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Mainzer Journal. Nr. 115. Mainz, 18. Oktober 1848.

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Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den "Rheinischen Unterhaltungs-
blättern " schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 115. Mittwoch, den 18. October. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Was Noth thut.

C Warum sahen wir vor Kurzem Rhein auf und ab, mit
Dampfschiff und Eisenbahn täglich Bataillone mit Geschützen
kommen und gehen? Warum gleicht mitten im Frieden das west-
liche Deutschland einem Herrlager, dessen Kosten den Wohlstand
des Reiches zu erdrücken drohen? Nun, es gilt die Empörung zu
besiegen, sie niederzuhalten. Und was hat diese Empörung her-
vorgerufen? Die Geschäftigkeit, der Eifer, der unermüdliche Fa-
natismus der Demagogie, der Hetzer, der Volksaufwiegler. Wir
verläugnen dabei nicht, daß wirkliche Mißstände Theil haben,
vielleicht überwiegenden Antheil an der aufbrausenden Unzufrie-
denheit. Die Art nun, wie diese socialen und politischen Miß-
stände zu heilen seyn dürften -- wir müssen ruhigere Zeiten ab-
warten, um sie zu besprechen. Eine umfassende Socialreform, ein
Ergreifen so allgemeiner Maßregeln, wie sie dazu nöthig wären,
müßte bei der allgemeinen gegenwärtigen Aufregung der Sicher-
heit, des ruhigen festen Blickes entbehren, müßte die Unruhe, die
Spannung, die Fieberhaftigkeit steigern, statt sie zu dämpfen.
Darum beschränken wir uns hier darauf, die nächsten und
dringendsten Mittel gegen das Umsichgreifen der anarchischen auf-
rührerischen Gesinnung, der Kriegs= und Barricadenlust, der
politisch=socialen Leidenschaft, mit Einem Worte: der schlech-
ten
Demagogie zu suchen. Und wir finden keines, als die gute
Demagogie,
das heißt wörtlich übersetzt: die Führung des
Volkes zum Guten.

Sind die Demagogen, sind die Socialisten nicht in die elenden
Hütten, sind sie nicht in die Branntweinbrennereien und Essighäuser
hinuntergestiegen, um für ihre Pläne taugliche Werkzeuge zu su-
chen? Und welche Mühe mußten sie noch übernehmen, um diese zur
Brauchbarkeit auf der Gallerie und hinter den Barricaden, und
als Struve'sche Freischaar heranzubilden? Jhre Placate haben
alle Straßenecken bedeckt, ihre Rührigkeit hat ein Netz von Volks-
versammlungen ausgeworfen über das ganze westliche Deutsch-
land, ihre Gewandtheit unzählige Vereine und Zweigvereine ins
Leben gerufen. Sie haben die Gesinnung, die Bedürfnisse, die
Klagen und Leiden, den Kummer und die Herzenswunden auch der
ärmsten Volksclasse mit tiefblickender Genauigkeit sondirt, nicht
etwa, um sie zu heilen, sondern um durch den Essig und Pfeffer
des Spottes, der Aufreizung, der Gehäßigkeit gegen die Landes-
gesetze, welche sie schlau und täuschend als einzige Quelle aller
dieser Uebelstände darzustellen wußten, gegen die Personen, die
mit deren Handhabung beauftragt waren, gegen die Heere, wel-
che gebrandmarkt wurden als blinde Werkzeuge despotischer Will-
kür, gegen das Parlament, gegen die Centralgewalt, gegen alle
Autorität und Majorität, um durch das Aetzende, Brennende
dieser Anreizungen und Anschuldigungen den Schmerz der Wun-
den bis zum Wahnsinn, bis zur blindesten Raserei zu steigern,
um die aufgestachelte Wuth als unermüdlichen Sturmbock zu
gebrauchen gegen die Männer des Rechtes, der Gesetze, der
Ordnung. Sie haben es nicht verschmäht, mit Geld, mit süßen
Worten, mit kirrenden Schmeicheleien sich unter die Män-
ner zu mischen, die durch heiligen Eid verpflichtet sind, mit
Waffengewalt die Herrschaft des Gesetzes aufrecht zu halten;
sie haben sich mit dem süßen Rufe der Brüderlichkeit eingemischt
unter die deutschen Soldaten. Bisher noch haben diese Braven
gegen die Verführung ächt deutsche Treue bewährt; bisher noch
gelang es, den Freischaaren der rothen Republik deutsche Wehr-
männer siegreich entgegenzustellen; immerhin ein kostspieliger
Sieg, bei dem Credit, Handel, Gewerbe, Wohlstand und Sitte
des Landes im Sturmschritt dem Verfall entgegengehen. Aber
[Spaltenumbruch] fragen wir uns gründlich und aufrichtig, wird es immer ge-
lingen? -- Nein: die stärkste Treue, von immerwährenden Lügen
umzischt, den Lockungen unaufhörlich preisgegeben, umgeben mit
einem Netze von Täuschungen: sie vergißt nicht ihre Pflicht, --
das kann die Treue niemals; aber sie beginnt sie zu verkennen,
sie beginnt irre zu werden an der guten Sache, -- sie wendet ihre
Dienste betrogen dem Betrüger zu.

Doppelt stark muß uns diese Befürchtung erscheinen, wenn
wir die vielfache Schwäche und Halbheit der Regierungen und
die Maßregeln ihrer bornirten und bordirten Schreiberknechte
hinzunehmen. Das Beispiel Badens, die Straflosigkeit der ersten
Empörung, -- das Alles sind selbstredende Beispiele. Will man
eine Armee demoralisiren, -- dann nur noch einmal solche Märsche
wieder nach Schleswig und zurück, oder, denn dieses Unglück ist
entschuldigt durch die Umstände, -- oder noch einige großartige
Truppenzusammenziehungen, Wrangel'sche, kriegschnaubende
Proclamationen und dann halb oder ganz desavouirende Pfuel-
sche Erklärungen: das kann zu anderen Zeiten, als die unserigen
sind, den Geist der Disciplin, des Vertrauens zu den Führern
entnerven! Seyen wir überzeugt: wenn die revolutionäre Ge-
sinnung, der Geist der Gesetzlosigkeit, die Straflosigkeit der Ver-
brechen an Staat, Person und Eigenthum noch kurze Zeit ge-
winnt, ihre bisherige Bahn zu verfolgen, dann werden die Heere
bei der großen Masse der Anarchisten überflügelt, umgarnt, ge-
lähmt, mit dem allgemeinen Strome hinweggerissen werden;
und vielleicht noch früher als diese die Obrigkeiten, die Regier-
ungen, die sich auf die Bajonette allein für die Dauer nicht
stützen können, und wenn sie es könnten, schwerlich den Muth
dazu haben würden. Wir wiederholen es: wenn nicht der Geist
der Massen, so weit er noch gut ist, vor der Ansteckung unver-
züglich geschützt, und so weit er schlecht ist, durch die Ueberlegenheit
des guten Geistes bewältigt und gebessert wird, wenn wir noch
einen Augenblick zögern, alle möglichen Mittel aufzubieten: dann
ist es -- zu spät! Dann haben wir die rothe Republik, den
Convent, die Communistenregierung, eine Regierung der Ver-
kommenheit, der Gott= und Sittenlosigkeit, der Roheit, der Bru-
talität, des Raubes, des Brandes, des Meuchelmordes. Dann
werden wir das Lied Freiligraths in deutlicher Schrift sehen, wie
neulich in Fracturschrift an Lichnowsky und Auerswald, so dies-
mal in Flammenschrift: "Pulver ist schwarz, Blut ist roth und
goldig flackert die Flamme."

Das ist der Abgrund, vor dem wir stehen....

Zur Abwehr genügen da nicht die conservativen Zeit-
ungen.
Sie sind gegen die schlechten Blätter allzeit im Nach-
theile, denn beweisen ist schwerer als läugnen, rechtfertigen
schwerer als verläumden, Gewissenhaftigkeit schwerer als Leicht-
fertigkeit, durch tiefen Geist unterhalten schwerer als durch per-
sönlichen Hohn, durch gemeinen Witz; an das Rechtsgefühl, an die
Sittlichkeit appelliren schwerer als an die Leidenschaft, Ver-
trauen herstellen schwerer, als Mißtrauen wecken.... Dabei
fällt in die Wagschale, daß schamlose Blätter, wie jene, welche
Lichnowskys und Auerswalds Ermordung vertuschen und die
Barrikaden zu Frankfurt heilig sprechen wollen, gar nicht zu
Grunde zu richten sind, während eine gutgesinnte Zeitung leicht
durch einen einzigen Mißgriff sich den Untergang bereitet. Auch
hat das Volk nicht immer Zeit und Lust zu lesen, es will hören
und sehen, es will die Männer von Angesicht zu Angesicht ken-
nen, denen es sein Vertrauen schenken, durch deren Schriften
es sich unterrichten soll. Darum ist es Noth, daß die Männer
der ächten Freiheit, die Unterrichteten, die Freunde der Ordnung,
die Conservativen, die, wie ihr Name besagt, etwas zu erhal-
[Ende Spaltensatz]

Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs-
blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 115. Mittwoch, den 18. October. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Was Noth thut.

C Warum sahen wir vor Kurzem Rhein auf und ab, mit
Dampfschiff und Eisenbahn täglich Bataillone mit Geschützen
kommen und gehen? Warum gleicht mitten im Frieden das west-
liche Deutschland einem Herrlager, dessen Kosten den Wohlstand
des Reiches zu erdrücken drohen? Nun, es gilt die Empörung zu
besiegen, sie niederzuhalten. Und was hat diese Empörung her-
vorgerufen? Die Geschäftigkeit, der Eifer, der unermüdliche Fa-
natismus der Demagogie, der Hetzer, der Volksaufwiegler. Wir
verläugnen dabei nicht, daß wirkliche Mißstände Theil haben,
vielleicht überwiegenden Antheil an der aufbrausenden Unzufrie-
denheit. Die Art nun, wie diese socialen und politischen Miß-
stände zu heilen seyn dürften — wir müssen ruhigere Zeiten ab-
warten, um sie zu besprechen. Eine umfassende Socialreform, ein
Ergreifen so allgemeiner Maßregeln, wie sie dazu nöthig wären,
müßte bei der allgemeinen gegenwärtigen Aufregung der Sicher-
heit, des ruhigen festen Blickes entbehren, müßte die Unruhe, die
Spannung, die Fieberhaftigkeit steigern, statt sie zu dämpfen.
Darum beschränken wir uns hier darauf, die nächsten und
dringendsten Mittel gegen das Umsichgreifen der anarchischen auf-
rührerischen Gesinnung, der Kriegs= und Barricadenlust, der
politisch=socialen Leidenschaft, mit Einem Worte: der schlech-
ten
Demagogie zu suchen. Und wir finden keines, als die gute
Demagogie,
das heißt wörtlich übersetzt: die Führung des
Volkes zum Guten.

Sind die Demagogen, sind die Socialisten nicht in die elenden
Hütten, sind sie nicht in die Branntweinbrennereien und Essighäuser
hinuntergestiegen, um für ihre Pläne taugliche Werkzeuge zu su-
chen? Und welche Mühe mußten sie noch übernehmen, um diese zur
Brauchbarkeit auf der Gallerie und hinter den Barricaden, und
als Struve'sche Freischaar heranzubilden? Jhre Placate haben
alle Straßenecken bedeckt, ihre Rührigkeit hat ein Netz von Volks-
versammlungen ausgeworfen über das ganze westliche Deutsch-
land, ihre Gewandtheit unzählige Vereine und Zweigvereine ins
Leben gerufen. Sie haben die Gesinnung, die Bedürfnisse, die
Klagen und Leiden, den Kummer und die Herzenswunden auch der
ärmsten Volksclasse mit tiefblickender Genauigkeit sondirt, nicht
etwa, um sie zu heilen, sondern um durch den Essig und Pfeffer
des Spottes, der Aufreizung, der Gehäßigkeit gegen die Landes-
gesetze, welche sie schlau und täuschend als einzige Quelle aller
dieser Uebelstände darzustellen wußten, gegen die Personen, die
mit deren Handhabung beauftragt waren, gegen die Heere, wel-
che gebrandmarkt wurden als blinde Werkzeuge despotischer Will-
kür, gegen das Parlament, gegen die Centralgewalt, gegen alle
Autorität und Majorität, um durch das Aetzende, Brennende
dieser Anreizungen und Anschuldigungen den Schmerz der Wun-
den bis zum Wahnsinn, bis zur blindesten Raserei zu steigern,
um die aufgestachelte Wuth als unermüdlichen Sturmbock zu
gebrauchen gegen die Männer des Rechtes, der Gesetze, der
Ordnung. Sie haben es nicht verschmäht, mit Geld, mit süßen
Worten, mit kirrenden Schmeicheleien sich unter die Män-
ner zu mischen, die durch heiligen Eid verpflichtet sind, mit
Waffengewalt die Herrschaft des Gesetzes aufrecht zu halten;
sie haben sich mit dem süßen Rufe der Brüderlichkeit eingemischt
unter die deutschen Soldaten. Bisher noch haben diese Braven
gegen die Verführung ächt deutsche Treue bewährt; bisher noch
gelang es, den Freischaaren der rothen Republik deutsche Wehr-
männer siegreich entgegenzustellen; immerhin ein kostspieliger
Sieg, bei dem Credit, Handel, Gewerbe, Wohlstand und Sitte
des Landes im Sturmschritt dem Verfall entgegengehen. Aber
[Spaltenumbruch] fragen wir uns gründlich und aufrichtig, wird es immer ge-
lingen? — Nein: die stärkste Treue, von immerwährenden Lügen
umzischt, den Lockungen unaufhörlich preisgegeben, umgeben mit
einem Netze von Täuschungen: sie vergißt nicht ihre Pflicht, —
das kann die Treue niemals; aber sie beginnt sie zu verkennen,
sie beginnt irre zu werden an der guten Sache, — sie wendet ihre
Dienste betrogen dem Betrüger zu.

Doppelt stark muß uns diese Befürchtung erscheinen, wenn
wir die vielfache Schwäche und Halbheit der Regierungen und
die Maßregeln ihrer bornirten und bordirten Schreiberknechte
hinzunehmen. Das Beispiel Badens, die Straflosigkeit der ersten
Empörung, — das Alles sind selbstredende Beispiele. Will man
eine Armee demoralisiren, — dann nur noch einmal solche Märsche
wieder nach Schleswig und zurück, oder, denn dieses Unglück ist
entschuldigt durch die Umstände, — oder noch einige großartige
Truppenzusammenziehungen, Wrangel'sche, kriegschnaubende
Proclamationen und dann halb oder ganz desavouirende Pfuel-
sche Erklärungen: das kann zu anderen Zeiten, als die unserigen
sind, den Geist der Disciplin, des Vertrauens zu den Führern
entnerven! Seyen wir überzeugt: wenn die revolutionäre Ge-
sinnung, der Geist der Gesetzlosigkeit, die Straflosigkeit der Ver-
brechen an Staat, Person und Eigenthum noch kurze Zeit ge-
winnt, ihre bisherige Bahn zu verfolgen, dann werden die Heere
bei der großen Masse der Anarchisten überflügelt, umgarnt, ge-
lähmt, mit dem allgemeinen Strome hinweggerissen werden;
und vielleicht noch früher als diese die Obrigkeiten, die Regier-
ungen, die sich auf die Bajonette allein für die Dauer nicht
stützen können, und wenn sie es könnten, schwerlich den Muth
dazu haben würden. Wir wiederholen es: wenn nicht der Geist
der Massen, so weit er noch gut ist, vor der Ansteckung unver-
züglich geschützt, und so weit er schlecht ist, durch die Ueberlegenheit
des guten Geistes bewältigt und gebessert wird, wenn wir noch
einen Augenblick zögern, alle möglichen Mittel aufzubieten: dann
ist es — zu spät! Dann haben wir die rothe Republik, den
Convent, die Communistenregierung, eine Regierung der Ver-
kommenheit, der Gott= und Sittenlosigkeit, der Roheit, der Bru-
talität, des Raubes, des Brandes, des Meuchelmordes. Dann
werden wir das Lied Freiligraths in deutlicher Schrift sehen, wie
neulich in Fracturschrift an Lichnowsky und Auerswald, so dies-
mal in Flammenschrift: „Pulver ist schwarz, Blut ist roth und
goldig flackert die Flamme.“

Das ist der Abgrund, vor dem wir stehen....

Zur Abwehr genügen da nicht die conservativen Zeit-
ungen.
Sie sind gegen die schlechten Blätter allzeit im Nach-
theile, denn beweisen ist schwerer als läugnen, rechtfertigen
schwerer als verläumden, Gewissenhaftigkeit schwerer als Leicht-
fertigkeit, durch tiefen Geist unterhalten schwerer als durch per-
sönlichen Hohn, durch gemeinen Witz; an das Rechtsgefühl, an die
Sittlichkeit appelliren schwerer als an die Leidenschaft, Ver-
trauen herstellen schwerer, als Mißtrauen wecken.... Dabei
fällt in die Wagschale, daß schamlose Blätter, wie jene, welche
Lichnowskys und Auerswalds Ermordung vertuschen und die
Barrikaden zu Frankfurt heilig sprechen wollen, gar nicht zu
Grunde zu richten sind, während eine gutgesinnte Zeitung leicht
durch einen einzigen Mißgriff sich den Untergang bereitet. Auch
hat das Volk nicht immer Zeit und Lust zu lesen, es will hören
und sehen, es will die Männer von Angesicht zu Angesicht ken-
nen, denen es sein Vertrauen schenken, durch deren Schriften
es sich unterrichten soll. Darum ist es Noth, daß die Männer
der ächten Freiheit, die Unterrichteten, die Freunde der Ordnung,
die Conservativen, die, wie ihr Name besagt, etwas zu erhal-
[Ende Spaltensatz]

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[0001] Mainzer Journal. Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs- blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an; für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben- falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet. Nro 115. Mittwoch, den 18. October. 1848. Was Noth thut. C Warum sahen wir vor Kurzem Rhein auf und ab, mit Dampfschiff und Eisenbahn täglich Bataillone mit Geschützen kommen und gehen? Warum gleicht mitten im Frieden das west- liche Deutschland einem Herrlager, dessen Kosten den Wohlstand des Reiches zu erdrücken drohen? Nun, es gilt die Empörung zu besiegen, sie niederzuhalten. Und was hat diese Empörung her- vorgerufen? Die Geschäftigkeit, der Eifer, der unermüdliche Fa- natismus der Demagogie, der Hetzer, der Volksaufwiegler. Wir verläugnen dabei nicht, daß wirkliche Mißstände Theil haben, vielleicht überwiegenden Antheil an der aufbrausenden Unzufrie- denheit. Die Art nun, wie diese socialen und politischen Miß- stände zu heilen seyn dürften — wir müssen ruhigere Zeiten ab- warten, um sie zu besprechen. Eine umfassende Socialreform, ein Ergreifen so allgemeiner Maßregeln, wie sie dazu nöthig wären, müßte bei der allgemeinen gegenwärtigen Aufregung der Sicher- heit, des ruhigen festen Blickes entbehren, müßte die Unruhe, die Spannung, die Fieberhaftigkeit steigern, statt sie zu dämpfen. Darum beschränken wir uns hier darauf, die nächsten und dringendsten Mittel gegen das Umsichgreifen der anarchischen auf- rührerischen Gesinnung, der Kriegs= und Barricadenlust, der politisch=socialen Leidenschaft, mit Einem Worte: der schlech- ten Demagogie zu suchen. Und wir finden keines, als die gute Demagogie, das heißt wörtlich übersetzt: die Führung des Volkes zum Guten. Sind die Demagogen, sind die Socialisten nicht in die elenden Hütten, sind sie nicht in die Branntweinbrennereien und Essighäuser hinuntergestiegen, um für ihre Pläne taugliche Werkzeuge zu su- chen? Und welche Mühe mußten sie noch übernehmen, um diese zur Brauchbarkeit auf der Gallerie und hinter den Barricaden, und als Struve'sche Freischaar heranzubilden? Jhre Placate haben alle Straßenecken bedeckt, ihre Rührigkeit hat ein Netz von Volks- versammlungen ausgeworfen über das ganze westliche Deutsch- land, ihre Gewandtheit unzählige Vereine und Zweigvereine ins Leben gerufen. Sie haben die Gesinnung, die Bedürfnisse, die Klagen und Leiden, den Kummer und die Herzenswunden auch der ärmsten Volksclasse mit tiefblickender Genauigkeit sondirt, nicht etwa, um sie zu heilen, sondern um durch den Essig und Pfeffer des Spottes, der Aufreizung, der Gehäßigkeit gegen die Landes- gesetze, welche sie schlau und täuschend als einzige Quelle aller dieser Uebelstände darzustellen wußten, gegen die Personen, die mit deren Handhabung beauftragt waren, gegen die Heere, wel- che gebrandmarkt wurden als blinde Werkzeuge despotischer Will- kür, gegen das Parlament, gegen die Centralgewalt, gegen alle Autorität und Majorität, um durch das Aetzende, Brennende dieser Anreizungen und Anschuldigungen den Schmerz der Wun- den bis zum Wahnsinn, bis zur blindesten Raserei zu steigern, um die aufgestachelte Wuth als unermüdlichen Sturmbock zu gebrauchen gegen die Männer des Rechtes, der Gesetze, der Ordnung. Sie haben es nicht verschmäht, mit Geld, mit süßen Worten, mit kirrenden Schmeicheleien sich unter die Män- ner zu mischen, die durch heiligen Eid verpflichtet sind, mit Waffengewalt die Herrschaft des Gesetzes aufrecht zu halten; sie haben sich mit dem süßen Rufe der Brüderlichkeit eingemischt unter die deutschen Soldaten. Bisher noch haben diese Braven gegen die Verführung ächt deutsche Treue bewährt; bisher noch gelang es, den Freischaaren der rothen Republik deutsche Wehr- männer siegreich entgegenzustellen; immerhin ein kostspieliger Sieg, bei dem Credit, Handel, Gewerbe, Wohlstand und Sitte des Landes im Sturmschritt dem Verfall entgegengehen. Aber fragen wir uns gründlich und aufrichtig, wird es immer ge- lingen? — Nein: die stärkste Treue, von immerwährenden Lügen umzischt, den Lockungen unaufhörlich preisgegeben, umgeben mit einem Netze von Täuschungen: sie vergißt nicht ihre Pflicht, — das kann die Treue niemals; aber sie beginnt sie zu verkennen, sie beginnt irre zu werden an der guten Sache, — sie wendet ihre Dienste betrogen dem Betrüger zu. Doppelt stark muß uns diese Befürchtung erscheinen, wenn wir die vielfache Schwäche und Halbheit der Regierungen und die Maßregeln ihrer bornirten und bordirten Schreiberknechte hinzunehmen. Das Beispiel Badens, die Straflosigkeit der ersten Empörung, — das Alles sind selbstredende Beispiele. Will man eine Armee demoralisiren, — dann nur noch einmal solche Märsche wieder nach Schleswig und zurück, oder, denn dieses Unglück ist entschuldigt durch die Umstände, — oder noch einige großartige Truppenzusammenziehungen, Wrangel'sche, kriegschnaubende Proclamationen und dann halb oder ganz desavouirende Pfuel- sche Erklärungen: das kann zu anderen Zeiten, als die unserigen sind, den Geist der Disciplin, des Vertrauens zu den Führern entnerven! Seyen wir überzeugt: wenn die revolutionäre Ge- sinnung, der Geist der Gesetzlosigkeit, die Straflosigkeit der Ver- brechen an Staat, Person und Eigenthum noch kurze Zeit ge- winnt, ihre bisherige Bahn zu verfolgen, dann werden die Heere bei der großen Masse der Anarchisten überflügelt, umgarnt, ge- lähmt, mit dem allgemeinen Strome hinweggerissen werden; und vielleicht noch früher als diese die Obrigkeiten, die Regier- ungen, die sich auf die Bajonette allein für die Dauer nicht stützen können, und wenn sie es könnten, schwerlich den Muth dazu haben würden. Wir wiederholen es: wenn nicht der Geist der Massen, so weit er noch gut ist, vor der Ansteckung unver- züglich geschützt, und so weit er schlecht ist, durch die Ueberlegenheit des guten Geistes bewältigt und gebessert wird, wenn wir noch einen Augenblick zögern, alle möglichen Mittel aufzubieten: dann ist es — zu spät! Dann haben wir die rothe Republik, den Convent, die Communistenregierung, eine Regierung der Ver- kommenheit, der Gott= und Sittenlosigkeit, der Roheit, der Bru- talität, des Raubes, des Brandes, des Meuchelmordes. Dann werden wir das Lied Freiligraths in deutlicher Schrift sehen, wie neulich in Fracturschrift an Lichnowsky und Auerswald, so dies- mal in Flammenschrift: „Pulver ist schwarz, Blut ist roth und goldig flackert die Flamme.“ Das ist der Abgrund, vor dem wir stehen.... Zur Abwehr genügen da nicht die conservativen Zeit- ungen. Sie sind gegen die schlechten Blätter allzeit im Nach- theile, denn beweisen ist schwerer als läugnen, rechtfertigen schwerer als verläumden, Gewissenhaftigkeit schwerer als Leicht- fertigkeit, durch tiefen Geist unterhalten schwerer als durch per- sönlichen Hohn, durch gemeinen Witz; an das Rechtsgefühl, an die Sittlichkeit appelliren schwerer als an die Leidenschaft, Ver- trauen herstellen schwerer, als Mißtrauen wecken.... Dabei fällt in die Wagschale, daß schamlose Blätter, wie jene, welche Lichnowskys und Auerswalds Ermordung vertuschen und die Barrikaden zu Frankfurt heilig sprechen wollen, gar nicht zu Grunde zu richten sind, während eine gutgesinnte Zeitung leicht durch einen einzigen Mißgriff sich den Untergang bereitet. Auch hat das Volk nicht immer Zeit und Lust zu lesen, es will hören und sehen, es will die Männer von Angesicht zu Angesicht ken- nen, denen es sein Vertrauen schenken, durch deren Schriften es sich unterrichten soll. Darum ist es Noth, daß die Männer der ächten Freiheit, die Unterrichteten, die Freunde der Ordnung, die Conservativen, die, wie ihr Name besagt, etwas zu erhal-

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 115. Mainz, 18. Oktober 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal115_1848/1>, abgerufen am 06.10.2024.