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Mährisches Tagblatt. Nr. 29, Olmütz, 07.02.1887.

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[Spaltenumbruch] gehobenen Stimmung das Schlußwort spreche,
als die Stimmung war, womit ich den Antrag
begründet habe. Nach übereinstimmenden Mitthei-
lungen war zur Zeit der Einbringung des An-
trages ziemlich allgemein bekannt, daß alle Par-
teien dieses Hauses dem Antrage im Großen und
Ganzen zustimmen werden, und daß unter dem
gemeinschaftlichen Gefühl der Nothwendigkeit so-
cialer Reformen ein gedeihliches Zusammenwirken
aller Parteien möglich sein werde, und man hat
gehofft, daß auch in diesem Sinne sich die Stim-
men bei der ersten Lesung aussprechen werden.
Allein die kurze Debatte bei der ersten Lesung
hat gezeigt, wie überwuchernd und gehässig der
Parteigeist in diesem Hause ist, daß selbst bei
einem Anlasse, wo in Bezug auf den Zweck bei
allen Parteien Uebereinstimmung herrscht, dennoch
sofort der gehässige kleinliche Parteistandpunct
dominirt und die g[a]nze Debatte, welche zu einer
befriedigenden Einigung aller Parteien hätte füh-
ren können, sofort in ein widerliches Gezänke
einzelner Parteistandpuncte ausgeartet ist. (Zu-
stimmung links.)

Redner wendet sich dann gegen Dr. Kaizl,
der, trotzdem er (Plener) offen erklärt habe, in
Bezug auf das Wahlrecht der Arbeiter seit 1874
anderer Meinung geworden zu sein, doch wieder
auf seine damaligen Aeußerungen zurückgekommen
sei, eben weil es einmal auf seinem Concept
stand. Aehnlich verhalte es sich mit Dalmatien.
Gegen Türk gewendet fährt Redner fort: Ich
glaube, das hohe Haus wird es mir ersparen,
auf die Rede des Abgeordneten der Troppauer
Landgemeinden einzugehen. Es ist ein trauriges
Zeichen, daß solche Reden überhaupt jetzt in die-
sem Hause möglich sind; denn vor wenigen Jah-
ren waren solche Abgeordnete und eine derartige
Sprechweise in diesem Hause nicht möglich. Daß
diese Sprechweise in einem gewissen Theile der
Bevölkerung Zustimmung und Anhängerschaft
findet, zeigt wie tief der ganze öffentliche Geist
sinkt, wenn solche Redner als populäre Wort-
führer eines gewissen Kreises der Oeffentlichkeit
erscheinen, und jeder ruhige Politiker sollte, wenn
er auch hier und da zu einer Art Heiterkeit an-
angeregt wird, eher mit Ernst und Besorgniß
sehen, wohin unser öffentliches Leben geht, wenn
nichts als Classenhaß, Verdächtigung und feind-
selige Verbitterung eines Theiles des Bevölkerung
gegen den anderen als der eigentliche Beruf
eines Volksvertreters verstanden wird (Beifall links),
und wenn in einem Momente, wo von einer
Partei versucht wird, bona fide einen Vorschlag
zu machen, der, so weit dies unter den complicir-
ten Verhältnissen der heutigen, ohnehin mit großen
Gegensätzen erfüllten bürgerlichen Gesellschaft mög-
lich ist, eine Harmonie, ein gutes Zusammenleben
der einzelnen Bevölkerungsclassen herbeizuführen
bestrebt ist -- die Antwort darauf nichts ist als
feindselige Angriffe gegen einzelne Classen der
Gesellschaft.

Der Herr Abgeordnete Türk verwahrt sich
dagegen, Demagog zu sein oder demagogisch zu
sprechen. Ich glaube, die Rede, welche er gestern
gehalten hat, würde allein ausreichen, ihn als
einen demagogischen Redner erscheinen zu lassen.
Ich will nicht weiter auf eine Polemik gegen
seine Rede eingehen, weil dies weder mir, noch
dem hohen Hause zukommt (Sehr gut! links);
allein er sagt: Wir sind keine Demagogen u. s. w.;
und an derselben Stelle einige Zeilen früher
sagt er (liest:) "Ich wollte erwähnen, daß die
Früchte des parlamentarischen Geschäftsbetriebes,
wie er jetzt geübt wird, zum großen Theile den
Gesinnungsgenossen des Herrn Abgeordneten Plener
in den Schoß gefallen sind; uns aber den kleinen
Leuten, sind diese Früchte nicht in den Schoß ge-
fallen, wir haben die saueren, verdorbenen, verfaulten
Früchte bekommen, mit denen wir uns nicht
ernähren und sättigen können." -- Nun bitte
ich, mich jetzt zu unterbrechen und mir zu sagen,
welche Früchte sind unter dem jetzigen parlamen-
tarischen Geschäftsbetriebe, das heißt unter der
gegenwärtigen Regierungsmajorität, zu der Zeit,
wo wir seit dem Jahre 1879, also seit acht Jah-
ren, in der Minorität sind, mir und meinen
Gesinnungsgenossen in den Schoß gefallen? Ich
werde jetzt schweigen und die Antwort erwarten.

Abg. Türk (nach einer Pause): Ich habe
die Majorität der Vereinigten Linken damit
gemeint.

Abg. v. Plener: Welche Früchte sind also
[Spaltenumbruch] der Partei der Vereinigten Linken in den Schoß
gefallen? Ich bitte mir zu antworten.

Abg. Türk: Das kann ich schon beantwor-
ten, aber ich habe nicht das Wort. (Lautes Ge-
lächter links.) Ich darf nur an den Börsenkrach
und die Ausbeutung aller arbeitenden Classen
erinnern. (Rufe: Ruhig! Sie haben nicht das
Wort!)

Abg. v. Plener: Lassen Sie ihn reden,
(Heiterkeit.) Diese Herren, die sonst mit Unter-
brechungen bei der Hand sind, sind, wenn man
sie einmal an die Wand stellt und fragt: "Was
sind die Anschuldigungen concreter Natur, die Sie
gegen uns vorbringen?" sehr wenig gewandt und
verstummen sehr bald. Also der Börsenkrach hat
uns reiche Früchte in den Schoß gebracht!
(Heiterkeit.) Erstens war der Börsenkrach im
Jahre 1873, zweitens sind bei demselben die
meisten Leute verarmt, es sind ihnen also nicht
reiche Früchte in den Schoß gefallen.

Abg. Türk: An was sind denn dann Ihre
Freunde, die Juden, so reich geworden?

Abg. v. Plener: Ich glaube nicht, daß
die Juden durch den Börsenkrach reich geworden
sind. (Heiterkeit.)

Abg. Türk: Aber durch die parlamentarische
Herrschaft.

Abg. v. Plener: Er sprach von der Herr-
schaft der Vereinigten Linken, welche immer in
der Minderheit, in der Opposition war. Er sprach
von dem jetzigen parlamentarischen Geschäftsbe-
triebe, er muß also offenbar das jetzige politische
System meinen, und ich glaube, daß uns bei
diesem keine besonderen Früchte in den Schoß
gefallen sind. Hier wird das Alles als eine spaß-
hafte Scene betrachtet -- es wird übrigens unter
der Reihe unserer Gegner genug verständige Leute
geben, welche die Wahrheit erkennen (Abg. Türk:
Das ist gar nicht spaßhaft), allein in der Oeffent-
lichkeit und in den großen populären Versamm-
lungen, wo man nicht über alle Details so genau
informirt ist, wirken solche Aeußerungen und
Angriffe allerdings gefährlich und verhetzend und
in diesem Sinne sind solche Aeußerungen, wenn
sie von hier aus nach außen verbreitet werden,
demagogischer Natur.

Abg. Türk: Man weiß, wie viel Abge-
ordnete der Linken Verwaltungsräthe und Grün-
der bei Bank-Instituten waren. (Rufe links: Ruhig!
Nicht unterbrechen!)

Vicepräsident Ritter v. Chlumecky (das
Glockenzeichen gebend): Ich bitte, den Herrn Redner
nicht zu unterbrechen.

Abg. Türk: Er hat mich ja aufgefordert,
zu sprechen.

Abg. v. Plener (fortfahrend): Nachdem
dieser genannte Abgeordnete gar nichts vorzubrin-
gen weiß, als einige zum Gegenstande ganz un-
passende Schlagworte, die er in einem früheren
Stadium seiner Agitation gelernt hat (Sehr
gut! links), die aber mit dem heutigen Gegen-
stande gar nicht zusammenhängen, so will ich
mich mit ihm in keine weitere Polemik einlassen.
Nur noch ein Wort möchte ich sagen: er hat ver-
sucht, meine deutsche Gesinnung anzugreifen; nun
glaube ich aber ohne Selbstüberhebung behaupten
zu können, daß ich in einigen Theilen Böhmens
sowohl als auch hier einige Dienste geleistet habe,
und war ich auch immer so glücklich, eine reiche
Anerkennung von Seiten des besten Theiles der
deutschen Bevölkerung Böhmens zu erhalten. Ich
bin daher nicht in der Lage, von irgend Jeman-
den, wenn sie auch Deutschnationale heißen, eine
Belehrung über gute deutsche Gesinnung und über
die correcte deutsche Haltung in Empfang zu
nehmen. Allerdings verstehe ich die deutsche Ge-
sinnung eines Deutschösterreichers nicht dahin, daß
er jeden Act der Berliner Regierung mit einer
Art religiöser Begeisterung kritiklos bewundert.

Hierauf wendet sich Abg. v. Plener gegen
Abg. Kronawetter und weist nach, daß das
System, für welches Abg. Kronawetter plaidirt,
ein System der Unfreiheit sei.

Im weiteren Verlaufe seiner Rede kam Dr.
v. Plener auf die Versammlung zu sprechen,
welche Dr. Kronawetter gegen den Deutschen
Parteitag einberufen hatte und erwähnte dabei,
daß diese Versammlung mit clericalem Gelde
arrangirt wurde.

Abg. v. Plener schloß sodann: Für den
Dr. Kronawetter, für die Radicalen gibt es
keine Reform, keine langsame, stetige Entwicklung
wie sie allein das Heil des Staates und des
[Spaltenumbruch] Volkes bedeutet, sondern nur die brutale Gewalt,
entweder die brutale Gewalt von der einen oder
von der anderen Seite. Er versteht nur Windisch-
grätz, der die Radicalen zusammenschießt, oder
umgekehrt, die Radicalen, welche die Vertreter
der Autorität zusammenschießen. Darin liegt nach
ihm eigentlich der letzte Schluß und das letzte
Wort der politischen Entwicklung der Völker, und
das ist die gefährliche Seite, daß man mit der
fortwährenden Gegenüberstellung des absolutesten
Gegensatzes der Partei der Ordnung und der Un-
ordnung zuletzt nur dahin kommt, wie der Herr
Abgeordnete Kronawetter, daß die letzte Entschei-
dung eine Entscheidung der rohen Gewalt und
des blutigen Kampfes ist, während wir das nicht
wollen, weil wir nicht wollen, daß die bürgerliche
Gesellschaft durch blutige und gewaltthätige Krisen
hindurchgehe, weil wir nicht wollen, daß die
sociale Frage im Wege einer Revolution oder im
Wege einer gewaltsamen Niederschlagung einer
Revolution vorwärts gebracht werde, weil wir
wollen, daß diese großen Aufgaben, deren Be-
deutung die besitzenden Classen sich immer mehr
bewußt werden, im Wege friedlicher Reform, im
Wege gemeinschaftlicher, sachlicher Berathung ge-
fördert werden. Darum haben wir diesen Vorschlag
gemacht, haben ihn vorsichtig und mäßig gefaßt.
Eines ist gewiß, daß nämlich der ein besserer
Freund der Arbeiter ist, der versucht, schrittweise
im Wege von Reformen ihre Interessen zu för-
dern, als Derjenige, welche die ganze Sache dahin-
stellt, daß zuletzt nur die rohe Gewalt und der
Bürgerkrieg über das Schicksal der Arbeiter und
des Staates entscheiden sollen. (Lebhafter Beifall
und Händeklatschen links.)

Es verlangt sodann zu einer thatsächlichen
Berichtigung der

Abg. Kronawetter das Wort, um sich
bezüglich der 500 fl. zu rechtfertigen. Er sagt:
Wie öfters Discussionen unter den Abgeordneten
gepflogen werden, so hat auch über die Ereignisse
zwischen mir und dem Abg. Schneid v. Treuen-
fels, der heute todt ist, eine ganz zwanglose
Privat-Discussion stattgefunden. Ich habe aber
von der Regierungspartei nicht einen Kreuzer be-
kommen, es ist mit einer Partei von mir auch
nicht verkehrt worden (Gelächter links,) sondern
nur mit einem einzigen Manne. (Rufe links:
Einem Mitgliede der Regierungspartei!)

Abg. Dr. Forreger: Aber Sie werden
doch nicht glanben, daß der Schneid das aus
seinem Sacke gezahlt hat!

Abg. Dr. Kronawetter: Ich bitte, um
das habe ich nicht gefragt (Gesächter links), das
kümmert mich nichts und interessirt mich auch nicht.
(Lachen links.) Die Sache hat sich folgendermaßen
entwickelt: Er hat gesagt, daß da eine Versamm-
lung stattfinden soll, ihnen aber die Geschichte
etwas unangenehm ist. (Gelächter und Rufe links:
Wem ihnen?) Ich bitte, mich nicht so auszufragen,
begnügen Sie sich mit dem was ich sage; wahr-
scheinlich war es seinen Bekannten unangenehm.
(Gelächter links.)

Er hat dann gesagt, es wäre recht gut, wenn
eine andere Versammlung an demselben Tage
stattfände und ob das möglich wäre. Darauf
habe ich gesagt: "Wir stehen Gewehr bei Fuß,
uns geht das nichts an." Darauf hat er mir
gesagt: Seine Partei (Rufe links: Aha!) geht
mit einer Aenderung des Wahlgesetzes um, wo-
durch den Fünfguldenmännern das Wahlrecht er-
theilt werden soll. Und er hat mir die positive
Zusicherung gegeben, daß diese Partei den Fünf-
guldenmännern das Wahlrecht in der ganzen
Monarchie geben wird. Darauf habe ich gesagt:
Wenn dem so ist, wenn Sie das für uns thun
wollen, so werde ich schauen, ob nicht so eine
Versammlung zu machen ist, jedoch muß sie voll-
kommen frei sein.

Abg. Prade ruft: Das hat der Schneid
machen können!

Abg. Dr. Kronawetter: Das kümmert
mich nicht, wer's machen kann und wer's nicht
machen kann. Nun, so eine Geschichte kostet ja
Geld. Sie werden wissen, daß Sie den Sofien-
saal auch nicht umsonst gehabt haben. (Rufe
links: Das haben wir selbst gezahlt!) Man
kann doch nicht Leuten zumuthen, daß sie die
Kosten für die Versammlung tragen, die ja doch
in letzter Linie nicht ihnen zugute gekommen ist,
denn das Wahlrecht der Fünfguldenmänner ist ja
ihnen nicht zugute gekommen. Sie haben nur
den einen Vortheil gehabt, daß sie einmal den

[Spaltenumbruch] gehobenen Stimmung das Schlußwort ſpreche,
als die Stimmung war, womit ich den Antrag
begründet habe. Nach übereinſtimmenden Mitthei-
lungen war zur Zeit der Einbringung des An-
trages ziemlich allgemein bekannt, daß alle Par-
teien dieſes Hauſes dem Antrage im Großen und
Ganzen zuſtimmen werden, und daß unter dem
gemeinſchaftlichen Gefühl der Nothwendigkeit ſo-
cialer Reformen ein gedeihliches Zuſammenwirken
aller Parteien möglich ſein werde, und man hat
gehofft, daß auch in dieſem Sinne ſich die Stim-
men bei der erſten Leſung ausſprechen werden.
Allein die kurze Debatte bei der erſten Leſung
hat gezeigt, wie überwuchernd und gehäſſig der
Parteigeiſt in dieſem Hauſe iſt, daß ſelbſt bei
einem Anlaſſe, wo in Bezug auf den Zweck bei
allen Parteien Uebereinſtimmung herrſcht, dennoch
ſofort der gehäſſige kleinliche Parteiſtandpunct
dominirt und die g[a]nze Debatte, welche zu einer
befriedigenden Einigung aller Parteien hätte füh-
ren können, ſofort in ein widerliches Gezänke
einzelner Parteiſtandpuncte ausgeartet iſt. (Zu-
ſtimmung links.)

Redner wendet ſich dann gegen Dr. Kaizl,
der, trotzdem er (Plener) offen erklärt habe, in
Bezug auf das Wahlrecht der Arbeiter ſeit 1874
anderer Meinung geworden zu ſein, doch wieder
auf ſeine damaligen Aeußerungen zurückgekommen
ſei, eben weil es einmal auf ſeinem Concept
ſtand. Aehnlich verhalte es ſich mit Dalmatien.
Gegen Türk gewendet fährt Redner fort: Ich
glaube, das hohe Haus wird es mir erſparen,
auf die Rede des Abgeordneten der Troppauer
Landgemeinden einzugehen. Es iſt ein trauriges
Zeichen, daß ſolche Reden überhaupt jetzt in die-
ſem Hauſe möglich ſind; denn vor wenigen Jah-
ren waren ſolche Abgeordnete und eine derartige
Sprechweiſe in dieſem Hauſe nicht möglich. Daß
dieſe Sprechweiſe in einem gewiſſen Theile der
Bevölkerung Zuſtimmung und Anhängerſchaft
findet, zeigt wie tief der ganze öffentliche Geiſt
ſinkt, wenn ſolche Redner als populäre Wort-
führer eines gewiſſen Kreiſes der Oeffentlichkeit
erſcheinen, und jeder ruhige Politiker ſollte, wenn
er auch hier und da zu einer Art Heiterkeit an-
angeregt wird, eher mit Ernſt und Beſorgniß
ſehen, wohin unſer öffentliches Leben geht, wenn
nichts als Claſſenhaß, Verdächtigung und feind-
ſelige Verbitterung eines Theiles des Bevölkerung
gegen den anderen als der eigentliche Beruf
eines Volksvertreters verſtanden wird (Beifall links),
und wenn in einem Momente, wo von einer
Partei verſucht wird, bona fide einen Vorſchlag
zu machen, der, ſo weit dies unter den complicir-
ten Verhältniſſen der heutigen, ohnehin mit großen
Gegenſätzen erfüllten bürgerlichen Geſellſchaft mög-
lich iſt, eine Harmonie, ein gutes Zuſammenleben
der einzelnen Bevölkerungsclaſſen herbeizuführen
beſtrebt iſt — die Antwort darauf nichts iſt als
feindſelige Angriffe gegen einzelne Claſſen der
Geſellſchaft.

Der Herr Abgeordnete Türk verwahrt ſich
dagegen, Demagog zu ſein oder demagogiſch zu
ſprechen. Ich glaube, die Rede, welche er geſtern
gehalten hat, würde allein ausreichen, ihn als
einen demagogiſchen Redner erſcheinen zu laſſen.
Ich will nicht weiter auf eine Polemik gegen
ſeine Rede eingehen, weil dies weder mir, noch
dem hohen Hauſe zukommt (Sehr gut! links);
allein er ſagt: Wir ſind keine Demagogen u. ſ. w.;
und an derſelben Stelle einige Zeilen früher
ſagt er (lieſt:) „Ich wollte erwähnen, daß die
Früchte des parlamentariſchen Geſchäftsbetriebes,
wie er jetzt geübt wird, zum großen Theile den
Geſinnungsgenoſſen des Herrn Abgeordneten Plener
in den Schoß gefallen ſind; uns aber den kleinen
Leuten, ſind dieſe Früchte nicht in den Schoß ge-
fallen, wir haben die ſaueren, verdorbenen, verfaulten
Früchte bekommen, mit denen wir uns nicht
ernähren und ſättigen können.“ — Nun bitte
ich, mich jetzt zu unterbrechen und mir zu ſagen,
welche Früchte ſind unter dem jetzigen parlamen-
tariſchen Geſchäftsbetriebe, das heißt unter der
gegenwärtigen Regierungsmajorität, zu der Zeit,
wo wir ſeit dem Jahre 1879, alſo ſeit acht Jah-
ren, in der Minorität ſind, mir und meinen
Geſinnungsgenoſſen in den Schoß gefallen? Ich
werde jetzt ſchweigen und die Antwort erwarten.

Abg. Türk (nach einer Pauſe): Ich habe
die Majorität der Vereinigten Linken damit
gemeint.

Abg. v. Plener: Welche Früchte ſind alſo
[Spaltenumbruch] der Partei der Vereinigten Linken in den Schoß
gefallen? Ich bitte mir zu antworten.

Abg. Türk: Das kann ich ſchon beantwor-
ten, aber ich habe nicht das Wort. (Lautes Ge-
lächter links.) Ich darf nur an den Börſenkrach
und die Ausbeutung aller arbeitenden Claſſen
erinnern. (Rufe: Ruhig! Sie haben nicht das
Wort!)

Abg. v. Plener: Laſſen Sie ihn reden,
(Heiterkeit.) Dieſe Herren, die ſonſt mit Unter-
brechungen bei der Hand ſind, ſind, wenn man
ſie einmal an die Wand ſtellt und fragt: „Was
ſind die Anſchuldigungen concreter Natur, die Sie
gegen uns vorbringen?“ ſehr wenig gewandt und
verſtummen ſehr bald. Alſo der Börſenkrach hat
uns reiche Früchte in den Schoß gebracht!
(Heiterkeit.) Erſtens war der Börſenkrach im
Jahre 1873, zweitens ſind bei demſelben die
meiſten Leute verarmt, es ſind ihnen alſo nicht
reiche Früchte in den Schoß gefallen.

Abg. Türk: An was ſind denn dann Ihre
Freunde, die Juden, ſo reich geworden?

Abg. v. Plener: Ich glaube nicht, daß
die Juden durch den Börſenkrach reich geworden
ſind. (Heiterkeit.)

Abg. Türk: Aber durch die parlamentariſche
Herrſchaft.

Abg. v. Plener: Er ſprach von der Herr-
ſchaft der Vereinigten Linken, welche immer in
der Minderheit, in der Oppoſition war. Er ſprach
von dem jetzigen parlamentariſchen Geſchäftsbe-
triebe, er muß alſo offenbar das jetzige politiſche
Syſtem meinen, und ich glaube, daß uns bei
dieſem keine beſonderen Früchte in den Schoß
gefallen ſind. Hier wird das Alles als eine ſpaß-
hafte Scene betrachtet — es wird übrigens unter
der Reihe unſerer Gegner genug verſtändige Leute
geben, welche die Wahrheit erkennen (Abg. Türk:
Das iſt gar nicht ſpaßhaft), allein in der Oeffent-
lichkeit und in den großen populären Verſamm-
lungen, wo man nicht über alle Details ſo genau
informirt iſt, wirken ſolche Aeußerungen und
Angriffe allerdings gefährlich und verhetzend und
in dieſem Sinne ſind ſolche Aeußerungen, wenn
ſie von hier aus nach außen verbreitet werden,
demagogiſcher Natur.

Abg. Türk: Man weiß, wie viel Abge-
ordnete der Linken Verwaltungsräthe und Grün-
der bei Bank-Inſtituten waren. (Rufe links: Ruhig!
Nicht unterbrechen!)

Vicepräſident Ritter v. Chlumecky (das
Glockenzeichen gebend): Ich bitte, den Herrn Redner
nicht zu unterbrechen.

Abg. Türk: Er hat mich ja aufgefordert,
zu ſprechen.

Abg. v. Plener (fortfahrend): Nachdem
dieſer genannte Abgeordnete gar nichts vorzubrin-
gen weiß, als einige zum Gegenſtande ganz un-
paſſende Schlagworte, die er in einem früheren
Stadium ſeiner Agitation gelernt hat (Sehr
gut! links), die aber mit dem heutigen Gegen-
ſtande gar nicht zuſammenhängen, ſo will ich
mich mit ihm in keine weitere Polemik einlaſſen.
Nur noch ein Wort möchte ich ſagen: er hat ver-
ſucht, meine deutſche Geſinnung anzugreifen; nun
glaube ich aber ohne Selbſtüberhebung behaupten
zu können, daß ich in einigen Theilen Böhmens
ſowohl als auch hier einige Dienſte geleiſtet habe,
und war ich auch immer ſo glücklich, eine reiche
Anerkennung von Seiten des beſten Theiles der
deutſchen Bevölkerung Böhmens zu erhalten. Ich
bin daher nicht in der Lage, von irgend Jeman-
den, wenn ſie auch Deutſchnationale heißen, eine
Belehrung über gute deutſche Geſinnung und über
die correcte deutſche Haltung in Empfang zu
nehmen. Allerdings verſtehe ich die deutſche Ge-
ſinnung eines Deutſchöſterreichers nicht dahin, daß
er jeden Act der Berliner Regierung mit einer
Art religiöſer Begeiſterung kritiklos bewundert.

Hierauf wendet ſich Abg. v. Plener gegen
Abg. Kronawetter und weiſt nach, daß das
Syſtem, für welches Abg. Kronawetter plaidirt,
ein Syſtem der Unfreiheit ſei.

Im weiteren Verlaufe ſeiner Rede kam Dr.
v. Plener auf die Verſammlung zu ſprechen,
welche Dr. Kronawetter gegen den Deutſchen
Parteitag einberufen hatte und erwähnte dabei,
daß dieſe Verſammlung mit clericalem Gelde
arrangirt wurde.

Abg. v. Plener ſchloß ſodann: Für den
Dr. Kronawetter, für die Radicalen gibt es
keine Reform, keine langſame, ſtetige Entwicklung
wie ſie allein das Heil des Staates und des
[Spaltenumbruch] Volkes bedeutet, ſondern nur die brutale Gewalt,
entweder die brutale Gewalt von der einen oder
von der anderen Seite. Er verſteht nur Windiſch-
grätz, der die Radicalen zuſammenſchießt, oder
umgekehrt, die Radicalen, welche die Vertreter
der Autorität zuſammenſchießen. Darin liegt nach
ihm eigentlich der letzte Schluß und das letzte
Wort der politiſchen Entwicklung der Völker, und
das iſt die gefährliche Seite, daß man mit der
fortwährenden Gegenüberſtellung des abſoluteſten
Gegenſatzes der Partei der Ordnung und der Un-
ordnung zuletzt nur dahin kommt, wie der Herr
Abgeordnete Kronawetter, daß die letzte Entſchei-
dung eine Entſcheidung der rohen Gewalt und
des blutigen Kampfes iſt, während wir das nicht
wollen, weil wir nicht wollen, daß die bürgerliche
Geſellſchaft durch blutige und gewaltthätige Kriſen
hindurchgehe, weil wir nicht wollen, daß die
ſociale Frage im Wege einer Revolution oder im
Wege einer gewaltſamen Niederſchlagung einer
Revolution vorwärts gebracht werde, weil wir
wollen, daß dieſe großen Aufgaben, deren Be-
deutung die beſitzenden Claſſen ſich immer mehr
bewußt werden, im Wege friedlicher Reform, im
Wege gemeinſchaftlicher, ſachlicher Berathung ge-
fördert werden. Darum haben wir dieſen Vorſchlag
gemacht, haben ihn vorſichtig und mäßig gefaßt.
Eines iſt gewiß, daß nämlich der ein beſſerer
Freund der Arbeiter iſt, der verſucht, ſchrittweiſe
im Wege von Reformen ihre Intereſſen zu för-
dern, als Derjenige, welche die ganze Sache dahin-
ſtellt, daß zuletzt nur die rohe Gewalt und der
Bürgerkrieg über das Schickſal der Arbeiter und
des Staates entſcheiden ſollen. (Lebhafter Beifall
und Händeklatſchen links.)

Es verlangt ſodann zu einer thatſächlichen
Berichtigung der

Abg. Kronawetter das Wort, um ſich
bezüglich der 500 fl. zu rechtfertigen. Er ſagt:
Wie öfters Discuſſionen unter den Abgeordneten
gepflogen werden, ſo hat auch über die Ereigniſſe
zwiſchen mir und dem Abg. Schneid v. Treuen-
fels, der heute todt iſt, eine ganz zwangloſe
Privat-Discuſſion ſtattgefunden. Ich habe aber
von der Regierungspartei nicht einen Kreuzer be-
kommen, es iſt mit einer Partei von mir auch
nicht verkehrt worden (Gelächter links,) ſondern
nur mit einem einzigen Manne. (Rufe links:
Einem Mitgliede der Regierungspartei!)

Abg. Dr. Forreger: Aber Sie werden
doch nicht glanben, daß der Schneid das aus
ſeinem Sacke gezahlt hat!

Abg. Dr. Kronawetter: Ich bitte, um
das habe ich nicht gefragt (Geſächter links), das
kümmert mich nichts und intereſſirt mich auch nicht.
(Lachen links.) Die Sache hat ſich folgendermaßen
entwickelt: Er hat geſagt, daß da eine Verſamm-
lung ſtattfinden ſoll, ihnen aber die Geſchichte
etwas unangenehm iſt. (Gelächter und Rufe links:
Wem ihnen?) Ich bitte, mich nicht ſo auszufragen,
begnügen Sie ſich mit dem was ich ſage; wahr-
ſcheinlich war es ſeinen Bekannten unangenehm.
(Gelächter links.)

Er hat dann geſagt, es wäre recht gut, wenn
eine andere Verſammlung an demſelben Tage
ſtattfände und ob das möglich wäre. Darauf
habe ich geſagt: „Wir ſtehen Gewehr bei Fuß,
uns geht das nichts an.“ Darauf hat er mir
geſagt: Seine Partei (Rufe links: Aha!) geht
mit einer Aenderung des Wahlgeſetzes um, wo-
durch den Fünfguldenmännern das Wahlrecht er-
theilt werden ſoll. Und er hat mir die poſitive
Zuſicherung gegeben, daß dieſe Partei den Fünf-
guldenmännern das Wahlrecht in der ganzen
Monarchie geben wird. Darauf habe ich geſagt:
Wenn dem ſo iſt, wenn Sie das für uns thun
wollen, ſo werde ich ſchauen, ob nicht ſo eine
Verſammlung zu machen iſt, jedoch muß ſie voll-
kommen frei ſein.

Abg. Prade ruft: Das hat der Schneid
machen können!

Abg. Dr. Kronawetter: Das kümmert
mich nicht, wer’s machen kann und wer’s nicht
machen kann. Nun, ſo eine Geſchichte koſtet ja
Geld. Sie werden wiſſen, daß Sie den Sofien-
ſaal auch nicht umſonſt gehabt haben. (Rufe
links: Das haben wir ſelbſt gezahlt!) Man
kann doch nicht Leuten zumuthen, daß ſie die
Koſten für die Verſammlung tragen, die ja doch
in letzter Linie nicht ihnen zugute gekommen iſt,
denn das Wahlrecht der Fünfguldenmänner iſt ja
ihnen nicht zugute gekommen. Sie haben nur
den einen Vortheil gehabt, daß ſie einmal den

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</TEI>
[[3]/0003] gehobenen Stimmung das Schlußwort ſpreche, als die Stimmung war, womit ich den Antrag begründet habe. Nach übereinſtimmenden Mitthei- lungen war zur Zeit der Einbringung des An- trages ziemlich allgemein bekannt, daß alle Par- teien dieſes Hauſes dem Antrage im Großen und Ganzen zuſtimmen werden, und daß unter dem gemeinſchaftlichen Gefühl der Nothwendigkeit ſo- cialer Reformen ein gedeihliches Zuſammenwirken aller Parteien möglich ſein werde, und man hat gehofft, daß auch in dieſem Sinne ſich die Stim- men bei der erſten Leſung ausſprechen werden. Allein die kurze Debatte bei der erſten Leſung hat gezeigt, wie überwuchernd und gehäſſig der Parteigeiſt in dieſem Hauſe iſt, daß ſelbſt bei einem Anlaſſe, wo in Bezug auf den Zweck bei allen Parteien Uebereinſtimmung herrſcht, dennoch ſofort der gehäſſige kleinliche Parteiſtandpunct dominirt und die ganze Debatte, welche zu einer befriedigenden Einigung aller Parteien hätte füh- ren können, ſofort in ein widerliches Gezänke einzelner Parteiſtandpuncte ausgeartet iſt. (Zu- ſtimmung links.) Redner wendet ſich dann gegen Dr. Kaizl, der, trotzdem er (Plener) offen erklärt habe, in Bezug auf das Wahlrecht der Arbeiter ſeit 1874 anderer Meinung geworden zu ſein, doch wieder auf ſeine damaligen Aeußerungen zurückgekommen ſei, eben weil es einmal auf ſeinem Concept ſtand. Aehnlich verhalte es ſich mit Dalmatien. Gegen Türk gewendet fährt Redner fort: Ich glaube, das hohe Haus wird es mir erſparen, auf die Rede des Abgeordneten der Troppauer Landgemeinden einzugehen. Es iſt ein trauriges Zeichen, daß ſolche Reden überhaupt jetzt in die- ſem Hauſe möglich ſind; denn vor wenigen Jah- ren waren ſolche Abgeordnete und eine derartige Sprechweiſe in dieſem Hauſe nicht möglich. Daß dieſe Sprechweiſe in einem gewiſſen Theile der Bevölkerung Zuſtimmung und Anhängerſchaft findet, zeigt wie tief der ganze öffentliche Geiſt ſinkt, wenn ſolche Redner als populäre Wort- führer eines gewiſſen Kreiſes der Oeffentlichkeit erſcheinen, und jeder ruhige Politiker ſollte, wenn er auch hier und da zu einer Art Heiterkeit an- angeregt wird, eher mit Ernſt und Beſorgniß ſehen, wohin unſer öffentliches Leben geht, wenn nichts als Claſſenhaß, Verdächtigung und feind- ſelige Verbitterung eines Theiles des Bevölkerung gegen den anderen als der eigentliche Beruf eines Volksvertreters verſtanden wird (Beifall links), und wenn in einem Momente, wo von einer Partei verſucht wird, bona fide einen Vorſchlag zu machen, der, ſo weit dies unter den complicir- ten Verhältniſſen der heutigen, ohnehin mit großen Gegenſätzen erfüllten bürgerlichen Geſellſchaft mög- lich iſt, eine Harmonie, ein gutes Zuſammenleben der einzelnen Bevölkerungsclaſſen herbeizuführen beſtrebt iſt — die Antwort darauf nichts iſt als feindſelige Angriffe gegen einzelne Claſſen der Geſellſchaft. Der Herr Abgeordnete Türk verwahrt ſich dagegen, Demagog zu ſein oder demagogiſch zu ſprechen. Ich glaube, die Rede, welche er geſtern gehalten hat, würde allein ausreichen, ihn als einen demagogiſchen Redner erſcheinen zu laſſen. Ich will nicht weiter auf eine Polemik gegen ſeine Rede eingehen, weil dies weder mir, noch dem hohen Hauſe zukommt (Sehr gut! links); allein er ſagt: Wir ſind keine Demagogen u. ſ. w.; und an derſelben Stelle einige Zeilen früher ſagt er (lieſt:) „Ich wollte erwähnen, daß die Früchte des parlamentariſchen Geſchäftsbetriebes, wie er jetzt geübt wird, zum großen Theile den Geſinnungsgenoſſen des Herrn Abgeordneten Plener in den Schoß gefallen ſind; uns aber den kleinen Leuten, ſind dieſe Früchte nicht in den Schoß ge- fallen, wir haben die ſaueren, verdorbenen, verfaulten Früchte bekommen, mit denen wir uns nicht ernähren und ſättigen können.“ — Nun bitte ich, mich jetzt zu unterbrechen und mir zu ſagen, welche Früchte ſind unter dem jetzigen parlamen- tariſchen Geſchäftsbetriebe, das heißt unter der gegenwärtigen Regierungsmajorität, zu der Zeit, wo wir ſeit dem Jahre 1879, alſo ſeit acht Jah- ren, in der Minorität ſind, mir und meinen Geſinnungsgenoſſen in den Schoß gefallen? Ich werde jetzt ſchweigen und die Antwort erwarten. Abg. Türk (nach einer Pauſe): Ich habe die Majorität der Vereinigten Linken damit gemeint. Abg. v. Plener: Welche Früchte ſind alſo der Partei der Vereinigten Linken in den Schoß gefallen? Ich bitte mir zu antworten. Abg. Türk: Das kann ich ſchon beantwor- ten, aber ich habe nicht das Wort. (Lautes Ge- lächter links.) Ich darf nur an den Börſenkrach und die Ausbeutung aller arbeitenden Claſſen erinnern. (Rufe: Ruhig! Sie haben nicht das Wort!) Abg. v. Plener: Laſſen Sie ihn reden, (Heiterkeit.) Dieſe Herren, die ſonſt mit Unter- brechungen bei der Hand ſind, ſind, wenn man ſie einmal an die Wand ſtellt und fragt: „Was ſind die Anſchuldigungen concreter Natur, die Sie gegen uns vorbringen?“ ſehr wenig gewandt und verſtummen ſehr bald. Alſo der Börſenkrach hat uns reiche Früchte in den Schoß gebracht! (Heiterkeit.) Erſtens war der Börſenkrach im Jahre 1873, zweitens ſind bei demſelben die meiſten Leute verarmt, es ſind ihnen alſo nicht reiche Früchte in den Schoß gefallen. Abg. Türk: An was ſind denn dann Ihre Freunde, die Juden, ſo reich geworden? Abg. v. Plener: Ich glaube nicht, daß die Juden durch den Börſenkrach reich geworden ſind. (Heiterkeit.) Abg. Türk: Aber durch die parlamentariſche Herrſchaft. Abg. v. Plener: Er ſprach von der Herr- ſchaft der Vereinigten Linken, welche immer in der Minderheit, in der Oppoſition war. Er ſprach von dem jetzigen parlamentariſchen Geſchäftsbe- triebe, er muß alſo offenbar das jetzige politiſche Syſtem meinen, und ich glaube, daß uns bei dieſem keine beſonderen Früchte in den Schoß gefallen ſind. Hier wird das Alles als eine ſpaß- hafte Scene betrachtet — es wird übrigens unter der Reihe unſerer Gegner genug verſtändige Leute geben, welche die Wahrheit erkennen (Abg. Türk: Das iſt gar nicht ſpaßhaft), allein in der Oeffent- lichkeit und in den großen populären Verſamm- lungen, wo man nicht über alle Details ſo genau informirt iſt, wirken ſolche Aeußerungen und Angriffe allerdings gefährlich und verhetzend und in dieſem Sinne ſind ſolche Aeußerungen, wenn ſie von hier aus nach außen verbreitet werden, demagogiſcher Natur. Abg. Türk: Man weiß, wie viel Abge- ordnete der Linken Verwaltungsräthe und Grün- der bei Bank-Inſtituten waren. (Rufe links: Ruhig! Nicht unterbrechen!) Vicepräſident Ritter v. Chlumecky (das Glockenzeichen gebend): Ich bitte, den Herrn Redner nicht zu unterbrechen. Abg. Türk: Er hat mich ja aufgefordert, zu ſprechen. Abg. v. Plener (fortfahrend): Nachdem dieſer genannte Abgeordnete gar nichts vorzubrin- gen weiß, als einige zum Gegenſtande ganz un- paſſende Schlagworte, die er in einem früheren Stadium ſeiner Agitation gelernt hat (Sehr gut! links), die aber mit dem heutigen Gegen- ſtande gar nicht zuſammenhängen, ſo will ich mich mit ihm in keine weitere Polemik einlaſſen. Nur noch ein Wort möchte ich ſagen: er hat ver- ſucht, meine deutſche Geſinnung anzugreifen; nun glaube ich aber ohne Selbſtüberhebung behaupten zu können, daß ich in einigen Theilen Böhmens ſowohl als auch hier einige Dienſte geleiſtet habe, und war ich auch immer ſo glücklich, eine reiche Anerkennung von Seiten des beſten Theiles der deutſchen Bevölkerung Böhmens zu erhalten. Ich bin daher nicht in der Lage, von irgend Jeman- den, wenn ſie auch Deutſchnationale heißen, eine Belehrung über gute deutſche Geſinnung und über die correcte deutſche Haltung in Empfang zu nehmen. Allerdings verſtehe ich die deutſche Ge- ſinnung eines Deutſchöſterreichers nicht dahin, daß er jeden Act der Berliner Regierung mit einer Art religiöſer Begeiſterung kritiklos bewundert. Hierauf wendet ſich Abg. v. Plener gegen Abg. Kronawetter und weiſt nach, daß das Syſtem, für welches Abg. Kronawetter plaidirt, ein Syſtem der Unfreiheit ſei. Im weiteren Verlaufe ſeiner Rede kam Dr. v. Plener auf die Verſammlung zu ſprechen, welche Dr. Kronawetter gegen den Deutſchen Parteitag einberufen hatte und erwähnte dabei, daß dieſe Verſammlung mit clericalem Gelde arrangirt wurde. Abg. v. Plener ſchloß ſodann: Für den Dr. Kronawetter, für die Radicalen gibt es keine Reform, keine langſame, ſtetige Entwicklung wie ſie allein das Heil des Staates und des Volkes bedeutet, ſondern nur die brutale Gewalt, entweder die brutale Gewalt von der einen oder von der anderen Seite. Er verſteht nur Windiſch- grätz, der die Radicalen zuſammenſchießt, oder umgekehrt, die Radicalen, welche die Vertreter der Autorität zuſammenſchießen. Darin liegt nach ihm eigentlich der letzte Schluß und das letzte Wort der politiſchen Entwicklung der Völker, und das iſt die gefährliche Seite, daß man mit der fortwährenden Gegenüberſtellung des abſoluteſten Gegenſatzes der Partei der Ordnung und der Un- ordnung zuletzt nur dahin kommt, wie der Herr Abgeordnete Kronawetter, daß die letzte Entſchei- dung eine Entſcheidung der rohen Gewalt und des blutigen Kampfes iſt, während wir das nicht wollen, weil wir nicht wollen, daß die bürgerliche Geſellſchaft durch blutige und gewaltthätige Kriſen hindurchgehe, weil wir nicht wollen, daß die ſociale Frage im Wege einer Revolution oder im Wege einer gewaltſamen Niederſchlagung einer Revolution vorwärts gebracht werde, weil wir wollen, daß dieſe großen Aufgaben, deren Be- deutung die beſitzenden Claſſen ſich immer mehr bewußt werden, im Wege friedlicher Reform, im Wege gemeinſchaftlicher, ſachlicher Berathung ge- fördert werden. Darum haben wir dieſen Vorſchlag gemacht, haben ihn vorſichtig und mäßig gefaßt. Eines iſt gewiß, daß nämlich der ein beſſerer Freund der Arbeiter iſt, der verſucht, ſchrittweiſe im Wege von Reformen ihre Intereſſen zu för- dern, als Derjenige, welche die ganze Sache dahin- ſtellt, daß zuletzt nur die rohe Gewalt und der Bürgerkrieg über das Schickſal der Arbeiter und des Staates entſcheiden ſollen. (Lebhafter Beifall und Händeklatſchen links.) Es verlangt ſodann zu einer thatſächlichen Berichtigung der Abg. Kronawetter das Wort, um ſich bezüglich der 500 fl. zu rechtfertigen. Er ſagt: Wie öfters Discuſſionen unter den Abgeordneten gepflogen werden, ſo hat auch über die Ereigniſſe zwiſchen mir und dem Abg. Schneid v. Treuen- fels, der heute todt iſt, eine ganz zwangloſe Privat-Discuſſion ſtattgefunden. Ich habe aber von der Regierungspartei nicht einen Kreuzer be- kommen, es iſt mit einer Partei von mir auch nicht verkehrt worden (Gelächter links,) ſondern nur mit einem einzigen Manne. (Rufe links: Einem Mitgliede der Regierungspartei!) Abg. Dr. Forreger: Aber Sie werden doch nicht glanben, daß der Schneid das aus ſeinem Sacke gezahlt hat! Abg. Dr. Kronawetter: Ich bitte, um das habe ich nicht gefragt (Geſächter links), das kümmert mich nichts und intereſſirt mich auch nicht. (Lachen links.) Die Sache hat ſich folgendermaßen entwickelt: Er hat geſagt, daß da eine Verſamm- lung ſtattfinden ſoll, ihnen aber die Geſchichte etwas unangenehm iſt. (Gelächter und Rufe links: Wem ihnen?) Ich bitte, mich nicht ſo auszufragen, begnügen Sie ſich mit dem was ich ſage; wahr- ſcheinlich war es ſeinen Bekannten unangenehm. (Gelächter links.) Er hat dann geſagt, es wäre recht gut, wenn eine andere Verſammlung an demſelben Tage ſtattfände und ob das möglich wäre. Darauf habe ich geſagt: „Wir ſtehen Gewehr bei Fuß, uns geht das nichts an.“ Darauf hat er mir geſagt: Seine Partei (Rufe links: Aha!) geht mit einer Aenderung des Wahlgeſetzes um, wo- durch den Fünfguldenmännern das Wahlrecht er- theilt werden ſoll. Und er hat mir die poſitive Zuſicherung gegeben, daß dieſe Partei den Fünf- guldenmännern das Wahlrecht in der ganzen Monarchie geben wird. Darauf habe ich geſagt: Wenn dem ſo iſt, wenn Sie das für uns thun wollen, ſo werde ich ſchauen, ob nicht ſo eine Verſammlung zu machen iſt, jedoch muß ſie voll- kommen frei ſein. Abg. Prade ruft: Das hat der Schneid machen können! Abg. Dr. Kronawetter: Das kümmert mich nicht, wer’s machen kann und wer’s nicht machen kann. Nun, ſo eine Geſchichte koſtet ja Geld. Sie werden wiſſen, daß Sie den Sofien- ſaal auch nicht umſonſt gehabt haben. (Rufe links: Das haben wir ſelbſt gezahlt!) Man kann doch nicht Leuten zumuthen, daß ſie die Koſten für die Verſammlung tragen, die ja doch in letzter Linie nicht ihnen zugute gekommen iſt, denn das Wahlrecht der Fünfguldenmänner iſt ja ihnen nicht zugute gekommen. Sie haben nur den einen Vortheil gehabt, daß ſie einmal den

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 29, Olmütz, 07.02.1887, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches29_1887/3>, abgerufen am 28.03.2024.