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Mainzer Journal. Nr. 30. Mainz, 15. Juli 1848.

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Versammlungen hier besuchen.

? Mainz 13. Juli. Die zehn Jnculpaten, welche der be-
kannten Beschädigung des Hauses von Christian Lothari, Bau-
unternehmer in Mainz, verübt am 5. April, beschuldigt waren,
standen gestern vor dem Zuchtpolizeigericht. Durch das auf heute
vertagte Urtheil wurden sieben als nicht überwiesen von der La-
dung entlassen, dagegen jeder der fünf andern Beschuldigten in
eine Correctionshausstrafe von fünf Monaten und solidarisch in
die Kosten verurtheilt.

Mainz 14. Juli. Jn der gestrigen Assisensitzung wurde
die Sache gegen Georg Guck, 29 Jahre alt, Omnibus=Con-
ducteur in Bingen, der Erpressung mittelst gefährliche Drohungen
angeklagt, verhandelt und die weitere Debatte auf heute vertagt,
deren Ergebniß wir sofort mittheilen werden. Der Mitangeklagte
Jakob Leonhard, 26 Jahre alt, Bäcker in Bingen wohn-
haft, welcher bisher flüchtig war, stellte sich gestern gleich nach
Beginn freiwillig in der Sitzung unter Verzichtleistung auf alle
Förmlichkeiten und dem Wunsche gleichzeitig mit Guck abgeurtheilt
zu werden. Der Gerichtshof nahm jedoch in Betracht der recht-
lichen Unmöglichkeit keine Rücksicht auf dieses Ansinnen. Wie
man sagt soll sich hierauf Leonhard der Verhaftnahme abermals
entzogen haben.

Mainz 14. Juli. Nachmittags4 1 / 2 Uhr. So eben wurde
der Omnibus=Conducteur Georg Guck von den Geschworenen,
unter Beseitigung des ihm zu Last gelegten Verbrechens, der
widerrechtlichen Eindringung in eine fremde Wohnung schuldig
erklärt und hierauf von dem Assisenhof in eine Gefängnißstrafe
von Einem Monat und in die Kosten verurtheilt. -- Unmittelbar
hierauf wurde zur Verhandlung der letzten Sache gegen Valen-
tin Grieshawer,
29 Jahr alt, Maurer in Partenheim, der
tödtlichen Verletzung angeklagt, geschritten. Nach Verlesung des
Verweisungsurtheils und des Anklageactes wurde wegen vorge-
rückter Zeit die weitere Verhandlung auf die morgige Sitzung
vertagt.

§ Gießen 13. Juli. Gestern wurde hier eine allgemeine Stu-
dentenversammlung gehalten, in welcher mit großer Majorität, ja
fast mit Einstimmigkeit der Anschluß der hiesigen Studentenschaft
an die auf der Wartburg entworfene Adresse beschlossen wurde.
Diese Adresse, welche der Nationalversammlung in Frankfurt zu-
geschickt werden soll, enthält ungefähr folgende Punkte als die
Wünsche sämmtlicher deutschen Studenten oder doch wenigstens
der sehr bedeutenden Majorität derselben. Sämmtliche deutsche
Hochschulen sollen exterritorialisirt und als deutsche Nationalan-
stalten unter eine höchste Centralbehörde gestellt und somit die
Verpflichtung zum Besuche der Landesuniversität aufgehoben wer-
den. Der privilegirte Universitätsgerichtsstand soll abgeschafft
werden. Fernere Punkte betreffen Lehr= und Lernfreiheit, Abschaf-
fung der Collegienhonorare, der lateinischen Sprache bei Examen
und Promotionen und des Promotionszwanges für die Medi-
ziner. Dieser Tage erschien auch das amtlich ausgestellte Ver-
zeichniß der hier Studirenden. Es beläuft sich deren Zahl auf
508; darunter sind 80 katholische, 77 protestantische Theologen,
117 Juristen u. s. w. Die Zahl der Studirenden im allgemeinen
hat sich gegen das verflossene Semester nur um 42 vermindert.

Hanau 13. Juli. Vorgestern reiste der Erzherzog=Reichs-
verweset durch hiesige Stadt. Alle Gutgesinnten wünschten sich
Glück, daß er hierbei keine Jnsulte zu erfahren hatte, denn man
wußte, daß es auf brutale Kundgebungen Seitens der hierorts
sehr zahlreichen republikanischen Partei abgesehen war. Diese
Befürchtung traf denn auch ein. Schon in aller Frühe waren
Spottplakate auf den Erzherzog=Reichsverweser an den Straßen-
ecken mit der Drohung angeschlagen, daß derjenige seinen Kopf
verlieren werde, welcher ersterem zu Ehren eine Fahne heraus-
hängen würde. Dieser Versuch, die Bürgerschaft einzuschüch-
tern, schlug indessen fehl, indem die Plakate alsbald abgenom-
men und die für einen Augenblick eingezogenen deutschen und
städtischen Fahnen auf dem Stadthause mit dem Erscheinen der
Bürgergarde wieder aufgesteckt wurden. Des Nachmittags, als
die Behörden, das Militär, die Bürgergarden vor dem Post-
gebäude aufgestellt waren und der Ankunft des Reichsverwesers
harrten, zog eine starke Abtheilung der republikanischen Partei
des verdächtigsten Ansehens mit einer kohlschwarzen Fahne zum
Nürnberger Thore hinaus, auf der Landstraße, welche der
Reichsverweser kommen mußte, voran, und stellte sich in der
Mitte der Kastanien=Allee quer über der Straße auf, in dieser
Stellung den Erzherzog erwartend. Es war ein wahrer Skan-
dal und würde eine ewige Schande und Schmach für unsre Stadt
gewesen seyn, wenn der Erzherzog Reichsverweser in dieser Stunde
angekommen wäre. So stand der ominöse Haufen eine geraume
[Spaltenumbruch] Zeit, bis die Meldung davon in die Stadt gelangt war, und nun
eine Abtheilung des Freicorps unter Anführung unseres wackeren
Röttelberg anlangte, die Bande angriff, die Fahne wegnahm,
die Rädelsführer arretirte und die übrigen zerstreute. Hier-
mit war zwar die beabsichtigte böswillige Demonstration hin-
tertrieben, allein die von der Bürgerschaft angeordneten Em-
pfangsfeierlichkeiten verdeckten nur wenig den herzlosen kalten
Empfang, sowie das flegelhafte Benehmen Seitens der allent-
halben in großer Anzahl vorhandenen Republikaner. Diese ob-
gleich sehr zahlreiche Partei muß man indessen nicht verwechseln
mit der größeren Mehrzahl der hiesigen besser gesinnten Bürger,
welche hier wie anderwärts den Reichsverweser mit Freude und
Jubel empfangen haben, und welche jenes Treiben nicht nur
mißbilligen, sondern in jüngster Zeit ihren entschiedenen Willen
kundgegeben haben, sich von jener Partei nicht ferner terrorisiren
zu lassen. -- Allgemeine Mißbilligung und Entrüstung gab sich
daher auch unter den besseren Bürgern über das Benehmen des
Oberbürgermeisters Rühl an demselben Tage kund, wo dieser,
statt, wie es seine Pflicht, Schuldigkeit und ehrenvoller Beruf
war, mit den übrigen Behörden den Erzherzog=Reichsverweser
Namens der Stadt zu bewillkommnen, überhaupt über den Par-
teien zu stehen, -- mit den Republikanern im deutschen Hause
verkehrte, welche ihm an demselben Abende, um wenigstens noch
zuletzt mit dieser Demonstration der Bürgerschaft zu imponir en,
einen Fackelzug brachten, weil er so kräftig mit den übrigen Mit-
gliedern der Linken gegen den Reichsverweser gestimmt und an-
geblich den Willen hiesiger Stadt repräsentirt habe. -- Ganz in
demselben, der besseren Bürgerschaft fremden Geiste wurde ge-
stern ferner vom hiesigen Volksrathe der Beschluß gefaßt, in
einer Eingabe an das Parlament diesem die vollste Anerkennung
des Verhaltens der Linken zu erkennen zu geben. Von den be-
sonneneren und besser gesinnten Bürgern wurde dagegen alsbald
eine Gegenadresse in loyalerem Sinne beschlossen, welche
heute zur Unterzeichnung aufliegt. Ueberhaupt regt sich gegen-
wärtig ein sehr guter Geist unter der hiesigen Bürgerschaft, frei-
lich, nachdem man achtzehn Jahre lang mit der Umsturzpartei
gemeinsame Sache gemacht, etwas spät, und obgleich es daher
zu bezweifeln steht, ob er für sich allein jene bewältigen werde,
so ist es doch der Anfang einer besseren Zukunft, und ein solches
Streben nur geeignet, vieles Unheil, welches außerdem unsere
Stadt über kurz oder lang treffen würde, von Hanau abzu-
wenden.

Frankreich.

*** Paris 12. Juli. Die erste Hälfte der gestrigen Sitzung
wurde mit sehr unbedeutenden Dingen ausgefüllt. Da die Kam-
mer sich eben mit der Besoldung ihrer Stenographen und der
Organisation ihrer Schnellschreiberei zu beschäftigen hatte, so
war das Herrn Flocon eine willkommene Gelegenheit sich ein-
mal wieder hören zu lassen. Herr Flocon bestieg daher die Tri-
büne und hielt eine lange Rede zu Ehren der Stenographie, die
seiner Ansicht nach ohngefähr die erste Wissenschaft der Welt ist.
Die Kammer hörte zu und lächelte, denn Herr Flocon, wailand
Mitglied der provisorischen Regierung, ist seines Handwerkes ur-
sprünglich ein Stenograph und es würde um Frankreich gerade
nicht schlimmer stehen, wenn dieser Schuster bei seinem Leisten ge-
blieben wäre. Von den Gesetzen, welche darauf votirt wurden,
ist jenes das bedeutendste, welches bestimmt, daß der Effectivstand
des unter den Mauern der Hauptstadt zusammengezogenen Heeres
"bis auf weiteren Befehl" wenigstens 50,000 Mann betragen
müsse. Das Gesetz ward ohne alle Berathung, allein mit tie-
fer Bewegung angenommen. Da die bedeutenden Fragen, deren
Erledigung mit Sehnsucht erwartet wird, in den Bureaux noch
nicht gehörig vorbereitet sind, so ging die Kammer jetzt zu den ihr
vorliegenden Petitionen über, womit sich die Sitzung ohne beson-
dere Bedeutung bis nach fünf Uhr hinzog.

Anders war es, als um sechs Uhr Herr Senard, der Mi-
nister des Jnnern und jedenfalls die bedeutendste politische Persön-
lichkeit der gegenwärtigen Regierung, auf der Tribune erschien
und sofort der Kammer drei Gesetzvorschläge über die von
den Zeitungen zu stellende Caution,
-- über die
Preßvergehen
und über die Clubs vorlegte. Alle diese
Gesetze sind so gefaßt, wie sie von einer durch die ärgsten Gräuel
heraufbeschworenen Militärdictatur zu erwarten waren und die
rothen Republikaner und Schweinefleischfresser werden sie aller-
dings nicht sehr liberal finden. Die Caution der Zeitungen rich-
tet sich ganz einfach nach ihrer Erscheinungsweise, kleine Blätter
zahlen eine kleinere, große eine bedeutende Caution, die höchste be-
trägt 24,000 Francs. Was das neue Preßgesetz betrifft, so ist es
wesentlich das alte, nur mit dem Unterschiede, daß statt des
Wortes "König" die Volksrepräsentanten eingeschoben sind und
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] wiederstehen könne. Er wird verschiedene öffentliche Orte und
Versammlungen hier besuchen.

? Mainz 13. Juli. Die zehn Jnculpaten, welche der be-
kannten Beschädigung des Hauses von Christian Lothari, Bau-
unternehmer in Mainz, verübt am 5. April, beschuldigt waren,
standen gestern vor dem Zuchtpolizeigericht. Durch das auf heute
vertagte Urtheil wurden sieben als nicht überwiesen von der La-
dung entlassen, dagegen jeder der fünf andern Beschuldigten in
eine Correctionshausstrafe von fünf Monaten und solidarisch in
die Kosten verurtheilt.

Mainz 14. Juli. Jn der gestrigen Assisensitzung wurde
die Sache gegen Georg Guck, 29 Jahre alt, Omnibus=Con-
ducteur in Bingen, der Erpressung mittelst gefährliche Drohungen
angeklagt, verhandelt und die weitere Debatte auf heute vertagt,
deren Ergebniß wir sofort mittheilen werden. Der Mitangeklagte
Jakob Leonhard, 26 Jahre alt, Bäcker in Bingen wohn-
haft, welcher bisher flüchtig war, stellte sich gestern gleich nach
Beginn freiwillig in der Sitzung unter Verzichtleistung auf alle
Förmlichkeiten und dem Wunsche gleichzeitig mit Guck abgeurtheilt
zu werden. Der Gerichtshof nahm jedoch in Betracht der recht-
lichen Unmöglichkeit keine Rücksicht auf dieses Ansinnen. Wie
man sagt soll sich hierauf Leonhard der Verhaftnahme abermals
entzogen haben.

Mainz 14. Juli. Nachmittags4 1 / 2 Uhr. So eben wurde
der Omnibus=Conducteur Georg Guck von den Geschworenen,
unter Beseitigung des ihm zu Last gelegten Verbrechens, der
widerrechtlichen Eindringung in eine fremde Wohnung schuldig
erklärt und hierauf von dem Assisenhof in eine Gefängnißstrafe
von Einem Monat und in die Kosten verurtheilt. — Unmittelbar
hierauf wurde zur Verhandlung der letzten Sache gegen Valen-
tin Grieshawer,
29 Jahr alt, Maurer in Partenheim, der
tödtlichen Verletzung angeklagt, geschritten. Nach Verlesung des
Verweisungsurtheils und des Anklageactes wurde wegen vorge-
rückter Zeit die weitere Verhandlung auf die morgige Sitzung
vertagt.

§ Gießen 13. Juli. Gestern wurde hier eine allgemeine Stu-
dentenversammlung gehalten, in welcher mit großer Majorität, ja
fast mit Einstimmigkeit der Anschluß der hiesigen Studentenschaft
an die auf der Wartburg entworfene Adresse beschlossen wurde.
Diese Adresse, welche der Nationalversammlung in Frankfurt zu-
geschickt werden soll, enthält ungefähr folgende Punkte als die
Wünsche sämmtlicher deutschen Studenten oder doch wenigstens
der sehr bedeutenden Majorität derselben. Sämmtliche deutsche
Hochschulen sollen exterritorialisirt und als deutsche Nationalan-
stalten unter eine höchste Centralbehörde gestellt und somit die
Verpflichtung zum Besuche der Landesuniversität aufgehoben wer-
den. Der privilegirte Universitätsgerichtsstand soll abgeschafft
werden. Fernere Punkte betreffen Lehr= und Lernfreiheit, Abschaf-
fung der Collegienhonorare, der lateinischen Sprache bei Examen
und Promotionen und des Promotionszwanges für die Medi-
ziner. Dieser Tage erschien auch das amtlich ausgestellte Ver-
zeichniß der hier Studirenden. Es beläuft sich deren Zahl auf
508; darunter sind 80 katholische, 77 protestantische Theologen,
117 Juristen u. s. w. Die Zahl der Studirenden im allgemeinen
hat sich gegen das verflossene Semester nur um 42 vermindert.

Hanau 13. Juli. Vorgestern reiste der Erzherzog=Reichs-
verweset durch hiesige Stadt. Alle Gutgesinnten wünschten sich
Glück, daß er hierbei keine Jnsulte zu erfahren hatte, denn man
wußte, daß es auf brutale Kundgebungen Seitens der hierorts
sehr zahlreichen republikanischen Partei abgesehen war. Diese
Befürchtung traf denn auch ein. Schon in aller Frühe waren
Spottplakate auf den Erzherzog=Reichsverweser an den Straßen-
ecken mit der Drohung angeschlagen, daß derjenige seinen Kopf
verlieren werde, welcher ersterem zu Ehren eine Fahne heraus-
hängen würde. Dieser Versuch, die Bürgerschaft einzuschüch-
tern, schlug indessen fehl, indem die Plakate alsbald abgenom-
men und die für einen Augenblick eingezogenen deutschen und
städtischen Fahnen auf dem Stadthause mit dem Erscheinen der
Bürgergarde wieder aufgesteckt wurden. Des Nachmittags, als
die Behörden, das Militär, die Bürgergarden vor dem Post-
gebäude aufgestellt waren und der Ankunft des Reichsverwesers
harrten, zog eine starke Abtheilung der republikanischen Partei
des verdächtigsten Ansehens mit einer kohlschwarzen Fahne zum
Nürnberger Thore hinaus, auf der Landstraße, welche der
Reichsverweser kommen mußte, voran, und stellte sich in der
Mitte der Kastanien=Allee quer über der Straße auf, in dieser
Stellung den Erzherzog erwartend. Es war ein wahrer Skan-
dal und würde eine ewige Schande und Schmach für unsre Stadt
gewesen seyn, wenn der Erzherzog Reichsverweser in dieser Stunde
angekommen wäre. So stand der ominöse Haufen eine geraume
[Spaltenumbruch] Zeit, bis die Meldung davon in die Stadt gelangt war, und nun
eine Abtheilung des Freicorps unter Anführung unseres wackeren
Röttelberg anlangte, die Bande angriff, die Fahne wegnahm,
die Rädelsführer arretirte und die übrigen zerstreute. Hier-
mit war zwar die beabsichtigte böswillige Demonstration hin-
tertrieben, allein die von der Bürgerschaft angeordneten Em-
pfangsfeierlichkeiten verdeckten nur wenig den herzlosen kalten
Empfang, sowie das flegelhafte Benehmen Seitens der allent-
halben in großer Anzahl vorhandenen Republikaner. Diese ob-
gleich sehr zahlreiche Partei muß man indessen nicht verwechseln
mit der größeren Mehrzahl der hiesigen besser gesinnten Bürger,
welche hier wie anderwärts den Reichsverweser mit Freude und
Jubel empfangen haben, und welche jenes Treiben nicht nur
mißbilligen, sondern in jüngster Zeit ihren entschiedenen Willen
kundgegeben haben, sich von jener Partei nicht ferner terrorisiren
zu lassen. — Allgemeine Mißbilligung und Entrüstung gab sich
daher auch unter den besseren Bürgern über das Benehmen des
Oberbürgermeisters Rühl an demselben Tage kund, wo dieser,
statt, wie es seine Pflicht, Schuldigkeit und ehrenvoller Beruf
war, mit den übrigen Behörden den Erzherzog=Reichsverweser
Namens der Stadt zu bewillkommnen, überhaupt über den Par-
teien zu stehen, — mit den Republikanern im deutschen Hause
verkehrte, welche ihm an demselben Abende, um wenigstens noch
zuletzt mit dieser Demonstration der Bürgerschaft zu imponir en,
einen Fackelzug brachten, weil er so kräftig mit den übrigen Mit-
gliedern der Linken gegen den Reichsverweser gestimmt und an-
geblich den Willen hiesiger Stadt repräsentirt habe. — Ganz in
demselben, der besseren Bürgerschaft fremden Geiste wurde ge-
stern ferner vom hiesigen Volksrathe der Beschluß gefaßt, in
einer Eingabe an das Parlament diesem die vollste Anerkennung
des Verhaltens der Linken zu erkennen zu geben. Von den be-
sonneneren und besser gesinnten Bürgern wurde dagegen alsbald
eine Gegenadresse in loyalerem Sinne beschlossen, welche
heute zur Unterzeichnung aufliegt. Ueberhaupt regt sich gegen-
wärtig ein sehr guter Geist unter der hiesigen Bürgerschaft, frei-
lich, nachdem man achtzehn Jahre lang mit der Umsturzpartei
gemeinsame Sache gemacht, etwas spät, und obgleich es daher
zu bezweifeln steht, ob er für sich allein jene bewältigen werde,
so ist es doch der Anfang einer besseren Zukunft, und ein solches
Streben nur geeignet, vieles Unheil, welches außerdem unsere
Stadt über kurz oder lang treffen würde, von Hanau abzu-
wenden.

Frankreich.

*** Paris 12. Juli. Die erste Hälfte der gestrigen Sitzung
wurde mit sehr unbedeutenden Dingen ausgefüllt. Da die Kam-
mer sich eben mit der Besoldung ihrer Stenographen und der
Organisation ihrer Schnellschreiberei zu beschäftigen hatte, so
war das Herrn Flocon eine willkommene Gelegenheit sich ein-
mal wieder hören zu lassen. Herr Flocon bestieg daher die Tri-
büne und hielt eine lange Rede zu Ehren der Stenographie, die
seiner Ansicht nach ohngefähr die erste Wissenschaft der Welt ist.
Die Kammer hörte zu und lächelte, denn Herr Flocon, wailand
Mitglied der provisorischen Regierung, ist seines Handwerkes ur-
sprünglich ein Stenograph und es würde um Frankreich gerade
nicht schlimmer stehen, wenn dieser Schuster bei seinem Leisten ge-
blieben wäre. Von den Gesetzen, welche darauf votirt wurden,
ist jenes das bedeutendste, welches bestimmt, daß der Effectivstand
des unter den Mauern der Hauptstadt zusammengezogenen Heeres
„bis auf weiteren Befehl“ wenigstens 50,000 Mann betragen
müsse. Das Gesetz ward ohne alle Berathung, allein mit tie-
fer Bewegung angenommen. Da die bedeutenden Fragen, deren
Erledigung mit Sehnsucht erwartet wird, in den Bureaux noch
nicht gehörig vorbereitet sind, so ging die Kammer jetzt zu den ihr
vorliegenden Petitionen über, womit sich die Sitzung ohne beson-
dere Bedeutung bis nach fünf Uhr hinzog.

Anders war es, als um sechs Uhr Herr Senard, der Mi-
nister des Jnnern und jedenfalls die bedeutendste politische Persön-
lichkeit der gegenwärtigen Regierung, auf der Tribune erschien
und sofort der Kammer drei Gesetzvorschläge über die von
den Zeitungen zu stellende Caution,
über die
Preßvergehen
und über die Clubs vorlegte. Alle diese
Gesetze sind so gefaßt, wie sie von einer durch die ärgsten Gräuel
heraufbeschworenen Militärdictatur zu erwarten waren und die
rothen Republikaner und Schweinefleischfresser werden sie aller-
dings nicht sehr liberal finden. Die Caution der Zeitungen rich-
tet sich ganz einfach nach ihrer Erscheinungsweise, kleine Blätter
zahlen eine kleinere, große eine bedeutende Caution, die höchste be-
trägt 24,000 Francs. Was das neue Preßgesetz betrifft, so ist es
wesentlich das alte, nur mit dem Unterschiede, daß statt des
Wortes „König“ die Volksrepräsentanten eingeschoben sind und
[Ende Spaltensatz]

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[0003] wiederstehen könne. Er wird verschiedene öffentliche Orte und Versammlungen hier besuchen. ? Mainz 13. Juli. Die zehn Jnculpaten, welche der be- kannten Beschädigung des Hauses von Christian Lothari, Bau- unternehmer in Mainz, verübt am 5. April, beschuldigt waren, standen gestern vor dem Zuchtpolizeigericht. Durch das auf heute vertagte Urtheil wurden sieben als nicht überwiesen von der La- dung entlassen, dagegen jeder der fünf andern Beschuldigten in eine Correctionshausstrafe von fünf Monaten und solidarisch in die Kosten verurtheilt. Mainz 14. Juli. Jn der gestrigen Assisensitzung wurde die Sache gegen Georg Guck, 29 Jahre alt, Omnibus=Con- ducteur in Bingen, der Erpressung mittelst gefährliche Drohungen angeklagt, verhandelt und die weitere Debatte auf heute vertagt, deren Ergebniß wir sofort mittheilen werden. Der Mitangeklagte Jakob Leonhard, 26 Jahre alt, Bäcker in Bingen wohn- haft, welcher bisher flüchtig war, stellte sich gestern gleich nach Beginn freiwillig in der Sitzung unter Verzichtleistung auf alle Förmlichkeiten und dem Wunsche gleichzeitig mit Guck abgeurtheilt zu werden. Der Gerichtshof nahm jedoch in Betracht der recht- lichen Unmöglichkeit keine Rücksicht auf dieses Ansinnen. Wie man sagt soll sich hierauf Leonhard der Verhaftnahme abermals entzogen haben. Mainz 14. Juli. Nachmittags4 1 / 2 Uhr. So eben wurde der Omnibus=Conducteur Georg Guck von den Geschworenen, unter Beseitigung des ihm zu Last gelegten Verbrechens, der widerrechtlichen Eindringung in eine fremde Wohnung schuldig erklärt und hierauf von dem Assisenhof in eine Gefängnißstrafe von Einem Monat und in die Kosten verurtheilt. — Unmittelbar hierauf wurde zur Verhandlung der letzten Sache gegen Valen- tin Grieshawer, 29 Jahr alt, Maurer in Partenheim, der tödtlichen Verletzung angeklagt, geschritten. Nach Verlesung des Verweisungsurtheils und des Anklageactes wurde wegen vorge- rückter Zeit die weitere Verhandlung auf die morgige Sitzung vertagt. § Gießen 13. Juli. Gestern wurde hier eine allgemeine Stu- dentenversammlung gehalten, in welcher mit großer Majorität, ja fast mit Einstimmigkeit der Anschluß der hiesigen Studentenschaft an die auf der Wartburg entworfene Adresse beschlossen wurde. Diese Adresse, welche der Nationalversammlung in Frankfurt zu- geschickt werden soll, enthält ungefähr folgende Punkte als die Wünsche sämmtlicher deutschen Studenten oder doch wenigstens der sehr bedeutenden Majorität derselben. Sämmtliche deutsche Hochschulen sollen exterritorialisirt und als deutsche Nationalan- stalten unter eine höchste Centralbehörde gestellt und somit die Verpflichtung zum Besuche der Landesuniversität aufgehoben wer- den. Der privilegirte Universitätsgerichtsstand soll abgeschafft werden. Fernere Punkte betreffen Lehr= und Lernfreiheit, Abschaf- fung der Collegienhonorare, der lateinischen Sprache bei Examen und Promotionen und des Promotionszwanges für die Medi- ziner. Dieser Tage erschien auch das amtlich ausgestellte Ver- zeichniß der hier Studirenden. Es beläuft sich deren Zahl auf 508; darunter sind 80 katholische, 77 protestantische Theologen, 117 Juristen u. s. w. Die Zahl der Studirenden im allgemeinen hat sich gegen das verflossene Semester nur um 42 vermindert. Hanau 13. Juli. Vorgestern reiste der Erzherzog=Reichs- verweset durch hiesige Stadt. Alle Gutgesinnten wünschten sich Glück, daß er hierbei keine Jnsulte zu erfahren hatte, denn man wußte, daß es auf brutale Kundgebungen Seitens der hierorts sehr zahlreichen republikanischen Partei abgesehen war. Diese Befürchtung traf denn auch ein. Schon in aller Frühe waren Spottplakate auf den Erzherzog=Reichsverweser an den Straßen- ecken mit der Drohung angeschlagen, daß derjenige seinen Kopf verlieren werde, welcher ersterem zu Ehren eine Fahne heraus- hängen würde. Dieser Versuch, die Bürgerschaft einzuschüch- tern, schlug indessen fehl, indem die Plakate alsbald abgenom- men und die für einen Augenblick eingezogenen deutschen und städtischen Fahnen auf dem Stadthause mit dem Erscheinen der Bürgergarde wieder aufgesteckt wurden. Des Nachmittags, als die Behörden, das Militär, die Bürgergarden vor dem Post- gebäude aufgestellt waren und der Ankunft des Reichsverwesers harrten, zog eine starke Abtheilung der republikanischen Partei des verdächtigsten Ansehens mit einer kohlschwarzen Fahne zum Nürnberger Thore hinaus, auf der Landstraße, welche der Reichsverweser kommen mußte, voran, und stellte sich in der Mitte der Kastanien=Allee quer über der Straße auf, in dieser Stellung den Erzherzog erwartend. Es war ein wahrer Skan- dal und würde eine ewige Schande und Schmach für unsre Stadt gewesen seyn, wenn der Erzherzog Reichsverweser in dieser Stunde angekommen wäre. So stand der ominöse Haufen eine geraume Zeit, bis die Meldung davon in die Stadt gelangt war, und nun eine Abtheilung des Freicorps unter Anführung unseres wackeren Röttelberg anlangte, die Bande angriff, die Fahne wegnahm, die Rädelsführer arretirte und die übrigen zerstreute. Hier- mit war zwar die beabsichtigte böswillige Demonstration hin- tertrieben, allein die von der Bürgerschaft angeordneten Em- pfangsfeierlichkeiten verdeckten nur wenig den herzlosen kalten Empfang, sowie das flegelhafte Benehmen Seitens der allent- halben in großer Anzahl vorhandenen Republikaner. Diese ob- gleich sehr zahlreiche Partei muß man indessen nicht verwechseln mit der größeren Mehrzahl der hiesigen besser gesinnten Bürger, welche hier wie anderwärts den Reichsverweser mit Freude und Jubel empfangen haben, und welche jenes Treiben nicht nur mißbilligen, sondern in jüngster Zeit ihren entschiedenen Willen kundgegeben haben, sich von jener Partei nicht ferner terrorisiren zu lassen. — Allgemeine Mißbilligung und Entrüstung gab sich daher auch unter den besseren Bürgern über das Benehmen des Oberbürgermeisters Rühl an demselben Tage kund, wo dieser, statt, wie es seine Pflicht, Schuldigkeit und ehrenvoller Beruf war, mit den übrigen Behörden den Erzherzog=Reichsverweser Namens der Stadt zu bewillkommnen, überhaupt über den Par- teien zu stehen, — mit den Republikanern im deutschen Hause verkehrte, welche ihm an demselben Abende, um wenigstens noch zuletzt mit dieser Demonstration der Bürgerschaft zu imponir en, einen Fackelzug brachten, weil er so kräftig mit den übrigen Mit- gliedern der Linken gegen den Reichsverweser gestimmt und an- geblich den Willen hiesiger Stadt repräsentirt habe. — Ganz in demselben, der besseren Bürgerschaft fremden Geiste wurde ge- stern ferner vom hiesigen Volksrathe der Beschluß gefaßt, in einer Eingabe an das Parlament diesem die vollste Anerkennung des Verhaltens der Linken zu erkennen zu geben. Von den be- sonneneren und besser gesinnten Bürgern wurde dagegen alsbald eine Gegenadresse in loyalerem Sinne beschlossen, welche heute zur Unterzeichnung aufliegt. Ueberhaupt regt sich gegen- wärtig ein sehr guter Geist unter der hiesigen Bürgerschaft, frei- lich, nachdem man achtzehn Jahre lang mit der Umsturzpartei gemeinsame Sache gemacht, etwas spät, und obgleich es daher zu bezweifeln steht, ob er für sich allein jene bewältigen werde, so ist es doch der Anfang einer besseren Zukunft, und ein solches Streben nur geeignet, vieles Unheil, welches außerdem unsere Stadt über kurz oder lang treffen würde, von Hanau abzu- wenden. Frankreich. *** Paris 12. Juli. Die erste Hälfte der gestrigen Sitzung wurde mit sehr unbedeutenden Dingen ausgefüllt. Da die Kam- mer sich eben mit der Besoldung ihrer Stenographen und der Organisation ihrer Schnellschreiberei zu beschäftigen hatte, so war das Herrn Flocon eine willkommene Gelegenheit sich ein- mal wieder hören zu lassen. Herr Flocon bestieg daher die Tri- büne und hielt eine lange Rede zu Ehren der Stenographie, die seiner Ansicht nach ohngefähr die erste Wissenschaft der Welt ist. Die Kammer hörte zu und lächelte, denn Herr Flocon, wailand Mitglied der provisorischen Regierung, ist seines Handwerkes ur- sprünglich ein Stenograph und es würde um Frankreich gerade nicht schlimmer stehen, wenn dieser Schuster bei seinem Leisten ge- blieben wäre. Von den Gesetzen, welche darauf votirt wurden, ist jenes das bedeutendste, welches bestimmt, daß der Effectivstand des unter den Mauern der Hauptstadt zusammengezogenen Heeres „bis auf weiteren Befehl“ wenigstens 50,000 Mann betragen müsse. Das Gesetz ward ohne alle Berathung, allein mit tie- fer Bewegung angenommen. Da die bedeutenden Fragen, deren Erledigung mit Sehnsucht erwartet wird, in den Bureaux noch nicht gehörig vorbereitet sind, so ging die Kammer jetzt zu den ihr vorliegenden Petitionen über, womit sich die Sitzung ohne beson- dere Bedeutung bis nach fünf Uhr hinzog. Anders war es, als um sechs Uhr Herr Senard, der Mi- nister des Jnnern und jedenfalls die bedeutendste politische Persön- lichkeit der gegenwärtigen Regierung, auf der Tribune erschien und sofort der Kammer drei Gesetzvorschläge über die von den Zeitungen zu stellende Caution, — über die Preßvergehen und über die Clubs vorlegte. Alle diese Gesetze sind so gefaßt, wie sie von einer durch die ärgsten Gräuel heraufbeschworenen Militärdictatur zu erwarten waren und die rothen Republikaner und Schweinefleischfresser werden sie aller- dings nicht sehr liberal finden. Die Caution der Zeitungen rich- tet sich ganz einfach nach ihrer Erscheinungsweise, kleine Blätter zahlen eine kleinere, große eine bedeutende Caution, die höchste be- trägt 24,000 Francs. Was das neue Preßgesetz betrifft, so ist es wesentlich das alte, nur mit dem Unterschiede, daß statt des Wortes „König“ die Volksrepräsentanten eingeschoben sind und

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 30. Mainz, 15. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal030_1848/3>, abgerufen am 07.05.2024.