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Mainzer Journal. Nr. 92. Mainz, 21. September 1848.

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[Beginn Spaltensatz] tiren, so daß der Bürger nur mit Mühe noch frei wird. Jahn
soll sich in den Schornstein versteckt haben, als man die Westen-
hall demolirte. An den Läden stand überall in der Fahrgasse mit
Kreide angeschrieben: "Heilig ist das Eigenthum," allein es sol-
len dies die Juden selbst gethan haben und nicht die Jnsurgenten.
Der Reichsverweser verhielt sich ruhig zu Hause, bis heute mor-
gen, wo er mit dem Generalstab herumritt. Das Uebrige wissen
Sie. Wir sind in Belagerungszustand erklärt, alle Clubbs und
Vereine sind suspendirt. Heute hielt Gagern im Parlament eine
erschütternde Rede, in der er den Meuchelmord von Lichnowsky und
Auerswald meldet, Alles war ergriffen und man hörte jeden
Athemzug. Er fordert zur Einheit und zu einstimmigem Be-
schließen auf, damit die Centralgewalt, an die sie sich fest an-
schließen müßten, an Kraft und Zutrauen gewänne. Bei der
Abstimmung über die Anträge Zachariä's zog sich Blum wie ge-
wöhnlich zu dem linken Centrum zurück, während er immer der
Erste war, um das Volk aufzuhetzen. Die Barricadengesichter
und Turner, die mit Hahnenfedern geschmückten Hüte und die
rothen Abzeichen sind alle auf einmal ganz von der Straße ver-
schwunden. Das Militär ist theilweise einquartirt, theilweise
campirt es bei Wachtfeuern diese Nacht hindurch unter Gesang
auf den Straßen.

Frankfurt 20. September. ( O. P. A. Z. ) Aus den bisher
gepflogenen amtlichen Erhebungen läßt sich vorläufig Nachfol-
gendes über die stattgehabte Ermordung des Generals von
Auerswald und des Fürsten Lichnowsky mittheilen. Nachdem
Beide auf einem Spazierritte in der Gärtnerei vor den Verfolg-
ungen einer großen Anzahl Bewaffneter, von deren Seite mehrere
Schüsse erfolglos auf sie abgefeuert worden waren, in den an die
Bornheimer Haide grenzenden Garten des Kunstgärtner Schmidt
sich zu retten gesucht und in der dortigen Gartenbehausung ( Ge-
neral v. Auerswald in einer Bodenkammer, Fürst Lichnowsky in
dem Keller ) sich versteckt gehabt, drangen jene Bewaffnete in den
Garten ein, wo ein Theil zuvörderst die beiden Pferde der Ver-
steckten fortführte, die Uebrigen aber die Schmidt'sche Behausung
auf das Genaueste durchsuchten. Nach etwa einer Viertelstunde
gelang es ihnen zuerst den General v. Auerswald und eine kleine
Viertelstunde nachher auch den Fürsten Lichnowsky in ihren Ver-
stecken aufzufinden. General v. Auerswald wurde unter fort-
währenden Mißhandlungen durch Schlagen mit Knütteln und
Stößen mit Gewehrkolben aus der Schmidt'schen Behausung
nach der hinteren Ausgangsthüre des Schmidt'schen Gartens ge-
schleppt, dort durch einen Kolbenstoß auf die Brust in den neben
dem Garten hinziehenden Graben geworfen und nun durch einen
Flintenschuß getödtet. Fürst Lichnowsky wurde gleich nach seinem
Auffinden auf dem nämlichen Wege aus dem Schmidt'schen Gar-
ten gebracht, jedoch noch eine Strecke von etwa 350 Schritten in
der Richtung nach Bornheim in der Pappelallee fortgeführt und
alsdann durch mehrere Flintenschüsse zu Boden gestreckt. An
einen Kampf oder auch nur irgend eine Vertheidigung von Sei-
ten des Fürsten Lichnowsky und des Generals v. Auers-
wald
war unter den angegebenen Umständen nicht zu denken
und zwar, was den General v. Auerswald betrifft, um so we-
niger, als diesem schon vor seiner Ankunft in dem Schmidt'schen
Garten durch einen Steinwurf der eine Arm gelähmt worden
war.

^ Aus der hessischen Pfalz 20. September. Eben erhalten
die beurlaubten Soldaten den Befehl zum Abmarsch. Die Be-
stürzung ist allgemein, die Furcht gränzenlos, die Gräuelscenen,
wie solche in dem Munde des Volkes von Frankfurt aus erzählt
werden, natürlich aus jedem Munde anders, übersteigen Alles,
was man bisher von Barbarei und Grausamkeit gehört hat. Die
Leute auf den Dörfern stehen schaarenweise auf den Straßen,
Angst und Bangigkeit in den Gesichtern, denn leider wurde Man-
ches, was am Sonntag auf der sogenannten Volksversammlung
zu Gabsheim von den Mainzer Demokraten vorausgesagt wurde,
am Montag schon erfüllt. Die Nachrichten von Zweibrücken und
Kaiserslautern tragen nur noch dazu bei, die Wahrheit zu bestä-
tigen, daß es auf einen Hauptschlag zum Umsturz der Ordnung
und zur Beförderung der Anarchie abgesehen war. Jn Alzei
wurde gestern Nachmittag auf einem Privathause die rothe Fahne
aufgepflanzt, bald darauf herabgenommen, um auf dem Rath-
hause zu flattern. Die Republik wurde förmlich ausgerufen, ohne
daß der Bürgermeister es wagen konnte irgend ein Mittel zu er-
greifen. Die Hauptagitatoren "der Rothen" dort sind die schon
von früher bekannten Wühler. Man erzählte sich gestern, es
werde noch am Abend eine Liste in allen Häusern der Stadt cir-
culiren, in welcher jeder Bürger seine politische Stimmung abzu-
geben habe; bei der ersten Weigerung sich für die Republik zu er-
[Spaltenumbruch] klären, werde Jeder mit "Lau" bezeichnet, bei der zweiten mit
"Kalt," bei der dritten habe er sein Leben verwirkt. Wenn dieses
nun auch noch nicht geschehen ist, was ich heute noch nicht erfah-
ren habe, so ist der demokratische Fanatismus unter den noch
immerhin Wenigen, die dem demokratischen Terrorismus huldi-
gen, so gesteigert, daß er die stärksten Mittel zur Erreichung sei-
ner Zwecke nicht unversucht zu lassen sich entschlossen zu haben
scheint. Jn F. ereignete sich die schmachvolle Scene, daß zwei
Jungen von 17--20 Jahren ihre Mutter, eine alte arme Witt-
frau mißhandelten, weil sie nicht "demokratisch" gesinnt sey,
sondern ihre Söhne zur Arbeit aufgefodert hatte. Wir befinden
uns in derselben Lage, in der sich im Frühjahre das badische
Oberland befand, nur mit dem Unterschiede, daß die Republik
sich hier noch immer in der ungeheueren Minorität befindet und
die Demokraten nur durch ihre grenzenlose Thätigkeit bisher
prosperirt haben. Wenn von anderer Seite dieselbe Energie und
aufopfernde Bereitwilligkeit entwickelt würde, man würde sich be-
deutender Sympathien durch die ganze Pfalz versichert halten
können.

Frankreich.

* * * Paris 19. September. Jn der Kammer Fortsetzung
der Discussion über die neue Verfassung. Die Wünsche Derer,
welche die Todesstrafe unbedingt beseitigt wissen wollten, wurden
nicht erhört und es hatte bei der ursprünglichen Fassung des
Art. 5., daß blos die Todesstrafe auf politische Vergehen abge-
schafft werden sollte, sein Bewenden. Art. 6. "Die Sklaverei
darf in keinem französischen Lande mehr bestehen," wurde ohne
Discussion angenommen. Art 7. wurde in folger Fassung an-
genommen: "Jeder bekennet seinen Glauben frei und erhält
vom Staate bei der Ausübung seines Cultus gleichen Schutz.
Nur die Geistlichen der Culte, welche gegenwärtig vom Gesetze
anerkannt sind und diejenigen, welche später werden anerkannt
werden, haben das Recht, einen Gehalt vom Staate zu em-
pfangen." Die Kammer ließ jene Redner, welche sich gegen das
Budget des Cultus aussprechen wollten, gar nicht einmal zum
Worte kommen. Zu Art. 8., welcher nach dem Entwurfe der
Commission folgendermaßen lautet: "Die Bürger haben das
Recht, Associationen zu bilden, sich friedlich und ohne Waffen
zu versammeln, zu petitioniren, ihre Gedanken auf dem Wege
der Presse oder anderweitig zu veröffentlichen. Die Ausübung
dieser Rechte hat keine andere Gränzen, als die Rechte oder
die Freiheit Anderer und die öffentliche Sicherheit. Die Presse
darf in keinem Falle der Censur unterworfen werden", -- hatten
Montalembert und Roux=Lavergne das folgende Amen-
dement gestellt: "§. 1. Die Bürger haben das Recht, Associa-
tionen zu bilden, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln,
zu petitioniren, zu lehren, ihre Gedanken auf dem Wege der
Presse oder anderweitig kund zu geben." Montalembert bestieg,
nachdem das Amendement vorgelesen war, die Tribüne und
hielt eine glänzende, von den Rothrepublikanern oft unterbro-
chene Rede für die Unterrichtsfreiheit, die er jedoch wegen vor-
gerückter Zeit und weil er zu angegriffen war, nicht ganz voll-
enden konnte. Wir werden also den Schluß in der heutigen
Sitzung vernehmen. Montalembert wird sich auch hier, wie
früher in der Pairskammer, sein Terrain erst erkämpfen müssen.
Zum Präsidenten für den nächsten Monat ist Marrast, der
"Schulmeister", oder Dufaure in Aussicht genommen.

Heute verbreitet sich das Gerücht, daß der Divisionsgeneral
Chrzanowski, ehemaliger Chef des Generalstabes der polni-
schen Armee, dem seit ungefähr zwölf Tagen Anerbietungen von
Seiten Sardiniens gemacht wurden, den Oberbefehl der piemon-
tesischen Truppen übernehmen werde. Es ist ein kalter, behutsa-
mer Strategiker; er war schon im Feldzuge von 1812 Offizier,
machte die folgenden französischen Feldzüge mit, dann den russi-
schen gegen die Türken, und endlich den von 1831 in Polen, wo
er sich als Befehlshaber zweier verschiedenen Corps auszeichnete.
Bestätigt sich das Gerücht, so wären die österreichische und die
italienische Armee von zwei Slawen angeführt: von einem Cze-
chen ( Radetzky ) und von einem Polen.

Die außerordentlichen Regierungsbevollmächtigten, deren wir
neulich erwähnten, fallen weg, sie werden nicht in die Departe-
ments geschickt. Gegen mehrere Clubbvorstände ist wegen ihrer in
jüngsten Zeit in den Clubbs gehaltenen aufrührischen Reden ge-
richtlich eingeschritten worden.

Börse vom 18. September. Die heutige Börse war von
keinem Jnteresse, die öffentlichen Fonds blieben unverändert, überhaupt
wird durch die Erwartung, wie die Wahlen ausfallen, die Thätigkeit
gelähmt. Jn der Stadt herrscht übrigens vollkommene Ruhe und es
sind nirgends Unordnungen vorgefallen. 2% Frs. 44. 75. 5% Frs.
69. 25.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. -- Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. -- Druck von Florian Kupferberg.

[Beginn Spaltensatz] tiren, so daß der Bürger nur mit Mühe noch frei wird. Jahn
soll sich in den Schornstein versteckt haben, als man die Westen-
hall demolirte. An den Läden stand überall in der Fahrgasse mit
Kreide angeschrieben: „Heilig ist das Eigenthum,“ allein es sol-
len dies die Juden selbst gethan haben und nicht die Jnsurgenten.
Der Reichsverweser verhielt sich ruhig zu Hause, bis heute mor-
gen, wo er mit dem Generalstab herumritt. Das Uebrige wissen
Sie. Wir sind in Belagerungszustand erklärt, alle Clubbs und
Vereine sind suspendirt. Heute hielt Gagern im Parlament eine
erschütternde Rede, in der er den Meuchelmord von Lichnowsky und
Auerswald meldet, Alles war ergriffen und man hörte jeden
Athemzug. Er fordert zur Einheit und zu einstimmigem Be-
schließen auf, damit die Centralgewalt, an die sie sich fest an-
schließen müßten, an Kraft und Zutrauen gewänne. Bei der
Abstimmung über die Anträge Zachariä's zog sich Blum wie ge-
wöhnlich zu dem linken Centrum zurück, während er immer der
Erste war, um das Volk aufzuhetzen. Die Barricadengesichter
und Turner, die mit Hahnenfedern geschmückten Hüte und die
rothen Abzeichen sind alle auf einmal ganz von der Straße ver-
schwunden. Das Militär ist theilweise einquartirt, theilweise
campirt es bei Wachtfeuern diese Nacht hindurch unter Gesang
auf den Straßen.

Frankfurt 20. September. ( O. P. A. Z. ) Aus den bisher
gepflogenen amtlichen Erhebungen läßt sich vorläufig Nachfol-
gendes über die stattgehabte Ermordung des Generals von
Auerswald und des Fürsten Lichnowsky mittheilen. Nachdem
Beide auf einem Spazierritte in der Gärtnerei vor den Verfolg-
ungen einer großen Anzahl Bewaffneter, von deren Seite mehrere
Schüsse erfolglos auf sie abgefeuert worden waren, in den an die
Bornheimer Haide grenzenden Garten des Kunstgärtner Schmidt
sich zu retten gesucht und in der dortigen Gartenbehausung ( Ge-
neral v. Auerswald in einer Bodenkammer, Fürst Lichnowsky in
dem Keller ) sich versteckt gehabt, drangen jene Bewaffnete in den
Garten ein, wo ein Theil zuvörderst die beiden Pferde der Ver-
steckten fortführte, die Uebrigen aber die Schmidt'sche Behausung
auf das Genaueste durchsuchten. Nach etwa einer Viertelstunde
gelang es ihnen zuerst den General v. Auerswald und eine kleine
Viertelstunde nachher auch den Fürsten Lichnowsky in ihren Ver-
stecken aufzufinden. General v. Auerswald wurde unter fort-
währenden Mißhandlungen durch Schlagen mit Knütteln und
Stößen mit Gewehrkolben aus der Schmidt'schen Behausung
nach der hinteren Ausgangsthüre des Schmidt'schen Gartens ge-
schleppt, dort durch einen Kolbenstoß auf die Brust in den neben
dem Garten hinziehenden Graben geworfen und nun durch einen
Flintenschuß getödtet. Fürst Lichnowsky wurde gleich nach seinem
Auffinden auf dem nämlichen Wege aus dem Schmidt'schen Gar-
ten gebracht, jedoch noch eine Strecke von etwa 350 Schritten in
der Richtung nach Bornheim in der Pappelallee fortgeführt und
alsdann durch mehrere Flintenschüsse zu Boden gestreckt. An
einen Kampf oder auch nur irgend eine Vertheidigung von Sei-
ten des Fürsten Lichnowsky und des Generals v. Auers-
wald
war unter den angegebenen Umständen nicht zu denken
und zwar, was den General v. Auerswald betrifft, um so we-
niger, als diesem schon vor seiner Ankunft in dem Schmidt'schen
Garten durch einen Steinwurf der eine Arm gelähmt worden
war.

△ Aus der hessischen Pfalz 20. September. Eben erhalten
die beurlaubten Soldaten den Befehl zum Abmarsch. Die Be-
stürzung ist allgemein, die Furcht gränzenlos, die Gräuelscenen,
wie solche in dem Munde des Volkes von Frankfurt aus erzählt
werden, natürlich aus jedem Munde anders, übersteigen Alles,
was man bisher von Barbarei und Grausamkeit gehört hat. Die
Leute auf den Dörfern stehen schaarenweise auf den Straßen,
Angst und Bangigkeit in den Gesichtern, denn leider wurde Man-
ches, was am Sonntag auf der sogenannten Volksversammlung
zu Gabsheim von den Mainzer Demokraten vorausgesagt wurde,
am Montag schon erfüllt. Die Nachrichten von Zweibrücken und
Kaiserslautern tragen nur noch dazu bei, die Wahrheit zu bestä-
tigen, daß es auf einen Hauptschlag zum Umsturz der Ordnung
und zur Beförderung der Anarchie abgesehen war. Jn Alzei
wurde gestern Nachmittag auf einem Privathause die rothe Fahne
aufgepflanzt, bald darauf herabgenommen, um auf dem Rath-
hause zu flattern. Die Republik wurde förmlich ausgerufen, ohne
daß der Bürgermeister es wagen konnte irgend ein Mittel zu er-
greifen. Die Hauptagitatoren „der Rothen“ dort sind die schon
von früher bekannten Wühler. Man erzählte sich gestern, es
werde noch am Abend eine Liste in allen Häusern der Stadt cir-
culiren, in welcher jeder Bürger seine politische Stimmung abzu-
geben habe; bei der ersten Weigerung sich für die Republik zu er-
[Spaltenumbruch] klären, werde Jeder mit „Lau“ bezeichnet, bei der zweiten mit
„Kalt,“ bei der dritten habe er sein Leben verwirkt. Wenn dieses
nun auch noch nicht geschehen ist, was ich heute noch nicht erfah-
ren habe, so ist der demokratische Fanatismus unter den noch
immerhin Wenigen, die dem demokratischen Terrorismus huldi-
gen, so gesteigert, daß er die stärksten Mittel zur Erreichung sei-
ner Zwecke nicht unversucht zu lassen sich entschlossen zu haben
scheint. Jn F. ereignete sich die schmachvolle Scene, daß zwei
Jungen von 17—20 Jahren ihre Mutter, eine alte arme Witt-
frau mißhandelten, weil sie nicht „demokratisch“ gesinnt sey,
sondern ihre Söhne zur Arbeit aufgefodert hatte. Wir befinden
uns in derselben Lage, in der sich im Frühjahre das badische
Oberland befand, nur mit dem Unterschiede, daß die Republik
sich hier noch immer in der ungeheueren Minorität befindet und
die Demokraten nur durch ihre grenzenlose Thätigkeit bisher
prosperirt haben. Wenn von anderer Seite dieselbe Energie und
aufopfernde Bereitwilligkeit entwickelt würde, man würde sich be-
deutender Sympathien durch die ganze Pfalz versichert halten
können.

Frankreich.

* * * Paris 19. September. Jn der Kammer Fortsetzung
der Discussion über die neue Verfassung. Die Wünsche Derer,
welche die Todesstrafe unbedingt beseitigt wissen wollten, wurden
nicht erhört und es hatte bei der ursprünglichen Fassung des
Art. 5., daß blos die Todesstrafe auf politische Vergehen abge-
schafft werden sollte, sein Bewenden. Art. 6. „Die Sklaverei
darf in keinem französischen Lande mehr bestehen,“ wurde ohne
Discussion angenommen. Art 7. wurde in folger Fassung an-
genommen: „Jeder bekennet seinen Glauben frei und erhält
vom Staate bei der Ausübung seines Cultus gleichen Schutz.
Nur die Geistlichen der Culte, welche gegenwärtig vom Gesetze
anerkannt sind und diejenigen, welche später werden anerkannt
werden, haben das Recht, einen Gehalt vom Staate zu em-
pfangen.“ Die Kammer ließ jene Redner, welche sich gegen das
Budget des Cultus aussprechen wollten, gar nicht einmal zum
Worte kommen. Zu Art. 8., welcher nach dem Entwurfe der
Commission folgendermaßen lautet: „Die Bürger haben das
Recht, Associationen zu bilden, sich friedlich und ohne Waffen
zu versammeln, zu petitioniren, ihre Gedanken auf dem Wege
der Presse oder anderweitig zu veröffentlichen. Die Ausübung
dieser Rechte hat keine andere Gränzen, als die Rechte oder
die Freiheit Anderer und die öffentliche Sicherheit. Die Presse
darf in keinem Falle der Censur unterworfen werden“, — hatten
Montalembert und Roux=Lavergne das folgende Amen-
dement gestellt: „§. 1. Die Bürger haben das Recht, Associa-
tionen zu bilden, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln,
zu petitioniren, zu lehren, ihre Gedanken auf dem Wege der
Presse oder anderweitig kund zu geben.“ Montalembert bestieg,
nachdem das Amendement vorgelesen war, die Tribüne und
hielt eine glänzende, von den Rothrepublikanern oft unterbro-
chene Rede für die Unterrichtsfreiheit, die er jedoch wegen vor-
gerückter Zeit und weil er zu angegriffen war, nicht ganz voll-
enden konnte. Wir werden also den Schluß in der heutigen
Sitzung vernehmen. Montalembert wird sich auch hier, wie
früher in der Pairskammer, sein Terrain erst erkämpfen müssen.
Zum Präsidenten für den nächsten Monat ist Marrast, der
„Schulmeister“, oder Dufaure in Aussicht genommen.

Heute verbreitet sich das Gerücht, daß der Divisionsgeneral
Chrzanowski, ehemaliger Chef des Generalstabes der polni-
schen Armee, dem seit ungefähr zwölf Tagen Anerbietungen von
Seiten Sardiniens gemacht wurden, den Oberbefehl der piemon-
tesischen Truppen übernehmen werde. Es ist ein kalter, behutsa-
mer Strategiker; er war schon im Feldzuge von 1812 Offizier,
machte die folgenden französischen Feldzüge mit, dann den russi-
schen gegen die Türken, und endlich den von 1831 in Polen, wo
er sich als Befehlshaber zweier verschiedenen Corps auszeichnete.
Bestätigt sich das Gerücht, so wären die österreichische und die
italienische Armee von zwei Slawen angeführt: von einem Cze-
chen ( Radetzky ) und von einem Polen.

Die außerordentlichen Regierungsbevollmächtigten, deren wir
neulich erwähnten, fallen weg, sie werden nicht in die Departe-
ments geschickt. Gegen mehrere Clubbvorstände ist wegen ihrer in
jüngsten Zeit in den Clubbs gehaltenen aufrührischen Reden ge-
richtlich eingeschritten worden.

Börse vom 18. September. Die heutige Börse war von
keinem Jnteresse, die öffentlichen Fonds blieben unverändert, überhaupt
wird durch die Erwartung, wie die Wahlen ausfallen, die Thätigkeit
gelähmt. Jn der Stadt herrscht übrigens vollkommene Ruhe und es
sind nirgends Unordnungen vorgefallen. 2% Frs. 44. 75. 5% Frs.
69. 25.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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[0004] tiren, so daß der Bürger nur mit Mühe noch frei wird. Jahn soll sich in den Schornstein versteckt haben, als man die Westen- hall demolirte. An den Läden stand überall in der Fahrgasse mit Kreide angeschrieben: „Heilig ist das Eigenthum,“ allein es sol- len dies die Juden selbst gethan haben und nicht die Jnsurgenten. Der Reichsverweser verhielt sich ruhig zu Hause, bis heute mor- gen, wo er mit dem Generalstab herumritt. Das Uebrige wissen Sie. Wir sind in Belagerungszustand erklärt, alle Clubbs und Vereine sind suspendirt. Heute hielt Gagern im Parlament eine erschütternde Rede, in der er den Meuchelmord von Lichnowsky und Auerswald meldet, Alles war ergriffen und man hörte jeden Athemzug. Er fordert zur Einheit und zu einstimmigem Be- schließen auf, damit die Centralgewalt, an die sie sich fest an- schließen müßten, an Kraft und Zutrauen gewänne. Bei der Abstimmung über die Anträge Zachariä's zog sich Blum wie ge- wöhnlich zu dem linken Centrum zurück, während er immer der Erste war, um das Volk aufzuhetzen. Die Barricadengesichter und Turner, die mit Hahnenfedern geschmückten Hüte und die rothen Abzeichen sind alle auf einmal ganz von der Straße ver- schwunden. Das Militär ist theilweise einquartirt, theilweise campirt es bei Wachtfeuern diese Nacht hindurch unter Gesang auf den Straßen. Frankfurt 20. September. ( O. P. A. Z. ) Aus den bisher gepflogenen amtlichen Erhebungen läßt sich vorläufig Nachfol- gendes über die stattgehabte Ermordung des Generals von Auerswald und des Fürsten Lichnowsky mittheilen. Nachdem Beide auf einem Spazierritte in der Gärtnerei vor den Verfolg- ungen einer großen Anzahl Bewaffneter, von deren Seite mehrere Schüsse erfolglos auf sie abgefeuert worden waren, in den an die Bornheimer Haide grenzenden Garten des Kunstgärtner Schmidt sich zu retten gesucht und in der dortigen Gartenbehausung ( Ge- neral v. Auerswald in einer Bodenkammer, Fürst Lichnowsky in dem Keller ) sich versteckt gehabt, drangen jene Bewaffnete in den Garten ein, wo ein Theil zuvörderst die beiden Pferde der Ver- steckten fortführte, die Uebrigen aber die Schmidt'sche Behausung auf das Genaueste durchsuchten. Nach etwa einer Viertelstunde gelang es ihnen zuerst den General v. Auerswald und eine kleine Viertelstunde nachher auch den Fürsten Lichnowsky in ihren Ver- stecken aufzufinden. General v. Auerswald wurde unter fort- währenden Mißhandlungen durch Schlagen mit Knütteln und Stößen mit Gewehrkolben aus der Schmidt'schen Behausung nach der hinteren Ausgangsthüre des Schmidt'schen Gartens ge- schleppt, dort durch einen Kolbenstoß auf die Brust in den neben dem Garten hinziehenden Graben geworfen und nun durch einen Flintenschuß getödtet. Fürst Lichnowsky wurde gleich nach seinem Auffinden auf dem nämlichen Wege aus dem Schmidt'schen Gar- ten gebracht, jedoch noch eine Strecke von etwa 350 Schritten in der Richtung nach Bornheim in der Pappelallee fortgeführt und alsdann durch mehrere Flintenschüsse zu Boden gestreckt. An einen Kampf oder auch nur irgend eine Vertheidigung von Sei- ten des Fürsten Lichnowsky und des Generals v. Auers- wald war unter den angegebenen Umständen nicht zu denken und zwar, was den General v. Auerswald betrifft, um so we- niger, als diesem schon vor seiner Ankunft in dem Schmidt'schen Garten durch einen Steinwurf der eine Arm gelähmt worden war. △ Aus der hessischen Pfalz 20. September. Eben erhalten die beurlaubten Soldaten den Befehl zum Abmarsch. Die Be- stürzung ist allgemein, die Furcht gränzenlos, die Gräuelscenen, wie solche in dem Munde des Volkes von Frankfurt aus erzählt werden, natürlich aus jedem Munde anders, übersteigen Alles, was man bisher von Barbarei und Grausamkeit gehört hat. Die Leute auf den Dörfern stehen schaarenweise auf den Straßen, Angst und Bangigkeit in den Gesichtern, denn leider wurde Man- ches, was am Sonntag auf der sogenannten Volksversammlung zu Gabsheim von den Mainzer Demokraten vorausgesagt wurde, am Montag schon erfüllt. Die Nachrichten von Zweibrücken und Kaiserslautern tragen nur noch dazu bei, die Wahrheit zu bestä- tigen, daß es auf einen Hauptschlag zum Umsturz der Ordnung und zur Beförderung der Anarchie abgesehen war. Jn Alzei wurde gestern Nachmittag auf einem Privathause die rothe Fahne aufgepflanzt, bald darauf herabgenommen, um auf dem Rath- hause zu flattern. Die Republik wurde förmlich ausgerufen, ohne daß der Bürgermeister es wagen konnte irgend ein Mittel zu er- greifen. Die Hauptagitatoren „der Rothen“ dort sind die schon von früher bekannten Wühler. Man erzählte sich gestern, es werde noch am Abend eine Liste in allen Häusern der Stadt cir- culiren, in welcher jeder Bürger seine politische Stimmung abzu- geben habe; bei der ersten Weigerung sich für die Republik zu er- klären, werde Jeder mit „Lau“ bezeichnet, bei der zweiten mit „Kalt,“ bei der dritten habe er sein Leben verwirkt. Wenn dieses nun auch noch nicht geschehen ist, was ich heute noch nicht erfah- ren habe, so ist der demokratische Fanatismus unter den noch immerhin Wenigen, die dem demokratischen Terrorismus huldi- gen, so gesteigert, daß er die stärksten Mittel zur Erreichung sei- ner Zwecke nicht unversucht zu lassen sich entschlossen zu haben scheint. Jn F. ereignete sich die schmachvolle Scene, daß zwei Jungen von 17—20 Jahren ihre Mutter, eine alte arme Witt- frau mißhandelten, weil sie nicht „demokratisch“ gesinnt sey, sondern ihre Söhne zur Arbeit aufgefodert hatte. Wir befinden uns in derselben Lage, in der sich im Frühjahre das badische Oberland befand, nur mit dem Unterschiede, daß die Republik sich hier noch immer in der ungeheueren Minorität befindet und die Demokraten nur durch ihre grenzenlose Thätigkeit bisher prosperirt haben. Wenn von anderer Seite dieselbe Energie und aufopfernde Bereitwilligkeit entwickelt würde, man würde sich be- deutender Sympathien durch die ganze Pfalz versichert halten können. Frankreich. * * * Paris 19. September. Jn der Kammer Fortsetzung der Discussion über die neue Verfassung. Die Wünsche Derer, welche die Todesstrafe unbedingt beseitigt wissen wollten, wurden nicht erhört und es hatte bei der ursprünglichen Fassung des Art. 5., daß blos die Todesstrafe auf politische Vergehen abge- schafft werden sollte, sein Bewenden. Art. 6. „Die Sklaverei darf in keinem französischen Lande mehr bestehen,“ wurde ohne Discussion angenommen. Art 7. wurde in folger Fassung an- genommen: „Jeder bekennet seinen Glauben frei und erhält vom Staate bei der Ausübung seines Cultus gleichen Schutz. Nur die Geistlichen der Culte, welche gegenwärtig vom Gesetze anerkannt sind und diejenigen, welche später werden anerkannt werden, haben das Recht, einen Gehalt vom Staate zu em- pfangen.“ Die Kammer ließ jene Redner, welche sich gegen das Budget des Cultus aussprechen wollten, gar nicht einmal zum Worte kommen. Zu Art. 8., welcher nach dem Entwurfe der Commission folgendermaßen lautet: „Die Bürger haben das Recht, Associationen zu bilden, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, zu petitioniren, ihre Gedanken auf dem Wege der Presse oder anderweitig zu veröffentlichen. Die Ausübung dieser Rechte hat keine andere Gränzen, als die Rechte oder die Freiheit Anderer und die öffentliche Sicherheit. Die Presse darf in keinem Falle der Censur unterworfen werden“, — hatten Montalembert und Roux=Lavergne das folgende Amen- dement gestellt: „§. 1. Die Bürger haben das Recht, Associa- tionen zu bilden, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, zu petitioniren, zu lehren, ihre Gedanken auf dem Wege der Presse oder anderweitig kund zu geben.“ Montalembert bestieg, nachdem das Amendement vorgelesen war, die Tribüne und hielt eine glänzende, von den Rothrepublikanern oft unterbro- chene Rede für die Unterrichtsfreiheit, die er jedoch wegen vor- gerückter Zeit und weil er zu angegriffen war, nicht ganz voll- enden konnte. Wir werden also den Schluß in der heutigen Sitzung vernehmen. Montalembert wird sich auch hier, wie früher in der Pairskammer, sein Terrain erst erkämpfen müssen. Zum Präsidenten für den nächsten Monat ist Marrast, der „Schulmeister“, oder Dufaure in Aussicht genommen. Heute verbreitet sich das Gerücht, daß der Divisionsgeneral Chrzanowski, ehemaliger Chef des Generalstabes der polni- schen Armee, dem seit ungefähr zwölf Tagen Anerbietungen von Seiten Sardiniens gemacht wurden, den Oberbefehl der piemon- tesischen Truppen übernehmen werde. Es ist ein kalter, behutsa- mer Strategiker; er war schon im Feldzuge von 1812 Offizier, machte die folgenden französischen Feldzüge mit, dann den russi- schen gegen die Türken, und endlich den von 1831 in Polen, wo er sich als Befehlshaber zweier verschiedenen Corps auszeichnete. Bestätigt sich das Gerücht, so wären die österreichische und die italienische Armee von zwei Slawen angeführt: von einem Cze- chen ( Radetzky ) und von einem Polen. Die außerordentlichen Regierungsbevollmächtigten, deren wir neulich erwähnten, fallen weg, sie werden nicht in die Departe- ments geschickt. Gegen mehrere Clubbvorstände ist wegen ihrer in jüngsten Zeit in den Clubbs gehaltenen aufrührischen Reden ge- richtlich eingeschritten worden. Börse vom 18. September. Die heutige Börse war von keinem Jnteresse, die öffentlichen Fonds blieben unverändert, überhaupt wird durch die Erwartung, wie die Wahlen ausfallen, die Thätigkeit gelähmt. Jn der Stadt herrscht übrigens vollkommene Ruhe und es sind nirgends Unordnungen vorgefallen. 2% Frs. 44. 75. 5% Frs. 69. 25. Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 92. Mainz, 21. September 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal092_1848/4>, abgerufen am 20.05.2024.