Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mainzer Journal. Nr. 247. Mainz, 17. Oktober 1849.

Bild:
erste Seite

Mainzer Journal.

[Abbildung]

Nro 247. Mittwoch, den 17. October. 1849.

[Abbildung]

[Beginn Spaltensatz]
Handelspolitische Fragmente1).
IV. Die Jndustrie.

*** Das Wort Jndustrie bedeutet Fleiß und Betriebsamkeit.
Es kann folglich die Jndustrie in dem einfachsten Gewerbe ange-
wendet werden, insofern der Gewerbfleiß sich mit der alten
mechanischen Abrichtung im Gange der Arbeit nicht begnügt, son-
dern Neues zu schaffen sich bemüht, um dadurch den Besitz an
Gütern zu vergrößern. So kann man von jedem Gewerbe, vom
Ackerbaue an bis zur Verfertigung der künstlichsten Maschine,
sagen, es herrsche darin ein industrielles Leben, gegenüber dem
rein mechanischen Betriebe, wenn durch die geistigen Hebel, durch
Kenntnisse und Nachdenken das Product des Gewerbes verbes-
sert, die Herstellung schneller und also wohlfeiler bewirkt, an
Rohstoff gespart, oder neue zu verwerthende Producte, Waaren,
erzeugt werden. Mit dem jetzigen Gebrauche des Wortes Jn-
dustrie verbindet man indessen den Begriff aller im Großen ge-
triebenen Verarbeitung der Rohstoffe, der Naturproducte, und
versteht unter Gewerbe die Beschäftigung des einzelnen Arbeiters,
welcher allein, oder mit einigen in seinem Lohne stehenden Gehil-
fen, einzelne Gegenstände für den Gebrauch seiner Kunden, und
nur wenn ihm diese [unleserliches Material - 6 Zeichen fehlen]fehlen, für den Verkauf verfertigt.

Zufolge dieser Wortbedeutung dient das Gewerbe, das Hand-
werk -- der Haushaltung, die Jndustrie aber beschäftigt den
Handel. Sobald ein Staat, die Bevölkerung eines Landes, mehr
Jndustrieproducte ( Fabrikate, Manufacturwaaren ) anfertigt,
als zu seinem eigenen Verbrauche erforderlich, muß er seine Jn-
dustrievroducte ausführen, d. h. zuerst an die Nachbarstaaten, und
wenn auch diese versorgt sind, in entferntere Länder sie verkaufen.
Hier tritt der Handel ein und übernimmt dies Geschäft, und, je-
doch nur da, wo die Jndustrie schon auf eine künstliche Höhe
gestiegen ist, beschäftigt sie den Handel auch mit Herbeischaffung
der Rohstoffe.

Die natürliche Grenze der Gewerbthätigkeit eines Landes,
seiner Jndustrie, müßte sich nun darauf beschränken, die im eige-
nen Lande erzeugten Rohstoffe zu verarbeiten; bei dem künstlichen
Zustande unserer Staatengesellschaften aber sind wir längst über
diese natürliche Grenze hinaus. Je mehr die Bevölkerung an-
wächst, um so mehr Menschen werden zu den Gewerben gedrängt.
Der Raum zu den Beschäftigungen des Ackerbaues, der Viehzucht,
ist zu klein, die ersten Lebensbedürfnisse, Brod und Fleisch reichen
für Alle nicht mehr zu, der Lebensunterhalt muß auf anderen
Wegen gewonnen werden, die Nachfrage nach den Erzeugnissen
der Gewerbe nimmt mit der Menge der Verbrauchenden, der
Consumenten zu, der Wetteifer unter den Gewerbetreibenden, der
Trieb es gegenseitig sich zuvorzuthuen, die Concurrenz, erweckt die
Jndustrie, und auf diesem Wege entwickeln die am stärksten be-
völkerten Länder eine Gewerbthätigkeit, deren Erzeugnisse bald
das Bedürfniß der Einwohner übersteigen. So im Mittelalter
der nördliche Theil von Jtalien, ein Theil von Spanien und die
niederländischen Provinzen, in neueren Zeiten England und der
östliche Theil von Frankreich. Das angrenzende Belgien ist das
älteste und neueste Fabrikland, und im letztverflossenen Jahr-
hunderte hat sich auch in einigen Gegenden Deutschlands, in den
Provinzen des unteren Rheines, in Sachsen, Schlesien die
industrielle Thätigkeit mehr und mehr entwickelt, immer da, wo
die meisten Menschen auf kleinem Raume beisammen wohnen.
Jn neuester Zeit drängt die allgemeine Zunahme der Bevölke-
rung, durch die letzten dreißig Friedensjahre befördert, in allen
deutschen Ländern einen zu großen Theil ihrer Menschenzahl zu
den Gewerben und dadurch zur Ueberproduction; für die südliche
Hälfte von Deutschland ein um so größeres Uebel, weil ihr die
Ausfuhrwege theils erschwert, theils verschlossen sind.

Fast ganz Europa, mit Ausnahme seiner östlichsten und nörd-
lichsten Grenzländer ist mit Jndustrieproducten theils von Eng-
land, Frankreich und Belgien, theils durch eigene Gewerbthätig-

[Spaltenumbruch] keit versorgt, jedes Land, mit Ausnahme Deutschlands, schützt sich
gegen fremde Einfuhr solcher Producte durch hohe [unleserliches Material - 11 Zeichen fehlen]Einfhrzölle,
sogenannte Schutzzölle, weil sie die inländische Jndustrie beschützen
sollen. Wir müssen also, um unsere Ueberproduction verwerthen
zu können, in fremde Welttheile, und folglich seewärts, ausfüh-
ren. Die mit ausgedehnten Seeküsten versehenen Länder haben es
leicht, ihre Ueberproduction auszuführen, die eigenen Seehäfen
ermöglichen und erleichtern die Verschiffung in fremde Welttheile,
und besitzen diese Länder in den fremden Welttheilen eigene Pro-
vinzen, von ihnen abhängige Länderstrecken, Colonien, so ist
ihnen der Absatz ihrer Ueberproduction um so gesicherter. Wir
aber in Deutschland haben keine Seeküsten und noch weniger Co-
lonien, unsere Ueberproduction ist also eine Last und werthlos,
so lange wir keinen gewinnbringenden Absatz dafür haben, die
darin aufgewendeten Rohstoffe sind verloren wie unsere Arbeit,
so lange wir uns diesen Absatz nicht verschaffen können, und lei-
der ist dazu jetzt weniger Aussicht, als je. Die im vorigen Jahre
vom deutschen Volke nach Frankfurt geschickte Versammlung hat
die Hoffnung, daß sie die dringendsten Bedürfnisse des Volkes
berücksichtigen, die materiellen Znstände desselben verbessern würde,
heillos getäuscht, sie hat eine trostlose Verwirrung herbeigeführt,
von der kein Ende abzusehen, und für die Uebervölkerung der
deutschen Staaten bleibt auf lange Zeit hinaus kein Ausweg of-
fen, als die Auswanderung.

Wie sehr die Jndustrie in vernünftig regierten Ländern dem
Reichthume und folglich dem materiellen Wohlseyn der Staats-
bürger förderlich seyn kann, lehrt uns unter anderen England;
es lehrt uns aber auch zugleich wie hier das Unmaß, wie bei
jedem menschlichen Thun, sich bestraft, wie schnell der Mißbrauch
die wohlthätigsten Ergebnisse in Noth und Elend verkehrt. Um
uns durch ein großartiges Bild von den Wirkungen der Jndustrie
zu überzeugen, lassen wir eine kurze Uebersicht der englischen
Baumwollen=Jndustrie
folgen.

Da in dem eigentlichen England, mit Schottland und Jrland,
auf 5000 # Meilen, 27 Millionen, folglich auf jeder # Meile
5500 Menschen wohnen, so muß sich natürlich ein großer Theil
derselben durch Gewerbthätigkeit ernähren und die Producte dieser
Thätigkeit, die englischen Manufactur= und Fabrikwaaren, müssen
größtentheils außerhalb Englands verwerthet, verkauft oder ge-
gen andere in England fehlende Waaren vertauscht werden, und
da England an Land und Menschen, außerhalb der brittischen
Jnseln, noch 248,500 # Meilen in Europa, Asien, Afrika,
und Australien mit 201,500,000 Einwohnern besitzt, da ferner
das eigentliche England, die brittischen Jnseln, rund um vom
Meere umgeben ist, und da seine 200 Millionen überseeischer
Unterthanen die englischen Jndustrieproducte zollfrei empfangen,
alle nicht englischen Jndustrieproducte aber theils mit hohen Ein-
fuhrzöllen belegt, theils zur Einfuhr ganz verboten sind, so be-
findet sich England in der günstigsten Lage, um eine große Masse
seiner Einwohner durch die Gewerbthätigkeit ernähren zu können
und kein Land der Erde kann bis jetzt es ihm darin gleich thun.

Die Baumwollen=Jndustrie beschäftigt unter den verschie-
denen Jndustrien Englands die größte Zahl der englischen Ge-
werbsleute und das größte Cavital. Der in den Zollregistern
amtlich angegebene Werth der Ausfuhr aller Fabrik= und Ma-
nufacturwaaren aus England beträgt im Durchschnitte jährlich
36 1 / 2 Million £ St., und nach denselben Registern betragen
die Baumwollengewebe und Garne davon zwei Drittheile. Jn
England, wie in ganz Europa, wächst keine Baumwolle. Das
geringe in Malta und Sicilien erzeugte Quantum verdient keine
Erwähnung; es muß also der Rohstoff zu dieser Jndustrie aus
fremden Welttheilen herbeigeschafft werden.

Die Einfuhr roher Baumwolle ist während der letzten zehn
Jahre im Durchschnitte jährlich 300 Millionen Pfund gewesen, der
Preis in Liverpool, dem Hauptbaumwollenmarkte Englands von
7 1 / 2 --4 1 / 4 Pence per , folglich circa 6 Pence per im Durchschnitt,
es ist also für die eingeführten 300 Millionen Pfund bezahlt7 1 / 2
[Ende Spaltensatz]

1) Vergl. Nr. 217., 223. und 229. dieser Blätter.
1 ) Vergl. Nr. 217., 223. und 229. dieser Blätter.

Mainzer Journal.

[Abbildung]

Nro 247. Mittwoch, den 17. October. 1849.

[Abbildung]

[Beginn Spaltensatz]
Handelspolitische Fragmente1).
IV. Die Jndustrie.

*** Das Wort Jndustrie bedeutet Fleiß und Betriebsamkeit.
Es kann folglich die Jndustrie in dem einfachsten Gewerbe ange-
wendet werden, insofern der Gewerbfleiß sich mit der alten
mechanischen Abrichtung im Gange der Arbeit nicht begnügt, son-
dern Neues zu schaffen sich bemüht, um dadurch den Besitz an
Gütern zu vergrößern. So kann man von jedem Gewerbe, vom
Ackerbaue an bis zur Verfertigung der künstlichsten Maschine,
sagen, es herrsche darin ein industrielles Leben, gegenüber dem
rein mechanischen Betriebe, wenn durch die geistigen Hebel, durch
Kenntnisse und Nachdenken das Product des Gewerbes verbes-
sert, die Herstellung schneller und also wohlfeiler bewirkt, an
Rohstoff gespart, oder neue zu verwerthende Producte, Waaren,
erzeugt werden. Mit dem jetzigen Gebrauche des Wortes Jn-
dustrie verbindet man indessen den Begriff aller im Großen ge-
triebenen Verarbeitung der Rohstoffe, der Naturproducte, und
versteht unter Gewerbe die Beschäftigung des einzelnen Arbeiters,
welcher allein, oder mit einigen in seinem Lohne stehenden Gehil-
fen, einzelne Gegenstände für den Gebrauch seiner Kunden, und
nur wenn ihm diese [unleserliches Material – 6 Zeichen fehlen]fehlen, für den Verkauf verfertigt.

Zufolge dieser Wortbedeutung dient das Gewerbe, das Hand-
werk -- der Haushaltung, die Jndustrie aber beschäftigt den
Handel. Sobald ein Staat, die Bevölkerung eines Landes, mehr
Jndustrieproducte ( Fabrikate, Manufacturwaaren ) anfertigt,
als zu seinem eigenen Verbrauche erforderlich, muß er seine Jn-
dustrievroducte ausführen, d. h. zuerst an die Nachbarstaaten, und
wenn auch diese versorgt sind, in entferntere Länder sie verkaufen.
Hier tritt der Handel ein und übernimmt dies Geschäft, und, je-
doch nur da, wo die Jndustrie schon auf eine künstliche Höhe
gestiegen ist, beschäftigt sie den Handel auch mit Herbeischaffung
der Rohstoffe.

Die natürliche Grenze der Gewerbthätigkeit eines Landes,
seiner Jndustrie, müßte sich nun darauf beschränken, die im eige-
nen Lande erzeugten Rohstoffe zu verarbeiten; bei dem künstlichen
Zustande unserer Staatengesellschaften aber sind wir längst über
diese natürliche Grenze hinaus. Je mehr die Bevölkerung an-
wächst, um so mehr Menschen werden zu den Gewerben gedrängt.
Der Raum zu den Beschäftigungen des Ackerbaues, der Viehzucht,
ist zu klein, die ersten Lebensbedürfnisse, Brod und Fleisch reichen
für Alle nicht mehr zu, der Lebensunterhalt muß auf anderen
Wegen gewonnen werden, die Nachfrage nach den Erzeugnissen
der Gewerbe nimmt mit der Menge der Verbrauchenden, der
Consumenten zu, der Wetteifer unter den Gewerbetreibenden, der
Trieb es gegenseitig sich zuvorzuthuen, die Concurrenz, erweckt die
Jndustrie, und auf diesem Wege entwickeln die am stärksten be-
völkerten Länder eine Gewerbthätigkeit, deren Erzeugnisse bald
das Bedürfniß der Einwohner übersteigen. So im Mittelalter
der nördliche Theil von Jtalien, ein Theil von Spanien und die
niederländischen Provinzen, in neueren Zeiten England und der
östliche Theil von Frankreich. Das angrenzende Belgien ist das
älteste und neueste Fabrikland, und im letztverflossenen Jahr-
hunderte hat sich auch in einigen Gegenden Deutschlands, in den
Provinzen des unteren Rheines, in Sachsen, Schlesien die
industrielle Thätigkeit mehr und mehr entwickelt, immer da, wo
die meisten Menschen auf kleinem Raume beisammen wohnen.
Jn neuester Zeit drängt die allgemeine Zunahme der Bevölke-
rung, durch die letzten dreißig Friedensjahre befördert, in allen
deutschen Ländern einen zu großen Theil ihrer Menschenzahl zu
den Gewerben und dadurch zur Ueberproduction; für die südliche
Hälfte von Deutschland ein um so größeres Uebel, weil ihr die
Ausfuhrwege theils erschwert, theils verschlossen sind.

Fast ganz Europa, mit Ausnahme seiner östlichsten und nörd-
lichsten Grenzländer ist mit Jndustrieproducten theils von Eng-
land, Frankreich und Belgien, theils durch eigene Gewerbthätig-

[Spaltenumbruch] keit versorgt, jedes Land, mit Ausnahme Deutschlands, schützt sich
gegen fremde Einfuhr solcher Producte durch hohe [unleserliches Material – 11 Zeichen fehlen]Einfhrzölle,
sogenannte Schutzzölle, weil sie die inländische Jndustrie beschützen
sollen. Wir müssen also, um unsere Ueberproduction verwerthen
zu können, in fremde Welttheile, und folglich seewärts, ausfüh-
ren. Die mit ausgedehnten Seeküsten versehenen Länder haben es
leicht, ihre Ueberproduction auszuführen, die eigenen Seehäfen
ermöglichen und erleichtern die Verschiffung in fremde Welttheile,
und besitzen diese Länder in den fremden Welttheilen eigene Pro-
vinzen, von ihnen abhängige Länderstrecken, Colonien, so ist
ihnen der Absatz ihrer Ueberproduction um so gesicherter. Wir
aber in Deutschland haben keine Seeküsten und noch weniger Co-
lonien, unsere Ueberproduction ist also eine Last und werthlos,
so lange wir keinen gewinnbringenden Absatz dafür haben, die
darin aufgewendeten Rohstoffe sind verloren wie unsere Arbeit,
so lange wir uns diesen Absatz nicht verschaffen können, und lei-
der ist dazu jetzt weniger Aussicht, als je. Die im vorigen Jahre
vom deutschen Volke nach Frankfurt geschickte Versammlung hat
die Hoffnung, daß sie die dringendsten Bedürfnisse des Volkes
berücksichtigen, die materiellen Znstände desselben verbessern würde,
heillos getäuscht, sie hat eine trostlose Verwirrung herbeigeführt,
von der kein Ende abzusehen, und für die Uebervölkerung der
deutschen Staaten bleibt auf lange Zeit hinaus kein Ausweg of-
fen, als die Auswanderung.

Wie sehr die Jndustrie in vernünftig regierten Ländern dem
Reichthume und folglich dem materiellen Wohlseyn der Staats-
bürger förderlich seyn kann, lehrt uns unter anderen England;
es lehrt uns aber auch zugleich wie hier das Unmaß, wie bei
jedem menschlichen Thun, sich bestraft, wie schnell der Mißbrauch
die wohlthätigsten Ergebnisse in Noth und Elend verkehrt. Um
uns durch ein großartiges Bild von den Wirkungen der Jndustrie
zu überzeugen, lassen wir eine kurze Uebersicht der englischen
Baumwollen=Jndustrie
folgen.

Da in dem eigentlichen England, mit Schottland und Jrland,
auf 5000 □ Meilen, 27 Millionen, folglich auf jeder □ Meile
5500 Menschen wohnen, so muß sich natürlich ein großer Theil
derselben durch Gewerbthätigkeit ernähren und die Producte dieser
Thätigkeit, die englischen Manufactur= und Fabrikwaaren, müssen
größtentheils außerhalb Englands verwerthet, verkauft oder ge-
gen andere in England fehlende Waaren vertauscht werden, und
da England an Land und Menschen, außerhalb der brittischen
Jnseln, noch 248,500 □ Meilen in Europa, Asien, Afrika,
und Australien mit 201,500,000 Einwohnern besitzt, da ferner
das eigentliche England, die brittischen Jnseln, rund um vom
Meere umgeben ist, und da seine 200 Millionen überseeischer
Unterthanen die englischen Jndustrieproducte zollfrei empfangen,
alle nicht englischen Jndustrieproducte aber theils mit hohen Ein-
fuhrzöllen belegt, theils zur Einfuhr ganz verboten sind, so be-
findet sich England in der günstigsten Lage, um eine große Masse
seiner Einwohner durch die Gewerbthätigkeit ernähren zu können
und kein Land der Erde kann bis jetzt es ihm darin gleich thun.

Die Baumwollen=Jndustrie beschäftigt unter den verschie-
denen Jndustrien Englands die größte Zahl der englischen Ge-
werbsleute und das größte Cavital. Der in den Zollregistern
amtlich angegebene Werth der Ausfuhr aller Fabrik= und Ma-
nufacturwaaren aus England beträgt im Durchschnitte jährlich
36 1 / 2 Million £ St., und nach denselben Registern betragen
die Baumwollengewebe und Garne davon zwei Drittheile. Jn
England, wie in ganz Europa, wächst keine Baumwolle. Das
geringe in Malta und Sicilien erzeugte Quantum verdient keine
Erwähnung; es muß also der Rohstoff zu dieser Jndustrie aus
fremden Welttheilen herbeigeschafft werden.

Die Einfuhr roher Baumwolle ist während der letzten zehn
Jahre im Durchschnitte jährlich 300 Millionen Pfund gewesen, der
Preis in Liverpool, dem Hauptbaumwollenmarkte Englands von
7 1 / 2 --4 1 / 4 Pence per , folglich circa 6 Pence per im Durchschnitt,
es ist also für die eingeführten 300 Millionen Pfund bezahlt7 1 / 2
[Ende Spaltensatz]

1) Vergl. Nr. 217., 223. und 229. dieser Blätter.
1 ) Vergl. Nr. 217., 223. und 229. dieser Blätter.
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div>
        <pb facs="#f0001"/>
        <p rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Mainzer Journal.</hi> </p><lb/>
        <figure/>
        <p>N<hi rendition="#sup">ro</hi> 247. <hi rendition="#c">Mittwoch, den 17. October.</hi> <hi rendition="#right">1849.</hi> </p><lb/>
        <figure/>
      </div><lb/>
    </front>
    <body>
      <cb type="start"/>
      <div type="jPoliticalNews" n="1">
        <head>Handelspolitische Fragmente<note place="foot" n="1)">Vergl. Nr. 217., 223. und 229. dieser Blätter.</note>.</head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <head><hi rendition="#aq">IV</hi>. <hi rendition="#g">Die Jndustrie.</hi></head><lb/>
          <p><hi rendition="#sup">***</hi> Das Wort <hi rendition="#g">Jndustrie</hi> bedeutet Fleiß und Betriebsamkeit.<lb/>
Es kann folglich die Jndustrie in dem einfachsten Gewerbe ange-<lb/>
wendet werden, insofern der Gewerbfleiß sich mit der alten<lb/>
mechanischen Abrichtung im Gange der Arbeit nicht begnügt, son-<lb/>
dern Neues zu schaffen sich bemüht, um dadurch den Besitz an<lb/>
Gütern zu vergrößern. So kann man von jedem Gewerbe, vom<lb/>
Ackerbaue an bis zur Verfertigung der künstlichsten Maschine,<lb/>
sagen, es herrsche darin ein industrielles Leben, gegenüber dem<lb/>
rein mechanischen Betriebe, wenn durch die geistigen Hebel, durch<lb/>
Kenntnisse und Nachdenken das Product des Gewerbes verbes-<lb/>
sert, die Herstellung schneller und also wohlfeiler bewirkt, an<lb/>
Rohstoff gespart, oder neue zu verwerthende Producte, Waaren,<lb/>
erzeugt werden. Mit dem jetzigen Gebrauche des Wortes Jn-<lb/>
dustrie verbindet man indessen den Begriff aller im Großen ge-<lb/>
triebenen Verarbeitung der Rohstoffe, der Naturproducte, und<lb/>
versteht unter Gewerbe die Beschäftigung des einzelnen Arbeiters,<lb/>
welcher allein, oder mit einigen in seinem Lohne stehenden Gehil-<lb/>
fen, einzelne Gegenstände für den Gebrauch seiner Kunden, und<lb/>
nur wenn ihm diese <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="6"/>fehlen, für den Verkauf verfertigt.</p><lb/>
          <p>Zufolge dieser Wortbedeutung dient das Gewerbe, das Hand-<lb/>
werk -- der Haushaltung, die Jndustrie aber beschäftigt den<lb/>
Handel. Sobald ein Staat, die Bevölkerung eines Landes, mehr<lb/>
Jndustrieproducte ( Fabrikate, Manufacturwaaren ) anfertigt,<lb/>
als zu seinem eigenen Verbrauche erforderlich, muß er seine Jn-<lb/>
dustrievroducte ausführen, d. h. zuerst an die Nachbarstaaten, und<lb/>
wenn auch diese versorgt sind, in entferntere Länder sie verkaufen.<lb/>
Hier tritt der Handel ein und übernimmt dies Geschäft, und, je-<lb/>
doch nur da, wo die Jndustrie schon auf eine künstliche Höhe<lb/>
gestiegen ist, beschäftigt sie den Handel auch mit Herbeischaffung<lb/>
der Rohstoffe.</p><lb/>
          <p>Die natürliche Grenze der Gewerbthätigkeit eines Landes,<lb/>
seiner Jndustrie, müßte sich nun darauf beschränken, die im eige-<lb/>
nen Lande erzeugten Rohstoffe zu verarbeiten; bei dem künstlichen<lb/>
Zustande unserer Staatengesellschaften aber sind wir längst über<lb/>
diese natürliche Grenze hinaus. Je mehr die Bevölkerung an-<lb/>
wächst, um so mehr Menschen werden zu den Gewerben gedrängt.<lb/>
Der Raum zu den Beschäftigungen des Ackerbaues, der Viehzucht,<lb/>
ist zu klein, die ersten Lebensbedürfnisse, Brod und Fleisch reichen<lb/>
für Alle nicht mehr zu, der Lebensunterhalt muß auf anderen<lb/>
Wegen gewonnen werden, die Nachfrage nach den Erzeugnissen<lb/>
der Gewerbe nimmt mit der Menge der Verbrauchenden, der<lb/>
Consumenten zu, der Wetteifer unter den Gewerbetreibenden, der<lb/>
Trieb es gegenseitig sich zuvorzuthuen, die Concurrenz, erweckt die<lb/>
Jndustrie, und auf diesem Wege entwickeln die am stärksten be-<lb/>
völkerten Länder eine Gewerbthätigkeit, deren Erzeugnisse bald<lb/>
das Bedürfniß der Einwohner übersteigen. So im Mittelalter<lb/>
der nördliche Theil von Jtalien, ein Theil von Spanien und die<lb/>
niederländischen Provinzen, in neueren Zeiten England und der<lb/>
östliche Theil von Frankreich. Das angrenzende Belgien ist das<lb/>
älteste und neueste Fabrikland, und im letztverflossenen Jahr-<lb/>
hunderte hat sich auch in einigen Gegenden Deutschlands, in den<lb/>
Provinzen des unteren Rheines, in Sachsen, Schlesien <choice><abbr>ec.</abbr></choice> die<lb/>
industrielle Thätigkeit mehr und mehr entwickelt, immer da, wo<lb/>
die meisten Menschen auf kleinem Raume beisammen wohnen.<lb/>
Jn neuester Zeit drängt die allgemeine Zunahme der Bevölke-<lb/>
rung, durch die letzten dreißig Friedensjahre befördert, in allen<lb/>
deutschen Ländern einen zu großen Theil ihrer Menschenzahl zu<lb/>
den Gewerben und dadurch zur Ueberproduction; für die südliche<lb/>
Hälfte von Deutschland ein um so größeres Uebel, weil ihr die<lb/>
Ausfuhrwege theils erschwert, theils verschlossen sind.</p><lb/>
          <p>Fast ganz Europa, mit Ausnahme seiner östlichsten und nörd-<lb/>
lichsten Grenzländer ist mit Jndustrieproducten theils von Eng-<lb/>
land, Frankreich und Belgien, theils durch eigene Gewerbthätig-<lb/><note place="foot"><p>1 ) Vergl. Nr. 217., 223. und 229. dieser Blätter. </p></note><lb/><cb n="2"/>
keit versorgt, jedes Land, mit Ausnahme Deutschlands, schützt sich<lb/>
gegen fremde Einfuhr solcher Producte durch hohe <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="11"/>Einfhrzölle,<lb/>
sogenannte Schutzzölle, weil sie die inländische Jndustrie beschützen<lb/>
sollen. Wir müssen also, um unsere Ueberproduction verwerthen<lb/>
zu können, in fremde Welttheile, und folglich seewärts, ausfüh-<lb/>
ren. Die mit ausgedehnten Seeküsten versehenen Länder haben es<lb/>
leicht, ihre Ueberproduction auszuführen, die eigenen Seehäfen<lb/>
ermöglichen und erleichtern die Verschiffung in fremde Welttheile,<lb/>
und besitzen diese Länder in den fremden Welttheilen eigene Pro-<lb/>
vinzen, von ihnen abhängige Länderstrecken, Colonien, so ist<lb/>
ihnen der Absatz ihrer Ueberproduction um so gesicherter. Wir<lb/>
aber in Deutschland haben keine Seeküsten und noch weniger Co-<lb/>
lonien, unsere Ueberproduction ist also eine Last und werthlos,<lb/>
so lange wir keinen gewinnbringenden Absatz dafür haben, die<lb/>
darin aufgewendeten Rohstoffe sind verloren wie unsere Arbeit,<lb/>
so lange wir uns diesen Absatz nicht verschaffen können, und lei-<lb/>
der ist dazu jetzt weniger Aussicht, als je. Die im vorigen Jahre<lb/>
vom deutschen Volke nach Frankfurt geschickte Versammlung hat<lb/>
die Hoffnung, daß sie die dringendsten Bedürfnisse des Volkes<lb/>
berücksichtigen, die materiellen Znstände desselben verbessern würde,<lb/>
heillos getäuscht, sie hat eine trostlose Verwirrung herbeigeführt,<lb/>
von der kein Ende abzusehen, und für die Uebervölkerung der<lb/>
deutschen Staaten bleibt auf lange Zeit hinaus kein Ausweg of-<lb/>
fen, als die Auswanderung.</p><lb/><lb/>
          <p>Wie sehr die Jndustrie in vernünftig regierten Ländern dem<lb/>
Reichthume und folglich dem materiellen Wohlseyn der Staats-<lb/>
bürger förderlich seyn kann, lehrt uns unter anderen England;<lb/>
es lehrt uns aber auch zugleich wie hier das Unmaß, wie bei<lb/>
jedem menschlichen Thun, sich bestraft, wie schnell der Mißbrauch<lb/>
die wohlthätigsten Ergebnisse in Noth und Elend verkehrt. Um<lb/>
uns durch ein großartiges Bild von den Wirkungen der Jndustrie<lb/>
zu überzeugen, lassen wir eine kurze Uebersicht <hi rendition="#g">der englischen<lb/>
Baumwollen=Jndustrie</hi> folgen.</p><lb/>
          <p>Da in dem eigentlichen England, mit Schottland und Jrland,<lb/>
auf 5000 &#x25A1; Meilen, 27 Millionen, folglich auf jeder &#x25A1; Meile<lb/>
5500 Menschen wohnen, so muß sich natürlich ein großer Theil<lb/>
derselben durch Gewerbthätigkeit ernähren und die Producte dieser<lb/>
Thätigkeit, die englischen Manufactur= und Fabrikwaaren, müssen<lb/>
größtentheils außerhalb Englands verwerthet, verkauft oder ge-<lb/>
gen andere in England fehlende Waaren vertauscht werden, und<lb/>
da England an Land und Menschen, außerhalb der brittischen<lb/>
Jnseln, noch 248,500 &#x25A1; Meilen in Europa, Asien, Afrika,<lb/>
und Australien mit 201,500,000 Einwohnern besitzt, da ferner<lb/>
das eigentliche England, die brittischen Jnseln, rund um vom<lb/>
Meere umgeben ist, und da seine 200 Millionen überseeischer<lb/>
Unterthanen die englischen Jndustrieproducte zollfrei empfangen,<lb/>
alle nicht englischen Jndustrieproducte aber theils mit hohen Ein-<lb/>
fuhrzöllen belegt, theils zur Einfuhr ganz verboten sind, so be-<lb/>
findet sich England in der günstigsten Lage, um eine große Masse<lb/>
seiner Einwohner durch die Gewerbthätigkeit ernähren zu können<lb/>
und kein Land der Erde kann bis jetzt es ihm darin gleich thun.</p><lb/>
          <p>Die Baumwollen=Jndustrie beschäftigt unter den verschie-<lb/>
denen Jndustrien Englands die größte Zahl der englischen Ge-<lb/>
werbsleute und das größte Cavital. Der in den Zollregistern<lb/>
amtlich angegebene Werth der Ausfuhr <hi rendition="#g">aller</hi> Fabrik= und Ma-<lb/>
nufacturwaaren aus England beträgt im Durchschnitte jährlich<lb/>
36 1 / 2 Million £ St., und nach denselben Registern betragen<lb/>
die Baumwollengewebe und Garne davon zwei Drittheile. Jn<lb/>
England, wie in ganz Europa, wächst keine Baumwolle. Das<lb/>
geringe in Malta und Sicilien erzeugte Quantum verdient keine<lb/>
Erwähnung; es muß also der Rohstoff zu dieser Jndustrie aus<lb/>
fremden Welttheilen herbeigeschafft werden.</p><lb/>
          <p>Die Einfuhr roher Baumwolle ist während der letzten zehn<lb/>
Jahre im Durchschnitte jährlich 300 Millionen Pfund gewesen, der<lb/>
Preis in Liverpool, dem Hauptbaumwollenmarkte Englands von<lb/>
7 1 / 2 --4 1 / 4 Pence per <choice><abbr>P</abbr></choice>, folglich circa 6 Pence per <choice><abbr>P</abbr></choice> im Durchschnitt,<lb/>
es ist also für die eingeführten 300 Millionen Pfund bezahlt7 1 / 2<lb/><cb type="end"/>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0001] Mainzer Journal. [Abbildung] Nro 247. Mittwoch, den 17. October. 1849. [Abbildung] Handelspolitische Fragmente 1). IV. Die Jndustrie. *** Das Wort Jndustrie bedeutet Fleiß und Betriebsamkeit. Es kann folglich die Jndustrie in dem einfachsten Gewerbe ange- wendet werden, insofern der Gewerbfleiß sich mit der alten mechanischen Abrichtung im Gange der Arbeit nicht begnügt, son- dern Neues zu schaffen sich bemüht, um dadurch den Besitz an Gütern zu vergrößern. So kann man von jedem Gewerbe, vom Ackerbaue an bis zur Verfertigung der künstlichsten Maschine, sagen, es herrsche darin ein industrielles Leben, gegenüber dem rein mechanischen Betriebe, wenn durch die geistigen Hebel, durch Kenntnisse und Nachdenken das Product des Gewerbes verbes- sert, die Herstellung schneller und also wohlfeiler bewirkt, an Rohstoff gespart, oder neue zu verwerthende Producte, Waaren, erzeugt werden. Mit dem jetzigen Gebrauche des Wortes Jn- dustrie verbindet man indessen den Begriff aller im Großen ge- triebenen Verarbeitung der Rohstoffe, der Naturproducte, und versteht unter Gewerbe die Beschäftigung des einzelnen Arbeiters, welcher allein, oder mit einigen in seinem Lohne stehenden Gehil- fen, einzelne Gegenstände für den Gebrauch seiner Kunden, und nur wenn ihm diese ______fehlen, für den Verkauf verfertigt. Zufolge dieser Wortbedeutung dient das Gewerbe, das Hand- werk -- der Haushaltung, die Jndustrie aber beschäftigt den Handel. Sobald ein Staat, die Bevölkerung eines Landes, mehr Jndustrieproducte ( Fabrikate, Manufacturwaaren ) anfertigt, als zu seinem eigenen Verbrauche erforderlich, muß er seine Jn- dustrievroducte ausführen, d. h. zuerst an die Nachbarstaaten, und wenn auch diese versorgt sind, in entferntere Länder sie verkaufen. Hier tritt der Handel ein und übernimmt dies Geschäft, und, je- doch nur da, wo die Jndustrie schon auf eine künstliche Höhe gestiegen ist, beschäftigt sie den Handel auch mit Herbeischaffung der Rohstoffe. Die natürliche Grenze der Gewerbthätigkeit eines Landes, seiner Jndustrie, müßte sich nun darauf beschränken, die im eige- nen Lande erzeugten Rohstoffe zu verarbeiten; bei dem künstlichen Zustande unserer Staatengesellschaften aber sind wir längst über diese natürliche Grenze hinaus. Je mehr die Bevölkerung an- wächst, um so mehr Menschen werden zu den Gewerben gedrängt. Der Raum zu den Beschäftigungen des Ackerbaues, der Viehzucht, ist zu klein, die ersten Lebensbedürfnisse, Brod und Fleisch reichen für Alle nicht mehr zu, der Lebensunterhalt muß auf anderen Wegen gewonnen werden, die Nachfrage nach den Erzeugnissen der Gewerbe nimmt mit der Menge der Verbrauchenden, der Consumenten zu, der Wetteifer unter den Gewerbetreibenden, der Trieb es gegenseitig sich zuvorzuthuen, die Concurrenz, erweckt die Jndustrie, und auf diesem Wege entwickeln die am stärksten be- völkerten Länder eine Gewerbthätigkeit, deren Erzeugnisse bald das Bedürfniß der Einwohner übersteigen. So im Mittelalter der nördliche Theil von Jtalien, ein Theil von Spanien und die niederländischen Provinzen, in neueren Zeiten England und der östliche Theil von Frankreich. Das angrenzende Belgien ist das älteste und neueste Fabrikland, und im letztverflossenen Jahr- hunderte hat sich auch in einigen Gegenden Deutschlands, in den Provinzen des unteren Rheines, in Sachsen, Schlesien die industrielle Thätigkeit mehr und mehr entwickelt, immer da, wo die meisten Menschen auf kleinem Raume beisammen wohnen. Jn neuester Zeit drängt die allgemeine Zunahme der Bevölke- rung, durch die letzten dreißig Friedensjahre befördert, in allen deutschen Ländern einen zu großen Theil ihrer Menschenzahl zu den Gewerben und dadurch zur Ueberproduction; für die südliche Hälfte von Deutschland ein um so größeres Uebel, weil ihr die Ausfuhrwege theils erschwert, theils verschlossen sind. Fast ganz Europa, mit Ausnahme seiner östlichsten und nörd- lichsten Grenzländer ist mit Jndustrieproducten theils von Eng- land, Frankreich und Belgien, theils durch eigene Gewerbthätig- keit versorgt, jedes Land, mit Ausnahme Deutschlands, schützt sich gegen fremde Einfuhr solcher Producte durch hohe ___________Einfhrzölle, sogenannte Schutzzölle, weil sie die inländische Jndustrie beschützen sollen. Wir müssen also, um unsere Ueberproduction verwerthen zu können, in fremde Welttheile, und folglich seewärts, ausfüh- ren. Die mit ausgedehnten Seeküsten versehenen Länder haben es leicht, ihre Ueberproduction auszuführen, die eigenen Seehäfen ermöglichen und erleichtern die Verschiffung in fremde Welttheile, und besitzen diese Länder in den fremden Welttheilen eigene Pro- vinzen, von ihnen abhängige Länderstrecken, Colonien, so ist ihnen der Absatz ihrer Ueberproduction um so gesicherter. Wir aber in Deutschland haben keine Seeküsten und noch weniger Co- lonien, unsere Ueberproduction ist also eine Last und werthlos, so lange wir keinen gewinnbringenden Absatz dafür haben, die darin aufgewendeten Rohstoffe sind verloren wie unsere Arbeit, so lange wir uns diesen Absatz nicht verschaffen können, und lei- der ist dazu jetzt weniger Aussicht, als je. Die im vorigen Jahre vom deutschen Volke nach Frankfurt geschickte Versammlung hat die Hoffnung, daß sie die dringendsten Bedürfnisse des Volkes berücksichtigen, die materiellen Znstände desselben verbessern würde, heillos getäuscht, sie hat eine trostlose Verwirrung herbeigeführt, von der kein Ende abzusehen, und für die Uebervölkerung der deutschen Staaten bleibt auf lange Zeit hinaus kein Ausweg of- fen, als die Auswanderung. Wie sehr die Jndustrie in vernünftig regierten Ländern dem Reichthume und folglich dem materiellen Wohlseyn der Staats- bürger förderlich seyn kann, lehrt uns unter anderen England; es lehrt uns aber auch zugleich wie hier das Unmaß, wie bei jedem menschlichen Thun, sich bestraft, wie schnell der Mißbrauch die wohlthätigsten Ergebnisse in Noth und Elend verkehrt. Um uns durch ein großartiges Bild von den Wirkungen der Jndustrie zu überzeugen, lassen wir eine kurze Uebersicht der englischen Baumwollen=Jndustrie folgen. Da in dem eigentlichen England, mit Schottland und Jrland, auf 5000 □ Meilen, 27 Millionen, folglich auf jeder □ Meile 5500 Menschen wohnen, so muß sich natürlich ein großer Theil derselben durch Gewerbthätigkeit ernähren und die Producte dieser Thätigkeit, die englischen Manufactur= und Fabrikwaaren, müssen größtentheils außerhalb Englands verwerthet, verkauft oder ge- gen andere in England fehlende Waaren vertauscht werden, und da England an Land und Menschen, außerhalb der brittischen Jnseln, noch 248,500 □ Meilen in Europa, Asien, Afrika, und Australien mit 201,500,000 Einwohnern besitzt, da ferner das eigentliche England, die brittischen Jnseln, rund um vom Meere umgeben ist, und da seine 200 Millionen überseeischer Unterthanen die englischen Jndustrieproducte zollfrei empfangen, alle nicht englischen Jndustrieproducte aber theils mit hohen Ein- fuhrzöllen belegt, theils zur Einfuhr ganz verboten sind, so be- findet sich England in der günstigsten Lage, um eine große Masse seiner Einwohner durch die Gewerbthätigkeit ernähren zu können und kein Land der Erde kann bis jetzt es ihm darin gleich thun. Die Baumwollen=Jndustrie beschäftigt unter den verschie- denen Jndustrien Englands die größte Zahl der englischen Ge- werbsleute und das größte Cavital. Der in den Zollregistern amtlich angegebene Werth der Ausfuhr aller Fabrik= und Ma- nufacturwaaren aus England beträgt im Durchschnitte jährlich 36 1 / 2 Million £ St., und nach denselben Registern betragen die Baumwollengewebe und Garne davon zwei Drittheile. Jn England, wie in ganz Europa, wächst keine Baumwolle. Das geringe in Malta und Sicilien erzeugte Quantum verdient keine Erwähnung; es muß also der Rohstoff zu dieser Jndustrie aus fremden Welttheilen herbeigeschafft werden. Die Einfuhr roher Baumwolle ist während der letzten zehn Jahre im Durchschnitte jährlich 300 Millionen Pfund gewesen, der Preis in Liverpool, dem Hauptbaumwollenmarkte Englands von 7 1 / 2 --4 1 / 4 Pence per , folglich circa 6 Pence per im Durchschnitt, es ist also für die eingeführten 300 Millionen Pfund bezahlt7 1 / 2 1) Vergl. Nr. 217., 223. und 229. dieser Blätter. 1 ) Vergl. Nr. 217., 223. und 229. dieser Blätter.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal247_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal247_1849/1
Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 247. Mainz, 17. Oktober 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal247_1849/1>, abgerufen am 06.10.2024.