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Mainzer Journal. Nr. 49. Mainz, 3. August 1848.

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Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den "Rheinischen Unterhaltungs-
blättern " schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 49. Donnerstag, den 3. August. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Die Städter und das Landvolk.
I.

# # Eine Pariser Zeitschrift berichtet in einem ihrer neuesten
Hefte Folgendes. Als jüngst bei der Emeute zu Rouen, welche
bekanntlich durch communistische Sendlinge aus Paris veranlaßt
worden war, ein Haufen Bauern mit ihren Hacken und Dresch-
flegeln der Regierung zu Hülfe eilte, und so auf einem der Stadt-
plätze plötzlich aufzog, da trat ihnen ein Anführer der Aufständi-
schen entgegen und fragte barsch: Was wollt ihr mit euren Ga-
beln? Wir wollen einmal den Mist von Rouen weg-
schaffen,
antwortete ein Bauer. Diese Antwort ist eben so
treffend als inhaltschwer, ich möchte sagen, sie faßt alle Zustände
unserer Gegenwart in sich, sowohl das, was in ihr am meisten
Besorgniß, als jenes, was am meisten Trost gewährt.

Sprechen wir es nur offen aus: in einem beträchtlichen Theile
unserer größeren Städte ist einerseits die Masse des Volkes bis
in die tiefsten Verhältnisse corrumpirt, einer ruhigen Enwickelung
nicht mehr fähig und würdig und nur zur Knechtschaft oder
Emeute noch tauglich; sie muß dem Untergang entgegengehen
oder regenerirt werden, wo sie zur Herrschaft gelangt, ist jede
erfreuliche Zukunft gefährdet. Anderseits ist aber auch, wie der
treffliche Cormenin schon früher in einer seiner Flugschriften
der gestürzten Juliusmonarchie gesagt hatte, der Kern des Volkes
auf dem Lande zu suchen, dort ist das Volk noch gesund, und
sein Widerstand gegen alle revolutionäre Versuche, sie mögen
von oben oder von unten kommen, schwer zu bewältigen.

Schauen wir die Motive näher an, welche unsere Städter
in der eben verlaufenden Revolutionsperiode meist geleitet haben,
so läßt sich nicht läugnen: sie waren nicht immer die reinsten und
und besten. Vielfach gab man sich der Bewegung hin aus Man-
gel an wahrem innerem Halt und Gehalt. Es war bei so vielen
trotz alles äußeren Schliffes sittlich verwilderten Menschen nicht
Verbesserungs=, sondern Zerstörungstrieb und Lust, was sie
leitete. Und doch ist das durch diese Bewegungen Errungene,
wenigstens was Deutschland betrifft, fast ausnahmslos erwünsch-
lich und förderlich. Es geschah dieses aber mehr durch sie, als
für sie. Wie nämlich in der Natur der Winter unseres Himmels-
striches die gesammte, zur Vermoderung bestimmte Vegetation
durch seine Kälte ihres Miasma beraubt und auf diese Weise un-
schädlich macht; oder wie, um ein anderes Bild zu gebrauchen,
so viele kleine Thiere vom Unrath leben und ihn beseitigen, so
zehren auch diese menschlichen Nager das Vermoderte in der
menschlichen Gesellschaft auf. Würde nun die Bewegung in dieser
Richtung stets die Oberhand behalten, so wäre es nicht möglich
aus dem Stande der Auflösung und Aufzehrung, aus der Emeute
und Revolution herauszukommen. Die der Bewegung verfallenen
Großstädte und die ihnen es nachmachenden Kleinstädte sind der
Beleg hierfür.

Nun hat aber unsere gesellschaftliche Ordnung noch eine wei-
tere Macht in sich, die bis jetzt mehr im Hintergrunde geblieben
war, es ist dieses die an sich stärkste, wenn auch nicht beweg-
lichste, nämlich das Landvolk. Wie jetzt die Ruhe überall
wieder ersehnt wird, so ist auch nun für dieses die Zeit des Wir-
kens und der Bedeutung gekommen. Schon durch seine Beschäf-
tigung conservativ, muß es auch die Elemente der Ordnung und
Stetigkeit im Staate zur Geltung zu bringen suchen, damit
der Gesammtstaat dadurch wieder in die ruhigen Geleise all-
gemeiner Sicherheit und Wohlfahrt zurückgebracht werde.
Damit dieses aber geschehe, muß das Landvolk seiner selbst, seiner
[Spaltenumbruch] Kraft und Bedeutung recht bewußt, es muß politisch von den Stadt-
demagogen emancipirt, seine Aufgabe ihm klar hingestellt wer-
den. Es muß seine Vertreter, seine Sprecher aus seiner eigenen
Mitte, oder aus den unmittelbar mit ihm Verkehrenden, unter ihm
Lebenden, mit ihm gleiches Jnteresse Habenden, gewinnen; eine
Scheidung zwischen ihm und den sogenannten "Literaten" muß
eintreten, damit keiner dieser Letzteren es auch nur mehr versuche,
die Kräfte des Landes für seine destructiven Tendenzen zu miß-
brauchen. Jene sogenannten Literaten mögen sich in anderen
Kreisen bewegen, das was sie oder ihre Thätigkeit Gutes und
Wahres an sich haben, mag von den Städten oder Jndustriellen
zunächst aufgenommen und vertreten werden. Nur auf diese
Weise wird ein modernes Mandarinenthum in Form des " jun-
gen " Europa von uns abgehalten. Faßt man aber von diesem
Standpunkte aus die Aufgabe des Landvolkes auf, so ist sie wohl
eine der höchsten und edelsten. Es steht ihm dann besonders jetzt
eine bedeutungsvollere und einflußreichere Zukunft bevor als je,
Jch möchte fast sagen, es vertrete die priesterliche Sendung der
Vermittlung und Beruhigung.

Um aber diese Sendung erfüllen zu können, sind besonders
jene jüngsten Errungenschaften geeignet, welche freilich ursprüng-
lich ganz anders gemeint waren; ich meine besonders die direk-
ten Wahlen
und das allgemeine Stimmrecht. Um der
Masse der städtischen Besitz= und Namenlosen Sitz nnd Stimme
zu verschaffen, um dieses Proletariat zu ihrem Zwecke als willen-
lose Masse benutzen zu können, ist sicher von Vielen für diese bei-
den Rechte agitirt worden. Die Herren vergaßen aber in ihrem
idealen Kampfe, daß sie in Deutschland leben. Allerdings
wenn die Deutschen ein ausschließliches Jndustrie= oder Stadt-
volk wären; wenn Deutschland nicht übersäet wäre mit Dörfern
und Flecken, die ein selbstständiges Leben und Jnteresse haben;
wenn diese nicht eine edlere Aufgabe besäßen, als für eine ein-
zige Riesenhauptstadt zu produziren und von ihr fertig dann
als Tausch ihren Luxus, ihre intellektuelle, religiöse und mora-
lische Verkommenheit hinzunehmen; wenn unser Land sich so
kopflos fühlte ohne Stadt, wie z. B. Frankreich ohne sein Pa-
ris, -- dann, aber auch nur dann hätte auch bei uns die De-
magogie das allgemeine Stimmrecht und unmittelbare Wahlen
zu ihrem Zwecke benutzen können. So aber hat Deutschland in
seinen Ackersleuten seine bravsten Bürger, welche durch gefähr-
liche Wanderschaft und schlechte Lectüre am wenigsten gelitten
haben, und für Ruhe und Gesetzlichkeit am meisten interessirt
sind. Diese bilden in unserem Vaterlande die Mehrzahl, und
die gute Mehrzahl ist in ihnen frei und Herr geworden. Jn
ihren Händen, in ihrer guten oder schlechten Leitung liegt unsere
Zukunft. An Alle die Einfluß auf das Volk und Beruf zu seiner
Leitung haben, geht daher gegenwärtig der hohe und ernste Ruf,
zum Heile des Vaterlandes ihre Stellung zu benützen. Wie?
dies soll in einem weiteren Artikel ausgeführt werden.



Deutschland.
Reichstag.

f Frankfurt 2. August. Gestern wurde in der Berathung
über die Grundrechte fortgefahren, und es kamen von §. 6. die
zwei ersten Sätze ( Alle Deutschen sind gleich vor dem Gesetz.
Standesprivilegien finden nicht statt. ) zur Verhandlung. Die
Minorität im Ausschuß hatte beantragt: Alle Standesprivilegien,
sowie der Adel selbst, sind aufgehoben. Alle Ordenstitel sind auf-
gehoben und dürfen nicht wieder eingeführt werden, und darum
drehte sich nun hauptsächlich die Debatte, ob es bei dem Antrage des
Ausschusses bleiben, oder der Minoritätsvorschlag gleichfalls zum
[Ende Spaltensatz]

Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs-
blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 49. Donnerstag, den 3. August. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Die Städter und das Landvolk.
I.

# # Eine Pariser Zeitschrift berichtet in einem ihrer neuesten
Hefte Folgendes. Als jüngst bei der Emeute zu Rouen, welche
bekanntlich durch communistische Sendlinge aus Paris veranlaßt
worden war, ein Haufen Bauern mit ihren Hacken und Dresch-
flegeln der Regierung zu Hülfe eilte, und so auf einem der Stadt-
plätze plötzlich aufzog, da trat ihnen ein Anführer der Aufständi-
schen entgegen und fragte barsch: Was wollt ihr mit euren Ga-
beln? Wir wollen einmal den Mist von Rouen weg-
schaffen,
antwortete ein Bauer. Diese Antwort ist eben so
treffend als inhaltschwer, ich möchte sagen, sie faßt alle Zustände
unserer Gegenwart in sich, sowohl das, was in ihr am meisten
Besorgniß, als jenes, was am meisten Trost gewährt.

Sprechen wir es nur offen aus: in einem beträchtlichen Theile
unserer größeren Städte ist einerseits die Masse des Volkes bis
in die tiefsten Verhältnisse corrumpirt, einer ruhigen Enwickelung
nicht mehr fähig und würdig und nur zur Knechtschaft oder
Emeute noch tauglich; sie muß dem Untergang entgegengehen
oder regenerirt werden, wo sie zur Herrschaft gelangt, ist jede
erfreuliche Zukunft gefährdet. Anderseits ist aber auch, wie der
treffliche Cormenin schon früher in einer seiner Flugschriften
der gestürzten Juliusmonarchie gesagt hatte, der Kern des Volkes
auf dem Lande zu suchen, dort ist das Volk noch gesund, und
sein Widerstand gegen alle revolutionäre Versuche, sie mögen
von oben oder von unten kommen, schwer zu bewältigen.

Schauen wir die Motive näher an, welche unsere Städter
in der eben verlaufenden Revolutionsperiode meist geleitet haben,
so läßt sich nicht läugnen: sie waren nicht immer die reinsten und
und besten. Vielfach gab man sich der Bewegung hin aus Man-
gel an wahrem innerem Halt und Gehalt. Es war bei so vielen
trotz alles äußeren Schliffes sittlich verwilderten Menschen nicht
Verbesserungs=, sondern Zerstörungstrieb und Lust, was sie
leitete. Und doch ist das durch diese Bewegungen Errungene,
wenigstens was Deutschland betrifft, fast ausnahmslos erwünsch-
lich und förderlich. Es geschah dieses aber mehr durch sie, als
für sie. Wie nämlich in der Natur der Winter unseres Himmels-
striches die gesammte, zur Vermoderung bestimmte Vegetation
durch seine Kälte ihres Miasma beraubt und auf diese Weise un-
schädlich macht; oder wie, um ein anderes Bild zu gebrauchen,
so viele kleine Thiere vom Unrath leben und ihn beseitigen, so
zehren auch diese menschlichen Nager das Vermoderte in der
menschlichen Gesellschaft auf. Würde nun die Bewegung in dieser
Richtung stets die Oberhand behalten, so wäre es nicht möglich
aus dem Stande der Auflösung und Aufzehrung, aus der Emeute
und Revolution herauszukommen. Die der Bewegung verfallenen
Großstädte und die ihnen es nachmachenden Kleinstädte sind der
Beleg hierfür.

Nun hat aber unsere gesellschaftliche Ordnung noch eine wei-
tere Macht in sich, die bis jetzt mehr im Hintergrunde geblieben
war, es ist dieses die an sich stärkste, wenn auch nicht beweg-
lichste, nämlich das Landvolk. Wie jetzt die Ruhe überall
wieder ersehnt wird, so ist auch nun für dieses die Zeit des Wir-
kens und der Bedeutung gekommen. Schon durch seine Beschäf-
tigung conservativ, muß es auch die Elemente der Ordnung und
Stetigkeit im Staate zur Geltung zu bringen suchen, damit
der Gesammtstaat dadurch wieder in die ruhigen Geleise all-
gemeiner Sicherheit und Wohlfahrt zurückgebracht werde.
Damit dieses aber geschehe, muß das Landvolk seiner selbst, seiner
[Spaltenumbruch] Kraft und Bedeutung recht bewußt, es muß politisch von den Stadt-
demagogen emancipirt, seine Aufgabe ihm klar hingestellt wer-
den. Es muß seine Vertreter, seine Sprecher aus seiner eigenen
Mitte, oder aus den unmittelbar mit ihm Verkehrenden, unter ihm
Lebenden, mit ihm gleiches Jnteresse Habenden, gewinnen; eine
Scheidung zwischen ihm und den sogenannten „Literaten“ muß
eintreten, damit keiner dieser Letzteren es auch nur mehr versuche,
die Kräfte des Landes für seine destructiven Tendenzen zu miß-
brauchen. Jene sogenannten Literaten mögen sich in anderen
Kreisen bewegen, das was sie oder ihre Thätigkeit Gutes und
Wahres an sich haben, mag von den Städten oder Jndustriellen
zunächst aufgenommen und vertreten werden. Nur auf diese
Weise wird ein modernes Mandarinenthum in Form des „ jun-
gen “ Europa von uns abgehalten. Faßt man aber von diesem
Standpunkte aus die Aufgabe des Landvolkes auf, so ist sie wohl
eine der höchsten und edelsten. Es steht ihm dann besonders jetzt
eine bedeutungsvollere und einflußreichere Zukunft bevor als je,
Jch möchte fast sagen, es vertrete die priesterliche Sendung der
Vermittlung und Beruhigung.

Um aber diese Sendung erfüllen zu können, sind besonders
jene jüngsten Errungenschaften geeignet, welche freilich ursprüng-
lich ganz anders gemeint waren; ich meine besonders die direk-
ten Wahlen
und das allgemeine Stimmrecht. Um der
Masse der städtischen Besitz= und Namenlosen Sitz nnd Stimme
zu verschaffen, um dieses Proletariat zu ihrem Zwecke als willen-
lose Masse benutzen zu können, ist sicher von Vielen für diese bei-
den Rechte agitirt worden. Die Herren vergaßen aber in ihrem
idealen Kampfe, daß sie in Deutschland leben. Allerdings
wenn die Deutschen ein ausschließliches Jndustrie= oder Stadt-
volk wären; wenn Deutschland nicht übersäet wäre mit Dörfern
und Flecken, die ein selbstständiges Leben und Jnteresse haben;
wenn diese nicht eine edlere Aufgabe besäßen, als für eine ein-
zige Riesenhauptstadt zu produziren und von ihr fertig dann
als Tausch ihren Luxus, ihre intellektuelle, religiöse und mora-
lische Verkommenheit hinzunehmen; wenn unser Land sich so
kopflos fühlte ohne Stadt, wie z. B. Frankreich ohne sein Pa-
ris, — dann, aber auch nur dann hätte auch bei uns die De-
magogie das allgemeine Stimmrecht und unmittelbare Wahlen
zu ihrem Zwecke benutzen können. So aber hat Deutschland in
seinen Ackersleuten seine bravsten Bürger, welche durch gefähr-
liche Wanderschaft und schlechte Lectüre am wenigsten gelitten
haben, und für Ruhe und Gesetzlichkeit am meisten interessirt
sind. Diese bilden in unserem Vaterlande die Mehrzahl, und
die gute Mehrzahl ist in ihnen frei und Herr geworden. Jn
ihren Händen, in ihrer guten oder schlechten Leitung liegt unsere
Zukunft. An Alle die Einfluß auf das Volk und Beruf zu seiner
Leitung haben, geht daher gegenwärtig der hohe und ernste Ruf,
zum Heile des Vaterlandes ihre Stellung zu benützen. Wie?
dies soll in einem weiteren Artikel ausgeführt werden.



Deutschland.
Reichstag.

f Frankfurt 2. August. Gestern wurde in der Berathung
über die Grundrechte fortgefahren, und es kamen von §. 6. die
zwei ersten Sätze ( Alle Deutschen sind gleich vor dem Gesetz.
Standesprivilegien finden nicht statt. ) zur Verhandlung. Die
Minorität im Ausschuß hatte beantragt: Alle Standesprivilegien,
sowie der Adel selbst, sind aufgehoben. Alle Ordenstitel sind auf-
gehoben und dürfen nicht wieder eingeführt werden, und darum
drehte sich nun hauptsächlich die Debatte, ob es bei dem Antrage des
Ausschusses bleiben, oder der Minoritätsvorschlag gleichfalls zum
[Ende Spaltensatz]

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Als jüngst bei der Emeute zu Rouen, welche bekanntlich durch communistische Sendlinge aus Paris veranlaßt worden war, ein Haufen Bauern mit ihren Hacken und Dresch- flegeln der Regierung zu Hülfe eilte, und so auf einem der Stadt- plätze plötzlich aufzog, da trat ihnen ein Anführer der Aufständi- schen entgegen und fragte barsch: Was wollt ihr mit euren Ga- beln? Wir wollen einmal den Mist von Rouen weg- schaffen, antwortete ein Bauer. Diese Antwort ist eben so treffend als inhaltschwer, ich möchte sagen, sie faßt alle Zustände unserer Gegenwart in sich, sowohl das, was in ihr am meisten Besorgniß, als jenes, was am meisten Trost gewährt. Sprechen wir es nur offen aus: in einem beträchtlichen Theile unserer größeren Städte ist einerseits die Masse des Volkes bis in die tiefsten Verhältnisse corrumpirt, einer ruhigen Enwickelung nicht mehr fähig und würdig und nur zur Knechtschaft oder Emeute noch tauglich; sie muß dem Untergang entgegengehen oder regenerirt werden, wo sie zur Herrschaft gelangt, ist jede erfreuliche Zukunft gefährdet. Anderseits ist aber auch, wie der treffliche Cormenin schon früher in einer seiner Flugschriften der gestürzten Juliusmonarchie gesagt hatte, der Kern des Volkes auf dem Lande zu suchen, dort ist das Volk noch gesund, und sein Widerstand gegen alle revolutionäre Versuche, sie mögen von oben oder von unten kommen, schwer zu bewältigen. Schauen wir die Motive näher an, welche unsere Städter in der eben verlaufenden Revolutionsperiode meist geleitet haben, so läßt sich nicht läugnen: sie waren nicht immer die reinsten und und besten. Vielfach gab man sich der Bewegung hin aus Man- gel an wahrem innerem Halt und Gehalt. Es war bei so vielen trotz alles äußeren Schliffes sittlich verwilderten Menschen nicht Verbesserungs=, sondern Zerstörungstrieb und Lust, was sie leitete. Und doch ist das durch diese Bewegungen Errungene, wenigstens was Deutschland betrifft, fast ausnahmslos erwünsch- lich und förderlich. Es geschah dieses aber mehr durch sie, als für sie. Wie nämlich in der Natur der Winter unseres Himmels- striches die gesammte, zur Vermoderung bestimmte Vegetation durch seine Kälte ihres Miasma beraubt und auf diese Weise un- schädlich macht; oder wie, um ein anderes Bild zu gebrauchen, so viele kleine Thiere vom Unrath leben und ihn beseitigen, so zehren auch diese menschlichen Nager das Vermoderte in der menschlichen Gesellschaft auf. Würde nun die Bewegung in dieser Richtung stets die Oberhand behalten, so wäre es nicht möglich aus dem Stande der Auflösung und Aufzehrung, aus der Emeute und Revolution herauszukommen. Die der Bewegung verfallenen Großstädte und die ihnen es nachmachenden Kleinstädte sind der Beleg hierfür. Nun hat aber unsere gesellschaftliche Ordnung noch eine wei- tere Macht in sich, die bis jetzt mehr im Hintergrunde geblieben war, es ist dieses die an sich stärkste, wenn auch nicht beweg- lichste, nämlich das Landvolk. Wie jetzt die Ruhe überall wieder ersehnt wird, so ist auch nun für dieses die Zeit des Wir- kens und der Bedeutung gekommen. Schon durch seine Beschäf- tigung conservativ, muß es auch die Elemente der Ordnung und Stetigkeit im Staate zur Geltung zu bringen suchen, damit der Gesammtstaat dadurch wieder in die ruhigen Geleise all- gemeiner Sicherheit und Wohlfahrt zurückgebracht werde. Damit dieses aber geschehe, muß das Landvolk seiner selbst, seiner Kraft und Bedeutung recht bewußt, es muß politisch von den Stadt- demagogen emancipirt, seine Aufgabe ihm klar hingestellt wer- den. Es muß seine Vertreter, seine Sprecher aus seiner eigenen Mitte, oder aus den unmittelbar mit ihm Verkehrenden, unter ihm Lebenden, mit ihm gleiches Jnteresse Habenden, gewinnen; eine Scheidung zwischen ihm und den sogenannten „Literaten“ muß eintreten, damit keiner dieser Letzteren es auch nur mehr versuche, die Kräfte des Landes für seine destructiven Tendenzen zu miß- brauchen. Jene sogenannten Literaten mögen sich in anderen Kreisen bewegen, das was sie oder ihre Thätigkeit Gutes und Wahres an sich haben, mag von den Städten oder Jndustriellen zunächst aufgenommen und vertreten werden. Nur auf diese Weise wird ein modernes Mandarinenthum in Form des „ jun- gen “ Europa von uns abgehalten. Faßt man aber von diesem Standpunkte aus die Aufgabe des Landvolkes auf, so ist sie wohl eine der höchsten und edelsten. Es steht ihm dann besonders jetzt eine bedeutungsvollere und einflußreichere Zukunft bevor als je, Jch möchte fast sagen, es vertrete die priesterliche Sendung der Vermittlung und Beruhigung. Um aber diese Sendung erfüllen zu können, sind besonders jene jüngsten Errungenschaften geeignet, welche freilich ursprüng- lich ganz anders gemeint waren; ich meine besonders die direk- ten Wahlen und das allgemeine Stimmrecht. Um der Masse der städtischen Besitz= und Namenlosen Sitz nnd Stimme zu verschaffen, um dieses Proletariat zu ihrem Zwecke als willen- lose Masse benutzen zu können, ist sicher von Vielen für diese bei- den Rechte agitirt worden. Die Herren vergaßen aber in ihrem idealen Kampfe, daß sie in Deutschland leben. Allerdings wenn die Deutschen ein ausschließliches Jndustrie= oder Stadt- volk wären; wenn Deutschland nicht übersäet wäre mit Dörfern und Flecken, die ein selbstständiges Leben und Jnteresse haben; wenn diese nicht eine edlere Aufgabe besäßen, als für eine ein- zige Riesenhauptstadt zu produziren und von ihr fertig dann als Tausch ihren Luxus, ihre intellektuelle, religiöse und mora- lische Verkommenheit hinzunehmen; wenn unser Land sich so kopflos fühlte ohne Stadt, wie z. B. Frankreich ohne sein Pa- ris, — dann, aber auch nur dann hätte auch bei uns die De- magogie das allgemeine Stimmrecht und unmittelbare Wahlen zu ihrem Zwecke benutzen können. So aber hat Deutschland in seinen Ackersleuten seine bravsten Bürger, welche durch gefähr- liche Wanderschaft und schlechte Lectüre am wenigsten gelitten haben, und für Ruhe und Gesetzlichkeit am meisten interessirt sind. Diese bilden in unserem Vaterlande die Mehrzahl, und die gute Mehrzahl ist in ihnen frei und Herr geworden. Jn ihren Händen, in ihrer guten oder schlechten Leitung liegt unsere Zukunft. An Alle die Einfluß auf das Volk und Beruf zu seiner Leitung haben, geht daher gegenwärtig der hohe und ernste Ruf, zum Heile des Vaterlandes ihre Stellung zu benützen. Wie? dies soll in einem weiteren Artikel ausgeführt werden. Deutschland. Reichstag. f Frankfurt 2. August. Gestern wurde in der Berathung über die Grundrechte fortgefahren, und es kamen von §. 6. die zwei ersten Sätze ( Alle Deutschen sind gleich vor dem Gesetz. Standesprivilegien finden nicht statt. ) zur Verhandlung. Die Minorität im Ausschuß hatte beantragt: Alle Standesprivilegien, sowie der Adel selbst, sind aufgehoben. Alle Ordenstitel sind auf- gehoben und dürfen nicht wieder eingeführt werden, und darum drehte sich nun hauptsächlich die Debatte, ob es bei dem Antrage des Ausschusses bleiben, oder der Minoritätsvorschlag gleichfalls zum

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 49. Mainz, 3. August 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal049_1848/1>, abgerufen am 05.10.2024.