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Mährisches Tagblatt. Nr. 271, Olmütz, 28.11.1898.

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[Spaltenumbruch]

auf den Kopf getroffen. Fürst Bismarck er-
zählt, er habe sich die nöthige Auskunft über
die militärische Lage durch einige unbeschäftigte
höhere Herren beschafft, welche die zweite
Staffel des Hauptquartiers bildeten. Auch der
englische Correspondent im Hauptquartier sei in
der Regel besser unterrichtet gewesen und war
eine nützliche Quelle für seine Informationen.

Aus der Correspondenz mit dem König
Ludwig von Bayern im Jahre 1877 ist be-
merkenswerth die Art, wie Fürst Bismarck den
König aufzuregen versuchte gegen die liberale
Forderung verantwortlicher Reichsminister, um
an demselben eine Stütze im Widerstand gegen
die Einführung solcher Minister zu finden.

Eine Anspielung auf den "neuen Curs"
enthält ein allgemeiner Rückblick auf die preu-
ßische Politik. Darin schreibt Bismarck: "Friedrich
der Große hinterließ ein reiches Erbe von Au-
torität und von Glauben an die preußische Politik
und Macht. Seine Erben konnten, wie heute der
neue Curs, von der Erbschaft des alten, zwei
Jahrzehnte hindurch davon zehren, ohne
sich über die Schwächen und Irrthümer
ihrer Epignonenwirthschaft klar zu werden;
noch in die Schlacht von Jena hinein
trugen sie sich mit der Ueberschätzung des eigenen
militärischen und politischen Könnens. Erst der
Zusammenbruch der folgenden Wochen brachte den
Hof und das Volk zu dem Bewußtsein, daß Un-
geschick und Irrthum in der Staatsleitung ob-
gewaltet hatten. Wessen Ungeschick und wessen
Irrthum aber, wer persönlich die Verantwortlich-
keit für diesen gewaltigen und unerwarteten Zu-
sammenbruch trug, darüber kann selbst heute noch
gestritten werden."

Den Czaren Nicolaus I. characterisirt
Bismarck in dem der "Boh." zur Verfügung gestellten
Capitel "Petersburg" wie folgt: "Nicolaus sah
1849 auf den Kaiser Franz Josef als auf seinen
Nachfolger und Erben in der Führung der con-
servativen Trias. Er betrachtete die letztere als
solidarisch der Revolution gegenüber und hatte be-
züglich der Fortsetzung der Hegemonie mehr Ver-
trauen zu Franz Josef als zu seinem eigenen
Nachfolger. Noch geringer war seine Meinung
von der Veranlagung unseres Königs
Friedrich Wilhelm für die Führerrolle
auf dem Gebiete practischer Politik; er hielt ihn
zur Leitung der monarchischen Trias für so wenig
geeignet wie den eigenen Sohn und Nachfolger.
Er handelte in Ungarn und in Olmütz in der
Ueberzeugung, daß er nach Gottes Willen den
Beruf habe, der Führer des monarchischen Wider-
standes gegen die von Westen vordringende Re-
volution zu sein."

"Wie Nicolaus über seine Stellung zu seinen
Unterthanen empfand, ergibt sich aus einer That-
sache, die mir Friedrich Wilhem IV. selbst erzählt
hat. Der Kaiser Nicolaus bat ihm um Zusendung
[Spaltenumbruch] von zwei Unterofficieren der preußischen Garde,
behufs Ausführung gewisser ärztlich vorgeschriebener
Knetungen, die auf dem Rücken des Patienten
vorgenommen werden mußten, während dieser
auf dem Bauche lag. Er sagte dabei: "Mit
meinen Russen werde ich immer fertig, wenn ich
ihnen ins Gesicht sehen kann, aber auf den
Rücken ohne Augen möchte ich mir sie doch nicht
kommen lassen." Die Unterofficiere wurden in
discreter Weise gestellt, verwendet und reich
belohnt."

Interessant ist noch in den Memoiren die
Mittheilung, daß im Jahre 1879 Rußland einen
Krieg mit Deutschland anfangen wollte, daß aber
Frankreich sich weigerte mitzugehen, weil es sich
dem Krieg mit Deutschland, selbst im Bunde mit
Rußland nicht gewachsen fühlte.




Die rumänische Chronrede.


(Telegramm des "Mähr. Tagblattes.")

Heute wurde die ordentliche Par-
lamentssession
in feierlicher Weise durch
den König eröffnet. Die Thronrede stellt
zunächst fest, daß die heurige Ernte ein be-
friedigendes Resultat ergeben habe, so daß man
ohne Besorgniß der Zukunft entgegensehen könne,
umsomehr als die Aufrechthaltung des Friedens
andauernd die Sorge aller Regierungen bildet.
Die Thronrede fährt dann fort: "Ich constatire
mit Stolz, daß Rumänten in dieser Lage von
allgemeinen Sympathien umgeben ist und daß
unsere Beziehungen zu allen Staaten die herz-
lichsten sind. Anläßlich des Besuches, den ich dem
Kaiser von Rußland abgestattet habe, hat mir
Se. Majestät zahlreiche Beweise einer wahrhaften
Freundschaft gegeben. Der Empfang, der mir
zutheil wurde, war ebenso sympathisch als glän-
zend und auf meiner ganzen Reise durch Ruß-
land habe ich mit besonderer Befriedigung wahr-
genommen, daß das Andenken an die Waffen-
brüderschaft, die auf den bulgarischen Schlacht-
feldern die Weihe erhielt, unversehrt geblieben
ist. Im Laufe dieses Jahres war ich auch in
Wien, um eine schmerzliche Pflicht zu erfüllen,
der Leichenfeier für weiland Ihre Majestät
Kaiserin-Königin Elisabeth beizuwohnen und Sr.
Majestät dem Kaiser-König Franz Josef persönlich
auszudrücken, welch' lebhaften Antheil ich mit
meinem Lande an dem großen Unglücke nehme,
von dem er betroffen wurde, und das überall
die wärmsten Sympathien für die verewigte
Kaiserin-Königin erweckte. Das furchtbare Ver-
brechen von Genf bewog die italienische Re-
gierung die Initiative zu einer Conferenz zu er-
greifen, welche den Zweck hat, ein Einver-
nehmen hinsichtlich der Vertheidigung der
Staaten gegen die anarchistischen Umtriebe
zu erzielen. Meine Regierung beschloß, an
[Spaltenumbruch] dieser internationalen Versammlung theilzu
nehmen. Rumänien wurde ferner zu einer an
deren Conferenz eingeladen, welche der groß-
müthigen Initiative Sr. Majestät des Kaisers
Nikolaus zu verdanken ist und die den edlen und
erhabenen Zw[e]ck verfolgt, den Völkern eine lange
Friedensära zu sichern. Auch an dieser Conferenz
wird sich Rumänien betheiligen. Die Thronrede
führt sodann aus, die wichtigste Arbeit der ge-
genwärtigen Session werde die Berathung der
von der vorigen Session zurückgebliebenen Gesetz-
entwürfe und die Prüfung des allgemeinen Bud-
gets sein. Das laufende Budgetj[a]hr gestalte sich
normal, denn es werde mit einem Ueberschuß
abschließen. Der Umstand, daß unsere
Handelsverträge demnächst ablaufen, legt
uns die Pflicht auf, Maßnahmen zu treffen,
damit wir uns über unsere wirthschaftlichen und
commerciellen Bedürfnisse Rechenschaft geben
können. Das in der vorigen Session beschlossene
Gesetz über den Unterricht an den Mittel- und
Hochschulen wird durch ein Gesetz betreffend den
Fachschulunterricht ergänzt werden. Der König
gibt der Hoffnung Ausdruck, daß das Parlament
wie immer seine Sorge der Entwicklung der Armee
zuwenden werde. Die Thronrede schließt: Die
von der Nation unternommene Arbeit wurde
unermüdlich mit viel Verständniß fortgeführt und
war von großen Erfolgen gekrönt; doch mit
jedem Jahre erweitert sich der Kreis unserer
Thätigkeit und es ist daher die Mitwirkung
Aller nothwendig zur Hebung und Festigung
des Vaterlandes. Ich wünsche, daß Ihre Arbeiten
die Gott segnen möge, für unser theures Rumänten
fruchtbar seien.

Der König, welcher in Begleitung des
Prinzen Thronfolgers erschienen war, wurde leb-
haft acclamirt. Die Stellen der Thronrede, welche
sich auf die auswärtige Politik, auf die Besuche
in Petersburg und Wien, die Theilnahme an
den internationalen Conferenzen gegen die Anar-
chisten und für die Sicherung des Friedens, sowie
auf die Armee bezogen, wurden mit begeisterten
Bravo- und Hurrahrufen aufgenommen.




Politische Nachrichten.
(Herrenhaus.)

In der samstägigen Sitzung
des Herrenhauses widmete der Präsident
Fürst Alfred zu Windischgrätz der Erzherzogin
Maria Antonia, Großherzogin von Tos-
cana,
Worte der Erinnerung, welche von der
Versammlung stehend angehört wurden. Sodann
gab der Präsident die Constituirung der gewähl-
ten Commissionen bekannt. Die Gesetzesvorlage
betreffend die Aufhebung der chirurgischen Gremien
wurde gleich dem Gesetzentwurfe betreffend grund-
buchsrechtliche Sonderbestimmungen und erleich-
ternde Gebührenvorschriften, welche bei der Ein-
führung der Grundbücher in Vorarlberg platzzu-




[Spaltenumbruch]

folgerichtige Theorie machten auch schon zahlreiche
Autoritäten des In- und Auslandes immer von
neuem aufmerksam. Der bekannte russische Phy-
siologe und Aerodynamiker Dr. Georg Berthenson
erklärte die Buttenstedt'sche Flugtheorie für die-
jenige, in welcher alle übrigen Flugtheorien einst
aufgehen würden. Aber zwei Dinge sind es, die
sich Buttenstedts klaren, überall zutreffenden Dar-
legungen entgegenstellen und ihr die Anerkennung
weiterer Kreise erschweren: einmal die große
Einfachheit der Theorie, und zweitens die
mangelhafte Vorstellung der Menschen von der
wirklichen Tragfähigkeit der Luft.

Das erste Moment liegt in der menschlichen
Natur begründet und läßt sich am besten mit
den Worten Dr. Med. Hartmanns wiedergeben:
"Der Mensch wird sich niemals mit dem begnügen,
was auf der Hand liegt, sondern stets nach ver-
borgenen Gründen suchen." Dieser Ausspruch
harmonirt auch mit der Thatsache, daß Wahr-
heiten, die sehr nahe liegen, oft am längsten
unentdeckt bleiben. So sind denn nach Buttenstedt
durchaus keine großen Maschinenkräfte zur Lösung
des Flugproblems nöthig, sondern die Hauptflug-
arbeit ruht in der Zusammenwirkung von Luftdruck
unter der Flugfläche und der finkenden Schwer-
kraft der Fluglast. Hierbei leistet nämlich die
Luft dieselben treiben den Dienste durch ihren
Vertikaldruck, wie der Wind durch Horizontal-
druck Schiffslasten betreibt, -- nur bewegt sich
hier der Wind gegen das Segel, während sich
beim Fliegen die Flügel sinkend gegen die unteren
[Spaltenumbruch] Luftschichten bewegen Diesen Luftdruck aber ver-
steht man noch nicht genügend. Die kleinste
Kinderhand fährt ja widerstandslos durch die
Luft, dennoch vermag diese ätherische, leichte Sub-
stanz unter Umständen einen Widerstand zu
leisten, der an den Wiederstand einer Mauer er-
innert. Je schneller man nämlich die Luft ver-
drängen will, desto energischer ist ihr Widerstand.
Der Druck der von Explosionsstoffen bei ihrer
Entzündung plötzlich auf die Verschiebung der
Luft ausgeübt wird, empfängt seitens der Luft-
masse einen gewaltigen Gegendruck, und die mehr
oder weniger heftigen Detonationen legen Zeug-
niß davon ab, daß die Luftmassen nicht nach-
giebig Platz gemacht haben, sondern ihrer brüsken
Verdrängung mit gleicher Kraft sich entgegen-
stemmten und nur der Gewalt wichen.

Da die Luftmasse, die Trägheit des Luft-
körpers, jedem plötzlichen Drucke einen ent-
sprechenden Gegendruck leistet, so gilt diese Er-
scheinung auch bei plötzlichem Vertikaldrucke von
oben nach unten, -- genau wie beim schweren
Vogelkörper, der doch stets das Bestreben des
Sinkens hat. Wollte eine Laft sich ruhig auf
die unter ihr befindliche Luftschicht lagern, so
würde diese willig dem Drucke nachgeben. Ist
aber die Fluglast auf ihrer Fläche in schneller
horizontaler Schwebebewegung be-
griffen, und gleitet mit ihrem Drucke schnell von
einer Luftmasse auf die andere, so erfährt jede
dieser frequentirten Massen einen so plötzlichen
Druck, daß diese sich einer so schnell beabsichtigten
[Spaltenumbruch] Verdrängung widersetzen, und somit für einen
Augenblick tragfähig für Lasten werden. Je
schneller der Druck, also der Flug, um so trag-
fähiger ist die Luft! Einen Quadratmeter aus-
gespannter Leinwand kann man langsam hin-
und herbewegen, wird er aber an einer Stange
befestigt, so kann der stärkste Mann keinen Schlag
mehr damit ausführen, so groß ist der Wider-
stand der Luft.

Die Zeit wird kommen, und ist nicht mehr
ferne, in der wir uns wundern werden, daß
das Flug-Problem nicht schon längst hat gelöst
werden können, -- auf so einfachen mechanischen
Vorgängen baut sich das vermeintlich so schwere
Problem des menschlichen Fluges auf. Darum
schließe auch ich mich a[u]s vollster Ueberzeugung
den Urtheilen der erwähnten Fachschriftsteller da-
hin an, daß eine endgliltige Lösung der Flug-
frage nur unter Zugrundelegung des Butten-
stedt'schen Princips erfolgen wird und kann.




Eine sensationelle Crfindung.
(Vom Niagara nach Paris.)

Noch sind, trotz der so vielversprechenden
Anfänge, die Versuche über die electrische
Telegraphie ohne Draht
zu keinem
definitiven, das heißt eine unmittelbare und aus-
gedehnte praktische Anwendung ermöglichenden
Resultate gediehen, und schon liegt eine Rachricht
vor über die glückliche Lösung eines viel
umfassenderen Problems
der Electro-


[Spaltenumbruch]

auf den Kopf getroffen. Fürſt Bismarck er-
zählt, er habe ſich die nöthige Auskunft über
die militäriſche Lage durch einige unbeſchäftigte
höhere Herren beſchafft, welche die zweite
Staffel des Hauptquartiers bildeten. Auch der
engliſche Correſpondent im Hauptquartier ſei in
der Regel beſſer unterrichtet geweſen und war
eine nützliche Quelle für ſeine Informationen.

Aus der Correſpondenz mit dem König
Ludwig von Bayern im Jahre 1877 iſt be-
merkenswerth die Art, wie Fürſt Bismarck den
König aufzuregen verſuchte gegen die liberale
Forderung verantwortlicher Reichsminiſter, um
an demſelben eine Stütze im Widerſtand gegen
die Einführung ſolcher Miniſter zu finden.

Eine Anſpielung auf den „neuen Curs“
enthält ein allgemeiner Rückblick auf die preu-
ßiſche Politik. Darin ſchreibt Bismarck: „Friedrich
der Große hinterließ ein reiches Erbe von Au-
torität und von Glauben an die preußiſche Politik
und Macht. Seine Erben konnten, wie heute der
neue Curs, von der Erbſchaft des alten, zwei
Jahrzehnte hindurch davon zehren, ohne
ſich über die Schwächen und Irrthümer
ihrer Epignonenwirthſchaft klar zu werden;
noch in die Schlacht von Jena hinein
trugen ſie ſich mit der Ueberſchätzung des eigenen
militäriſchen und politiſchen Könnens. Erſt der
Zuſammenbruch der folgenden Wochen brachte den
Hof und das Volk zu dem Bewußtſein, daß Un-
geſchick und Irrthum in der Staatsleitung ob-
gewaltet hatten. Weſſen Ungeſchick und weſſen
Irrthum aber, wer perſönlich die Verantwortlich-
keit für dieſen gewaltigen und unerwarteten Zu-
ſammenbruch trug, darüber kann ſelbſt heute noch
geſtritten werden.“

Den Czaren Nicolaus I. characteriſirt
Bismarck in dem der „Boh.“ zur Verfügung geſtellten
Capitel „Petersburg“ wie folgt: „Nicolaus ſah
1849 auf den Kaiſer Franz Joſef als auf ſeinen
Nachfolger und Erben in der Führung der con-
ſervativen Trias. Er betrachtete die letztere als
ſolidariſch der Revolution gegenüber und hatte be-
züglich der Fortſetzung der Hegemonie mehr Ver-
trauen zu Franz Joſef als zu ſeinem eigenen
Nachfolger. Noch geringer war ſeine Meinung
von der Veranlagung unſeres Königs
Friedrich Wilhelm für die Führerrolle
auf dem Gebiete practiſcher Politik; er hielt ihn
zur Leitung der monarchiſchen Trias für ſo wenig
geeignet wie den eigenen Sohn und Nachfolger.
Er handelte in Ungarn und in Olmütz in der
Ueberzeugung, daß er nach Gottes Willen den
Beruf habe, der Führer des monarchiſchen Wider-
ſtandes gegen die von Weſten vordringende Re-
volution zu ſein.“

„Wie Nicolaus über ſeine Stellung zu ſeinen
Unterthanen empfand, ergibt ſich aus einer That-
ſache, die mir Friedrich Wilhem IV. ſelbſt erzählt
hat. Der Kaiſer Nicolaus bat ihm um Zuſendung
[Spaltenumbruch] von zwei Unterofficieren der preußiſchen Garde,
behufs Ausführung gewiſſer ärztlich vorgeſchriebener
Knetungen, die auf dem Rücken des Patienten
vorgenommen werden mußten, während dieſer
auf dem Bauche lag. Er ſagte dabei: „Mit
meinen Ruſſen werde ich immer fertig, wenn ich
ihnen ins Geſicht ſehen kann, aber auf den
Rücken ohne Augen möchte ich mir ſie doch nicht
kommen laſſen.“ Die Unterofficiere wurden in
discreter Weiſe geſtellt, verwendet und reich
belohnt.“

Intereſſant iſt noch in den Memoiren die
Mittheilung, daß im Jahre 1879 Rußland einen
Krieg mit Deutſchland anfangen wollte, daß aber
Frankreich ſich weigerte mitzugehen, weil es ſich
dem Krieg mit Deutſchland, ſelbſt im Bunde mit
Rußland nicht gewachſen fühlte.




Die rumäniſche Chronrede.


(Telegramm des „Mähr. Tagblattes.“)

Heute wurde die ordentliche Par-
lamentsſeſſion
in feierlicher Weiſe durch
den König eröffnet. Die Thronrede ſtellt
zunächſt feſt, daß die heurige Ernte ein be-
friedigendes Reſultat ergeben habe, ſo daß man
ohne Beſorgniß der Zukunft entgegenſehen könne,
umſomehr als die Aufrechthaltung des Friedens
andauernd die Sorge aller Regierungen bildet.
Die Thronrede fährt dann fort: „Ich conſtatire
mit Stolz, daß Rumänten in dieſer Lage von
allgemeinen Sympathien umgeben iſt und daß
unſere Beziehungen zu allen Staaten die herz-
lichſten ſind. Anläßlich des Beſuches, den ich dem
Kaiſer von Rußland abgeſtattet habe, hat mir
Se. Majeſtät zahlreiche Beweiſe einer wahrhaften
Freundſchaft gegeben. Der Empfang, der mir
zutheil wurde, war ebenſo ſympathiſch als glän-
zend und auf meiner ganzen Reiſe durch Ruß-
land habe ich mit beſonderer Befriedigung wahr-
genommen, daß das Andenken an die Waffen-
brüderſchaft, die auf den bulgariſchen Schlacht-
feldern die Weihe erhielt, unverſehrt geblieben
iſt. Im Laufe dieſes Jahres war ich auch in
Wien, um eine ſchmerzliche Pflicht zu erfüllen,
der Leichenfeier für weiland Ihre Majeſtät
Kaiſerin-Königin Eliſabeth beizuwohnen und Sr.
Majeſtät dem Kaiſer-König Franz Joſef perſönlich
auszudrücken, welch’ lebhaften Antheil ich mit
meinem Lande an dem großen Unglücke nehme,
von dem er betroffen wurde, und das überall
die wärmſten Sympathien für die verewigte
Kaiſerin-Königin erweckte. Das furchtbare Ver-
brechen von Genf bewog die italieniſche Re-
gierung die Initiative zu einer Conferenz zu er-
greifen, welche den Zweck hat, ein Einver-
nehmen hinſichtlich der Vertheidigung der
Staaten gegen die anarchiſtiſchen Umtriebe
zu erzielen. Meine Regierung beſchloß, an
[Spaltenumbruch] dieſer internationalen Verſammlung theilzu
nehmen. Rumänien wurde ferner zu einer an
deren Conferenz eingeladen, welche der groß-
müthigen Initiative Sr. Majeſtät des Kaiſers
Nikolaus zu verdanken iſt und die den edlen und
erhabenen Zw[e]ck verfolgt, den Völkern eine lange
Friedensära zu ſichern. Auch an dieſer Conferenz
wird ſich Rumänien betheiligen. Die Thronrede
führt ſodann aus, die wichtigſte Arbeit der ge-
genwärtigen Seſſion werde die Berathung der
von der vorigen Seſſion zurückgebliebenen Geſetz-
entwürfe und die Prüfung des allgemeinen Bud-
gets ſein. Das laufende Budgetj[a]hr geſtalte ſich
normal, denn es werde mit einem Ueberſchuß
abſchließen. Der Umſtand, daß unſere
Handelsverträge demnächſt ablaufen, legt
uns die Pflicht auf, Maßnahmen zu treffen,
damit wir uns über unſere wirthſchaftlichen und
commerciellen Bedürfniſſe Rechenſchaft geben
können. Das in der vorigen Seſſion beſchloſſene
Geſetz über den Unterricht an den Mittel- und
Hochſchulen wird durch ein Geſetz betreffend den
Fachſchulunterricht ergänzt werden. Der König
gibt der Hoffnung Ausdruck, daß das Parlament
wie immer ſeine Sorge der Entwicklung der Armee
zuwenden werde. Die Thronrede ſchließt: Die
von der Nation unternommene Arbeit wurde
unermüdlich mit viel Verſtändniß fortgeführt und
war von großen Erfolgen gekrönt; doch mit
jedem Jahre erweitert ſich der Kreis unſerer
Thätigkeit und es iſt daher die Mitwirkung
Aller nothwendig zur Hebung und Feſtigung
des Vaterlandes. Ich wünſche, daß Ihre Arbeiten
die Gott ſegnen möge, für unſer theures Rumänten
fruchtbar ſeien.

Der König, welcher in Begleitung des
Prinzen Thronfolgers erſchienen war, wurde leb-
haft acclamirt. Die Stellen der Thronrede, welche
ſich auf die auswärtige Politik, auf die Beſuche
in Petersburg und Wien, die Theilnahme an
den internationalen Conferenzen gegen die Anar-
chiſten und für die Sicherung des Friedens, ſowie
auf die Armee bezogen, wurden mit begeiſterten
Bravo- und Hurrahrufen aufgenommen.




Politiſche Nachrichten.
(Herrenhaus.)

In der ſamſtägigen Sitzung
des Herrenhauſes widmete der Präſident
Fürſt Alfred zu Windiſchgrätz der Erzherzogin
Maria Antonia, Großherzogin von Tos-
cana,
Worte der Erinnerung, welche von der
Verſammlung ſtehend angehört wurden. Sodann
gab der Präſident die Conſtituirung der gewähl-
ten Commiſſionen bekannt. Die Geſetzesvorlage
betreffend die Aufhebung der chirurgiſchen Gremien
wurde gleich dem Geſetzentwurfe betreffend grund-
buchsrechtliche Sonderbeſtimmungen und erleich-
ternde Gebührenvorſchriften, welche bei der Ein-
führung der Grundbücher in Vorarlberg platzzu-




[Spaltenumbruch]

folgerichtige Theorie machten auch ſchon zahlreiche
Autoritäten des In- und Auslandes immer von
neuem aufmerkſam. Der bekannte ruſſiſche Phy-
ſiologe und Aerodynamiker Dr. Georg Berthenſon
erklärte die Buttenſtedt’ſche Flugtheorie für die-
jenige, in welcher alle übrigen Flugtheorien einſt
aufgehen würden. Aber zwei Dinge ſind es, die
ſich Buttenſtedts klaren, überall zutreffenden Dar-
legungen entgegenſtellen und ihr die Anerkennung
weiterer Kreiſe erſchweren: einmal die große
Einfachheit der Theorie, und zweitens die
mangelhafte Vorſtellung der Menſchen von der
wirklichen Tragfähigkeit der Luft.

Das erſte Moment liegt in der menſchlichen
Natur begründet und läßt ſich am beſten mit
den Worten Dr. Med. Hartmanns wiedergeben:
„Der Menſch wird ſich niemals mit dem begnügen,
was auf der Hand liegt, ſondern ſtets nach ver-
borgenen Gründen ſuchen.“ Dieſer Ausſpruch
harmonirt auch mit der Thatſache, daß Wahr-
heiten, die ſehr nahe liegen, oft am längſten
unentdeckt bleiben. So ſind denn nach Buttenſtedt
durchaus keine großen Maſchinenkräfte zur Löſung
des Flugproblems nöthig, ſondern die Hauptflug-
arbeit ruht in der Zuſammenwirkung von Luftdruck
unter der Flugfläche und der finkenden Schwer-
kraft der Fluglaſt. Hierbei leiſtet nämlich die
Luft dieſelben treiben den Dienſte durch ihren
Vertikaldruck, wie der Wind durch Horizontal-
druck Schiffslaſten betreibt, — nur bewegt ſich
hier der Wind gegen das Segel, während ſich
beim Fliegen die Flügel ſinkend gegen die unteren
[Spaltenumbruch] Luftſchichten bewegen Dieſen Luftdruck aber ver-
ſteht man noch nicht genügend. Die kleinſte
Kinderhand fährt ja widerſtandslos durch die
Luft, dennoch vermag dieſe ätheriſche, leichte Sub-
ſtanz unter Umſtänden einen Widerſtand zu
leiſten, der an den Wiederſtand einer Mauer er-
innert. Je ſchneller man nämlich die Luft ver-
drängen will, deſto energiſcher iſt ihr Widerſtand.
Der Druck der von Exploſionsſtoffen bei ihrer
Entzündung plötzlich auf die Verſchiebung der
Luft ausgeübt wird, empfängt ſeitens der Luft-
maſſe einen gewaltigen Gegendruck, und die mehr
oder weniger heftigen Detonationen legen Zeug-
niß davon ab, daß die Luftmaſſen nicht nach-
giebig Platz gemacht haben, ſondern ihrer brüsken
Verdrängung mit gleicher Kraft ſich entgegen-
ſtemmten und nur der Gewalt wichen.

Da die Luftmaſſe, die Trägheit des Luft-
körpers, jedem plötzlichen Drucke einen ent-
ſprechenden Gegendruck leiſtet, ſo gilt dieſe Er-
ſcheinung auch bei plötzlichem Vertikaldrucke von
oben nach unten, — genau wie beim ſchweren
Vogelkörper, der doch ſtets das Beſtreben des
Sinkens hat. Wollte eine Laft ſich ruhig auf
die unter ihr befindliche Luftſchicht lagern, ſo
würde dieſe willig dem Drucke nachgeben. Iſt
aber die Fluglaſt auf ihrer Fläche in ſchneller
horizontaler Schwebebewegung be-
griffen, und gleitet mit ihrem Drucke ſchnell von
einer Luftmaſſe auf die andere, ſo erfährt jede
dieſer frequentirten Maſſen einen ſo plötzlichen
Druck, daß dieſe ſich einer ſo ſchnell beabſichtigten
[Spaltenumbruch] Verdrängung widerſetzen, und ſomit für einen
Augenblick tragfähig für Laſten werden. Je
ſchneller der Druck, alſo der Flug, um ſo trag-
fähiger iſt die Luft! Einen Quadratmeter aus-
geſpannter Leinwand kann man langſam hin-
und herbewegen, wird er aber an einer Stange
befeſtigt, ſo kann der ſtärkſte Mann keinen Schlag
mehr damit ausführen, ſo groß iſt der Wider-
ſtand der Luft.

Die Zeit wird kommen, und iſt nicht mehr
ferne, in der wir uns wundern werden, daß
das Flug-Problem nicht ſchon längſt hat gelöſt
werden können, — auf ſo einfachen mechaniſchen
Vorgängen baut ſich das vermeintlich ſo ſchwere
Problem des menſchlichen Fluges auf. Darum
ſchließe auch ich mich a[u]s vollſter Ueberzeugung
den Urtheilen der erwähnten Fachſchriftſteller da-
hin an, daß eine endgliltige Löſung der Flug-
frage nur unter Zugrundelegung des Butten-
ſtedt’ſchen Princips erfolgen wird und kann.




Eine ſenſationelle Crfindung.
(Vom Niagara nach Paris.)

Noch ſind, trotz der ſo vielverſprechenden
Anfänge, die Verſuche über die electriſche
Telegraphie ohne Draht
zu keinem
definitiven, das heißt eine unmittelbare und aus-
gedehnte praktiſche Anwendung ermöglichenden
Reſultate gediehen, und ſchon liegt eine Rachricht
vor über die glückliche Löſung eines viel
umfaſſenderen Problems
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[[2]/0002] auf den Kopf getroffen. Fürſt Bismarck er- zählt, er habe ſich die nöthige Auskunft über die militäriſche Lage durch einige unbeſchäftigte höhere Herren beſchafft, welche die zweite Staffel des Hauptquartiers bildeten. Auch der engliſche Correſpondent im Hauptquartier ſei in der Regel beſſer unterrichtet geweſen und war eine nützliche Quelle für ſeine Informationen. Aus der Correſpondenz mit dem König Ludwig von Bayern im Jahre 1877 iſt be- merkenswerth die Art, wie Fürſt Bismarck den König aufzuregen verſuchte gegen die liberale Forderung verantwortlicher Reichsminiſter, um an demſelben eine Stütze im Widerſtand gegen die Einführung ſolcher Miniſter zu finden. Eine Anſpielung auf den „neuen Curs“ enthält ein allgemeiner Rückblick auf die preu- ßiſche Politik. Darin ſchreibt Bismarck: „Friedrich der Große hinterließ ein reiches Erbe von Au- torität und von Glauben an die preußiſche Politik und Macht. 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Der Kaiſer Nicolaus bat ihm um Zuſendung von zwei Unterofficieren der preußiſchen Garde, behufs Ausführung gewiſſer ärztlich vorgeſchriebener Knetungen, die auf dem Rücken des Patienten vorgenommen werden mußten, während dieſer auf dem Bauche lag. Er ſagte dabei: „Mit meinen Ruſſen werde ich immer fertig, wenn ich ihnen ins Geſicht ſehen kann, aber auf den Rücken ohne Augen möchte ich mir ſie doch nicht kommen laſſen.“ Die Unterofficiere wurden in discreter Weiſe geſtellt, verwendet und reich belohnt.“ Intereſſant iſt noch in den Memoiren die Mittheilung, daß im Jahre 1879 Rußland einen Krieg mit Deutſchland anfangen wollte, daß aber Frankreich ſich weigerte mitzugehen, weil es ſich dem Krieg mit Deutſchland, ſelbſt im Bunde mit Rußland nicht gewachſen fühlte. Die rumäniſche Chronrede. Bukareſt, 27. November. (Telegramm des „Mähr. Tagblattes.“) Heute wurde die ordentliche Par- lamentsſeſſion in feierlicher Weiſe durch den König eröffnet. Die Thronrede ſtellt zunächſt feſt, daß die heurige Ernte ein be- friedigendes Reſultat ergeben habe, ſo daß man ohne Beſorgniß der Zukunft entgegenſehen könne, umſomehr als die Aufrechthaltung des Friedens andauernd die Sorge aller Regierungen bildet. Die Thronrede fährt dann fort: „Ich conſtatire mit Stolz, daß Rumänten in dieſer Lage von allgemeinen Sympathien umgeben iſt und daß unſere Beziehungen zu allen Staaten die herz- lichſten ſind. Anläßlich des Beſuches, den ich dem Kaiſer von Rußland abgeſtattet habe, hat mir Se. Majeſtät zahlreiche Beweiſe einer wahrhaften Freundſchaft gegeben. Der Empfang, der mir zutheil wurde, war ebenſo ſympathiſch als glän- zend und auf meiner ganzen Reiſe durch Ruß- land habe ich mit beſonderer Befriedigung wahr- genommen, daß das Andenken an die Waffen- brüderſchaft, die auf den bulgariſchen Schlacht- feldern die Weihe erhielt, unverſehrt geblieben iſt. Im Laufe dieſes Jahres war ich auch in Wien, um eine ſchmerzliche Pflicht zu erfüllen, der Leichenfeier für weiland Ihre Majeſtät Kaiſerin-Königin Eliſabeth beizuwohnen und Sr. Majeſtät dem Kaiſer-König Franz Joſef perſönlich auszudrücken, welch’ lebhaften Antheil ich mit meinem Lande an dem großen Unglücke nehme, von dem er betroffen wurde, und das überall die wärmſten Sympathien für die verewigte Kaiſerin-Königin erweckte. Das furchtbare Ver- brechen von Genf bewog die italieniſche Re- gierung die Initiative zu einer Conferenz zu er- greifen, welche den Zweck hat, ein Einver- nehmen hinſichtlich der Vertheidigung der Staaten gegen die anarchiſtiſchen Umtriebe zu erzielen. Meine Regierung beſchloß, an dieſer internationalen Verſammlung theilzu nehmen. Rumänien wurde ferner zu einer an deren Conferenz eingeladen, welche der groß- müthigen Initiative Sr. Majeſtät des Kaiſers Nikolaus zu verdanken iſt und die den edlen und erhabenen Zweck verfolgt, den Völkern eine lange Friedensära zu ſichern. Auch an dieſer Conferenz wird ſich Rumänien betheiligen. Die Thronrede führt ſodann aus, die wichtigſte Arbeit der ge- genwärtigen Seſſion werde die Berathung der von der vorigen Seſſion zurückgebliebenen Geſetz- entwürfe und die Prüfung des allgemeinen Bud- gets ſein. Das laufende Budgetjahr geſtalte ſich normal, denn es werde mit einem Ueberſchuß abſchließen. Der Umſtand, daß unſere Handelsverträge demnächſt ablaufen, legt uns die Pflicht auf, Maßnahmen zu treffen, damit wir uns über unſere wirthſchaftlichen und commerciellen Bedürfniſſe Rechenſchaft geben können. Das in der vorigen Seſſion beſchloſſene Geſetz über den Unterricht an den Mittel- und Hochſchulen wird durch ein Geſetz betreffend den Fachſchulunterricht ergänzt werden. Der König gibt der Hoffnung Ausdruck, daß das Parlament wie immer ſeine Sorge der Entwicklung der Armee zuwenden werde. Die Thronrede ſchließt: Die von der Nation unternommene Arbeit wurde unermüdlich mit viel Verſtändniß fortgeführt und war von großen Erfolgen gekrönt; doch mit jedem Jahre erweitert ſich der Kreis unſerer Thätigkeit und es iſt daher die Mitwirkung Aller nothwendig zur Hebung und Feſtigung des Vaterlandes. Ich wünſche, daß Ihre Arbeiten die Gott ſegnen möge, für unſer theures Rumänten fruchtbar ſeien. Der König, welcher in Begleitung des Prinzen Thronfolgers erſchienen war, wurde leb- haft acclamirt. Die Stellen der Thronrede, welche ſich auf die auswärtige Politik, auf die Beſuche in Petersburg und Wien, die Theilnahme an den internationalen Conferenzen gegen die Anar- chiſten und für die Sicherung des Friedens, ſowie auf die Armee bezogen, wurden mit begeiſterten Bravo- und Hurrahrufen aufgenommen. Politiſche Nachrichten. (Herrenhaus.) In der ſamſtägigen Sitzung des Herrenhauſes widmete der Präſident Fürſt Alfred zu Windiſchgrätz der Erzherzogin Maria Antonia, Großherzogin von Tos- cana, Worte der Erinnerung, welche von der Verſammlung ſtehend angehört wurden. Sodann gab der Präſident die Conſtituirung der gewähl- ten Commiſſionen bekannt. Die Geſetzesvorlage betreffend die Aufhebung der chirurgiſchen Gremien wurde gleich dem Geſetzentwurfe betreffend grund- buchsrechtliche Sonderbeſtimmungen und erleich- ternde Gebührenvorſchriften, welche bei der Ein- führung der Grundbücher in Vorarlberg platzzu- folgerichtige Theorie machten auch ſchon zahlreiche Autoritäten des In- und Auslandes immer von neuem aufmerkſam. Der bekannte ruſſiſche Phy- ſiologe und Aerodynamiker Dr. Georg Berthenſon erklärte die Buttenſtedt’ſche Flugtheorie für die- jenige, in welcher alle übrigen Flugtheorien einſt aufgehen würden. Aber zwei Dinge ſind es, die ſich Buttenſtedts klaren, überall zutreffenden Dar- legungen entgegenſtellen und ihr die Anerkennung weiterer Kreiſe erſchweren: einmal die große Einfachheit der Theorie, und zweitens die mangelhafte Vorſtellung der Menſchen von der wirklichen Tragfähigkeit der Luft. Das erſte Moment liegt in der menſchlichen Natur begründet und läßt ſich am beſten mit den Worten Dr. Med. Hartmanns wiedergeben: „Der Menſch wird ſich niemals mit dem begnügen, was auf der Hand liegt, ſondern ſtets nach ver- borgenen Gründen ſuchen.“ Dieſer Ausſpruch harmonirt auch mit der Thatſache, daß Wahr- heiten, die ſehr nahe liegen, oft am längſten unentdeckt bleiben. So ſind denn nach Buttenſtedt durchaus keine großen Maſchinenkräfte zur Löſung des Flugproblems nöthig, ſondern die Hauptflug- arbeit ruht in der Zuſammenwirkung von Luftdruck unter der Flugfläche und der finkenden Schwer- kraft der Fluglaſt. Hierbei leiſtet nämlich die Luft dieſelben treiben den Dienſte durch ihren Vertikaldruck, wie der Wind durch Horizontal- druck Schiffslaſten betreibt, — nur bewegt ſich hier der Wind gegen das Segel, während ſich beim Fliegen die Flügel ſinkend gegen die unteren Luftſchichten bewegen Dieſen Luftdruck aber ver- ſteht man noch nicht genügend. Die kleinſte Kinderhand fährt ja widerſtandslos durch die Luft, dennoch vermag dieſe ätheriſche, leichte Sub- ſtanz unter Umſtänden einen Widerſtand zu leiſten, der an den Wiederſtand einer Mauer er- innert. Je ſchneller man nämlich die Luft ver- drängen will, deſto energiſcher iſt ihr Widerſtand. Der Druck der von Exploſionsſtoffen bei ihrer Entzündung plötzlich auf die Verſchiebung der Luft ausgeübt wird, empfängt ſeitens der Luft- maſſe einen gewaltigen Gegendruck, und die mehr oder weniger heftigen Detonationen legen Zeug- niß davon ab, daß die Luftmaſſen nicht nach- giebig Platz gemacht haben, ſondern ihrer brüsken Verdrängung mit gleicher Kraft ſich entgegen- ſtemmten und nur der Gewalt wichen. Da die Luftmaſſe, die Trägheit des Luft- körpers, jedem plötzlichen Drucke einen ent- ſprechenden Gegendruck leiſtet, ſo gilt dieſe Er- ſcheinung auch bei plötzlichem Vertikaldrucke von oben nach unten, — genau wie beim ſchweren Vogelkörper, der doch ſtets das Beſtreben des Sinkens hat. Wollte eine Laft ſich ruhig auf die unter ihr befindliche Luftſchicht lagern, ſo würde dieſe willig dem Drucke nachgeben. Iſt aber die Fluglaſt auf ihrer Fläche in ſchneller horizontaler Schwebebewegung be- griffen, und gleitet mit ihrem Drucke ſchnell von einer Luftmaſſe auf die andere, ſo erfährt jede dieſer frequentirten Maſſen einen ſo plötzlichen Druck, daß dieſe ſich einer ſo ſchnell beabſichtigten Verdrängung widerſetzen, und ſomit für einen Augenblick tragfähig für Laſten werden. Je ſchneller der Druck, alſo der Flug, um ſo trag- fähiger iſt die Luft! Einen Quadratmeter aus- geſpannter Leinwand kann man langſam hin- und herbewegen, wird er aber an einer Stange befeſtigt, ſo kann der ſtärkſte Mann keinen Schlag mehr damit ausführen, ſo groß iſt der Wider- ſtand der Luft. Die Zeit wird kommen, und iſt nicht mehr ferne, in der wir uns wundern werden, daß das Flug-Problem nicht ſchon längſt hat gelöſt werden können, — auf ſo einfachen mechaniſchen Vorgängen baut ſich das vermeintlich ſo ſchwere Problem des menſchlichen Fluges auf. Darum ſchließe auch ich mich aus vollſter Ueberzeugung den Urtheilen der erwähnten Fachſchriftſteller da- hin an, daß eine endgliltige Löſung der Flug- frage nur unter Zugrundelegung des Butten- ſtedt’ſchen Princips erfolgen wird und kann. Eine ſenſationelle Crfindung. (Vom Niagara nach Paris.) Noch ſind, trotz der ſo vielverſprechenden Anfänge, die Verſuche über die electriſche Telegraphie ohne Draht zu keinem definitiven, das heißt eine unmittelbare und aus- gedehnte praktiſche Anwendung ermöglichenden Reſultate gediehen, und ſchon liegt eine Rachricht vor über die glückliche Löſung eines viel umfaſſenderen Problems der Electro-

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 271, Olmütz, 28.11.1898, S. [2]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches271_1898/2>, abgerufen am 24.04.2024.