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Marburger Zeitung. Nr. 156, Marburg, 30.12.1909.

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Nr. 156, 30. Dezember 1909. Marburger Zettung

[Spaltenumbruch] auch die Zeit gekommen ist, wo das Schauspielhaus
der Sammelplatz unserer Bewohnerschaft wird. Herr
Direktor Titz scheut keine Mühe und Aufwand, um
dem kunstsinnigen Publikum von Radkersburg und
Umgebung genußreiche Abende zu verschaffen, des-
halb ist es aber auch unsere Pflicht, sein Bestreben
durch fleißigen, zahlreichen Besuch zu unterstützen.
Am Spielplane stehen für die nächste Zeit "Die
Förster-Christl", "Nur ein Traum", "Tür ins Freie".




Schaubühne.
"Rip-Rip",

romantisch-komische Operette in
drei Akten von Meilhac, Gille und Farnie. Musik
von R. Planquette. -- Am ersten Weihnachtsfeier-
tage kam der erfolgreiche Komponist der "Glocke von
Corneville" an unsrer Bühne zu Worte. Auch die
aufgeführte Operette ist schon älteren Datums, aber
der große Erfolg der erstgenannten blieb ihr --
wenigstens in Deutschland -- versagt. Die Samstag-
aufführung fand von seiten des ausverkauften Hauses
lebhaften, stellenweise stürmischen Beifall, der dem
Werke mit seinen hübschen Melodien, mit seiner
Mischung romantischer, rührender und possenhafter
Elemente ebensosehr galt als der Aufführung. In
der Titelrolle bot Herr Schirocky eine erfreuliche
Leistung; im letzten Akte wirkte sein Spiel geradezu
ergreifend. Auch sein Gesang befriedigte -- besonders
in den Pianostellen -- diesmal weit mehr als sonst.
Seine Partnerin, Fräulein v. Flamir, sang die
Doppelrolle der Lisbet-Emmy vortrefflich und spielte
sehr gewandt; nicht vergessen werden darf ihr durch-
dachtes, fein nuanciertes Mienenspiel. Rip-Rips
herz- und gewissenlosen Feind Derrik stellte Herr
v. Hainreich gut dar, nur verfiel er zuweilen in
gar zu arges Toben. Die beiden Kinder Rip-Rips
und Derriks, die wie Romeo und Julie einander
trotz der Feindschaft der Väter lieben, entzückten das
Publikum durch ihr furchtloses Auftreten. Die leider
sehr kleine Partie des William im dritten Akte sang
Herr Reisser mit seiner glockenhellen Stimme sehr
schön. Die steife Kate des Frl. Steinhofer jedoch
ließ es kaum begreiflich erscheinen, daß dasselbe
Fräulein erst kürzlich temperamentsprühend über die
Bühne tollte. Ihr Gesang war unverständlich; auch
ist es eine arge Stillosigkeit, daß sie im dritten Akte
nach zwanzigjähriger Ehe mit dem Gesicht einer
Achtzehnjährigen erschien. Die übrigen Mitwirkenden
fügten sich gut ins Gesamtspiel ein. Das Geisterecho
und der Chor des Kapitäns Hudson und seiner
Leute hätten noch viel unheimlicher gewirkt, wenn
sie durchaus richtig gesungen worden wären; ferner
mögen sich die Mittelstimmen des Chors ein wenig
mehr zurückhalten, um die Melodie nicht vollständig
zu decken. Die musikalische Leitung besorgte Herr
Schischka mit gewohnter Sicherheit, die Spielleitung
war bei Herrn Moser in guten Händen. Leider
war die Freude an der guten Aufführung keine un-
getrübte, da ein Teil des Publikums anscheinend
nur deshalb ins Theater gekommen war, um eifrige
Konversation zu pflegen. So ging zum Beispiel die
Ouvertüre im lauten Geplauder fast unter. Ebenso
wäre es angezeigt, wenn das Publikum bei Akt-
schlüssen und nach Arien die Melodie auch im
Orchester ausklingen ließe und nicht nach dem letzten
Worte des Sängers sogleich mit dem Beifall ein-
setzte.

"Rip-Rip".

Gestern fand eine Wiederholung
dieser Operettenneuheit vor gut besetztem Hause statt.
An Stelle des erkrankten Darstellers der Titelrolle,
Herrn Schirocky, war in letzter Stunde Herr Re-
gisseur Moser eingesprungen, um die Aufführung zu
ermöglichen. Es hat der der Vorstellung voraus-
geschickten Entschuldigung gewiß nicht bedurft. Bot
doch Herr Moser, nachdem er seine wohlerklärliche
Befangenheit überwunden hatte, eine Leistung, die
alle Anerkennung verdient und sich im letzten Akte
zu einer geradezu vorzüglichen Darstellung erhob.
Wir können Herrn Moser, der sich durch sein Ent-
gegenkommen den Dank des Publikums verdiente,
zu diesem Abende nur herzlichst beglückwünschen.
Die übrigen Besetzungen sind aus der ersten Auf-
führung bekannt.

"Robert und Bertram",

Posse in vier
Aufzügen von G. Raeder. -- Das traurigste auf
der Welt ist, wenn einem Possendichter der Humor
ausgeht, oder besser gesagt der Witz. Wie sich der
arme Mann dann winden und drehen muß, um
noch ein Tröpflein Lachhaftes aus sich herauszu-
pressen, zu welch grobschlächtigen Mitteln er greifen
muß, das ist ein Stücklein Tragik aus dem Leben
jener Leute, die die Bühne als ihre Melkkuh be-
trachten. "Robert und Bertram" ist aus Motiven
[Spaltenumbruch] aus der "Fledermaus", dem "Bruder Straubinger"
und schließlich aus "Er und seine Schwester" zu-
sammengeleimt, und zwar so stumpfsinnig als mög-
lich. Wenn man dem alten Nestroy sowas als Posse
bezeichnet hätte, ich meine, er hätte diese Herab-
setzung seines eigenen Schaffens mit einer Ohr-
feige quittiert.

Unsere Schauspieler, und zwar besonders die
Herren Hainreich, Egger, Brecher und Frl. Urban
taten zwar alles, um dieser faden, grobschlächtigen
Arbeit einigen Anstrich von dramatischer Kunst zu
geben, aber die entsetzliche Konzerteinlage, welche
die Qual des Zuhörens noch um fast eine halbe
Stunde verlängerte, machte alle Bemühungen zu-
nichte. Der Wahrheit gemäß sei aber festgestellt, daß
das reichlich erschienene Sonntagspublikum lebhaften
Beifall spendete. Man sieht daraus, daß es auch
noch gute und rührend bescheidene Menschen auf
der Welt gibt.




Das Eisenbahnunglück von Pößnitz.
Der Schlaf als Unglücksbringer.


Das schwere Eisenbahnunglück, welches sich
am 11. Mai 1909 bei Pößnitz ereignete, gelangte
heute vor einem Strafsenate des Marburger
Kreisgerichtes zur Verhandlung. Angeklagt sind:
der 27jährige, in Wegstadtl (Bez. Dauba) geborene
ledige Hugo Slansky, Beamtenaspirant der
Südbahn, zuletzt in Pößnitz; der 26jährige, in
Pettau geborene, ledige Albert Quaß, Aushilfs-
wächter in Pößnitz und der 50jährige, in Sankt
Margarethen a. P. geborene verheiratete Leopold
Pansi, Ablöswächter in Ranzenberg. Da aus
ihren Handlungen und Unterlassungen auch der Tod
eines Menschen erfolgte, sind sie des nach dem
höheren Strafsatze des § 337 St.-G. zu bestrafenden
Vergehens gegen die Sicherheit des Lebens an-
geklagt. Die Anklage schildert ihr Verschulden
wie folgt:

Am 11. Mai 1909 um 1 Uhr 13 Minuten
früh fuhr der Schnellzug Nr. 9 an den beim
nördlichen Distanzsignal der Station Pößnitz an-
gehaltenen Personenzug Nr. 37 an u. zw. mit
einer Geschwindigkeit von 40 Stundenkilometern.
Die Folgen des Zusammenstoßes waren furchtbare.
Die Lokomotive des Schnellzuges schleuderte den
letzten Wagen des Personenzuges auf die linke Seite
der Böschung, überfuhr die losgetrennten Achsen
des Wagens und zertrümmerte den folgenden Wagen
vollkommen. Der Personenzug, der beim Heran-
brausen des Schnellzuges angefahren, war um der
Gefahr womöglich noch zu entgehen, wurde durch
den Anprall in drei Teile zerrissen, wobei alle
sieben Wagen dieses Zuges entgleisten und mehr
oder weniger beschädigt wurden, insbesondere da-
durch, daß das Gas ausströmte und das ent-
standene Feuer alles bis auf die Eisenteile ver-
nichtete. Das lodernde Feuer des brennenden Zuges
und das qualvolle Schreien der Reisenden beider
Züge bot ein grausiges Nachtbild. Der Photograph
und Maler Erwin Walter aus Marburg, der
sich im vorletzten Wagen befunden hatte, erlitt
einen Schädelknochenbruch und starb sofort infolge
Blutaustrittes in die freie Schädelhöhle an Gehirn-
lähmung; außerdem erlitt er einen Lungen- und
Leberriß und einen Blutaustritt in die freie Bauch-
höhle, lauter an sich tötliche Verletzungen. Der
k. u. k. Leutnant im Jäger-Bataillon Nr. 17,
Richard Quandest, der sich im gleichen Wagen
befunden hatte wie Erwin Walter, erlitt neben
mehreren leichteren Verletzungen einen Nervenchok,
im Zusammenhange eine schwere körperliche Be-
schädigung, die mit einer Gesundheitsstörung von
mindestens 20tägiger Dauer verbunden war. Des-
gleichen erlitten Dr. Alfred Sekanina, k. k.
Finanzkonzipient in Marburg, Franz Zirnstein,
Bildhauermeister in Laibach, der Reisende Rudolf
Eisner aus Wien und der Musikfeldwebel Joh.
Trattner aus Laibach neben leichten Verletzungen
einen Nervenchok; die Krankheitsdauer und Berufs-
unfähigkeit betrug bei Zirnstein und Eisner
mindestens 20, bei Dr. Sekanina und Trattner aber
mindestens 30 Tage. Vom Personal des Schnell-
zuges wurden der Lokomotivführer Peter Turk
und der Ingenieur Gustav Heschl, der auf der
Maschine eine Kontrollfahrt machte, sowie der Ober-
Kondukteur Johann Schneidhofer schwer ver-
letzt, indem sie alle eine heftige Erschütterung des
Zentralnervensystems erlitten, die bei Turk und
Schneidhofer mit einer Gesundheitsstörung und
[Spaltenumbruch] Berufsunfähigkeit von mindestens 30tägiger Dauer
verbunden war.

Zur Zeit des Zusammenstoßes waren in
der Station Pößnitz der Beamtenaspirant Hugo
Slansky, der Aushilfswächter Albert Quaß und der
Weichenwächter Andreas Fessel im Dienste; den
Wächterdienst beim Posten 413, der sich nördlich
von Pößnitz, also von Pößnitz in der Richtung
St. Egydi befindet, versah der Hilfswächter Leop.
Pansi, den Zugsmeldeposten Nr. 8, der sich noch
weiter nördlich, ungefähr in der Mitte zwischen
Pößnitz und St. Egydi befindet, der Wächter
Anton Frangesch, den Zugsmeldeposten in Egydi-
Tunnel der Adjunkt Adalbert Saharek. Am
Personenzuge Nr. 37 befanden sich Franz Janesch
als Lokomotivführer, Emil Wratschko als Heizer,
der Ober-Kondukteur Franz Pfingstl und die
Kondukteure Alois Leitner und Franz Krajnc;
das Personal des Schnellzuges Nr. 9 bestand aus
dem Lokomotivführer Peter Turk, Heizer Rudolf
Raith, Oberkondukteur Johann Schneidhofer
und den Kondukteuren Thomas Stidl und
Roman Eisenhut. Es war ein Glück, daß der
Theaterzug nur schwach besetzt war.

Die Anklage beschuldigt den Slansky, der
diensthabende Beamte in Pößnitz war, zur kriti-
schen Zeit geschlafen
zu haben und dadurch
das Unglück herbeigeführt zu haben. Slansky hatte
seinen Dienst einige Stunden vorher angetreten,
nachdem er vorher 13 Stunden dienstfrei gehabt
hatte. Diese freie Zeit brachte er in Gasthäusern zu,
wo er nach seiner eigenen Angabe mindestens
10 Krügel Bier und 3/4 Liter Wein trank. In der
Station schlief er zur Zeit des stärksten Verkehres
ein. Die Folge seines Schlafens war, daß der von
Graz kommende Personenzug Nr. 37 vor dem nörd-
lichen Distanzsignal und der von Triest über Mar-
burg gekommene Schnellzug Nr. 4 vor dem südlichen
Distanzsignale angehalten wurden, da beide Signale
auf "Halt" standen. Da der dem Personenzuge 37
in der Richtung von Graz unmittelbar folgende
Wiener Schnellzug Nr. 9 beim Wächterposten 413
"freie Fahrt" erhielt und die Stationssignale und
die Lichter des Schlußwagens des Personenzuges
erst in einer Entfernung 430 bezw. 320 Meter
bemerkt werden konnten, konnte der Schnellzug nicht
mehr zum stehen gebracht werden. Einige Augen-
blicke vorher war Slausky durch das wiederholte
Läuten des südlichen Stellwerkwächters endlich er-
wacht, sprang zum Telephon und hörte nun, daß
der südliche Schnellzug schon geraume Zeit auf die
Freigebung der Strecke warte. Slansky gab dem
südlichen Schnellzug nun die Fahrt frei; glücklicher-
weise konnte er noch zurückgehalten werden, sonst
wäre er in das vom nördlichen Schnell- und Per-
sonenzug am nördlichen Stationsende bereits an-
gerichtete Chaos hineingefahren und wäre ebenfalls
entgleist, wodurch das Unglück unabsehbare Folgen
angenommen hätte. Der Aushilfswächter Albert
Quaß, der die Bedienung des Blockapparates im
Stationsbureau, die Weichenstellung der nicht zentral
gestellten Weichen etc. zu besorgen hatte, wird be-
schuldigt, zur kritischen Zeit und zwar im gleichen
Raume wie der Beamte, ebenfallsgeschlafen
zu haben; auch er sei erst durch die wiederholten
Lärmsignale des Stellwerkwächters geweckt wor-
den, da er sich im anderen Falle um den schlafenden
Beamten gekümmert und ihn geweckt haben müßte.
Der dritte angeklagte, Ablöswächter Pansi, ist
beschuldigt, er habe sich von der Stellung des nörd-
lichen Distanzsignales nicht rechtzlitig Überzeugung
verschafft und habe dem Schnellzug Nr. 9 statt
dem Signal "Langsam" das Signal "Frei" gezeigt.
Nach den Aussagen zweier Zeugen, des Schnell-
zugsmaschinführers Turk und des Ing. Heschl,
war er zur Zeit der Durchfahrt des Schnellzuges
nicht am Posten, sondern begab sich erst aus der
Wächterhütte mit weißem Licht auf seinen Posten.




Die Verhandlung, welche O.-L.-G.-R: Moro-
cutti als Vorsitzender in umsichtiger Weise leitete,
wohnte ein überaus zahlreiches Publikum, darunter
meistens Eisenbahner, bei. Die Anklage vertritt
Staatsanwaltstellvertreter Dr. Duchatsch, die Ver-
teidigung führen Dr. Lorber (für Slansky), Doktor
Haas (für Quaß) und Dr. Tschebull (für Pansi).
Der Vorsitzende verlas aus zahlreichen gedruckten
Verkehrs- und Dienstesvorschriften die einschlägigen
Stellen. Beim Verhöre gab Slansky, der in Pun-
tigam bedienstet war bevor er nach Pößnitz kam,
u. a. an, daß er die Nacht vor dem Unglücke eben-
falls Dienst machte; als er um 7 Uhr früh den
Dienst verließ, sei er derart nervös gewesen, daß er

Nr. 156, 30. Dezember 1909. Marburger Zettung

[Spaltenumbruch] auch die Zeit gekommen iſt, wo das Schauſpielhaus
der Sammelplatz unſerer Bewohnerſchaft wird. Herr
Direktor Titz ſcheut keine Mühe und Aufwand, um
dem kunſtſinnigen Publikum von Radkersburg und
Umgebung genußreiche Abende zu verſchaffen, des-
halb iſt es aber auch unſere Pflicht, ſein Beſtreben
durch fleißigen, zahlreichen Beſuch zu unterſtützen.
Am Spielplane ſtehen für die nächſte Zeit „Die
Förſter-Chriſtl“, „Nur ein Traum“, „Tür ins Freie“.




Schaubühne.
„Rip-Rip“,

romantiſch-komiſche Operette in
drei Akten von Meilhac, Gille und Farnie. Muſik
von R. Planquette. — Am erſten Weihnachtsfeier-
tage kam der erfolgreiche Komponiſt der „Glocke von
Corneville“ an unſrer Bühne zu Worte. Auch die
aufgeführte Operette iſt ſchon älteren Datums, aber
der große Erfolg der erſtgenannten blieb ihr —
wenigſtens in Deutſchland — verſagt. Die Samstag-
aufführung fand von ſeiten des ausverkauften Hauſes
lebhaften, ſtellenweiſe ſtürmiſchen Beifall, der dem
Werke mit ſeinen hübſchen Melodien, mit ſeiner
Miſchung romantiſcher, rührender und poſſenhafter
Elemente ebenſoſehr galt als der Aufführung. In
der Titelrolle bot Herr Schirocky eine erfreuliche
Leiſtung; im letzten Akte wirkte ſein Spiel geradezu
ergreifend. Auch ſein Geſang befriedigte — beſonders
in den Pianoſtellen — diesmal weit mehr als ſonſt.
Seine Partnerin, Fräulein v. Flamir, ſang die
Doppelrolle der Lisbet-Emmy vortrefflich und ſpielte
ſehr gewandt; nicht vergeſſen werden darf ihr durch-
dachtes, fein nuanciertes Mienenſpiel. Rip-Rips
herz- und gewiſſenloſen Feind Derrik ſtellte Herr
v. Hainreich gut dar, nur verfiel er zuweilen in
gar zu arges Toben. Die beiden Kinder Rip-Rips
und Derriks, die wie Romeo und Julie einander
trotz der Feindſchaft der Väter lieben, entzückten das
Publikum durch ihr furchtloſes Auftreten. Die leider
ſehr kleine Partie des William im dritten Akte ſang
Herr Reiſſer mit ſeiner glockenhellen Stimme ſehr
ſchön. Die ſteife Kate des Frl. Steinhofer jedoch
ließ es kaum begreiflich erſcheinen, daß dasſelbe
Fräulein erſt kürzlich temperamentſprühend über die
Bühne tollte. Ihr Geſang war unverſtändlich; auch
iſt es eine arge Stilloſigkeit, daß ſie im dritten Akte
nach zwanzigjähriger Ehe mit dem Geſicht einer
Achtzehnjährigen erſchien. Die übrigen Mitwirkenden
fügten ſich gut ins Geſamtſpiel ein. Das Geiſterecho
und der Chor des Kapitäns Hudſon und ſeiner
Leute hätten noch viel unheimlicher gewirkt, wenn
ſie durchaus richtig geſungen worden wären; ferner
mögen ſich die Mittelſtimmen des Chors ein wenig
mehr zurückhalten, um die Melodie nicht vollſtändig
zu decken. Die muſikaliſche Leitung beſorgte Herr
Schiſchka mit gewohnter Sicherheit, die Spielleitung
war bei Herrn Moſer in guten Händen. Leider
war die Freude an der guten Aufführung keine un-
getrübte, da ein Teil des Publikums anſcheinend
nur deshalb ins Theater gekommen war, um eifrige
Konverſation zu pflegen. So ging zum Beiſpiel die
Ouvertüre im lauten Geplauder faſt unter. Ebenſo
wäre es angezeigt, wenn das Publikum bei Akt-
ſchlüſſen und nach Arien die Melodie auch im
Orcheſter ausklingen ließe und nicht nach dem letzten
Worte des Sängers ſogleich mit dem Beifall ein-
ſetzte.

„Rip-Rip“.

Geſtern fand eine Wiederholung
dieſer Operettenneuheit vor gut beſetztem Hauſe ſtatt.
An Stelle des erkrankten Darſtellers der Titelrolle,
Herrn Schirocky, war in letzter Stunde Herr Re-
giſſeur Moſer eingeſprungen, um die Aufführung zu
ermöglichen. Es hat der der Vorſtellung voraus-
geſchickten Entſchuldigung gewiß nicht bedurft. Bot
doch Herr Moſer, nachdem er ſeine wohlerklärliche
Befangenheit überwunden hatte, eine Leiſtung, die
alle Anerkennung verdient und ſich im letzten Akte
zu einer geradezu vorzüglichen Darſtellung erhob.
Wir können Herrn Moſer, der ſich durch ſein Ent-
gegenkommen den Dank des Publikums verdiente,
zu dieſem Abende nur herzlichſt beglückwünſchen.
Die übrigen Beſetzungen ſind aus der erſten Auf-
führung bekannt.

„Robert und Bertram“,

Poſſe in vier
Aufzügen von G. Raeder. — Das traurigſte auf
der Welt iſt, wenn einem Poſſendichter der Humor
ausgeht, oder beſſer geſagt der Witz. Wie ſich der
arme Mann dann winden und drehen muß, um
noch ein Tröpflein Lachhaftes aus ſich herauszu-
preſſen, zu welch grobſchlächtigen Mitteln er greifen
muß, das iſt ein Stücklein Tragik aus dem Leben
jener Leute, die die Bühne als ihre Melkkuh be-
trachten. „Robert und Bertram“ iſt aus Motiven
[Spaltenumbruch] aus der „Fledermaus“, dem „Bruder Straubinger“
und ſchließlich aus „Er und ſeine Schweſter“ zu-
ſammengeleimt, und zwar ſo ſtumpfſinnig als mög-
lich. Wenn man dem alten Neſtroy ſowas als Poſſe
bezeichnet hätte, ich meine, er hätte dieſe Herab-
ſetzung ſeines eigenen Schaffens mit einer Ohr-
feige quittiert.

Unſere Schauſpieler, und zwar beſonders die
Herren Hainreich, Egger, Brecher und Frl. Urban
taten zwar alles, um dieſer faden, grobſchlächtigen
Arbeit einigen Anſtrich von dramatiſcher Kunſt zu
geben, aber die entſetzliche Konzerteinlage, welche
die Qual des Zuhörens noch um faſt eine halbe
Stunde verlängerte, machte alle Bemühungen zu-
nichte. Der Wahrheit gemäß ſei aber feſtgeſtellt, daß
das reichlich erſchienene Sonntagspublikum lebhaften
Beifall ſpendete. Man ſieht daraus, daß es auch
noch gute und rührend beſcheidene Menſchen auf
der Welt gibt.




Das Eiſenbahnunglück von Pößnitz.
Der Schlaf als Unglücksbringer.


Das ſchwere Eiſenbahnunglück, welches ſich
am 11. Mai 1909 bei Pößnitz ereignete, gelangte
heute vor einem Strafſenate des Marburger
Kreisgerichtes zur Verhandlung. Angeklagt ſind:
der 27jährige, in Wegſtadtl (Bez. Dauba) geborene
ledige Hugo Slansky, Beamtenaſpirant der
Südbahn, zuletzt in Pößnitz; der 26jährige, in
Pettau geborene, ledige Albert Quaß, Aushilfs-
wächter in Pößnitz und der 50jährige, in Sankt
Margarethen a. P. geborene verheiratete Leopold
Panſi, Ablöswächter in Ranzenberg. Da aus
ihren Handlungen und Unterlaſſungen auch der Tod
eines Menſchen erfolgte, ſind ſie des nach dem
höheren Strafſatze des § 337 St.-G. zu beſtrafenden
Vergehens gegen die Sicherheit des Lebens an-
geklagt. Die Anklage ſchildert ihr Verſchulden
wie folgt:

Am 11. Mai 1909 um 1 Uhr 13 Minuten
früh fuhr der Schnellzug Nr. 9 an den beim
nördlichen Diſtanzſignal der Station Pößnitz an-
gehaltenen Perſonenzug Nr. 37 an u. zw. mit
einer Geſchwindigkeit von 40 Stundenkilometern.
Die Folgen des Zuſammenſtoßes waren furchtbare.
Die Lokomotive des Schnellzuges ſchleuderte den
letzten Wagen des Perſonenzuges auf die linke Seite
der Böſchung, überfuhr die losgetrennten Achſen
des Wagens und zertrümmerte den folgenden Wagen
vollkommen. Der Perſonenzug, der beim Heran-
brauſen des Schnellzuges angefahren, war um der
Gefahr womöglich noch zu entgehen, wurde durch
den Anprall in drei Teile zerriſſen, wobei alle
ſieben Wagen dieſes Zuges entgleiſten und mehr
oder weniger beſchädigt wurden, insbeſondere da-
durch, daß das Gas ausſtrömte und das ent-
ſtandene Feuer alles bis auf die Eiſenteile ver-
nichtete. Das lodernde Feuer des brennenden Zuges
und das qualvolle Schreien der Reiſenden beider
Züge bot ein grauſiges Nachtbild. Der Photograph
und Maler Erwin Walter aus Marburg, der
ſich im vorletzten Wagen befunden hatte, erlitt
einen Schädelknochenbruch und ſtarb ſofort infolge
Blutaustrittes in die freie Schädelhöhle an Gehirn-
lähmung; außerdem erlitt er einen Lungen- und
Leberriß und einen Blutaustritt in die freie Bauch-
höhle, lauter an ſich tötliche Verletzungen. Der
k. u. k. Leutnant im Jäger-Bataillon Nr. 17,
Richard Quandeſt, der ſich im gleichen Wagen
befunden hatte wie Erwin Walter, erlitt neben
mehreren leichteren Verletzungen einen Nervenchok,
im Zuſammenhange eine ſchwere körperliche Be-
ſchädigung, die mit einer Geſundheitsſtörung von
mindeſtens 20tägiger Dauer verbunden war. Des-
gleichen erlitten Dr. Alfred Sekanina, k. k.
Finanzkonzipient in Marburg, Franz Zirnſtein,
Bildhauermeiſter in Laibach, der Reiſende Rudolf
Eisner aus Wien und der Muſikfeldwebel Joh.
Trattner aus Laibach neben leichten Verletzungen
einen Nervenchok; die Krankheitsdauer und Berufs-
unfähigkeit betrug bei Zirnſtein und Eisner
mindeſtens 20, bei Dr. Sekanina und Trattner aber
mindeſtens 30 Tage. Vom Perſonal des Schnell-
zuges wurden der Lokomotivführer Peter Turk
und der Ingenieur Guſtav Heſchl, der auf der
Maſchine eine Kontrollfahrt machte, ſowie der Ober-
Kondukteur Johann Schneidhofer ſchwer ver-
letzt, indem ſie alle eine heftige Erſchütterung des
Zentralnervenſyſtems erlitten, die bei Turk und
Schneidhofer mit einer Geſundheitsſtörung und
[Spaltenumbruch] Berufsunfähigkeit von mindeſtens 30tägiger Dauer
verbunden war.

Zur Zeit des Zuſammenſtoßes waren in
der Station Pößnitz der Beamtenaſpirant Hugo
Slansky, der Aushilfswächter Albert Quaß und der
Weichenwächter Andreas Feſſel im Dienſte; den
Wächterdienſt beim Poſten 413, der ſich nördlich
von Pößnitz, alſo von Pößnitz in der Richtung
St. Egydi befindet, verſah der Hilfswächter Leop.
Panſi, den Zugsmeldepoſten Nr. 8, der ſich noch
weiter nördlich, ungefähr in der Mitte zwiſchen
Pößnitz und St. Egydi befindet, der Wächter
Anton Frangeſch, den Zugsmeldepoſten in Egydi-
Tunnel der Adjunkt Adalbert Saharek. Am
Perſonenzuge Nr. 37 befanden ſich Franz Janeſch
als Lokomotivführer, Emil Wratſchko als Heizer,
der Ober-Kondukteur Franz Pfingſtl und die
Kondukteure Alois Leitner und Franz Krajnc;
das Perſonal des Schnellzuges Nr. 9 beſtand aus
dem Lokomotivführer Peter Turk, Heizer Rudolf
Raith, Oberkondukteur Johann Schneidhofer
und den Kondukteuren Thomas Stidl und
Roman Eiſenhut. Es war ein Glück, daß der
Theaterzug nur ſchwach beſetzt war.

Die Anklage beſchuldigt den Slansky, der
dienſthabende Beamte in Pößnitz war, zur kriti-
ſchen Zeit geſchlafen
zu haben und dadurch
das Unglück herbeigeführt zu haben. Slansky hatte
ſeinen Dienſt einige Stunden vorher angetreten,
nachdem er vorher 13 Stunden dienſtfrei gehabt
hatte. Dieſe freie Zeit brachte er in Gaſthäuſern zu,
wo er nach ſeiner eigenen Angabe mindeſtens
10 Krügel Bier und ¾ Liter Wein trank. In der
Station ſchlief er zur Zeit des ſtärkſten Verkehres
ein. Die Folge ſeines Schlafens war, daß der von
Graz kommende Perſonenzug Nr. 37 vor dem nörd-
lichen Diſtanzſignal und der von Trieſt über Mar-
burg gekommene Schnellzug Nr. 4 vor dem ſüdlichen
Diſtanzſignale angehalten wurden, da beide Signale
auf „Halt“ ſtanden. Da der dem Perſonenzuge 37
in der Richtung von Graz unmittelbar folgende
Wiener Schnellzug Nr. 9 beim Wächterpoſten 413
„freie Fahrt“ erhielt und die Stationsſignale und
die Lichter des Schlußwagens des Perſonenzuges
erſt in einer Entfernung 430 bezw. 320 Meter
bemerkt werden konnten, konnte der Schnellzug nicht
mehr zum ſtehen gebracht werden. Einige Augen-
blicke vorher war Slausky durch das wiederholte
Läuten des ſüdlichen Stellwerkwächters endlich er-
wacht, ſprang zum Telephon und hörte nun, daß
der ſüdliche Schnellzug ſchon geraume Zeit auf die
Freigebung der Strecke warte. Slansky gab dem
ſüdlichen Schnellzug nun die Fahrt frei; glücklicher-
weiſe konnte er noch zurückgehalten werden, ſonſt
wäre er in das vom nördlichen Schnell- und Per-
ſonenzug am nördlichen Stationsende bereits an-
gerichtete Chaos hineingefahren und wäre ebenfalls
entgleiſt, wodurch das Unglück unabſehbare Folgen
angenommen hätte. Der Aushilfswächter Albert
Quaß, der die Bedienung des Blockapparates im
Stationsbureau, die Weichenſtellung der nicht zentral
geſtellten Weichen ꝛc. zu beſorgen hatte, wird be-
ſchuldigt, zur kritiſchen Zeit und zwar im gleichen
Raume wie der Beamte, ebenfallsgeſchlafen
zu haben; auch er ſei erſt durch die wiederholten
Lärmſignale des Stellwerkwächters geweckt wor-
den, da er ſich im anderen Falle um den ſchlafenden
Beamten gekümmert und ihn geweckt haben müßte.
Der dritte angeklagte, Ablöswächter Panſi, iſt
beſchuldigt, er habe ſich von der Stellung des nörd-
lichen Diſtanzſignales nicht rechtzlitig Überzeugung
verſchafft und habe dem Schnellzug Nr. 9 ſtatt
dem Signal „Langſam“ das Signal „Frei“ gezeigt.
Nach den Ausſagen zweier Zeugen, des Schnell-
zugsmaſchinführers Turk und des Ing. Heſchl,
war er zur Zeit der Durchfahrt des Schnellzuges
nicht am Poſten, ſondern begab ſich erſt aus der
Wächterhütte mit weißem Licht auf ſeinen Poſten.




Die Verhandlung, welche O.-L.-G.-R: Moro-
cutti als Vorſitzender in umſichtiger Weiſe leitete,
wohnte ein überaus zahlreiches Publikum, darunter
meiſtens Eiſenbahner, bei. Die Anklage vertritt
Staatsanwaltſtellvertreter Dr. Duchatſch, die Ver-
teidigung führen Dr. Lorber (für Slansky), Doktor
Haas (für Quaß) und Dr. Tſchebull (für Panſi).
Der Vorſitzende verlas aus zahlreichen gedruckten
Verkehrs- und Dienſtesvorſchriften die einſchlägigen
Stellen. Beim Verhöre gab Slansky, der in Pun-
tigam bedienſtet war bevor er nach Pößnitz kam,
u. a. an, daß er die Nacht vor dem Unglücke eben-
falls Dienſt machte; als er um 7 Uhr früh den
Dienſt verließ, ſei er derart nervös geweſen, daß er

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[3/0003] Nr. 156, 30. Dezember 1909. Marburger Zettung auch die Zeit gekommen iſt, wo das Schauſpielhaus der Sammelplatz unſerer Bewohnerſchaft wird. Herr Direktor Titz ſcheut keine Mühe und Aufwand, um dem kunſtſinnigen Publikum von Radkersburg und Umgebung genußreiche Abende zu verſchaffen, des- halb iſt es aber auch unſere Pflicht, ſein Beſtreben durch fleißigen, zahlreichen Beſuch zu unterſtützen. Am Spielplane ſtehen für die nächſte Zeit „Die Förſter-Chriſtl“, „Nur ein Traum“, „Tür ins Freie“. Schaubühne. „Rip-Rip“, romantiſch-komiſche Operette in drei Akten von Meilhac, Gille und Farnie. Muſik von R. Planquette. — Am erſten Weihnachtsfeier- tage kam der erfolgreiche Komponiſt der „Glocke von Corneville“ an unſrer Bühne zu Worte. Auch die aufgeführte Operette iſt ſchon älteren Datums, aber der große Erfolg der erſtgenannten blieb ihr — wenigſtens in Deutſchland — verſagt. Die Samstag- aufführung fand von ſeiten des ausverkauften Hauſes lebhaften, ſtellenweiſe ſtürmiſchen Beifall, der dem Werke mit ſeinen hübſchen Melodien, mit ſeiner Miſchung romantiſcher, rührender und poſſenhafter Elemente ebenſoſehr galt als der Aufführung. In der Titelrolle bot Herr Schirocky eine erfreuliche Leiſtung; im letzten Akte wirkte ſein Spiel geradezu ergreifend. Auch ſein Geſang befriedigte — beſonders in den Pianoſtellen — diesmal weit mehr als ſonſt. Seine Partnerin, Fräulein v. Flamir, ſang die Doppelrolle der Lisbet-Emmy vortrefflich und ſpielte ſehr gewandt; nicht vergeſſen werden darf ihr durch- dachtes, fein nuanciertes Mienenſpiel. Rip-Rips herz- und gewiſſenloſen Feind Derrik ſtellte Herr v. Hainreich gut dar, nur verfiel er zuweilen in gar zu arges Toben. Die beiden Kinder Rip-Rips und Derriks, die wie Romeo und Julie einander trotz der Feindſchaft der Väter lieben, entzückten das Publikum durch ihr furchtloſes Auftreten. Die leider ſehr kleine Partie des William im dritten Akte ſang Herr Reiſſer mit ſeiner glockenhellen Stimme ſehr ſchön. Die ſteife Kate des Frl. Steinhofer jedoch ließ es kaum begreiflich erſcheinen, daß dasſelbe Fräulein erſt kürzlich temperamentſprühend über die Bühne tollte. Ihr Geſang war unverſtändlich; auch iſt es eine arge Stilloſigkeit, daß ſie im dritten Akte nach zwanzigjähriger Ehe mit dem Geſicht einer Achtzehnjährigen erſchien. Die übrigen Mitwirkenden fügten ſich gut ins Geſamtſpiel ein. Das Geiſterecho und der Chor des Kapitäns Hudſon und ſeiner Leute hätten noch viel unheimlicher gewirkt, wenn ſie durchaus richtig geſungen worden wären; ferner mögen ſich die Mittelſtimmen des Chors ein wenig mehr zurückhalten, um die Melodie nicht vollſtändig zu decken. Die muſikaliſche Leitung beſorgte Herr Schiſchka mit gewohnter Sicherheit, die Spielleitung war bei Herrn Moſer in guten Händen. Leider war die Freude an der guten Aufführung keine un- getrübte, da ein Teil des Publikums anſcheinend nur deshalb ins Theater gekommen war, um eifrige Konverſation zu pflegen. So ging zum Beiſpiel die Ouvertüre im lauten Geplauder faſt unter. Ebenſo wäre es angezeigt, wenn das Publikum bei Akt- ſchlüſſen und nach Arien die Melodie auch im Orcheſter ausklingen ließe und nicht nach dem letzten Worte des Sängers ſogleich mit dem Beifall ein- ſetzte. —a— „Rip-Rip“. Geſtern fand eine Wiederholung dieſer Operettenneuheit vor gut beſetztem Hauſe ſtatt. An Stelle des erkrankten Darſtellers der Titelrolle, Herrn Schirocky, war in letzter Stunde Herr Re- giſſeur Moſer eingeſprungen, um die Aufführung zu ermöglichen. Es hat der der Vorſtellung voraus- geſchickten Entſchuldigung gewiß nicht bedurft. Bot doch Herr Moſer, nachdem er ſeine wohlerklärliche Befangenheit überwunden hatte, eine Leiſtung, die alle Anerkennung verdient und ſich im letzten Akte zu einer geradezu vorzüglichen Darſtellung erhob. Wir können Herrn Moſer, der ſich durch ſein Ent- gegenkommen den Dank des Publikums verdiente, zu dieſem Abende nur herzlichſt beglückwünſchen. Die übrigen Beſetzungen ſind aus der erſten Auf- führung bekannt. M. „Robert und Bertram“, Poſſe in vier Aufzügen von G. Raeder. — Das traurigſte auf der Welt iſt, wenn einem Poſſendichter der Humor ausgeht, oder beſſer geſagt der Witz. Wie ſich der arme Mann dann winden und drehen muß, um noch ein Tröpflein Lachhaftes aus ſich herauszu- preſſen, zu welch grobſchlächtigen Mitteln er greifen muß, das iſt ein Stücklein Tragik aus dem Leben jener Leute, die die Bühne als ihre Melkkuh be- trachten. „Robert und Bertram“ iſt aus Motiven aus der „Fledermaus“, dem „Bruder Straubinger“ und ſchließlich aus „Er und ſeine Schweſter“ zu- ſammengeleimt, und zwar ſo ſtumpfſinnig als mög- lich. Wenn man dem alten Neſtroy ſowas als Poſſe bezeichnet hätte, ich meine, er hätte dieſe Herab- ſetzung ſeines eigenen Schaffens mit einer Ohr- feige quittiert. Unſere Schauſpieler, und zwar beſonders die Herren Hainreich, Egger, Brecher und Frl. Urban taten zwar alles, um dieſer faden, grobſchlächtigen Arbeit einigen Anſtrich von dramatiſcher Kunſt zu geben, aber die entſetzliche Konzerteinlage, welche die Qual des Zuhörens noch um faſt eine halbe Stunde verlängerte, machte alle Bemühungen zu- nichte. Der Wahrheit gemäß ſei aber feſtgeſtellt, daß das reichlich erſchienene Sonntagspublikum lebhaften Beifall ſpendete. Man ſieht daraus, daß es auch noch gute und rührend beſcheidene Menſchen auf der Welt gibt. ln. Das Eiſenbahnunglück von Pößnitz. Der Schlaf als Unglücksbringer. Marburg, 30. Dezember. Das ſchwere Eiſenbahnunglück, welches ſich am 11. Mai 1909 bei Pößnitz ereignete, gelangte heute vor einem Strafſenate des Marburger Kreisgerichtes zur Verhandlung. Angeklagt ſind: der 27jährige, in Wegſtadtl (Bez. Dauba) geborene ledige Hugo Slansky, Beamtenaſpirant der Südbahn, zuletzt in Pößnitz; der 26jährige, in Pettau geborene, ledige Albert Quaß, Aushilfs- wächter in Pößnitz und der 50jährige, in Sankt Margarethen a. P. geborene verheiratete Leopold Panſi, Ablöswächter in Ranzenberg. Da aus ihren Handlungen und Unterlaſſungen auch der Tod eines Menſchen erfolgte, ſind ſie des nach dem höheren Strafſatze des § 337 St.-G. zu beſtrafenden Vergehens gegen die Sicherheit des Lebens an- geklagt. Die Anklage ſchildert ihr Verſchulden wie folgt: Am 11. Mai 1909 um 1 Uhr 13 Minuten früh fuhr der Schnellzug Nr. 9 an den beim nördlichen Diſtanzſignal der Station Pößnitz an- gehaltenen Perſonenzug Nr. 37 an u. zw. mit einer Geſchwindigkeit von 40 Stundenkilometern. Die Folgen des Zuſammenſtoßes waren furchtbare. Die Lokomotive des Schnellzuges ſchleuderte den letzten Wagen des Perſonenzuges auf die linke Seite der Böſchung, überfuhr die losgetrennten Achſen des Wagens und zertrümmerte den folgenden Wagen vollkommen. Der Perſonenzug, der beim Heran- brauſen des Schnellzuges angefahren, war um der Gefahr womöglich noch zu entgehen, wurde durch den Anprall in drei Teile zerriſſen, wobei alle ſieben Wagen dieſes Zuges entgleiſten und mehr oder weniger beſchädigt wurden, insbeſondere da- durch, daß das Gas ausſtrömte und das ent- ſtandene Feuer alles bis auf die Eiſenteile ver- nichtete. Das lodernde Feuer des brennenden Zuges und das qualvolle Schreien der Reiſenden beider Züge bot ein grauſiges Nachtbild. Der Photograph und Maler Erwin Walter aus Marburg, der ſich im vorletzten Wagen befunden hatte, erlitt einen Schädelknochenbruch und ſtarb ſofort infolge Blutaustrittes in die freie Schädelhöhle an Gehirn- lähmung; außerdem erlitt er einen Lungen- und Leberriß und einen Blutaustritt in die freie Bauch- höhle, lauter an ſich tötliche Verletzungen. Der k. u. k. Leutnant im Jäger-Bataillon Nr. 17, Richard Quandeſt, der ſich im gleichen Wagen befunden hatte wie Erwin Walter, erlitt neben mehreren leichteren Verletzungen einen Nervenchok, im Zuſammenhange eine ſchwere körperliche Be- ſchädigung, die mit einer Geſundheitsſtörung von mindeſtens 20tägiger Dauer verbunden war. Des- gleichen erlitten Dr. Alfred Sekanina, k. k. Finanzkonzipient in Marburg, Franz Zirnſtein, Bildhauermeiſter in Laibach, der Reiſende Rudolf Eisner aus Wien und der Muſikfeldwebel Joh. Trattner aus Laibach neben leichten Verletzungen einen Nervenchok; die Krankheitsdauer und Berufs- unfähigkeit betrug bei Zirnſtein und Eisner mindeſtens 20, bei Dr. Sekanina und Trattner aber mindeſtens 30 Tage. Vom Perſonal des Schnell- zuges wurden der Lokomotivführer Peter Turk und der Ingenieur Guſtav Heſchl, der auf der Maſchine eine Kontrollfahrt machte, ſowie der Ober- Kondukteur Johann Schneidhofer ſchwer ver- letzt, indem ſie alle eine heftige Erſchütterung des Zentralnervenſyſtems erlitten, die bei Turk und Schneidhofer mit einer Geſundheitsſtörung und Berufsunfähigkeit von mindeſtens 30tägiger Dauer verbunden war. Zur Zeit des Zuſammenſtoßes waren in der Station Pößnitz der Beamtenaſpirant Hugo Slansky, der Aushilfswächter Albert Quaß und der Weichenwächter Andreas Feſſel im Dienſte; den Wächterdienſt beim Poſten 413, der ſich nördlich von Pößnitz, alſo von Pößnitz in der Richtung St. Egydi befindet, verſah der Hilfswächter Leop. Panſi, den Zugsmeldepoſten Nr. 8, der ſich noch weiter nördlich, ungefähr in der Mitte zwiſchen Pößnitz und St. Egydi befindet, der Wächter Anton Frangeſch, den Zugsmeldepoſten in Egydi- Tunnel der Adjunkt Adalbert Saharek. Am Perſonenzuge Nr. 37 befanden ſich Franz Janeſch als Lokomotivführer, Emil Wratſchko als Heizer, der Ober-Kondukteur Franz Pfingſtl und die Kondukteure Alois Leitner und Franz Krajnc; das Perſonal des Schnellzuges Nr. 9 beſtand aus dem Lokomotivführer Peter Turk, Heizer Rudolf Raith, Oberkondukteur Johann Schneidhofer und den Kondukteuren Thomas Stidl und Roman Eiſenhut. Es war ein Glück, daß der Theaterzug nur ſchwach beſetzt war. Die Anklage beſchuldigt den Slansky, der dienſthabende Beamte in Pößnitz war, zur kriti- ſchen Zeit geſchlafen zu haben und dadurch das Unglück herbeigeführt zu haben. Slansky hatte ſeinen Dienſt einige Stunden vorher angetreten, nachdem er vorher 13 Stunden dienſtfrei gehabt hatte. Dieſe freie Zeit brachte er in Gaſthäuſern zu, wo er nach ſeiner eigenen Angabe mindeſtens 10 Krügel Bier und ¾ Liter Wein trank. In der Station ſchlief er zur Zeit des ſtärkſten Verkehres ein. Die Folge ſeines Schlafens war, daß der von Graz kommende Perſonenzug Nr. 37 vor dem nörd- lichen Diſtanzſignal und der von Trieſt über Mar- burg gekommene Schnellzug Nr. 4 vor dem ſüdlichen Diſtanzſignale angehalten wurden, da beide Signale auf „Halt“ ſtanden. Da der dem Perſonenzuge 37 in der Richtung von Graz unmittelbar folgende Wiener Schnellzug Nr. 9 beim Wächterpoſten 413 „freie Fahrt“ erhielt und die Stationsſignale und die Lichter des Schlußwagens des Perſonenzuges erſt in einer Entfernung 430 bezw. 320 Meter bemerkt werden konnten, konnte der Schnellzug nicht mehr zum ſtehen gebracht werden. Einige Augen- blicke vorher war Slausky durch das wiederholte Läuten des ſüdlichen Stellwerkwächters endlich er- wacht, ſprang zum Telephon und hörte nun, daß der ſüdliche Schnellzug ſchon geraume Zeit auf die Freigebung der Strecke warte. Slansky gab dem ſüdlichen Schnellzug nun die Fahrt frei; glücklicher- weiſe konnte er noch zurückgehalten werden, ſonſt wäre er in das vom nördlichen Schnell- und Per- ſonenzug am nördlichen Stationsende bereits an- gerichtete Chaos hineingefahren und wäre ebenfalls entgleiſt, wodurch das Unglück unabſehbare Folgen angenommen hätte. Der Aushilfswächter Albert Quaß, der die Bedienung des Blockapparates im Stationsbureau, die Weichenſtellung der nicht zentral geſtellten Weichen ꝛc. zu beſorgen hatte, wird be- ſchuldigt, zur kritiſchen Zeit und zwar im gleichen Raume wie der Beamte, ebenfallsgeſchlafen zu haben; auch er ſei erſt durch die wiederholten Lärmſignale des Stellwerkwächters geweckt wor- den, da er ſich im anderen Falle um den ſchlafenden Beamten gekümmert und ihn geweckt haben müßte. Der dritte angeklagte, Ablöswächter Panſi, iſt beſchuldigt, er habe ſich von der Stellung des nörd- lichen Diſtanzſignales nicht rechtzlitig Überzeugung verſchafft und habe dem Schnellzug Nr. 9 ſtatt dem Signal „Langſam“ das Signal „Frei“ gezeigt. Nach den Ausſagen zweier Zeugen, des Schnell- zugsmaſchinführers Turk und des Ing. Heſchl, war er zur Zeit der Durchfahrt des Schnellzuges nicht am Poſten, ſondern begab ſich erſt aus der Wächterhütte mit weißem Licht auf ſeinen Poſten. Die Verhandlung, welche O.-L.-G.-R: Moro- cutti als Vorſitzender in umſichtiger Weiſe leitete, wohnte ein überaus zahlreiches Publikum, darunter meiſtens Eiſenbahner, bei. Die Anklage vertritt Staatsanwaltſtellvertreter Dr. Duchatſch, die Ver- teidigung führen Dr. Lorber (für Slansky), Doktor Haas (für Quaß) und Dr. Tſchebull (für Panſi). Der Vorſitzende verlas aus zahlreichen gedruckten Verkehrs- und Dienſtesvorſchriften die einſchlägigen Stellen. Beim Verhöre gab Slansky, der in Pun- tigam bedienſtet war bevor er nach Pößnitz kam, u. a. an, daß er die Nacht vor dem Unglücke eben- falls Dienſt machte; als er um 7 Uhr früh den Dienſt verließ, ſei er derart nervös geweſen, daß er

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Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 156, Marburg, 30.12.1909, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger156_1909/3>, abgerufen am 28.03.2024.