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Märkische Blätter. Jahrgang 7, Nr. 7. Hattingen, 24. Januar 1855.

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Märkische Blätter.
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Erscheinen Mittwoch und Sonnabend.
Preis vierteljährlich 10 Sgr.
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Briefe werden franco erbeten.

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ro 7.Hattingen, Mittwoch, den 24. Januar 1855.


[Beginn Spaltensatz]
Das schwarze Meer und seine Umge-
bungen.

( Schluß. )

Während in dem heutigen Konstantinopel die Natur Alles, die
Kunst nichts gethan hat, liegt nur 95 Seemeilen weit nördlich ein
Ort, welcher Alles der Kunst und der Natur blos seine Lage ver-
dankt, der russische Kriegshafen Sewastopol die Stadt des heil. Se-
bastian.

Selbst die geschwornen Feinde der rufsischen Macht stellen es
nicht in Abrede, daß dieser Ort für seinen Zweck trefflich gelegen und
mit vieler Umficht und Mühe zu dem geschaffen worden ist als was
er sich angeblich bewähren soll, ein unüberwindliches Bollwerk der
russischen Flotte.

Der Hafen von Sewastopol besteht aus einer großen Bai, die
sich von Süden nach Norden in die Halbinse Krim, und vier kleineren
Buchten, die sich noch in das Land hinein erstrecken Der Bai welcher die
Rhede bildet, ist etwa eine Meile lang und am Eingang 4200 Fuß breit
und so tief, daß die größten Schiffe in derselben Anker werfen können.

Die vier Buchten bilden eben so viele Hafen, von welchen der
äußerste der Gesundheitshafen ist. auf welchen der Handels=, Kriegs-
und Ausbesserungshafen folgt.

Sämmtliche Hafen liegen an der andern Seite der Bai, haben
ausgezeichneten Ankergrund und sind durch hohe Berge gegen jeden
Sturm und durch furchtbare Batterien gegen die Angriffe von außen
geschützt.

Die sämmtlichen Batterien und Festungswerke schützen Sewa-
stopol lediglich nach der Seeseite, da eine Landung früher nicht be-
fürchten ward.

Erst jetzt ist das befestigte Lager durch neue Schanzen verstärkt
worden, da eine solche Gefahr droht. Sämmtliche Forts enthalten
gegen 1000 Kanonen von schwerem Kaliber, und wenn es gleich in
neuerer Zeit Engländer und Franzosen gegeben hat, die an den Be-
festigungen mancherlei zu tadeln fanden, so hatten doch bereits vor
20 Jahren Marschall Marmont, dem Niemand Kenntniß und Unbe-
fangenheit absprechen wird, Sewastopol für einen uneinnehmbaren
Platz erklärt; seitdem sind die Russen nicht müde geworden, die Werke
zu vervollständigen und mit allen Hülfsmitteln der neuern Kriegskunde
auszustatten.

Wirklich standen auch die Admiräle von dem Verfuche, Sewastopol
durch einen bloßen Angriff zur See zu überwältigen, ab, da ein sol-
cher Sieg mit unverhältnißmäßig großen Opfern erkauft werden
müßte. Fürst Mentschikoff, der klug genug ist, die Kraft der russ.
Seemacht nicht zu überschätzen, mochten sie keinem Kampfe gegen die
Flotten der Westmächte aussetzen; um Sewastopol aber zu Lande
im Rücken zu fassen, sind zahlreiche Truppen nöthig, woran es lange
fehlte, da das verhältnißmäßig geringe orientalische Heer der West-
mächte kaum hinreichte, den Feind an der Danau zu bekämpfen.

Der Kriegszweck war überhaupt von vorn herein nicht der, Ruß-
lands Macht auf irgend einem Punkte zu vernichten, sondern nur, sie
in [unleserliches Material - 11 Zeichen fehlen]angemessene Schranken zurückzuweisen und ihrem verfuchten Wei-
tergreifen Dämme entgegenzusetzen. Selbst wenn alles Land dies-
oder jenseits des Kaukasus für Rußland verloren ginge, bliebe ihm
[unleserliches Material] Schwarzen Meere noch immer ein ausgedehntes und wichtiges
[Spaltenumbruch] Küstengebiet, zu desser Schutz einer Flotte bedarf. Nur die Alleinherrschaft
auf dem Schw. Meere welches dadurch zu einem russ. See werdenkönne,
kann dieser Macht nicht überlassenwerden Mohne daß alle handeltreibinden
Völker und unterdiesen vornehmlich auch die deutschen leiden müßten.

Die alten Handelsstraßen an das Kaspische Meer sind uns ver-
legt, und je weiter der russische Besitz sich ausdehnte, um so mehr
gingen die Küstenstrecken des Pontus und alle dahinter liegenden
asiatischen Länder für unsere Unternehmungen verloren. Besonders
wichtig aber ist es für Deutschland, die russische Herrschaft von dem
zwar kleinen, aber unendlich wichtigen Donaudelta zu verdrängen,
das es im Frieden von Adrianopel erwarb und seitdem die Mün-
dungen des deutschen Stromes versanden läßt, durch Zölle, Quaran-
tänen und Plackereien die Schiffahrt und den Verkehr stört und in
jedem Augenblicke die Donau gänzlich absperren kann.

Um [unleserliches Material - 6 Zeichen fehlen]solche Uebergriffe abzuschneiden, ist es nothwendig, daß das
Schwarze Meer den Kriegsflotten anderer Mächte zugänglich werde
und daß nicht blos die Lloyddampfer, sondern auch Oestreichs Kriegs-
schiffe im Schwarzen Meer erscheinen, die Ehre und Sicherheit der
deutschen Flagge beschützen und uns die Donau offen halteni

Deutschland darf sich die Donau weder von Rußland sperren, noch
von den Westmächten öffnen lassen.

Es ist stark genug, sein Recht selbst zn behaupten und wenn ihm
Gehör versagt wird, dafür mit den Waffen einzutreten. Darin und
nicht in einem Hingeben an die Westmächte lag die Aufforderung füe[unleserliches Material]
die Regierungen Deutschlands zur Theilnahme an einem Kriege, der
seine nächsten Jnterressen berührt und worin es nicht weiter gehen
will, als die Wahrung seiner Wohlfahrt und seines Rechtes er-
fordert.



Oberpräsident Vincke.
Von W. Alexis ( W. Häring. )

Ueber 40 Jahrr lang war Vincke zuerst Landrath, dann Präsi-
dent, endlich Oberpräsident in seinem Vaterlande geween, das er
über Alles lieb hatte, und hatte es in seinem blauen Kittel von
einem Wintel zum andern, kreuz und quer, durchwandert. Da war
auch kein noch so fernes Gebirgsdorf, kein noch so entlegenes Vor-
werk in der Haide, wo er nicht gewesen. Selbst, meinte er, müsse
die Obrigkeit alles sehen, wenn sie etwas besser machen wolle, was
schlecht war, und auf die rechte Art helfen, wo rechte Noth sei. Und
sein ganzes Leben war, überall zu helfen, und zu beschützen, zu pfle-
gen, gemeinnützige Anlagen in's Leben zu rufen, und wo es etwas
zu thun gab, und die Noth dringend war, nicht erst lang zu berich-
ten, und zu fragen, ob es etwa gut geheißen würde, oder ob es miß-
liebig aufgenommen werden könnte, sondern rasch anzugreifen, wo es
Noth that. Und wenn seine Handlungsweise wirklich oben einmal
nicht gefallen hätte, da kümmerte ihn das auch nicht über die Maa-
ßen, noch schob er es auf andere, sondern war der Mann, es auf
seine Kappe zu nehmen. Wo er im Recht war, ließ er sich nicht
viel sagen, und wenn sie ihm zu viel sägten was ihm nicht recht war,
ließ er sich nicht den Mund verbinden durch das was sie Rücksichten
heißen, war vielmehr jederzeit bereit, sein Amt niederzulegen. Daher
sagten sie ihm auch viel weniger als anderen Oberpräsidenten, er
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Das schwarze Meer und seine Umge-
bungen.

( Schluß. )

Während in dem heutigen Konstantinopel die Natur Alles, die
Kunst nichts gethan hat, liegt nur 95 Seemeilen weit nördlich ein
Ort, welcher Alles der Kunst und der Natur blos seine Lage ver-
dankt, der russische Kriegshafen Sewastopol die Stadt des heil. Se-
bastian.

Selbst die geschwornen Feinde der rufsischen Macht stellen es
nicht in Abrede, daß dieser Ort für seinen Zweck trefflich gelegen und
mit vieler Umficht und Mühe zu dem geschaffen worden ist als was
er sich angeblich bewähren soll, ein unüberwindliches Bollwerk der
russischen Flotte.

Der Hafen von Sewastopol besteht aus einer großen Bai, die
sich von Süden nach Norden in die Halbinse Krim, und vier kleineren
Buchten, die sich noch in das Land hinein erstrecken Der Bai welcher die
Rhede bildet, ist etwa eine Meile lang und am Eingang 4200 Fuß breit
und so tief, daß die größten Schiffe in derselben Anker werfen können.

Die vier Buchten bilden eben so viele Hafen, von welchen der
äußerste der Gesundheitshafen ist. auf welchen der Handels=, Kriegs-
und Ausbesserungshafen folgt.

Sämmtliche Hafen liegen an der andern Seite der Bai, haben
ausgezeichneten Ankergrund und sind durch hohe Berge gegen jeden
Sturm und durch furchtbare Batterien gegen die Angriffe von außen
geschützt.

Die sämmtlichen Batterien und Festungswerke schützen Sewa-
stopol lediglich nach der Seeseite, da eine Landung früher nicht be-
fürchten ward.

Erst jetzt ist das befestigte Lager durch neue Schanzen verstärkt
worden, da eine solche Gefahr droht. Sämmtliche Forts enthalten
gegen 1000 Kanonen von schwerem Kaliber, und wenn es gleich in
neuerer Zeit Engländer und Franzosen gegeben hat, die an den Be-
festigungen mancherlei zu tadeln fanden, so hatten doch bereits vor
20 Jahren Marschall Marmont, dem Niemand Kenntniß und Unbe-
fangenheit absprechen wird, Sewastopol für einen uneinnehmbaren
Platz erklärt; seitdem sind die Russen nicht müde geworden, die Werke
zu vervollständigen und mit allen Hülfsmitteln der neuern Kriegskunde
auszustatten.

Wirklich standen auch die Admiräle von dem Verfuche, Sewastopol
durch einen bloßen Angriff zur See zu überwältigen, ab, da ein sol-
cher Sieg mit unverhältnißmäßig großen Opfern erkauft werden
müßte. Fürst Mentschikoff, der klug genug ist, die Kraft der russ.
Seemacht nicht zu überschätzen, mochten sie keinem Kampfe gegen die
Flotten der Westmächte aussetzen; um Sewastopol aber zu Lande
im Rücken zu fassen, sind zahlreiche Truppen nöthig, woran es lange
fehlte, da das verhältnißmäßig geringe orientalische Heer der West-
mächte kaum hinreichte, den Feind an der Danau zu bekämpfen.

Der Kriegszweck war überhaupt von vorn herein nicht der, Ruß-
lands Macht auf irgend einem Punkte zu vernichten, sondern nur, sie
in [unleserliches Material – 11 Zeichen fehlen]angemessene Schranken zurückzuweisen und ihrem verfuchten Wei-
tergreifen Dämme entgegenzusetzen. Selbst wenn alles Land dies-
oder jenseits des Kaukasus für Rußland verloren ginge, bliebe ihm
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[Spaltenumbruch] Küstengebiet, zu desser Schutz einer Flotte bedarf. Nur die Alleinherrschaft
auf dem Schw. Meere welches dadurch zu einem russ. See werdenkönne,
kann dieser Macht nicht überlassenwerden Mohne daß alle handeltreibinden
Völker und unterdiesen vornehmlich auch die deutschen leiden müßten.

Die alten Handelsstraßen an das Kaspische Meer sind uns ver-
legt, und je weiter der russische Besitz sich ausdehnte, um so mehr
gingen die Küstenstrecken des Pontus und alle dahinter liegenden
asiatischen Länder für unsere Unternehmungen verloren. Besonders
wichtig aber ist es für Deutschland, die russische Herrschaft von dem
zwar kleinen, aber unendlich wichtigen Donaudelta zu verdrängen,
das es im Frieden von Adrianopel erwarb und seitdem die Mün-
dungen des deutschen Stromes versanden läßt, durch Zölle, Quaran-
tänen und Plackereien die Schiffahrt und den Verkehr stört und in
jedem Augenblicke die Donau gänzlich absperren kann.

Um [unleserliches Material – 6 Zeichen fehlen]solche Uebergriffe abzuschneiden, ist es nothwendig, daß das
Schwarze Meer den Kriegsflotten anderer Mächte zugänglich werde
und daß nicht blos die Lloyddampfer, sondern auch Oestreichs Kriegs-
schiffe im Schwarzen Meer erscheinen, die Ehre und Sicherheit der
deutschen Flagge beschützen und uns die Donau offen halteni

Deutschland darf sich die Donau weder von Rußland sperren, noch
von den Westmächten öffnen lassen.

Es ist stark genug, sein Recht selbst zn behaupten und wenn ihm
Gehör versagt wird, dafür mit den Waffen einzutreten. Darin und
nicht in einem Hingeben an die Westmächte lag die Aufforderung füe[unleserliches Material]
die Regierungen Deutschlands zur Theilnahme an einem Kriege, der
seine nächsten Jnterressen berührt und worin es nicht weiter gehen
will, als die Wahrung seiner Wohlfahrt und seines Rechtes er-
fordert.



Oberpräsident Vincke.
Von W. Alexis ( W. Häring. )

Ueber 40 Jahrr lang war Vincke zuerst Landrath, dann Präsi-
dent, endlich Oberpräsident in seinem Vaterlande geween, das er
über Alles lieb hatte, und hatte es in seinem blauen Kittel von
einem Wintel zum andern, kreuz und quer, durchwandert. Da war
auch kein noch so fernes Gebirgsdorf, kein noch so entlegenes Vor-
werk in der Haide, wo er nicht gewesen. Selbst, meinte er, müsse
die Obrigkeit alles sehen, wenn sie etwas besser machen wolle, was
schlecht war, und auf die rechte Art helfen, wo rechte Noth sei. Und
sein ganzes Leben war, überall zu helfen, und zu beschützen, zu pfle-
gen, gemeinnützige Anlagen in's Leben zu rufen, und wo es etwas
zu thun gab, und die Noth dringend war, nicht erst lang zu berich-
ten, und zu fragen, ob es etwa gut geheißen würde, oder ob es miß-
liebig aufgenommen werden könnte, sondern rasch anzugreifen, wo es
Noth that. Und wenn seine Handlungsweise wirklich oben einmal
nicht gefallen hätte, da kümmerte ihn das auch nicht über die Maa-
ßen, noch schob er es auf andere, sondern war der Mann, es auf
seine Kappe zu nehmen. Wo er im Recht war, ließ er sich nicht
viel sagen, und wenn sie ihm zu viel sägten was ihm nicht recht war,
ließ er sich nicht den Mund verbinden durch das was sie Rücksichten
heißen, war vielmehr jederzeit bereit, sein Amt niederzulegen. Daher
sagten sie ihm auch viel weniger als anderen Oberpräsidenten, er
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Häring. ) Ueber 40 Jahrr lang war Vincke zuerst Landrath, dann Präsi- dent, endlich Oberpräsident in seinem Vaterlande geween, das er über Alles lieb hatte, und hatte es in seinem blauen Kittel von einem Wintel zum andern, kreuz und quer, durchwandert. Da war auch kein noch so fernes Gebirgsdorf, kein noch so entlegenes Vor- werk in der Haide, wo er nicht gewesen. Selbst, meinte er, müsse die Obrigkeit alles sehen, wenn sie etwas besser machen wolle, was schlecht war, und auf die rechte Art helfen, wo rechte Noth sei. Und sein ganzes Leben war, überall zu helfen, und zu beschützen, zu pfle- gen, gemeinnützige Anlagen in's Leben zu rufen, und wo es etwas zu thun gab, und die Noth dringend war, nicht erst lang zu berich- ten, und zu fragen, ob es etwa gut geheißen würde, oder ob es miß- liebig aufgenommen werden könnte, sondern rasch anzugreifen, wo es Noth that. Und wenn seine Handlungsweise wirklich oben einmal nicht gefallen hätte, da kümmerte ihn das auch nicht über die Maa- ßen, noch schob er es auf andere, sondern war der Mann, es auf seine Kappe zu nehmen. Wo er im Recht war, ließ er sich nicht viel sagen, und wenn sie ihm zu viel sägten was ihm nicht recht war, ließ er sich nicht den Mund verbinden durch das was sie Rücksichten heißen, war vielmehr jederzeit bereit, sein Amt niederzulegen. Daher sagten sie ihm auch viel weniger als anderen Oberpräsidenten, er

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz, Benjamin Fiechter: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




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URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische007_1855
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Zitationshilfe: Märkische Blätter. Jahrgang 7, Nr. 7. Hattingen, 24. Januar 1855, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische007_1855/1>, abgerufen am 09.05.2024.