mehr aus und
machen deshalb keine Albums mehr, das Publi-
cum will aber nach wie vor "blättern" können.

Aus diesem Bedürfnisse heraus sind die mo-
dernen Prachtwerke entstanden und in diesem Be-


[Spaltenumbruch]
An die mähriſchen Land-
boten deutſcher Nation.
(Zuſchrift eines Parteigenoſſen vom Lande.)


I.

Nicht bald iſt die Lage der Deutſchen in
Böhmen — faſt wie mitten in Feindesland —
ſo treffend geſchildert worden, als in der hiſtori-
ſchen Anklageſchrift, genannt: „Interpellation
Knoll“. All’ jene den Deutſchen Böhmens ſeit
dem Walten der Verſöhnung zugefügten Unbil-
den, welche gewißermaßen aktenmäßig konſtatirt
werden konnten, ſind mit einer einzigen Ausnahme
angeführt worden. Jene Chicanen allerdings, denen
ſie und ihre Leidensgenoſſen in Mähren tagtäg-
lich im ſocialen Verkehre ausgeſetzt ſind, konnten
und können nicht aufgezählt werden, ſo wünſchens-
werth dies namentlich im Hinblick auf jene be-
zirksdemocratiſchen Verſöhnungsmeier wäre, welche
niemals über den Horizont des Wiener Stephans-
thurmes hinauskommen, niemals die Verhältniſſe
in Böhmen und Mähren aus eigenem Augen-
ſchein kennen gelernt haben und dennoch abſpre-
chend über die Verhältniſſe der Deutſchen daſelbſt
urtheilen. Ein weſentlicher Punkt jedoch wird in
der langen Liſte von Verunglimpfungen nicht an-
geführt: die ſeit Jahren gepredigte Aufforderung,
bei den Deutſchen nicht zu kaufen; — eine Auf-
forderung, die ſich zuletzt bis zu förmlichen Pro-
ſcriptionsliſten deutſcher Geſchäftsfirmen verſtiegen
hat. Jahrelang iſt dieſes Agitations- und Preſ-
ſionsmittel gegen die Deutſchen Böhmens und
Mährens unbeirrt und ſelten gehindert angewen-
det worden, bis es endlich einmal auch einer
deutſchen Gemeinde einfiel, Gleiches mit Gleichem
vergelten zu wollen. Aber da kam ſie ſchön an.
Denn der deutſchnationalen Partei gegenüber iſt
jeder Angriff erlaubt, aber wehe ihr, wenn ſie
auch nur den Gedanken faßt, den Stein, welcher
in ihr Lager geworfen wird, einmal aufheben zu
wollen, und ihn den Schleuderern zurückzuſenden.
Es gehört die ganze characteriſtiſche Richtung,
welche die tſchechiſche Politik in den letzten Jahren
eingeſchlagen, es gehört jene aus unedlem Erz
geformte Stirne dazu, von welcher Skreyſchofsky
einſt erklärt, daß ſie mehr werth ſei als ein Meier-
hof, um angeſichts dieſer aller Welt bekann-
ten Thatſachen den Ton der Entrüſtung anzuſchla-
gen ob des Vorgehens der Trautenauer Gemeinde.
Das iſt ganz derſelbe Biederſinn, welcher die k. k.
Lumpe und das Reſcript auf dem famoſen wei-
chen Papier erfunden hat, um einige Zeit ſpäter
im Dienſte der — ſagen wir — Länderbank einer
ſchon hochgradig loyalen Oppoſition den Vorwurf
der Factioſität papageienmäßig vor-, reſpective
[Spaltenumbruch] nachzureden. Das iſt ganz dieſelbe Aufrichtigkeit,
welche ſchon den bloßen Namen unſeres Kron-
prinzen als eine Beleidigung der tſchechiſchen Na-
tion hingeſtellt und den projectirten Namen
Rudolfs-Brücke aus echter, unverfälſchter und
nicht aufdisputirter Factioſität in Palacky-Brücke
umgetauft hat, um wieder einige Zeit ſpäter den
Deutſch-Oeſterreichern auf’s Kerbholz zu ſchreiben
die Kornblumenreden eines Ritters von der Un-
beſonnenheit, der durch ſeinen Antiſemitismus
viel näher den tſchechiſchen Hep-Hep-Rufern ſteht,
als der deutſchliberalen Partei, welche ihn längſt
von ſich abgewieſen hat. Das iſt jene ſelbe Wahr-
heitsliebe, welche fremde Potentaten mittelſt Me-
moranden, Pilgerfahrten und officiell conſta-
tirter Landespreisgebung zur Einmiſchung in die
Angelegenheiten Oeſterreichs aufzurufen bemüht
war, welche Propaganda für ruſſiſche Gramma-
tiken und ruſſiſchen Gottesdienſt betrieben, welche
Huldigungen für die Oeſterreich bis zur Ver-
nichtung haßenden Tſchernajeff, Skobelew, Katkow
und Akſakow arrangirt, um hintendrein die Reichs-
treue des deutſchböhmiſchen Volkes zu verdächtigen
und die Mähr von der Verbreitung deutſcher
Kaiſerbildniſſe durch nordböhmiſche Fabrikanten
aufzutiſchen, ohne auch nur einen einzigen Namen
eines ſolchen Kaiſerbild-Spenders anführen zu
können. Das iſt weiter ganz dieſelbe Würde po-
litiſcher Geſinnung, welche in einer eigenen
Annonce der „Nar. Liſty“ zur Wallfahrt nach
Kuchelbad einladet und dann den vorbereiteten
Ueberfall als zufällige Wirthshausſchlägerei, her-
vorgerufen durch die deutſchen Studenten hinſtellt.
Das iſt ſchließlich und endlich jene Geradheit ohne
Falſch und Fehl, welche ſeit anderthalb Decen-
nien in rein deutſche Städte Schulen der „Ma-
tice“ auf Schleichwegen einſchmuggelt und nun-
mehr die Regierung um Unterdrückung des deut-
ſchen Schulvereins beſtürmt, welche die lex Kwiczala
propagirt und die eigenen Kinder in Dresdener
Bildungsanſtalten ſendet; welche mit allen Mit-
teln des ſocialen Terrorismus ſlaviſirt und
das Deutſchthum aus einer Poſition um die
andere herausdrängt und trotzdem bei jeder
Gelegenheit den nationalen Jammerkaſten die ab-
geleierte Melodie von der Germaniſation auf-
ſpielen läßt; welche den Namen Verſöhnung im
Munde führt und Vorſtoß auf Vorſtoß in die
geſchloſſenen deutſchen Sprachgebiete Böhmens
und Mährens führt, um da unter der friedlichſten
Bevölkerung der Welt den Samen des Haßes
und der Zwietracht zu ſäen. Dieſen unausgeſetzten
Provocationen, Verleumdungen und dieſen Ver-
drehungen der Thatſachen und der Wahrheit ge-
genüber benimmt ſich die deutſche Partei zumal
in Mähren viel zu nachgiebig und viel zu ge-
duldig ertragend. Es nützt nichts den Frieden
um jeden Preis anzuſtreben, wenn der Gegner
ihn unter keiner Bedingung gewähren will, weil
[Spaltenumbruch] er auf die gänzliche Austilgung des deutſchnationalen
Bewußtſeins hinarbeitet. Wenn der Friedfertige
es ſich fort und fort ruhig gefallen läßt, daß der
Nachbar den Grenzſtein weiter vorrückt, ſo hat
die Lammsgeduld nur die eine Folge, daß ſie
gerade den mächtigſten Anreiz bietet zu immer
neuer und immer erweiterter Aggreſſion. Gewiß
wäre es ſchöner, in Ruhe und Frieden zu leben
und ſeine Kräfte wahrem Fortſchritte zu widmen.
Allein wenn Ruhe und Frieden durch Nach-
giebigkeit nicht zu erzielen ſind, dann müßen ſie
durch Kampf erzwungen werden. Es iſt eine be-
kannte Thatſache, daß dort, wo noch die Sitte
des allgemeinen Waffentragens beſteht, die Be-
völkerung ſich im Verkehre mit ihresgleichen einer
Höflichkeit bedient, die ſeltſam von ihrer ſonſtigen
Wildheit abſticht. Es trachtet eben jeder ſeine
Leidenſchaft zu zähmen, da er nur zu gut weiß,
das die geringſte Verletzung der Empfindlichkeit
eine ſofortige Sühne findet. Alſo wird es auch
nur dann zu einem anſtändigen Nebeneinander-
leben beider Nationalitäten im Lande kommen,
wenn nicht nur die eine, ſondern auch die andere
eiferſüchtig über die Integrität ihrer nationalen
Rechte wacht, und jeder Beeinträchtigung derſelben
auf der Stelle und entſchieden zu begegnen ent-
ſchloſſen iſt.

In Böhmen hat man ſeitens der tſchechiſchen
Partei von wegen der Trautenauer Beſchlüſſe den
parlamentariſchen Apparat unter entſprechender
Trommelbegleitung in Wirkung geſetzt. Bei uns
in Mähren vergeht keine Wahl, ſei’s in die Land-
tags-, ſei’s in die Gemeinderathsſtube, ſei’s in
Proßnitz, ſei’s in Littau, ſei’s in Kremſier, ſei’s
wo anders, daß nicht unter dem Schlagwort svůj
k svému
der deutſche Wahlmann in ſeinem ge-
ſchäftlichen Erw[e]rbe bedroht wird. Wochenlang
wühlen und ſchüren die ſlaviſchen Zeitungs-Or-
gane nach dieſer Richtung, ohne auch nur ein
einzigesmal hierin geſtört zu werden. Die Bür-
ger Littaus, welche bei deutſchen Feſten decorir-
ten, wurden flugs auf die Denuntiations-Tabelle
geſetzt und dem Landvolke zur Darnachachtung
eindringlich anempfohlen. Als aber angeblich
einige Bewohner Sternbergs, einen dortigen Ca-
fétier verſtändigten, daß ſie ſein Locale ſolange
nicht beſuchen könnten, als dasſelbe auch von einem
dortigen tſchechiſchen Hauptagitator frequentirt
werde, da fuhr der Herr Bezirkshauptmann von
Sternberg wie ein Wetter dazwiſchen und hinein.
Ja Bauer, das iſt eben ganz was anderes. Iſt
aber der deutſche Geſchäftsmann, Advocat, Arzt ꝛc.
noch überdies Jude, ſo iſt das Verbrechen ſeines
Daſeins ein qualificirtes.     (Schluß folgt.)






[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Bild und Wort.

Merkwürdig, wie raſch es mit einer Induſtrie
bergab gehen kann! Geſtern war der Zweig noch
friſch, grün und reichbelaubt und heute iſt er
verdorrt, abgeſtorben; — kein Menſch kümmert
ſich mehr um ihn, er taugt zu nichts mehr.
Dürres Reiſig, höchſtens noch gut genug, in den
Ofen geworfen zu werden. Iſt es Ihnen noch
nicht aufgefallen, meine Gnädigſte, wie rapid die
ganze Album-Induſtrie zugrunde gegangen iſt?
Früher, welche Mannigfaltigkeit und welcher
Luxus in der Ausſtattung! Alle Galanterie-Aus-
lagen waren voll von Albums, auf jedem Salon-
tiſche waren welche zu finden, in jedem Warte-
zimmer lagen ſie auf. Wenn es galt, ein Geſchenk
zu machen, ſo verfiel man unter hundert in
neunzig Fällen auf ein Photographien-Album.
Das war eine ſichere Speculation, man konnte
genau vorher wiſſen, daß man damit gut auf-
genommen werden würde. Wie ſich das geändert
hat! Die Albums, die noch aufliegen, ſtammen
aus einer abgethanen Zeit und machen einen
kläglich unmodernen Eindruck; die in den Aus-
lagen noch ſichtbar ſind, machen ſich ſchon von
Weitem als trübſelige, abgeſchoſſene Ladenhüter
kenntlich. Es iſt keine Nachfrage mehr nach
ihnen, kein Menſch kauft ſie, ſie ſind abgethan,
[Spaltenumbruch] außer Kurs geſetzt, lahmgelegt, aus iſt’s mit
ihnen.

Wieſo das gekommen iſt, da doch das Hand-
werk oder ſagen wir um Gottes Willen die Kunſt
des Photographen, ſonſt bekommen wir Händel,
noch immer einen goldenen Boden hat und mehr,
florirt, als jemals zuvor? Die Kunſt florirt
ſogar zu ſehr und gerade das macht es. Wäh-
rend früher der anſehnliche Theil der Menſchheit,
der das Bedürfniß in ſich fühlte, ſich photo-
graphiſch porträtiren zu laſſen, zwiſchen zwei
Maßen, dem Kabinets- und dem Viſitekarten-
Format ſich zu entſcheiden hatte, wird uns
jetzt die Wahl zwiſchen unzähligen For-
maten überlaſſen. Jeder Tag bringt da ein
neues Caliber und je capriciöſer es iſt, deſto
williger wird es acceptirt. Man kann heute nicht
wiſſen, welche ſinnige Neuerung der morgige Tag
bringen wird. Da kann der Album-Fabrikant nicht
nachkommen, er möchte die Hände über dem
Kopfe zuſammenſchlagen, weil er gezwungen iſt,
ſie ruhig im Schoße liegen zu laſſen. Wer kann
ſich auch ein Album kaufen, wo er beſtimmt weiß,
daß die erſte beſte Photographie, die er bekom-
men wird, nicht ins Format paſſen wird?

Mit dem Niedergang dieſes Induſtriezweiges
ſteht das Aufblühen eines Kunſt- und Literatur-
zweiges in einem nicht zu verkennenden Kanſal-
nexus. Das klingt einigermaßen paradox, iſt es
aber nicht. Die Tiſche in den Salons und in
den Wartezimmern wollen ihren Schmuck haben,
die leidende Menſchheit in dem Vorzimmer des
faſhionablen Zahnarztes will, bevor ſie in das
Sanctuarium des Ateliers eingelaſſen wird, in
[Spaltenumbruch] einem Prachtbande blättern können, gerade ſo wie
die Gäſte im Salon, die nicht die beglückende
Anwartſchaft auf „ſchmerzloſe“ Behandlung haben.
So haben ſich denn die bekannten und beliebten
Prachtwerke eingebürgert, ſie haben ſich an die
Stelle der verdrängten Albums geſetzt, ſie ver-
mehren ſich, wie der Sand am Meere. Jetzt
behaupten ſie die Herrſchaft auf den Tiſchen und
in den Auslagkäſten, und wo es ſich um Ge-
ſchenke handelt, ſpielen ſie die erſte Violine.

Prachtwerke und kein Ende! Zuerſt wurden
die Claſſiker hergenommen; als ſich aber zeigte,
daß mit den ethnographiſchen Prachtwerken noch
beſſere Geſchäfte zu machen ſeien, da wurden die
verſchiedenen Länder verarbeitet. Es iſt ſchon ſo
weit gekommen, daß ein Blatt eine Preisaus-
ſchreibung publiciren konnte zur Entdeckung eines
Landes, das noch nicht zu einem Prachtwerke
fructificirt worden ſei. Das war ein Witzblatt,
ein ernſtes Blatt hätte auch nicht riskiren dür-
fen, ſich durch eine von Haus aus ſo ausſichts-
loſe Unternehmung zu blamiren. Iſt denn nun
die Welt plötzlich und mit einem Schlage ſo
ſchrecklich wißbegierig geworden, und das gerade
mit beſonderer Berückſichtigung der Geo- und
Ethnographie? Keine Idee! Wie die Sache zu-
ſammenhängt, haben wir ja ſchon angedeutet.
Die Photographen machen heute quadratiſche, mor-
gen kreisrunde, übermorgen lattenförmige Bilder,
die Album-Macher können ſich nicht mehr aus und
machen deshalb keine Albums mehr, das Publi-
cum will aber nach wie vor „blättern“ können.

Aus dieſem Bedürfniſſe heraus ſind die mo-
dernen Prachtwerke entſtanden und in dieſem Be-


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[[2]/0002] An die mähriſchen Land- boten deutſcher Nation. (Zuſchrift eines Parteigenoſſen vom Lande.) Olmütz, 6. October. I. Nicht bald iſt die Lage der Deutſchen in Böhmen — faſt wie mitten in Feindesland — ſo treffend geſchildert worden, als in der hiſtori- ſchen Anklageſchrift, genannt: „Interpellation Knoll“. All’ jene den Deutſchen Böhmens ſeit dem Walten der Verſöhnung zugefügten Unbil- den, welche gewißermaßen aktenmäßig konſtatirt werden konnten, ſind mit einer einzigen Ausnahme angeführt worden. Jene Chicanen allerdings, denen ſie und ihre Leidensgenoſſen in Mähren tagtäg- lich im ſocialen Verkehre ausgeſetzt ſind, konnten und können nicht aufgezählt werden, ſo wünſchens- werth dies namentlich im Hinblick auf jene be- zirksdemocratiſchen Verſöhnungsmeier wäre, welche niemals über den Horizont des Wiener Stephans- thurmes hinauskommen, niemals die Verhältniſſe in Böhmen und Mähren aus eigenem Augen- ſchein kennen gelernt haben und dennoch abſpre- chend über die Verhältniſſe der Deutſchen daſelbſt urtheilen. Ein weſentlicher Punkt jedoch wird in der langen Liſte von Verunglimpfungen nicht an- geführt: die ſeit Jahren gepredigte Aufforderung, bei den Deutſchen nicht zu kaufen; — eine Auf- forderung, die ſich zuletzt bis zu förmlichen Pro- ſcriptionsliſten deutſcher Geſchäftsfirmen verſtiegen hat. Jahrelang iſt dieſes Agitations- und Preſ- ſionsmittel gegen die Deutſchen Böhmens und Mährens unbeirrt und ſelten gehindert angewen- det worden, bis es endlich einmal auch einer deutſchen Gemeinde einfiel, Gleiches mit Gleichem vergelten zu wollen. Aber da kam ſie ſchön an. Denn der deutſchnationalen Partei gegenüber iſt jeder Angriff erlaubt, aber wehe ihr, wenn ſie auch nur den Gedanken faßt, den Stein, welcher in ihr Lager geworfen wird, einmal aufheben zu wollen, und ihn den Schleuderern zurückzuſenden. Es gehört die ganze characteriſtiſche Richtung, welche die tſchechiſche Politik in den letzten Jahren eingeſchlagen, es gehört jene aus unedlem Erz geformte Stirne dazu, von welcher Skreyſchofsky einſt erklärt, daß ſie mehr werth ſei als ein Meier- hof, um angeſichts dieſer aller Welt bekann- ten Thatſachen den Ton der Entrüſtung anzuſchla- gen ob des Vorgehens der Trautenauer Gemeinde. Das iſt ganz derſelbe Biederſinn, welcher die k. k. Lumpe und das Reſcript auf dem famoſen wei- chen Papier erfunden hat, um einige Zeit ſpäter im Dienſte der — ſagen wir — Länderbank einer ſchon hochgradig loyalen Oppoſition den Vorwurf der Factioſität papageienmäßig vor-, reſpective nachzureden. Das iſt ganz dieſelbe Aufrichtigkeit, welche ſchon den bloßen Namen unſeres Kron- prinzen als eine Beleidigung der tſchechiſchen Na- tion hingeſtellt und den projectirten Namen Rudolfs-Brücke aus echter, unverfälſchter und nicht aufdisputirter Factioſität in Palacky-Brücke umgetauft hat, um wieder einige Zeit ſpäter den Deutſch-Oeſterreichern auf’s Kerbholz zu ſchreiben die Kornblumenreden eines Ritters von der Un- beſonnenheit, der durch ſeinen Antiſemitismus viel näher den tſchechiſchen Hep-Hep-Rufern ſteht, als der deutſchliberalen Partei, welche ihn längſt von ſich abgewieſen hat. Das iſt jene ſelbe Wahr- heitsliebe, welche fremde Potentaten mittelſt Me- moranden, Pilgerfahrten und officiell conſta- tirter Landespreisgebung zur Einmiſchung in die Angelegenheiten Oeſterreichs aufzurufen bemüht war, welche Propaganda für ruſſiſche Gramma- tiken und ruſſiſchen Gottesdienſt betrieben, welche Huldigungen für die Oeſterreich bis zur Ver- nichtung haßenden Tſchernajeff, Skobelew, Katkow und Akſakow arrangirt, um hintendrein die Reichs- treue des deutſchböhmiſchen Volkes zu verdächtigen und die Mähr von der Verbreitung deutſcher Kaiſerbildniſſe durch nordböhmiſche Fabrikanten aufzutiſchen, ohne auch nur einen einzigen Namen eines ſolchen Kaiſerbild-Spenders anführen zu können. Das iſt weiter ganz dieſelbe Würde po- litiſcher Geſinnung, welche in einer eigenen Annonce der „Nar. Liſty“ zur Wallfahrt nach Kuchelbad einladet und dann den vorbereiteten Ueberfall als zufällige Wirthshausſchlägerei, her- vorgerufen durch die deutſchen Studenten hinſtellt. Das iſt ſchließlich und endlich jene Geradheit ohne Falſch und Fehl, welche ſeit anderthalb Decen- nien in rein deutſche Städte Schulen der „Ma- tice“ auf Schleichwegen einſchmuggelt und nun- mehr die Regierung um Unterdrückung des deut- ſchen Schulvereins beſtürmt, welche die lex Kwiczala propagirt und die eigenen Kinder in Dresdener Bildungsanſtalten ſendet; welche mit allen Mit- teln des ſocialen Terrorismus ſlaviſirt und das Deutſchthum aus einer Poſition um die andere herausdrängt und trotzdem bei jeder Gelegenheit den nationalen Jammerkaſten die ab- geleierte Melodie von der Germaniſation auf- ſpielen läßt; welche den Namen Verſöhnung im Munde führt und Vorſtoß auf Vorſtoß in die geſchloſſenen deutſchen Sprachgebiete Böhmens und Mährens führt, um da unter der friedlichſten Bevölkerung der Welt den Samen des Haßes und der Zwietracht zu ſäen. Dieſen unausgeſetzten Provocationen, Verleumdungen und dieſen Ver- drehungen der Thatſachen und der Wahrheit ge- genüber benimmt ſich die deutſche Partei zumal in Mähren viel zu nachgiebig und viel zu ge- duldig ertragend. Es nützt nichts den Frieden um jeden Preis anzuſtreben, wenn der Gegner ihn unter keiner Bedingung gewähren will, weil er auf die gänzliche Austilgung des deutſchnationalen Bewußtſeins hinarbeitet. Wenn der Friedfertige es ſich fort und fort ruhig gefallen läßt, daß der Nachbar den Grenzſtein weiter vorrückt, ſo hat die Lammsgeduld nur die eine Folge, daß ſie gerade den mächtigſten Anreiz bietet zu immer neuer und immer erweiterter Aggreſſion. Gewiß wäre es ſchöner, in Ruhe und Frieden zu leben und ſeine Kräfte wahrem Fortſchritte zu widmen. Allein wenn Ruhe und Frieden durch Nach- giebigkeit nicht zu erzielen ſind, dann müßen ſie durch Kampf erzwungen werden. Es iſt eine be- kannte Thatſache, daß dort, wo noch die Sitte des allgemeinen Waffentragens beſteht, die Be- völkerung ſich im Verkehre mit ihresgleichen einer Höflichkeit bedient, die ſeltſam von ihrer ſonſtigen Wildheit abſticht. Es trachtet eben jeder ſeine Leidenſchaft zu zähmen, da er nur zu gut weiß, das die geringſte Verletzung der Empfindlichkeit eine ſofortige Sühne findet. Alſo wird es auch nur dann zu einem anſtändigen Nebeneinander- leben beider Nationalitäten im Lande kommen, wenn nicht nur die eine, ſondern auch die andere eiferſüchtig über die Integrität ihrer nationalen Rechte wacht, und jeder Beeinträchtigung derſelben auf der Stelle und entſchieden zu begegnen ent- ſchloſſen iſt. In Böhmen hat man ſeitens der tſchechiſchen Partei von wegen der Trautenauer Beſchlüſſe den parlamentariſchen Apparat unter entſprechender Trommelbegleitung in Wirkung geſetzt. Bei uns in Mähren vergeht keine Wahl, ſei’s in die Land- tags-, ſei’s in die Gemeinderathsſtube, ſei’s in Proßnitz, ſei’s in Littau, ſei’s in Kremſier, ſei’s wo anders, daß nicht unter dem Schlagwort svůj k svému der deutſche Wahlmann in ſeinem ge- ſchäftlichen Erwerbe bedroht wird. Wochenlang wühlen und ſchüren die ſlaviſchen Zeitungs-Or- gane nach dieſer Richtung, ohne auch nur ein einzigesmal hierin geſtört zu werden. Die Bür- ger Littaus, welche bei deutſchen Feſten decorir- ten, wurden flugs auf die Denuntiations-Tabelle geſetzt und dem Landvolke zur Darnachachtung eindringlich anempfohlen. Als aber angeblich einige Bewohner Sternbergs, einen dortigen Ca- fétier verſtändigten, daß ſie ſein Locale ſolange nicht beſuchen könnten, als dasſelbe auch von einem dortigen tſchechiſchen Hauptagitator frequentirt werde, da fuhr der Herr Bezirkshauptmann von Sternberg wie ein Wetter dazwiſchen und hinein. Ja Bauer, das iſt eben ganz was anderes. Iſt aber der deutſche Geſchäftsmann, Advocat, Arzt ꝛc. noch überdies Jude, ſo iſt das Verbrechen ſeines Daſeins ein qualificirtes. (Schluß folgt.) Feuilleton. Bild und Wort. Von Baldnin Groller. Merkwürdig, wie raſch es mit einer Induſtrie bergab gehen kann! Geſtern war der Zweig noch friſch, grün und reichbelaubt und heute iſt er verdorrt, abgeſtorben; — kein Menſch kümmert ſich mehr um ihn, er taugt zu nichts mehr. Dürres Reiſig, höchſtens noch gut genug, in den Ofen geworfen zu werden. Iſt es Ihnen noch nicht aufgefallen, meine Gnädigſte, wie rapid die ganze Album-Induſtrie zugrunde gegangen iſt? Früher, welche Mannigfaltigkeit und welcher Luxus in der Ausſtattung! Alle Galanterie-Aus- lagen waren voll von Albums, auf jedem Salon- tiſche waren welche zu finden, in jedem Warte- zimmer lagen ſie auf. Wenn es galt, ein Geſchenk zu machen, ſo verfiel man unter hundert in neunzig Fällen auf ein Photographien-Album. Das war eine ſichere Speculation, man konnte genau vorher wiſſen, daß man damit gut auf- genommen werden würde. Wie ſich das geändert hat! Die Albums, die noch aufliegen, ſtammen aus einer abgethanen Zeit und machen einen kläglich unmodernen Eindruck; die in den Aus- lagen noch ſichtbar ſind, machen ſich ſchon von Weitem als trübſelige, abgeſchoſſene Ladenhüter kenntlich. Es iſt keine Nachfrage mehr nach ihnen, kein Menſch kauft ſie, ſie ſind abgethan, außer Kurs geſetzt, lahmgelegt, aus iſt’s mit ihnen. Wieſo das gekommen iſt, da doch das Hand- werk oder ſagen wir um Gottes Willen die Kunſt des Photographen, ſonſt bekommen wir Händel, noch immer einen goldenen Boden hat und mehr, florirt, als jemals zuvor? Die Kunſt florirt ſogar zu ſehr und gerade das macht es. Wäh- rend früher der anſehnliche Theil der Menſchheit, der das Bedürfniß in ſich fühlte, ſich photo- graphiſch porträtiren zu laſſen, zwiſchen zwei Maßen, dem Kabinets- und dem Viſitekarten- Format ſich zu entſcheiden hatte, wird uns jetzt die Wahl zwiſchen unzähligen For- maten überlaſſen. Jeder Tag bringt da ein neues Caliber und je capriciöſer es iſt, deſto williger wird es acceptirt. Man kann heute nicht wiſſen, welche ſinnige Neuerung der morgige Tag bringen wird. Da kann der Album-Fabrikant nicht nachkommen, er möchte die Hände über dem Kopfe zuſammenſchlagen, weil er gezwungen iſt, ſie ruhig im Schoße liegen zu laſſen. Wer kann ſich auch ein Album kaufen, wo er beſtimmt weiß, daß die erſte beſte Photographie, die er bekom- men wird, nicht ins Format paſſen wird? Mit dem Niedergang dieſes Induſtriezweiges ſteht das Aufblühen eines Kunſt- und Literatur- zweiges in einem nicht zu verkennenden Kanſal- nexus. Das klingt einigermaßen paradox, iſt es aber nicht. Die Tiſche in den Salons und in den Wartezimmern wollen ihren Schmuck haben, die leidende Menſchheit in dem Vorzimmer des faſhionablen Zahnarztes will, bevor ſie in das Sanctuarium des Ateliers eingelaſſen wird, in einem Prachtbande blättern können, gerade ſo wie die Gäſte im Salon, die nicht die beglückende Anwartſchaft auf „ſchmerzloſe“ Behandlung haben. So haben ſich denn die bekannten und beliebten Prachtwerke eingebürgert, ſie haben ſich an die Stelle der verdrängten Albums geſetzt, ſie ver- mehren ſich, wie der Sand am Meere. Jetzt behaupten ſie die Herrſchaft auf den Tiſchen und in den Auslagkäſten, und wo es ſich um Ge- ſchenke handelt, ſpielen ſie die erſte Violine. Prachtwerke und kein Ende! Zuerſt wurden die Claſſiker hergenommen; als ſich aber zeigte, daß mit den ethnographiſchen Prachtwerken noch beſſere Geſchäfte zu machen ſeien, da wurden die verſchiedenen Länder verarbeitet. Es iſt ſchon ſo weit gekommen, daß ein Blatt eine Preisaus- ſchreibung publiciren konnte zur Entdeckung eines Landes, das noch nicht zu einem Prachtwerke fructificirt worden ſei. Das war ein Witzblatt, ein ernſtes Blatt hätte auch nicht riskiren dür- fen, ſich durch eine von Haus aus ſo ausſichts- loſe Unternehmung zu blamiren. Iſt denn nun die Welt plötzlich und mit einem Schlage ſo ſchrecklich wißbegierig geworden, und das gerade mit beſonderer Berückſichtigung der Geo- und Ethnographie? Keine Idee! Wie die Sache zu- ſammenhängt, haben wir ja ſchon angedeutet. Die Photographen machen heute quadratiſche, mor- gen kreisrunde, übermorgen lattenförmige Bilder, die Album-Macher können ſich nicht mehr aus und machen deshalb keine Albums mehr, das Publi- cum will aber nach wie vor „blättern“ können. Aus dieſem Bedürfniſſe heraus ſind die mo- dernen Prachtwerke entſtanden und in dieſem Be-

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 230, Olmütz, 06.10.1884, S. [2]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches230_1884/2>, abgerufen am 19.04.2024.