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Mainzer Journal. Nr. 156. Mainz, 5. Dezember 1848.

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Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den "Rheinischen Unterhaltungs-
blättern " schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 156. Dienstag, den 5. December. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Die sociale Republik.

*** Et princeps nescit, quod nova potentia crescit, --
"der Fürst kennt nicht die neue Macht, die im Verborgenen her-
anwächst," heißt einer der bekannten Lehninischen Verse und diese
Worte kann man auch heute auf die Mehrheit nicht blos unserer
Staatsmänner, sondern all unserer Zeitgenossen anwenden. Als
nach der Julirevolution in Frankreich der phantastisch=religiöse
Pantheismus der Saint=Simonisten, in Deutschland der philo-
sophisch=ästhetische Pantheismus der Hegelinge und des jungen
Deutschlands als wesentliche und naturnothwendige Ergebnisse
ihrer Systeme die Lehre von der Güter= und Weibergemeinschaft
zu Tage zu fördern, und auf diese Weise den uralten Fanatismus
der Albigenser und Wiedertäufer in moderner Gestalt zu erneuern
anfingen, hatten all unsere Staatsmänner in Regierungen, wie
in den Kammern, conservative wie liberale, am allerwenigsten
aber das ganze philiströse und gebildete Publikum nicht im Ent-
ferntesten einen Begriff und eine Ahnung davon, was hier im
Werke und Werden sey, und wo sie ja etwas merkten, lachten
sie ungläubig über die Phantasterei und schlugen sich die Sorge
aus dem Kopfe. Ministercombinationen, Kammermajoritäten
und Minoritäten und was sonst zum Firlefanze modern=liberaler
Staatskunde gehört, war ihnen das Eine und Höchste.

Und auch heute, wo die communistische Republik nicht mehr
in geheimen Conventikeln und Clubs ihre Adepten sammelt, unter
vornehmen philosophischen Formeln in der Hülle der Poesie ihre
Grundsätze in Hörsälen und Salons verbreitet, sondern mit der-
bem Fanatismus die Massen beherrscht und kühn nach der Welt-
herrschaft die Hand ausstreckt; auch heute noch haben Viele nicht
den entferntesten Begriff von Dem, um was es sich handelt. Das
ist bei aller gespreizten und aufgeblasenen Bildung und Aufklä-
rung die grenzenlose Bornirtheit und Einfalt des großen Publi-
kums. Darum ist es ein verdienstliches, wenn auch vielleicht we-
nig dankbares Unternehmen, diese Dinge öfters zur Sprache zu
bringen und auch die letzten Gründe und Principien des Com-
munismus, wie dies namentlich in Nr. 149. der "Rheinischen
Blätter" in dem Aufsatze " Fröbels demokratische Republik"
geschah, ans Licht zu stellen. Allein wenn der angeführte Aufsatz
das hier entwickelte socialistische System am Schlusse, allerdings
ganz treffend, lächerlich zu machen sucht, so halten wir dies nicht
für zweckmäßig: hier ist vielmehr Ernst, und allein der allertiefste
Ernst am Platze; wie man denn überhaupt keinen Feind gering
achten und Scherz mit ihm treiben soll, am allerwenigsten einen
solchen Feind.

Der Socialismus oder Communismus oder sociale Republi-
kanismus oder wie man sonst die Sache nennen mag, ist, wie mit
Recht in jenem Aufsatze gesagt ist, nicht eigentlich ein politisches
System, sondern es ist, wenn man ein atheistisches System mit
diesem Namen bezeichnen darf, eine Art Religion, deren Dogma
so einfach ist, wie das Dogma des Alkoran. Es gibt keinen Gott
und es gibt keine Unsterblichkeit. Es gibt kein über dem Menschen
stehendes objectives Sittengesetz, es gibt keine über dem Menschen
stehende höhere Autorität. Einziger Zweck des Menschen ist in
diesem Leben, nach welchem er wieder in das All der Natur, oder
was auf dasselbe hinausläuft, in das Nichts zurücksinkt, so viel
zu seyn und zu genießen als er vermag. Zweck der socialistischen
Republik ist, so viel als möglich Allen den höchsten und freiesten
physischen und geistigen Lebensgenuß zu verschaffen. Um dies zu
erreichen ist die erste Bedingung Aufhebung des vererblichen Pri-
vateigenthumes und Aufhebung der Ehe, welche beide Ueberreste
des Autoritätsstaates sind. Ersteres, das Privateigenthum, soll
[Spaltenumbruch] ersetzt werden durch eine Gütervertheilung durch den Staat, in
der Art, daß der Staat einem jeden erwachsenen Manne und
Weibe ( die Weiber sollen nämlich emancipirt und in Allem den
Männern gleich seyn ) einen bestimmten Antheil an dem Gesammt-
gute auf Lebenszeit verleiht. An die Stelle der Ehe tritt ein ganz
freies an keinerlei Gesetze gebundenes Zusammenleben. Die Kin-
der werden, wo nicht etwa ihre Eltern für sie sorgen, auf Staats-
kosten erzogen. Und dieses ist dann das irdische Paradies, das
neue Götterleben, welches Heine so oft mit glühenden Farben ge-
schildert hat. Das ist das Ganze, schlicht und einfach, nicht mehr
und nicht weniger, -- das ist die sociale Republik.

Aber, fragen vielleicht Manche kopfschüttelnd, gibt es denn
wirklich Leute, welche einen solchen Zustand einführen wollen?
Diesen [unleserliches Material - 9 Zeichen fehlen]antworten wir: Ja, ja und hundertmal ja -- und nicht
blos Einzelne, sondern alle Männer "der Zukunft," wie Vogt
mit Stolz seine Partei bezeichnet hat, steuern darauf los, nicht
blos in Deutschland, nicht blos in Frankreich, sondern in ganz
Europa. Dieses Ziel haben mit mehr oder weniger Modificatio-
nen alle klaren und consequenten Köpfe der revolutionären Fort-
schrittspartei im Auge, und nur der blasirte Troß, das aus
Hochmuth und Feigheit rabiat gewordene Philisterium, oder sen-
timentale Wirrköpfe laufen und schreien mit und wissen nicht wo
hinaus. Ja selbst Jene, welche ein ganz anderes Jdeal einer
Republik vor Augen haben, werden mit unwiderstehlicher Ge-
walt zu jener socialen Republik fortgerissen; da gibt es keine
Halbheit, keine Mäßigung, keinen Halt; da gibt es höchstens
eine kurze Dämmung des Stromes auf so lang, bis die wilden,
unaufhaltsam wachsenden Fluthen die Höhe des Dammes erstiegen
haben und nun mit um so entsetzlicherer Gewalt über denselben
hinabstürzen und ihn durchbrechen. Und wenn mannichfach die
Leiter dieser social=republikanischen Bewegung die Consequenzen
ihres Strebens verhüllen, oder selbst ausdrücklich in Abrede
stellen, es ist Verstellung, und man soll ihnen nur zu Leibe gehen
und sie werden, wenn sie nicht als ausgemachte Heuchler und
Feiglinge sich hinstellen wollen, die Wahrheit gestehen müssen.

Fassen wir nun die Bedingungen der Einführung der socialen
Republik ins Auge, so sind auch diese klar ausgesprochen. Ver-
nichtung aller politischen Gewalten und Gliederungen im Staate.
Niemand darf eine Gewalt haben als lediglich die nach der Kopf-
zahl berechnete Majorität aller Bewohner des Landes. Jhr
Wille ist Gesetz und über und außer demselben gibt es weder ein
göttliches noch ein menschliches, weder ein ewiges, noch ein hi-
storisches Recht. Jn so fern hat die Sache noch einigermaßen einen
politischen Charakter. Diese politische Beigabe ist aber nur die
Nebensache, nur Mittel zum eigentlichen Zwecke. Vernichtung
des Privateigenthumes, des Erbrechtes und die
Aufhebung der Ehe,
-- als worin die eigentliche sociale und
moralische Revolution besteht. Da aber hiermit die ganze von
Jahrhunderten und Jahrtausenden her rechtliche und moralische
Ordnung im Widerspruche steht, diese ganze Ordnung aber,
wie man von Seiten der Männer der Zukunft aufs klarste erkennt,
aber von anderer Seite oft gar nicht einsehen will, in dem Glau-
ben an einen Gott, an eine göttliche Autorität und an ein ewiges
Leben gegründet ist, so ist die unerläßliche Bedingniß, um zum
Ziele zu kommen, die Vernichtung dieses Glaubens, mit anderen
Worten die Ausrottung von Religion und Christenthum.

Und hier sind wir erst bei dem Kerne der Sache, bei dem
Punkt angekommen, um den der große Kampf sich dreht. Die
christliche Gesinnung, Gesittung, Rechts= und Lebensordnung
zu vertilgen und an ihre Stelle eine diametral entgegengesetzte
neue, die pantheistische Weltanschauung und dieser entsprechende Sit-
[Ende Spaltensatz]

Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs-
blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 156. Dienstag, den 5. December. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Die sociale Republik.

Et princeps nescit, quod nova potentia crescit, —
„der Fürst kennt nicht die neue Macht, die im Verborgenen her-
anwächst,“ heißt einer der bekannten Lehninischen Verse und diese
Worte kann man auch heute auf die Mehrheit nicht blos unserer
Staatsmänner, sondern all unserer Zeitgenossen anwenden. Als
nach der Julirevolution in Frankreich der phantastisch=religiöse
Pantheismus der Saint=Simonisten, in Deutschland der philo-
sophisch=ästhetische Pantheismus der Hegelinge und des jungen
Deutschlands als wesentliche und naturnothwendige Ergebnisse
ihrer Systeme die Lehre von der Güter= und Weibergemeinschaft
zu Tage zu fördern, und auf diese Weise den uralten Fanatismus
der Albigenser und Wiedertäufer in moderner Gestalt zu erneuern
anfingen, hatten all unsere Staatsmänner in Regierungen, wie
in den Kammern, conservative wie liberale, am allerwenigsten
aber das ganze philiströse und gebildete Publikum nicht im Ent-
ferntesten einen Begriff und eine Ahnung davon, was hier im
Werke und Werden sey, und wo sie ja etwas merkten, lachten
sie ungläubig über die Phantasterei und schlugen sich die Sorge
aus dem Kopfe. Ministercombinationen, Kammermajoritäten
und Minoritäten und was sonst zum Firlefanze modern=liberaler
Staatskunde gehört, war ihnen das Eine und Höchste.

Und auch heute, wo die communistische Republik nicht mehr
in geheimen Conventikeln und Clubs ihre Adepten sammelt, unter
vornehmen philosophischen Formeln in der Hülle der Poesie ihre
Grundsätze in Hörsälen und Salons verbreitet, sondern mit der-
bem Fanatismus die Massen beherrscht und kühn nach der Welt-
herrschaft die Hand ausstreckt; auch heute noch haben Viele nicht
den entferntesten Begriff von Dem, um was es sich handelt. Das
ist bei aller gespreizten und aufgeblasenen Bildung und Aufklä-
rung die grenzenlose Bornirtheit und Einfalt des großen Publi-
kums. Darum ist es ein verdienstliches, wenn auch vielleicht we-
nig dankbares Unternehmen, diese Dinge öfters zur Sprache zu
bringen und auch die letzten Gründe und Principien des Com-
munismus, wie dies namentlich in Nr. 149. der „Rheinischen
Blätter“ in dem Aufsatze „ Fröbels demokratische Republik“
geschah, ans Licht zu stellen. Allein wenn der angeführte Aufsatz
das hier entwickelte socialistische System am Schlusse, allerdings
ganz treffend, lächerlich zu machen sucht, so halten wir dies nicht
für zweckmäßig: hier ist vielmehr Ernst, und allein der allertiefste
Ernst am Platze; wie man denn überhaupt keinen Feind gering
achten und Scherz mit ihm treiben soll, am allerwenigsten einen
solchen Feind.

Der Socialismus oder Communismus oder sociale Republi-
kanismus oder wie man sonst die Sache nennen mag, ist, wie mit
Recht in jenem Aufsatze gesagt ist, nicht eigentlich ein politisches
System, sondern es ist, wenn man ein atheistisches System mit
diesem Namen bezeichnen darf, eine Art Religion, deren Dogma
so einfach ist, wie das Dogma des Alkoran. Es gibt keinen Gott
und es gibt keine Unsterblichkeit. Es gibt kein über dem Menschen
stehendes objectives Sittengesetz, es gibt keine über dem Menschen
stehende höhere Autorität. Einziger Zweck des Menschen ist in
diesem Leben, nach welchem er wieder in das All der Natur, oder
was auf dasselbe hinausläuft, in das Nichts zurücksinkt, so viel
zu seyn und zu genießen als er vermag. Zweck der socialistischen
Republik ist, so viel als möglich Allen den höchsten und freiesten
physischen und geistigen Lebensgenuß zu verschaffen. Um dies zu
erreichen ist die erste Bedingung Aufhebung des vererblichen Pri-
vateigenthumes und Aufhebung der Ehe, welche beide Ueberreste
des Autoritätsstaates sind. Ersteres, das Privateigenthum, soll
[Spaltenumbruch] ersetzt werden durch eine Gütervertheilung durch den Staat, in
der Art, daß der Staat einem jeden erwachsenen Manne und
Weibe ( die Weiber sollen nämlich emancipirt und in Allem den
Männern gleich seyn ) einen bestimmten Antheil an dem Gesammt-
gute auf Lebenszeit verleiht. An die Stelle der Ehe tritt ein ganz
freies an keinerlei Gesetze gebundenes Zusammenleben. Die Kin-
der werden, wo nicht etwa ihre Eltern für sie sorgen, auf Staats-
kosten erzogen. Und dieses ist dann das irdische Paradies, das
neue Götterleben, welches Heine so oft mit glühenden Farben ge-
schildert hat. Das ist das Ganze, schlicht und einfach, nicht mehr
und nicht weniger, — das ist die sociale Republik.

Aber, fragen vielleicht Manche kopfschüttelnd, gibt es denn
wirklich Leute, welche einen solchen Zustand einführen wollen?
Diesen [unleserliches Material – 9 Zeichen fehlen]antworten wir: Ja, ja und hundertmal ja — und nicht
blos Einzelne, sondern alle Männer „der Zukunft,“ wie Vogt
mit Stolz seine Partei bezeichnet hat, steuern darauf los, nicht
blos in Deutschland, nicht blos in Frankreich, sondern in ganz
Europa. Dieses Ziel haben mit mehr oder weniger Modificatio-
nen alle klaren und consequenten Köpfe der revolutionären Fort-
schrittspartei im Auge, und nur der blasirte Troß, das aus
Hochmuth und Feigheit rabiat gewordene Philisterium, oder sen-
timentale Wirrköpfe laufen und schreien mit und wissen nicht wo
hinaus. Ja selbst Jene, welche ein ganz anderes Jdeal einer
Republik vor Augen haben, werden mit unwiderstehlicher Ge-
walt zu jener socialen Republik fortgerissen; da gibt es keine
Halbheit, keine Mäßigung, keinen Halt; da gibt es höchstens
eine kurze Dämmung des Stromes auf so lang, bis die wilden,
unaufhaltsam wachsenden Fluthen die Höhe des Dammes erstiegen
haben und nun mit um so entsetzlicherer Gewalt über denselben
hinabstürzen und ihn durchbrechen. Und wenn mannichfach die
Leiter dieser social=republikanischen Bewegung die Consequenzen
ihres Strebens verhüllen, oder selbst ausdrücklich in Abrede
stellen, es ist Verstellung, und man soll ihnen nur zu Leibe gehen
und sie werden, wenn sie nicht als ausgemachte Heuchler und
Feiglinge sich hinstellen wollen, die Wahrheit gestehen müssen.

Fassen wir nun die Bedingungen der Einführung der socialen
Republik ins Auge, so sind auch diese klar ausgesprochen. Ver-
nichtung aller politischen Gewalten und Gliederungen im Staate.
Niemand darf eine Gewalt haben als lediglich die nach der Kopf-
zahl berechnete Majorität aller Bewohner des Landes. Jhr
Wille ist Gesetz und über und außer demselben gibt es weder ein
göttliches noch ein menschliches, weder ein ewiges, noch ein hi-
storisches Recht. Jn so fern hat die Sache noch einigermaßen einen
politischen Charakter. Diese politische Beigabe ist aber nur die
Nebensache, nur Mittel zum eigentlichen Zwecke. Vernichtung
des Privateigenthumes, des Erbrechtes und die
Aufhebung der Ehe,
— als worin die eigentliche sociale und
moralische Revolution besteht. Da aber hiermit die ganze von
Jahrhunderten und Jahrtausenden her rechtliche und moralische
Ordnung im Widerspruche steht, diese ganze Ordnung aber,
wie man von Seiten der Männer der Zukunft aufs klarste erkennt,
aber von anderer Seite oft gar nicht einsehen will, in dem Glau-
ben an einen Gott, an eine göttliche Autorität und an ein ewiges
Leben gegründet ist, so ist die unerläßliche Bedingniß, um zum
Ziele zu kommen, die Vernichtung dieses Glaubens, mit anderen
Worten die Ausrottung von Religion und Christenthum.

Und hier sind wir erst bei dem Kerne der Sache, bei dem
Punkt angekommen, um den der große Kampf sich dreht. Die
christliche Gesinnung, Gesittung, Rechts= und Lebensordnung
zu vertilgen und an ihre Stelle eine diametral entgegengesetzte
neue, die pantheistische Weltanschauung und dieser entsprechende Sit-
[Ende Spaltensatz]

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Die sociale Republik. ⁂ Et princeps nescit, quod nova potentia crescit, — „der Fürst kennt nicht die neue Macht, die im Verborgenen her- anwächst,“ heißt einer der bekannten Lehninischen Verse und diese Worte kann man auch heute auf die Mehrheit nicht blos unserer Staatsmänner, sondern all unserer Zeitgenossen anwenden. Als nach der Julirevolution in Frankreich der phantastisch=religiöse Pantheismus der Saint=Simonisten, in Deutschland der philo- sophisch=ästhetische Pantheismus der Hegelinge und des jungen Deutschlands als wesentliche und naturnothwendige Ergebnisse ihrer Systeme die Lehre von der Güter= und Weibergemeinschaft zu Tage zu fördern, und auf diese Weise den uralten Fanatismus der Albigenser und Wiedertäufer in moderner Gestalt zu erneuern anfingen, hatten all unsere Staatsmänner in Regierungen, wie in den Kammern, conservative wie liberale, am allerwenigsten aber das ganze philiströse und gebildete Publikum nicht im Ent- ferntesten einen Begriff und eine Ahnung davon, was hier im Werke und Werden sey, und wo sie ja etwas merkten, lachten sie ungläubig über die Phantasterei und schlugen sich die Sorge aus dem Kopfe. Ministercombinationen, Kammermajoritäten und Minoritäten und was sonst zum Firlefanze modern=liberaler Staatskunde gehört, war ihnen das Eine und Höchste. Und auch heute, wo die communistische Republik nicht mehr in geheimen Conventikeln und Clubs ihre Adepten sammelt, unter vornehmen philosophischen Formeln in der Hülle der Poesie ihre Grundsätze in Hörsälen und Salons verbreitet, sondern mit der- bem Fanatismus die Massen beherrscht und kühn nach der Welt- herrschaft die Hand ausstreckt; auch heute noch haben Viele nicht den entferntesten Begriff von Dem, um was es sich handelt. Das ist bei aller gespreizten und aufgeblasenen Bildung und Aufklä- rung die grenzenlose Bornirtheit und Einfalt des großen Publi- kums. Darum ist es ein verdienstliches, wenn auch vielleicht we- nig dankbares Unternehmen, diese Dinge öfters zur Sprache zu bringen und auch die letzten Gründe und Principien des Com- munismus, wie dies namentlich in Nr. 149. der „Rheinischen Blätter“ in dem Aufsatze „ Fröbels demokratische Republik“ geschah, ans Licht zu stellen. Allein wenn der angeführte Aufsatz das hier entwickelte socialistische System am Schlusse, allerdings ganz treffend, lächerlich zu machen sucht, so halten wir dies nicht für zweckmäßig: hier ist vielmehr Ernst, und allein der allertiefste Ernst am Platze; wie man denn überhaupt keinen Feind gering achten und Scherz mit ihm treiben soll, am allerwenigsten einen solchen Feind. Der Socialismus oder Communismus oder sociale Republi- kanismus oder wie man sonst die Sache nennen mag, ist, wie mit Recht in jenem Aufsatze gesagt ist, nicht eigentlich ein politisches System, sondern es ist, wenn man ein atheistisches System mit diesem Namen bezeichnen darf, eine Art Religion, deren Dogma so einfach ist, wie das Dogma des Alkoran. Es gibt keinen Gott und es gibt keine Unsterblichkeit. Es gibt kein über dem Menschen stehendes objectives Sittengesetz, es gibt keine über dem Menschen stehende höhere Autorität. Einziger Zweck des Menschen ist in diesem Leben, nach welchem er wieder in das All der Natur, oder was auf dasselbe hinausläuft, in das Nichts zurücksinkt, so viel zu seyn und zu genießen als er vermag. Zweck der socialistischen Republik ist, so viel als möglich Allen den höchsten und freiesten physischen und geistigen Lebensgenuß zu verschaffen. Um dies zu erreichen ist die erste Bedingung Aufhebung des vererblichen Pri- vateigenthumes und Aufhebung der Ehe, welche beide Ueberreste des Autoritätsstaates sind. Ersteres, das Privateigenthum, soll ersetzt werden durch eine Gütervertheilung durch den Staat, in der Art, daß der Staat einem jeden erwachsenen Manne und Weibe ( die Weiber sollen nämlich emancipirt und in Allem den Männern gleich seyn ) einen bestimmten Antheil an dem Gesammt- gute auf Lebenszeit verleiht. An die Stelle der Ehe tritt ein ganz freies an keinerlei Gesetze gebundenes Zusammenleben. Die Kin- der werden, wo nicht etwa ihre Eltern für sie sorgen, auf Staats- kosten erzogen. Und dieses ist dann das irdische Paradies, das neue Götterleben, welches Heine so oft mit glühenden Farben ge- schildert hat. Das ist das Ganze, schlicht und einfach, nicht mehr und nicht weniger, — das ist die sociale Republik. Aber, fragen vielleicht Manche kopfschüttelnd, gibt es denn wirklich Leute, welche einen solchen Zustand einführen wollen? Diesen _________antworten wir: Ja, ja und hundertmal ja — und nicht blos Einzelne, sondern alle Männer „der Zukunft,“ wie Vogt mit Stolz seine Partei bezeichnet hat, steuern darauf los, nicht blos in Deutschland, nicht blos in Frankreich, sondern in ganz Europa. Dieses Ziel haben mit mehr oder weniger Modificatio- nen alle klaren und consequenten Köpfe der revolutionären Fort- schrittspartei im Auge, und nur der blasirte Troß, das aus Hochmuth und Feigheit rabiat gewordene Philisterium, oder sen- timentale Wirrköpfe laufen und schreien mit und wissen nicht wo hinaus. Ja selbst Jene, welche ein ganz anderes Jdeal einer Republik vor Augen haben, werden mit unwiderstehlicher Ge- walt zu jener socialen Republik fortgerissen; da gibt es keine Halbheit, keine Mäßigung, keinen Halt; da gibt es höchstens eine kurze Dämmung des Stromes auf so lang, bis die wilden, unaufhaltsam wachsenden Fluthen die Höhe des Dammes erstiegen haben und nun mit um so entsetzlicherer Gewalt über denselben hinabstürzen und ihn durchbrechen. Und wenn mannichfach die Leiter dieser social=republikanischen Bewegung die Consequenzen ihres Strebens verhüllen, oder selbst ausdrücklich in Abrede stellen, es ist Verstellung, und man soll ihnen nur zu Leibe gehen und sie werden, wenn sie nicht als ausgemachte Heuchler und Feiglinge sich hinstellen wollen, die Wahrheit gestehen müssen. Fassen wir nun die Bedingungen der Einführung der socialen Republik ins Auge, so sind auch diese klar ausgesprochen. Ver- nichtung aller politischen Gewalten und Gliederungen im Staate. Niemand darf eine Gewalt haben als lediglich die nach der Kopf- zahl berechnete Majorität aller Bewohner des Landes. Jhr Wille ist Gesetz und über und außer demselben gibt es weder ein göttliches noch ein menschliches, weder ein ewiges, noch ein hi- storisches Recht. Jn so fern hat die Sache noch einigermaßen einen politischen Charakter. Diese politische Beigabe ist aber nur die Nebensache, nur Mittel zum eigentlichen Zwecke. Vernichtung des Privateigenthumes, des Erbrechtes und die Aufhebung der Ehe, — als worin die eigentliche sociale und moralische Revolution besteht. Da aber hiermit die ganze von Jahrhunderten und Jahrtausenden her rechtliche und moralische Ordnung im Widerspruche steht, diese ganze Ordnung aber, wie man von Seiten der Männer der Zukunft aufs klarste erkennt, aber von anderer Seite oft gar nicht einsehen will, in dem Glau- ben an einen Gott, an eine göttliche Autorität und an ein ewiges Leben gegründet ist, so ist die unerläßliche Bedingniß, um zum Ziele zu kommen, die Vernichtung dieses Glaubens, mit anderen Worten die Ausrottung von Religion und Christenthum. Und hier sind wir erst bei dem Kerne der Sache, bei dem Punkt angekommen, um den der große Kampf sich dreht. Die christliche Gesinnung, Gesittung, Rechts= und Lebensordnung zu vertilgen und an ihre Stelle eine diametral entgegengesetzte neue, die pantheistische Weltanschauung und dieser entsprechende Sit-

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 156. Mainz, 5. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal156_1848/1>, abgerufen am 07.10.2024.