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Mainzer Journal. Nr. 96. Mainz, 26. September 1848.

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Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den "Rheinischen Unterhaltungs-
blättern " schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 96. Dienstag, den 26. September. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Die reactionärste Partei.

C Wer ist heute Schuld daran, daß Wrangel appellirt an
seinen haarscharf geschliffenen Säbel? Jst es das Gelüste der
Einzelregierungen, in den Besitz der aufgegebenen, wirklichen
oder vermeintlichen Rechte wieder einzutreten? oder ist es Herrsch-
sucht einer aristokratischen Partei? oder haben es die Jesuiten
gethan, und die Pfaffen und die Ultramontanen? Nein! Die reactio-
närste Partei sind die rothen Republikaner. Sie liefern
uns der Reaction, der Regierung des Säbels in die Hände, wenn
sie unterliegen, und sie müßten die ärgsten Despoten seyn von dem
Tag an, wo das Staatsruder ihnen zufallen könnte. Sie müßten
die mangelnde Sympathie der großen Volksmehrheit durch Ter-
rorismus ersetzen, durch den Terrorismus eines Conventes, der
bald seine Vendee finden würde. Doch dafür ist, wie jetzt die
Dinge stehen, noch keine Aussicht.

Fassen wir daher die Gefahr der Reaction scharfen Blickes
ins Auge, erwägen wir die Gefahren ihrer Erstarkung und die
Mittel ihrer Bewältigung.

Durch die immerwährenden Aufstandsversuche, die für Leben
und Eigenthum der Bürger gleich gefährlich sind -- denn kaum
wird ein Straßengemetzel ohne unschuldig vergossenes Blut ablau-
fen können -- wird der Credit vernichtet, Handel und Gewerbe
stocken, die Brodlosigkeit nimmt bedrohlich überhand, der Ge-
schäftsmann, der Handelsmann ruft nach Sicherheit und Ruhe;
der Bankeroteur, wenn er Rednertalent und schlechte Gesinnung
hat, wird Volksaufwiegler.

Da kann Nichts mehr helfen, als militärische Gewalt! Die
Bürger sind nicht im Stande, meistens nicht entschlossen genug,
mit ihrer eigenen Kraft die losgelassenen Furien zu bändigen. Sie
sind Familienväter, sie mögen ihr Leben nicht setzen an das Leben
zusammengetriebener Horden, die Nichts zu verlieren haben.
Dieses traurige Geschäft fällt den Soldaten zu, welche durch Eid
und Pflicht gehalten sind, sich demselben zu unterziehen, und es
bisher mit dankenswerther Aufopferung gethan haben.

Aber auch da, wo der Kampf nicht geführt wird mit den
Waffen, wo es nur gilt die Meinungen des Volkes zu gewinnen,
ist die gesetzliche Partei auf allen Seiten im Nachtheil. Zur poli-
tischen Selbstständigkeit erzieht nur die Freiheit; der Männer,
welche in persönlicher Kraft und Tüchtigkeit diese politische Er-
ziehung sich zu ersetzen vermochten, sind noch Wenige. Einmal
muß sie gemacht werden: jetzt macht Deutschland seine Freiheits-
probe. Sie würde um so schlechter ausfallen, je länger man sie
hinausschieben wollte, je mehr die Gewohnheit der Unselbststän-
digkeit unter den Fittigen allsorglicher Bureaukratie an Kraft ge-
winnen müßte.

Eines ist darum nothwenig: Erstarkung der constitutionellen
Gesinnung. Nur dann wird die Aufgabe, den Geist der Ungesetz-
lichkeit zu bändigen, aus den Händen der Regierungen und der
Centralgewalt an das Volk übergehen können, wenn der constitu-
tionelle Geist, wenn die Anhänglichkeit an das Parlament er-
starkt, lebenskräftig, thätig, furchtlos, streitrüstig geworden ist,
wenn verständige, willens= und thatkräftige Männer in allen
Städten sich finden werden, die ein paar Fensterscheiben da-
ran wagen, die eine Verläumdung durch die Zeitungen der
rothen Republik, die eine Katzenmusik, die selbst den Verlust
einer gewissen Volksthümlichkeit riskiren, um den Lügen, den
Aufstachelungen, den Schmähungen, den Verdächtigungen, den
falschen Befürchtungen, den constituirten Krawallvereinen durch
Belehrung, durch Nennung der Dinge beim rechten Namen,
[Spaltenumbruch] durch kräftige Zurechtweisung, durch Gründung constitutioneller
Vereine, durch liebevolles, hülfereiches Herablassen zu der Un-
wissenheit, Noth und Armuth auch der untersten Volksschich-
ten, einen natürlichen und dadurch unverwüstlichen Damm einer
tüchtigen Volksgesinnung, einer besonnenen politischen Regsam-
keit, eines gerechten Gemeinwillens entgegenzusetzen. Nur dann
wird die Kraft der Lüge gebrochen seyn, wenn die Zeitungen
die öffentliche Meinung, die Meinung der Gutgesinnten verkün-
digen müssen, statt für das ganze lernbedürftige und lernbegierige
Volk im Jnteresse der Parteien -- sie zu machen.

Das sind die Mittel, die Allen zu Gebote stehen, um ohne
Beihülfe der Regierungsgewalt mit der Unordnung, mit dem
Geiste des Aufruhrs fertig zu werden. Wenn man diese Mittel
vernachlässigt, dann müssen die Regierungen, oder lieber die
Centralgewalt -- es klingt paradox, ist aber das einzige übrige
Mittel, -- die Stadt= und Landgemeinden zwingen, mit eige-
ner Kraft
dem Unwesen zu steuern, denn diese Kraft ist überall
vorhanden; sie muß nur sich emporraffen oder aus ihrer Lethar-
gie mit Gewalt aufgerüttelt werden. Die Centralgewalt oder
die Regierungen müssen jeden Ort, der zur Bewältigung eines
Aufruhrs militärische Hülfe bedarf, die Kosten tragen, sie müssen
die Truppen in unentgeldlicher Verpflegung der Bürger einen oder
ein Paar Monate da liegen lassen -- das wird die Schläfer schon
wecken. Damit dürften auch alle Maßregeln gegen politische Ver-
eine und Volksversammlungen, gegen Preßfreiheit und Auf-
wiegelung, die gar zu leicht den Beigeschmack der Reaction an-
nehmen, großentheils erspart werden. Bloße Verbote und Pro-
hibitiv- oder Gewaltmaßregeln ohne eigene schöpferische Thä-
tigkeit führen ja nie zu etwas Gutem, sie verbittern nur die Ge-
müther!

Vor Allem ist zu wünschen, daß man sich möglichst auf Re-
pressivmaßregeln beschränke, daß diese einen wo möglich rein mili-
tärischen, localen, der Zeit nach vorübergehenden Charakter tragen,
daß die Freiheit der Unschuldigen um der Verbrecher willen nicht
beschränkt, daß die Strenge der vorhandenen Gesetze rücksichts-
los gehandhabt werde, damit man nicht zu geheimen Maß-
regeln a la Karlsbad u. dgl. greifen müsse. Uebrigens sollte
dann doch ein Preßgesetz bestehen, welches offene Aufforderung
zur bewaffneten Widersetzlichkeit mit Strafen belegt, wenn nicht
die deßfallsigen Gesetze ohnehin alle Arten von Aufwiegelung durch
ihren Wortlaut einschließen.

Vor Allem thut es Noth, daß alle Deutschen sich so eng als
immer möglich anschließen an das Parlament und an die Cen-
tralgewalt, daß alle Maßregeln von dieser ausgehen, nicht etwa
von Berlin, Wien, München, Hannover, -- so wenig diesen ge-
wehrt werden soll, im eigenen Hause Ordnung zu handhaben, --
daß die Vorkehrungen in die Hände der Reichsgewalt bleibend
gelegt, daß das ganze deutsche Heer als Reichsarmee proclamirt
werde, mit billiger Berücksichtigung der preußischen Landwehr;
denn so unverhältnißmäßige Opfer, als hier Preußen trägt, kann
man Niemanden zumuthen ( übrigens wünschen wir eine ähnliche
Wehrverfassung, nur minder kostspielig, für ganz Deutschland ) .
Auf diese Weise wird der Sieg über die Anarchie, über die Par-
teiselbstsucht, über Rebellenhochmuth, über Demagogenhoffart
und Communistenraubgier nicht der Reaction, sondern Deutsch-
lands Einheit zu Gute kommen; so wird die Partei, welche Alles
zur Reaction drängen will, um zu neuer Revolution zu nöthigen,
gerade das Gegentheil ihrer Bestrebungen erreichen: ein freies,
geordnetes Deutschland, weit genug für alle aufrichtig der Freiheit
ergebene Parteien, nicht Beute des Particularismus, nicht Beute
der Zwietracht, nicht Beute der Despotie, nicht Beute der Raub-
[Ende Spaltensatz]

Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs-
blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 96. Dienstag, den 26. September. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Die reactionärste Partei.

C Wer ist heute Schuld daran, daß Wrangel appellirt an
seinen haarscharf geschliffenen Säbel? Jst es das Gelüste der
Einzelregierungen, in den Besitz der aufgegebenen, wirklichen
oder vermeintlichen Rechte wieder einzutreten? oder ist es Herrsch-
sucht einer aristokratischen Partei? oder haben es die Jesuiten
gethan, und die Pfaffen und die Ultramontanen? Nein! Die reactio-
närste Partei sind die rothen Republikaner. Sie liefern
uns der Reaction, der Regierung des Säbels in die Hände, wenn
sie unterliegen, und sie müßten die ärgsten Despoten seyn von dem
Tag an, wo das Staatsruder ihnen zufallen könnte. Sie müßten
die mangelnde Sympathie der großen Volksmehrheit durch Ter-
rorismus ersetzen, durch den Terrorismus eines Conventes, der
bald seine Vendée finden würde. Doch dafür ist, wie jetzt die
Dinge stehen, noch keine Aussicht.

Fassen wir daher die Gefahr der Reaction scharfen Blickes
ins Auge, erwägen wir die Gefahren ihrer Erstarkung und die
Mittel ihrer Bewältigung.

Durch die immerwährenden Aufstandsversuche, die für Leben
und Eigenthum der Bürger gleich gefährlich sind — denn kaum
wird ein Straßengemetzel ohne unschuldig vergossenes Blut ablau-
fen können — wird der Credit vernichtet, Handel und Gewerbe
stocken, die Brodlosigkeit nimmt bedrohlich überhand, der Ge-
schäftsmann, der Handelsmann ruft nach Sicherheit und Ruhe;
der Bankeroteur, wenn er Rednertalent und schlechte Gesinnung
hat, wird Volksaufwiegler.

Da kann Nichts mehr helfen, als militärische Gewalt! Die
Bürger sind nicht im Stande, meistens nicht entschlossen genug,
mit ihrer eigenen Kraft die losgelassenen Furien zu bändigen. Sie
sind Familienväter, sie mögen ihr Leben nicht setzen an das Leben
zusammengetriebener Horden, die Nichts zu verlieren haben.
Dieses traurige Geschäft fällt den Soldaten zu, welche durch Eid
und Pflicht gehalten sind, sich demselben zu unterziehen, und es
bisher mit dankenswerther Aufopferung gethan haben.

Aber auch da, wo der Kampf nicht geführt wird mit den
Waffen, wo es nur gilt die Meinungen des Volkes zu gewinnen,
ist die gesetzliche Partei auf allen Seiten im Nachtheil. Zur poli-
tischen Selbstständigkeit erzieht nur die Freiheit; der Männer,
welche in persönlicher Kraft und Tüchtigkeit diese politische Er-
ziehung sich zu ersetzen vermochten, sind noch Wenige. Einmal
muß sie gemacht werden: jetzt macht Deutschland seine Freiheits-
probe. Sie würde um so schlechter ausfallen, je länger man sie
hinausschieben wollte, je mehr die Gewohnheit der Unselbststän-
digkeit unter den Fittigen allsorglicher Bureaukratie an Kraft ge-
winnen müßte.

Eines ist darum nothwenig: Erstarkung der constitutionellen
Gesinnung. Nur dann wird die Aufgabe, den Geist der Ungesetz-
lichkeit zu bändigen, aus den Händen der Regierungen und der
Centralgewalt an das Volk übergehen können, wenn der constitu-
tionelle Geist, wenn die Anhänglichkeit an das Parlament er-
starkt, lebenskräftig, thätig, furchtlos, streitrüstig geworden ist,
wenn verständige, willens= und thatkräftige Männer in allen
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ran wagen, die eine Verläumdung durch die Zeitungen der
rothen Republik, die eine Katzenmusik, die selbst den Verlust
einer gewissen Volksthümlichkeit riskiren, um den Lügen, den
Aufstachelungen, den Schmähungen, den Verdächtigungen, den
falschen Befürchtungen, den constituirten Krawallvereinen durch
Belehrung, durch Nennung der Dinge beim rechten Namen,
[Spaltenumbruch] durch kräftige Zurechtweisung, durch Gründung constitutioneller
Vereine, durch liebevolles, hülfereiches Herablassen zu der Un-
wissenheit, Noth und Armuth auch der untersten Volksschich-
ten, einen natürlichen und dadurch unverwüstlichen Damm einer
tüchtigen Volksgesinnung, einer besonnenen politischen Regsam-
keit, eines gerechten Gemeinwillens entgegenzusetzen. Nur dann
wird die Kraft der Lüge gebrochen seyn, wenn die Zeitungen
die öffentliche Meinung, die Meinung der Gutgesinnten verkün-
digen müssen, statt für das ganze lernbedürftige und lernbegierige
Volk im Jnteresse der Parteien — sie zu machen.

Das sind die Mittel, die Allen zu Gebote stehen, um ohne
Beihülfe der Regierungsgewalt mit der Unordnung, mit dem
Geiste des Aufruhrs fertig zu werden. Wenn man diese Mittel
vernachlässigt, dann müssen die Regierungen, oder lieber die
Centralgewalt — es klingt paradox, ist aber das einzige übrige
Mittel, — die Stadt= und Landgemeinden zwingen, mit eige-
ner Kraft
dem Unwesen zu steuern, denn diese Kraft ist überall
vorhanden; sie muß nur sich emporraffen oder aus ihrer Lethar-
gie mit Gewalt aufgerüttelt werden. Die Centralgewalt oder
die Regierungen müssen jeden Ort, der zur Bewältigung eines
Aufruhrs militärische Hülfe bedarf, die Kosten tragen, sie müssen
die Truppen in unentgeldlicher Verpflegung der Bürger einen oder
ein Paar Monate da liegen lassen — das wird die Schläfer schon
wecken. Damit dürften auch alle Maßregeln gegen politische Ver-
eine und Volksversammlungen, gegen Preßfreiheit und Auf-
wiegelung, die gar zu leicht den Beigeschmack der Reaction an-
nehmen, großentheils erspart werden. Bloße Verbote und Pro-
hibitiv- oder Gewaltmaßregeln ohne eigene schöpferische Thä-
tigkeit führen ja nie zu etwas Gutem, sie verbittern nur die Ge-
müther!

Vor Allem ist zu wünschen, daß man sich möglichst auf Re-
pressivmaßregeln beschränke, daß diese einen wo möglich rein mili-
tärischen, localen, der Zeit nach vorübergehenden Charakter tragen,
daß die Freiheit der Unschuldigen um der Verbrecher willen nicht
beschränkt, daß die Strenge der vorhandenen Gesetze rücksichts-
los gehandhabt werde, damit man nicht zu geheimen Maß-
regeln à la Karlsbad u. dgl. greifen müsse. Uebrigens sollte
dann doch ein Preßgesetz bestehen, welches offene Aufforderung
zur bewaffneten Widersetzlichkeit mit Strafen belegt, wenn nicht
die deßfallsigen Gesetze ohnehin alle Arten von Aufwiegelung durch
ihren Wortlaut einschließen.

Vor Allem thut es Noth, daß alle Deutschen sich so eng als
immer möglich anschließen an das Parlament und an die Cen-
tralgewalt, daß alle Maßregeln von dieser ausgehen, nicht etwa
von Berlin, Wien, München, Hannover, — so wenig diesen ge-
wehrt werden soll, im eigenen Hause Ordnung zu handhaben, —
daß die Vorkehrungen in die Hände der Reichsgewalt bleibend
gelegt, daß das ganze deutsche Heer als Reichsarmee proclamirt
werde, mit billiger Berücksichtigung der preußischen Landwehr;
denn so unverhältnißmäßige Opfer, als hier Preußen trägt, kann
man Niemanden zumuthen ( übrigens wünschen wir eine ähnliche
Wehrverfassung, nur minder kostspielig, für ganz Deutschland ) .
Auf diese Weise wird der Sieg über die Anarchie, über die Par-
teiselbstsucht, über Rebellenhochmuth, über Demagogenhoffart
und Communistenraubgier nicht der Reaction, sondern Deutsch-
lands Einheit zu Gute kommen; so wird die Partei, welche Alles
zur Reaction drängen will, um zu neuer Revolution zu nöthigen,
gerade das Gegentheil ihrer Bestrebungen erreichen: ein freies,
geordnetes Deutschland, weit genug für alle aufrichtig der Freiheit
ergebene Parteien, nicht Beute des Particularismus, nicht Beute
der Zwietracht, nicht Beute der Despotie, nicht Beute der Raub-
[Ende Spaltensatz]

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Jst es das Gelüste der Einzelregierungen, in den Besitz der aufgegebenen, wirklichen oder vermeintlichen Rechte wieder einzutreten? oder ist es Herrsch- sucht einer aristokratischen Partei? oder haben es die Jesuiten gethan, und die Pfaffen und die Ultramontanen? Nein! Die reactio- närste Partei sind die rothen Republikaner. Sie liefern uns der Reaction, der Regierung des Säbels in die Hände, wenn sie unterliegen, und sie müßten die ärgsten Despoten seyn von dem Tag an, wo das Staatsruder ihnen zufallen könnte. Sie müßten die mangelnde Sympathie der großen Volksmehrheit durch Ter- rorismus ersetzen, durch den Terrorismus eines Conventes, der bald seine Vendée finden würde. Doch dafür ist, wie jetzt die Dinge stehen, noch keine Aussicht. Fassen wir daher die Gefahr der Reaction scharfen Blickes ins Auge, erwägen wir die Gefahren ihrer Erstarkung und die Mittel ihrer Bewältigung. Durch die immerwährenden Aufstandsversuche, die für Leben und Eigenthum der Bürger gleich gefährlich sind — denn kaum wird ein Straßengemetzel ohne unschuldig vergossenes Blut ablau- fen können — wird der Credit vernichtet, Handel und Gewerbe stocken, die Brodlosigkeit nimmt bedrohlich überhand, der Ge- schäftsmann, der Handelsmann ruft nach Sicherheit und Ruhe; der Bankeroteur, wenn er Rednertalent und schlechte Gesinnung hat, wird Volksaufwiegler. Da kann Nichts mehr helfen, als militärische Gewalt! Die Bürger sind nicht im Stande, meistens nicht entschlossen genug, mit ihrer eigenen Kraft die losgelassenen Furien zu bändigen. Sie sind Familienväter, sie mögen ihr Leben nicht setzen an das Leben zusammengetriebener Horden, die Nichts zu verlieren haben. Dieses traurige Geschäft fällt den Soldaten zu, welche durch Eid und Pflicht gehalten sind, sich demselben zu unterziehen, und es bisher mit dankenswerther Aufopferung gethan haben. Aber auch da, wo der Kampf nicht geführt wird mit den Waffen, wo es nur gilt die Meinungen des Volkes zu gewinnen, ist die gesetzliche Partei auf allen Seiten im Nachtheil. Zur poli- tischen Selbstständigkeit erzieht nur die Freiheit; der Männer, welche in persönlicher Kraft und Tüchtigkeit diese politische Er- ziehung sich zu ersetzen vermochten, sind noch Wenige. Einmal muß sie gemacht werden: jetzt macht Deutschland seine Freiheits- probe. Sie würde um so schlechter ausfallen, je länger man sie hinausschieben wollte, je mehr die Gewohnheit der Unselbststän- digkeit unter den Fittigen allsorglicher Bureaukratie an Kraft ge- winnen müßte. Eines ist darum nothwenig: Erstarkung der constitutionellen Gesinnung. Nur dann wird die Aufgabe, den Geist der Ungesetz- lichkeit zu bändigen, aus den Händen der Regierungen und der Centralgewalt an das Volk übergehen können, wenn der constitu- tionelle Geist, wenn die Anhänglichkeit an das Parlament er- starkt, lebenskräftig, thätig, furchtlos, streitrüstig geworden ist, wenn verständige, willens= und thatkräftige Männer in allen Städten sich finden werden, die ein paar Fensterscheiben da- ran wagen, die eine Verläumdung durch die Zeitungen der rothen Republik, die eine Katzenmusik, die selbst den Verlust einer gewissen Volksthümlichkeit riskiren, um den Lügen, den Aufstachelungen, den Schmähungen, den Verdächtigungen, den falschen Befürchtungen, den constituirten Krawallvereinen durch Belehrung, durch Nennung der Dinge beim rechten Namen, durch kräftige Zurechtweisung, durch Gründung constitutioneller Vereine, durch liebevolles, hülfereiches Herablassen zu der Un- wissenheit, Noth und Armuth auch der untersten Volksschich- ten, einen natürlichen und dadurch unverwüstlichen Damm einer tüchtigen Volksgesinnung, einer besonnenen politischen Regsam- keit, eines gerechten Gemeinwillens entgegenzusetzen. Nur dann wird die Kraft der Lüge gebrochen seyn, wenn die Zeitungen die öffentliche Meinung, die Meinung der Gutgesinnten verkün- digen müssen, statt für das ganze lernbedürftige und lernbegierige Volk im Jnteresse der Parteien — sie zu machen. Das sind die Mittel, die Allen zu Gebote stehen, um ohne Beihülfe der Regierungsgewalt mit der Unordnung, mit dem Geiste des Aufruhrs fertig zu werden. Wenn man diese Mittel vernachlässigt, dann müssen die Regierungen, oder lieber die Centralgewalt — es klingt paradox, ist aber das einzige übrige Mittel, — die Stadt= und Landgemeinden zwingen, mit eige- ner Kraft dem Unwesen zu steuern, denn diese Kraft ist überall vorhanden; sie muß nur sich emporraffen oder aus ihrer Lethar- gie mit Gewalt aufgerüttelt werden. Die Centralgewalt oder die Regierungen müssen jeden Ort, der zur Bewältigung eines Aufruhrs militärische Hülfe bedarf, die Kosten tragen, sie müssen die Truppen in unentgeldlicher Verpflegung der Bürger einen oder ein Paar Monate da liegen lassen — das wird die Schläfer schon wecken. Damit dürften auch alle Maßregeln gegen politische Ver- eine und Volksversammlungen, gegen Preßfreiheit und Auf- wiegelung, die gar zu leicht den Beigeschmack der Reaction an- nehmen, großentheils erspart werden. Bloße Verbote und Pro- hibitiv- oder Gewaltmaßregeln ohne eigene schöpferische Thä- tigkeit führen ja nie zu etwas Gutem, sie verbittern nur die Ge- müther! Vor Allem ist zu wünschen, daß man sich möglichst auf Re- pressivmaßregeln beschränke, daß diese einen wo möglich rein mili- tärischen, localen, der Zeit nach vorübergehenden Charakter tragen, daß die Freiheit der Unschuldigen um der Verbrecher willen nicht beschränkt, daß die Strenge der vorhandenen Gesetze rücksichts- los gehandhabt werde, damit man nicht zu geheimen Maß- regeln à la Karlsbad u. dgl. greifen müsse. Uebrigens sollte dann doch ein Preßgesetz bestehen, welches offene Aufforderung zur bewaffneten Widersetzlichkeit mit Strafen belegt, wenn nicht die deßfallsigen Gesetze ohnehin alle Arten von Aufwiegelung durch ihren Wortlaut einschließen. Vor Allem thut es Noth, daß alle Deutschen sich so eng als immer möglich anschließen an das Parlament und an die Cen- tralgewalt, daß alle Maßregeln von dieser ausgehen, nicht etwa von Berlin, Wien, München, Hannover, — so wenig diesen ge- wehrt werden soll, im eigenen Hause Ordnung zu handhaben, — daß die Vorkehrungen in die Hände der Reichsgewalt bleibend gelegt, daß das ganze deutsche Heer als Reichsarmee proclamirt werde, mit billiger Berücksichtigung der preußischen Landwehr; denn so unverhältnißmäßige Opfer, als hier Preußen trägt, kann man Niemanden zumuthen ( übrigens wünschen wir eine ähnliche Wehrverfassung, nur minder kostspielig, für ganz Deutschland ) . Auf diese Weise wird der Sieg über die Anarchie, über die Par- teiselbstsucht, über Rebellenhochmuth, über Demagogenhoffart und Communistenraubgier nicht der Reaction, sondern Deutsch- lands Einheit zu Gute kommen; so wird die Partei, welche Alles zur Reaction drängen will, um zu neuer Revolution zu nöthigen, gerade das Gegentheil ihrer Bestrebungen erreichen: ein freies, geordnetes Deutschland, weit genug für alle aufrichtig der Freiheit ergebene Parteien, nicht Beute des Particularismus, nicht Beute der Zwietracht, nicht Beute der Despotie, nicht Beute der Raub-

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 96. Mainz, 26. September 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal096_1848/1>, abgerufen am 16.10.2024.