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Mainzer Journal. Nr. 85. Mainz, 13. September 1848.

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Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den "Rheinischen Unterhaltungs-
blättern " schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 85. Mittwoch, den 13. September. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Schreiben des Schleswig=Holsteinischen Land-
tages an die deutsche Nationalversammlung
zu Frankfurt.

Hohe Nationalversammlung! Der schleswig=holsteinische
Volksstamm, gehoben durch die edlen Sympathien des gesamm-
ten deutschen Volkes, ergriff die Waffen zur Abwehr des ihm von
dem dänischen Volk bereiteten und weiter drohenden Unrechts,
voll zuversichtlicher Hoffnung auf deutsche, in tausendstimmigen
Adressen begeisternd zugesagte Hülfe. Die Erwartung der Schles-
wig=Holsteiner ward nicht getäuscht. Mit freudigem, innigem
Danke erkennen wir es an, daß Preußens König und das preußi-
sche Volk die ersten waren, welche der schleswig=holsteinischen
Sache die wesentlichen Dienste geleistet, derselben schwere Opfer
gebracht haben. Andere deutsche Volksstämme wetteiferten darin
mit den Preußen. Ganz Deutschland erkannte, daß in der Errin-
gung der Selbstständigkeit des schleswig=holsteinischen Bruder-
stammes, eines seegewohnten Volkes mit ausgezeichneten Seehäfen,
die Einheit und die Kraft des großen deutschen Volkes erstarken
müsse. Aber mit Eifersucht sahen andere Mächte die Bedeutung
dieses Kampfes für Deutschlands Entwickelung zur Einheit und
Macht. Den Einflüssen dieser Mächte ist es leider gelungen, es
dahin zu bringen, daß zwischen der Krone Preußens und dem
Könige von Dänemark ein Waffenstillstandsvertrag abgeschlossen
ist, der die allerschmerzlichsten Empfindungen erregt und die Hoff-
nungen auf Deutschlands Macht und Einfluß erschüttert hat.
Vertrauensvoll haben die Vertreter des schleswig=holsteinischen
Volkes auf den Wunsch des Reichsministeriums am 17. August
ihre Vertagung beschlossen, indem sie einen ehrenvollen Waffen-
stillstand zu erlangen hofften und wünschten. Sie waren zu dieser
Hoffnung um so mehr berechtigt, weil ihnen von der provisorischen
Regierung ein Schreiben des Unterstaatssecretärs Max von Ga-
gern vom 16. August 1848 mitgetheilt war, in welchem dieser
die Versicherung aussprach: "daß die von der Reichsgewalt zum
Abschluß eines Waffenstillstandes ausgestellte Vollmacht und
unter wesentlich besseren Bedingungen, als die des Entwurfes
von Malmö waren, an die königl. preußische Regierung über-
tragen worden."

Jn seiner Zuversicht ist aber das schleswig=holsteinische Volk
so schmerzlich getäuscht, daß deren Vertreter, so wie ihnen die
Waffenstillstandsbedingungen mitgetheilt wurden, augenblicklich
ihre Pflicht erkannten, durch die in der Anlage enthaltenen, von
101 anwesenden Mitgliedern der constituirenden Versammlung
einstimmig gefaßten Beschlüsse, die unveräußerlichen Rechte des
schleswig=holsteinischen Volkes zu wahren und das Land vor dro-
hender Anarchie zu schützen. Die Versammlung war hier eben
so einstimmig, als das ganze Land es ist. Denn in ganz
Schleswig=Holstein herrscht allgemein die Ueberzeugung, daß ein
Theil der vereinbarten Waffenstillstandsbedingungen entweder
unausführbar ist oder doch deren Vollziehung die bedenklichsten
Folgen haben würde. Der 7. Artikel enthält die allerreactionärsten
Bestimmungen. Darnach sollen nämlich alle seit dem 17. März
1848 für die Herzogthümer erlassenen Gesetze, Verordnungen und
Verwaltungsmaßregeln aufgehoben werden. Es ist aber erst
von der provisorischen Regierung völlige Preßfreiheit so wie das
Recht der freien Vereine und Volksversammlungen eingeführt,
die Jagdsteuer auf eigenem Boden gestattet, die Kopfsteuer und
eine andere die ärmsten Volksclassen drückende Steuer, das so-
genannte Jnstengeld, aufgehoben. Mit dem größten Jubel hat
das schleswig=holsteinische Volk diese von der provisorischen Re-
gierung erlassenen und von der Ständeversammlung genehmigten
[Spaltenumbruch] Gesetze begrüßt. Der Gedanke, das diese Gesetze, während die
hohe Nationalversammlung in den Grundrechten dem deutschen
Volke die ausgedehntesten Freiheiten gewährt, wieder aufgehoben
und dagegen in die Herzogthümer ein absolutes Regiment einge-
führt werden soll, erregt bei den Schleswig=Holsteinern unver-
meidlich die allertiefste Entrüstung. Sie würden sich selbst der
Genossenschaft des freien Deutschlands unwürdig erachten, wenn
ihr Freiheitssinn über solche Bedingungen nicht empört wäre.
Die constituirende schleswig=holsteinische Landesversammlung,
zum Schutz des schleswig=holsteinischen Volkes gegen absolute
Willkürherrschaft berufen, hat es in dem oben erwähnten Be-
schlusse ausgesprochen, daß ohne ihre Zustimmung die von der
provisorischen Regierung erlassenen Gesetze weder verändert noch
aufgehoben werden können. Da die deutsche Bundesversammlung
die provisorische Regierung anerkannt und einem von derselben
ernannten Bevollmächtigten in ihrem Schooße Sitz und Stimme
ertheilt hat, so sind dadurch die deutschen Staatsgewalten gebun-
den, die von der provisorischen Regierung erlassenen und von der
Landesvertretung des schleswig=holsteinischen Volkes genehmigten
Gesetze für gültig zu erklären. Die hohe Nationalversammlung
wird deshalb schon aus diesem Grunde, wie wir zuversichtlich
vertrauen, diesen unsern Beschluß aufrecht erhalten. Die An-
nullirung der von der provisorischen Regierung erlassenen Anord-
nungen würde zu den bedenklichsten Folgesätzen führen. Von
derselben sind z. B. die Wahlen in Schleswig=Holstein für die
deutsche Reichsversammlung angeordnet. Diese Anordnung wird
durch den in den Waffenstillstandsvertrag aufgenommenen Grund-
satz annullirt. Zieht man hiervon die Consequenzen scharf und
streng, so greift diese Bestimmung selbst die von den Schleswig-
Holsteinern mitgeschaffene Centralgewalt an, denn zwei holsteini-
sche Abgeordnete haben das Gesetz über die Centralgewalt im Aus-
schusse mit vorbereitet, alle schleswig=holsteinischen Abgeordneten
haben für die Annahme dieses Gesetzes gestimmt und alle haben
den Reichsverweser erwählt. Ja, selbst die Vollmacht, welche der
preußischen Krone von der Bundesversammlung zur Vereinbarung
eines Waffenstillstandes mit Dänemark ertheilt ist, hat der von der
provisorischen Regierung ernannte Bundestagsgesandte mit ver-
liehen. Jst nun diese Ernennung der provisorischen Regierung
nichtig, welche rechtliche Wirkung hat dann die von der deutschen
Bundesversammlung an die preußische Krone ertheilte Vollmacht,
auf deren Grund doch der im Namen des deutschen Bundes ab-
geschlossene Vertrag, welcher der Centralgewalt gar nicht erwähnt,
allein abgeschlossen zu seyn scheint? Die provisorische Regierung
hat seit dem 24. März die Erhebung der Steuern in den Herzog-
thümern angeordnet und diese Steuern zu den Zwecken der Re-
gierung verwendet. Von dem absoluten, uncontrollirten Willen
der fünf Regierungsmänner soll es nun abhängen, ob diese Anord-
nung gelten soll oder nicht, ob also Diejenigen, welche seit dem
24. März ihre Steuern bezahlt haben, rechtlich als Rückständige
behandelt werden sollen oder nicht. Diese wenigen Beispiele
machen es anschaulich, wie tief in die Verhältnisse Deutschlands
und in das Leben der Schleswig=Holsteiner der 7. Artikel ein-
greifen kann. Ja, will die neue Regierung die Restauration
vollständig machen, so kann sie nicht blos die große Zahl von
Beamten absetzen, welche die provisorische Regierung angestellt
hat, sondern auch die Anordnungen dieser Beamten, ja aller
Beamten annulliren, von welchen die provisorische Regierung an-
erkannt ist. Erwägt man nun, wie eng verwachsen und mannig-
faltig verflochten mit den Tausenden von Anordnungen einer
fünfmonatlichen Landesregierung die Rechte und Jnteressen des
regierten Volkes sind, so begreift man die tiefe Aufregung des
[Ende Spaltensatz]

Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs-
blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 85. Mittwoch, den 13. September. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Schreiben des Schleswig=Holsteinischen Land-
tages an die deutsche Nationalversammlung
zu Frankfurt.

Hohe Nationalversammlung! Der schleswig=holsteinische
Volksstamm, gehoben durch die edlen Sympathien des gesamm-
ten deutschen Volkes, ergriff die Waffen zur Abwehr des ihm von
dem dänischen Volk bereiteten und weiter drohenden Unrechts,
voll zuversichtlicher Hoffnung auf deutsche, in tausendstimmigen
Adressen begeisternd zugesagte Hülfe. Die Erwartung der Schles-
wig=Holsteiner ward nicht getäuscht. Mit freudigem, innigem
Danke erkennen wir es an, daß Preußens König und das preußi-
sche Volk die ersten waren, welche der schleswig=holsteinischen
Sache die wesentlichen Dienste geleistet, derselben schwere Opfer
gebracht haben. Andere deutsche Volksstämme wetteiferten darin
mit den Preußen. Ganz Deutschland erkannte, daß in der Errin-
gung der Selbstständigkeit des schleswig=holsteinischen Bruder-
stammes, eines seegewohnten Volkes mit ausgezeichneten Seehäfen,
die Einheit und die Kraft des großen deutschen Volkes erstarken
müsse. Aber mit Eifersucht sahen andere Mächte die Bedeutung
dieses Kampfes für Deutschlands Entwickelung zur Einheit und
Macht. Den Einflüssen dieser Mächte ist es leider gelungen, es
dahin zu bringen, daß zwischen der Krone Preußens und dem
Könige von Dänemark ein Waffenstillstandsvertrag abgeschlossen
ist, der die allerschmerzlichsten Empfindungen erregt und die Hoff-
nungen auf Deutschlands Macht und Einfluß erschüttert hat.
Vertrauensvoll haben die Vertreter des schleswig=holsteinischen
Volkes auf den Wunsch des Reichsministeriums am 17. August
ihre Vertagung beschlossen, indem sie einen ehrenvollen Waffen-
stillstand zu erlangen hofften und wünschten. Sie waren zu dieser
Hoffnung um so mehr berechtigt, weil ihnen von der provisorischen
Regierung ein Schreiben des Unterstaatssecretärs Max von Ga-
gern vom 16. August 1848 mitgetheilt war, in welchem dieser
die Versicherung aussprach: „daß die von der Reichsgewalt zum
Abschluß eines Waffenstillstandes ausgestellte Vollmacht und
unter wesentlich besseren Bedingungen, als die des Entwurfes
von Malmö waren, an die königl. preußische Regierung über-
tragen worden.“

Jn seiner Zuversicht ist aber das schleswig=holsteinische Volk
so schmerzlich getäuscht, daß deren Vertreter, so wie ihnen die
Waffenstillstandsbedingungen mitgetheilt wurden, augenblicklich
ihre Pflicht erkannten, durch die in der Anlage enthaltenen, von
101 anwesenden Mitgliedern der constituirenden Versammlung
einstimmig gefaßten Beschlüsse, die unveräußerlichen Rechte des
schleswig=holsteinischen Volkes zu wahren und das Land vor dro-
hender Anarchie zu schützen. Die Versammlung war hier eben
so einstimmig, als das ganze Land es ist. Denn in ganz
Schleswig=Holstein herrscht allgemein die Ueberzeugung, daß ein
Theil der vereinbarten Waffenstillstandsbedingungen entweder
unausführbar ist oder doch deren Vollziehung die bedenklichsten
Folgen haben würde. Der 7. Artikel enthält die allerreactionärsten
Bestimmungen. Darnach sollen nämlich alle seit dem 17. März
1848 für die Herzogthümer erlassenen Gesetze, Verordnungen und
Verwaltungsmaßregeln aufgehoben werden. Es ist aber erst
von der provisorischen Regierung völlige Preßfreiheit so wie das
Recht der freien Vereine und Volksversammlungen eingeführt,
die Jagdsteuer auf eigenem Boden gestattet, die Kopfsteuer und
eine andere die ärmsten Volksclassen drückende Steuer, das so-
genannte Jnstengeld, aufgehoben. Mit dem größten Jubel hat
das schleswig=holsteinische Volk diese von der provisorischen Re-
gierung erlassenen und von der Ständeversammlung genehmigten
[Spaltenumbruch] Gesetze begrüßt. Der Gedanke, das diese Gesetze, während die
hohe Nationalversammlung in den Grundrechten dem deutschen
Volke die ausgedehntesten Freiheiten gewährt, wieder aufgehoben
und dagegen in die Herzogthümer ein absolutes Regiment einge-
führt werden soll, erregt bei den Schleswig=Holsteinern unver-
meidlich die allertiefste Entrüstung. Sie würden sich selbst der
Genossenschaft des freien Deutschlands unwürdig erachten, wenn
ihr Freiheitssinn über solche Bedingungen nicht empört wäre.
Die constituirende schleswig=holsteinische Landesversammlung,
zum Schutz des schleswig=holsteinischen Volkes gegen absolute
Willkürherrschaft berufen, hat es in dem oben erwähnten Be-
schlusse ausgesprochen, daß ohne ihre Zustimmung die von der
provisorischen Regierung erlassenen Gesetze weder verändert noch
aufgehoben werden können. Da die deutsche Bundesversammlung
die provisorische Regierung anerkannt und einem von derselben
ernannten Bevollmächtigten in ihrem Schooße Sitz und Stimme
ertheilt hat, so sind dadurch die deutschen Staatsgewalten gebun-
den, die von der provisorischen Regierung erlassenen und von der
Landesvertretung des schleswig=holsteinischen Volkes genehmigten
Gesetze für gültig zu erklären. Die hohe Nationalversammlung
wird deshalb schon aus diesem Grunde, wie wir zuversichtlich
vertrauen, diesen unsern Beschluß aufrecht erhalten. Die An-
nullirung der von der provisorischen Regierung erlassenen Anord-
nungen würde zu den bedenklichsten Folgesätzen führen. Von
derselben sind z. B. die Wahlen in Schleswig=Holstein für die
deutsche Reichsversammlung angeordnet. Diese Anordnung wird
durch den in den Waffenstillstandsvertrag aufgenommenen Grund-
satz annullirt. Zieht man hiervon die Consequenzen scharf und
streng, so greift diese Bestimmung selbst die von den Schleswig-
Holsteinern mitgeschaffene Centralgewalt an, denn zwei holsteini-
sche Abgeordnete haben das Gesetz über die Centralgewalt im Aus-
schusse mit vorbereitet, alle schleswig=holsteinischen Abgeordneten
haben für die Annahme dieses Gesetzes gestimmt und alle haben
den Reichsverweser erwählt. Ja, selbst die Vollmacht, welche der
preußischen Krone von der Bundesversammlung zur Vereinbarung
eines Waffenstillstandes mit Dänemark ertheilt ist, hat der von der
provisorischen Regierung ernannte Bundestagsgesandte mit ver-
liehen. Jst nun diese Ernennung der provisorischen Regierung
nichtig, welche rechtliche Wirkung hat dann die von der deutschen
Bundesversammlung an die preußische Krone ertheilte Vollmacht,
auf deren Grund doch der im Namen des deutschen Bundes ab-
geschlossene Vertrag, welcher der Centralgewalt gar nicht erwähnt,
allein abgeschlossen zu seyn scheint? Die provisorische Regierung
hat seit dem 24. März die Erhebung der Steuern in den Herzog-
thümern angeordnet und diese Steuern zu den Zwecken der Re-
gierung verwendet. Von dem absoluten, uncontrollirten Willen
der fünf Regierungsmänner soll es nun abhängen, ob diese Anord-
nung gelten soll oder nicht, ob also Diejenigen, welche seit dem
24. März ihre Steuern bezahlt haben, rechtlich als Rückständige
behandelt werden sollen oder nicht. Diese wenigen Beispiele
machen es anschaulich, wie tief in die Verhältnisse Deutschlands
und in das Leben der Schleswig=Holsteiner der 7. Artikel ein-
greifen kann. Ja, will die neue Regierung die Restauration
vollständig machen, so kann sie nicht blos die große Zahl von
Beamten absetzen, welche die provisorische Regierung angestellt
hat, sondern auch die Anordnungen dieser Beamten, ja aller
Beamten annulliren, von welchen die provisorische Regierung an-
erkannt ist. Erwägt man nun, wie eng verwachsen und mannig-
faltig verflochten mit den Tausenden von Anordnungen einer
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Der schleswig=holsteinische Volksstamm, gehoben durch die edlen Sympathien des gesamm- ten deutschen Volkes, ergriff die Waffen zur Abwehr des ihm von dem dänischen Volk bereiteten und weiter drohenden Unrechts, voll zuversichtlicher Hoffnung auf deutsche, in tausendstimmigen Adressen begeisternd zugesagte Hülfe. Die Erwartung der Schles- wig=Holsteiner ward nicht getäuscht. Mit freudigem, innigem Danke erkennen wir es an, daß Preußens König und das preußi- sche Volk die ersten waren, welche der schleswig=holsteinischen Sache die wesentlichen Dienste geleistet, derselben schwere Opfer gebracht haben. Andere deutsche Volksstämme wetteiferten darin mit den Preußen. Ganz Deutschland erkannte, daß in der Errin- gung der Selbstständigkeit des schleswig=holsteinischen Bruder- stammes, eines seegewohnten Volkes mit ausgezeichneten Seehäfen, die Einheit und die Kraft des großen deutschen Volkes erstarken müsse. Aber mit Eifersucht sahen andere Mächte die Bedeutung dieses Kampfes für Deutschlands Entwickelung zur Einheit und Macht. Den Einflüssen dieser Mächte ist es leider gelungen, es dahin zu bringen, daß zwischen der Krone Preußens und dem Könige von Dänemark ein Waffenstillstandsvertrag abgeschlossen ist, der die allerschmerzlichsten Empfindungen erregt und die Hoff- nungen auf Deutschlands Macht und Einfluß erschüttert hat. Vertrauensvoll haben die Vertreter des schleswig=holsteinischen Volkes auf den Wunsch des Reichsministeriums am 17. August ihre Vertagung beschlossen, indem sie einen ehrenvollen Waffen- stillstand zu erlangen hofften und wünschten. Sie waren zu dieser Hoffnung um so mehr berechtigt, weil ihnen von der provisorischen Regierung ein Schreiben des Unterstaatssecretärs Max von Ga- gern vom 16. August 1848 mitgetheilt war, in welchem dieser die Versicherung aussprach: „daß die von der Reichsgewalt zum Abschluß eines Waffenstillstandes ausgestellte Vollmacht und unter wesentlich besseren Bedingungen, als die des Entwurfes von Malmö waren, an die königl. preußische Regierung über- tragen worden.“ Jn seiner Zuversicht ist aber das schleswig=holsteinische Volk so schmerzlich getäuscht, daß deren Vertreter, so wie ihnen die Waffenstillstandsbedingungen mitgetheilt wurden, augenblicklich ihre Pflicht erkannten, durch die in der Anlage enthaltenen, von 101 anwesenden Mitgliedern der constituirenden Versammlung einstimmig gefaßten Beschlüsse, die unveräußerlichen Rechte des schleswig=holsteinischen Volkes zu wahren und das Land vor dro- hender Anarchie zu schützen. Die Versammlung war hier eben so einstimmig, als das ganze Land es ist. Denn in ganz Schleswig=Holstein herrscht allgemein die Ueberzeugung, daß ein Theil der vereinbarten Waffenstillstandsbedingungen entweder unausführbar ist oder doch deren Vollziehung die bedenklichsten Folgen haben würde. Der 7. Artikel enthält die allerreactionärsten Bestimmungen. Darnach sollen nämlich alle seit dem 17. März 1848 für die Herzogthümer erlassenen Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsmaßregeln aufgehoben werden. Es ist aber erst von der provisorischen Regierung völlige Preßfreiheit so wie das Recht der freien Vereine und Volksversammlungen eingeführt, die Jagdsteuer auf eigenem Boden gestattet, die Kopfsteuer und eine andere die ärmsten Volksclassen drückende Steuer, das so- genannte Jnstengeld, aufgehoben. Mit dem größten Jubel hat das schleswig=holsteinische Volk diese von der provisorischen Re- gierung erlassenen und von der Ständeversammlung genehmigten Gesetze begrüßt. Der Gedanke, das diese Gesetze, während die hohe Nationalversammlung in den Grundrechten dem deutschen Volke die ausgedehntesten Freiheiten gewährt, wieder aufgehoben und dagegen in die Herzogthümer ein absolutes Regiment einge- führt werden soll, erregt bei den Schleswig=Holsteinern unver- meidlich die allertiefste Entrüstung. Sie würden sich selbst der Genossenschaft des freien Deutschlands unwürdig erachten, wenn ihr Freiheitssinn über solche Bedingungen nicht empört wäre. Die constituirende schleswig=holsteinische Landesversammlung, zum Schutz des schleswig=holsteinischen Volkes gegen absolute Willkürherrschaft berufen, hat es in dem oben erwähnten Be- schlusse ausgesprochen, daß ohne ihre Zustimmung die von der provisorischen Regierung erlassenen Gesetze weder verändert noch aufgehoben werden können. Da die deutsche Bundesversammlung die provisorische Regierung anerkannt und einem von derselben ernannten Bevollmächtigten in ihrem Schooße Sitz und Stimme ertheilt hat, so sind dadurch die deutschen Staatsgewalten gebun- den, die von der provisorischen Regierung erlassenen und von der Landesvertretung des schleswig=holsteinischen Volkes genehmigten Gesetze für gültig zu erklären. Die hohe Nationalversammlung wird deshalb schon aus diesem Grunde, wie wir zuversichtlich vertrauen, diesen unsern Beschluß aufrecht erhalten. Die An- nullirung der von der provisorischen Regierung erlassenen Anord- nungen würde zu den bedenklichsten Folgesätzen führen. Von derselben sind z. B. die Wahlen in Schleswig=Holstein für die deutsche Reichsversammlung angeordnet. Diese Anordnung wird durch den in den Waffenstillstandsvertrag aufgenommenen Grund- satz annullirt. Zieht man hiervon die Consequenzen scharf und streng, so greift diese Bestimmung selbst die von den Schleswig- Holsteinern mitgeschaffene Centralgewalt an, denn zwei holsteini- sche Abgeordnete haben das Gesetz über die Centralgewalt im Aus- schusse mit vorbereitet, alle schleswig=holsteinischen Abgeordneten haben für die Annahme dieses Gesetzes gestimmt und alle haben den Reichsverweser erwählt. Ja, selbst die Vollmacht, welche der preußischen Krone von der Bundesversammlung zur Vereinbarung eines Waffenstillstandes mit Dänemark ertheilt ist, hat der von der provisorischen Regierung ernannte Bundestagsgesandte mit ver- liehen. Jst nun diese Ernennung der provisorischen Regierung nichtig, welche rechtliche Wirkung hat dann die von der deutschen Bundesversammlung an die preußische Krone ertheilte Vollmacht, auf deren Grund doch der im Namen des deutschen Bundes ab- geschlossene Vertrag, welcher der Centralgewalt gar nicht erwähnt, allein abgeschlossen zu seyn scheint? Die provisorische Regierung hat seit dem 24. März die Erhebung der Steuern in den Herzog- thümern angeordnet und diese Steuern zu den Zwecken der Re- gierung verwendet. Von dem absoluten, uncontrollirten Willen der fünf Regierungsmänner soll es nun abhängen, ob diese Anord- nung gelten soll oder nicht, ob also Diejenigen, welche seit dem 24. März ihre Steuern bezahlt haben, rechtlich als Rückständige behandelt werden sollen oder nicht. Diese wenigen Beispiele machen es anschaulich, wie tief in die Verhältnisse Deutschlands und in das Leben der Schleswig=Holsteiner der 7. Artikel ein- greifen kann. Ja, will die neue Regierung die Restauration vollständig machen, so kann sie nicht blos die große Zahl von Beamten absetzen, welche die provisorische Regierung angestellt hat, sondern auch die Anordnungen dieser Beamten, ja aller Beamten annulliren, von welchen die provisorische Regierung an- erkannt ist. Erwägt man nun, wie eng verwachsen und mannig- faltig verflochten mit den Tausenden von Anordnungen einer fünfmonatlichen Landesregierung die Rechte und Jnteressen des regierten Volkes sind, so begreift man die tiefe Aufregung des

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 85. Mainz, 13. September 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal085_1848/1>, abgerufen am 06.10.2024.