Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 48. Stuttgart/Tübingen, 30. November 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

[Beginn Spaltensatz] das Kopfkissen und beurlaubte den Warnungsboten:
"Schlafen wir und geht auch Jhr zu Bett." -- Er
spielte so den Muthigen, um seine Geliebte zu beruhi-
gen und seine Abschiedsnacht nicht zu verderben. Beim
Nachtessen war er übertrieben kühn gewesen und hatte
die geheimnißvollen Billets, auf die er geschrieben:
"Sie wagen es nicht!" unter den Tisch geworfen. Das
hieß nicht nur die Gefahr verachten, sondern sie her-
ausfordern.

Woher kamen diese Billets? Man weiß es nicht.
Aber der Mann der Königin Mutter, Cheveny, sagte
daheim zu De Thou: "Der König wird ihn tödten." Die
Königin Mutter selbst, die ihren Heinrich sehr wohl
kannte und wußte, daß er Carls IX. ächter Bruder
war, sie, die von ihrem Bette aus die Dinge mit Hülfe
der Dienerschaft genau beobachtete und durch die Wände
sah, sie mußte die verschiedene Färbung jedes Tages,
die auf einander folgenden Grade von Verzweiflung und
Wuth beurtheilen und den Moment, da der Strick
reißt, errathen.

Es schlägt vier Uhr. Du Halde erwacht, steht
auf und pocht an das Zimmer der Königin. Fräulein
Louise Dubois de Porlant, ihre erste Kammerjungfer,
kommt auf den Lärm, fragt, was es gebe. "Jch bin's,
Du Halde; sagen Sie dem König, daß es vier Uhr
geschlagen." -- "Er schläft und die Königin auch." --
"Wecken Sie ihn," antwortet Du Halde, "er hat es
mir befohlen; sonst wecke ich sie beide." Der König,
welcher nicht schlief und die Nacht in schöner Unruhe
zugebracht hatte, hört sprechen, fragt das Fräulein,
was es gebe. "Sire," sagt sie, "es ist Du Halde, der
sagt, daß es vier Uhr geschlagen." -- "Porlant," sagt
der König, "meine Stiefelchen, mein Kleid und meinen
Leuchter!" -- Er erhebt sich, und die Königin in großer
Verwirrung zurücklassend, geht er in sein Kabinet, wo
schon de Termes und Du Halde waren. Von diesem
verlangt der König die Schlüssel der kleinen Zellen, die
er für die Kapuziner hatte einrichten lassen ( unter dem
Dache des Schlosses ) . Er steigt hinauf, Herr von
Termes trägt den Leuchter. Der König öffnet eine und
sperrt den Du Halde in dieselbe, und so nach einander
die fünfundvierzig ( von der Garde ) , die herbeikamen.
Später ließ er sie in seine Stube hinabkommen.

"Vor allem keinen Lärm," sagte der König, "daß
wir meine Mutter nicht wecken!" -- Er war aufgeregt,
wie man denken kann, und sehr gemacht, andere aufzu-
regen, eine blasse, jammervolle Figur, die bat und bet-
telte. Er sagte ihnen, er sey verloren, wenn der Herzog
nicht sterbe; es sey zum Aeußersten gekommen, er sey
ein Gefangener im eigenen Hause, und könne nichts
mehr mit Sicherheit sein nennen, nicht einmal sein
[Spaltenumbruch] Bett; er habe immer auf ihre Degen gezählt und habe
für sie gethan, was in seinen Kräften gestanden, aber
er vermöge nichts mehr, und man habe sie abschaffen
wollen; er sey aber doch König, habe Recht über Leben
und Tod und gebe ihnen das Recht, zu tödten.

All diese Gaskogner Köpfe geriethen in Feuer.
Sie beklagten sich nur, daß sie warten mußten. Ein
gewisser Periac klopfte den König mit der Hand auf
die Brust: " Caso de Jou! Sire, ich werde dir ihn
todt liefern!" -- Sie sprachen so laut und so stark, daß
der König Angst bekam. Er zittere, sagte er immer,
die Königin Mutter möchte erwachen. -- "Laßt einmal
sehen," sagte er ganz leise, "laßt sehen, wer von euch
Dolche hat." Es fanden sich acht. Capitain Longnac
nahm nur die vollständig mit Dolch und Schwert be-
waffnet waren. Er stellte sie im Vorzimmer auf. Die
andern wurden anderswo aufgestellt.

Jn seinem Kabinete selbst behielt der König seinen
Corsen und eine Klinge ersten Rangs, den Gaskogner
la Bastide, sammt dem Sekretär Revol. Der Graf
de Termes blieb im Zimmer, um den König bei seinem
Entschluß fest zu halten. Der König dachte gar nicht
daran, seinen Entschluß zu ändern. Er war zu allem
bereit, entschlossen und hatte gebeichtet; er hatte es
nicht vergessen, seinen Beichtvater in ein Kabinet zu
berufen, um mit seinem Gewissen in Ordnung zu seyn.
Alles das nahm nicht viel Zeit, so daß eine lange Frist
mit Worten und Nichtsthun verstrich. Der König ging
und kam und konnte nicht an einer Stelle bleiben.
Von Zeit zu Zeit öffnete er die Thüre, steckte den Kopf
in's Vorzimmer und sagte zu den Acht: "Laßt euch ja
nicht verwunden; ein Mann von dieser Größe kann sich
vertheidigen. Es wäre mir sehr unangenehm."

Erst gegen acht Uhr wagte man es, Guise zu
wecken. Er warf in Eile ein galantes neues Kleid von
grauem Satin um und ging, mit dem Mantel auf dem
Arm, in's Conseil. Jm Hofe, auf der Treppe, auf
dem Flur, überall traf er viele Garden. Er verwun-
derte sich nicht, da ihm Larchaut, ihr Capitain, vor-
ausgesagt hatte, diese armen Teufel werden ihn um
sein Fürwort bei dem Conseil bitten, daß sie bezahlt
werden. Larchaut, der krank und zum Erschrecken ma-
ger war, spielte um so besser die Rolle des Bettlers
und sagte mit jämmerlicher Stimme: "Monseigneur,
diese armen Soldaten werden gezwungen seyn, auf und
davon zu gehen und ihre Pferde zu verkaufen; sie sind
verloren, zu Grunde gerichtet." Alle folgten ihm mit
dem Hut in der Hand. Er versprach höflich und ging
weiter. Aber kaum war er eingetreten und die Thüre
zu, als die Scene hinter ihm sich änderte. Die Garden
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] das Kopfkissen und beurlaubte den Warnungsboten:
„Schlafen wir und geht auch Jhr zu Bett.“ — Er
spielte so den Muthigen, um seine Geliebte zu beruhi-
gen und seine Abschiedsnacht nicht zu verderben. Beim
Nachtessen war er übertrieben kühn gewesen und hatte
die geheimnißvollen Billets, auf die er geschrieben:
„Sie wagen es nicht!“ unter den Tisch geworfen. Das
hieß nicht nur die Gefahr verachten, sondern sie her-
ausfordern.

Woher kamen diese Billets? Man weiß es nicht.
Aber der Mann der Königin Mutter, Cheveny, sagte
daheim zu De Thou: „Der König wird ihn tödten.“ Die
Königin Mutter selbst, die ihren Heinrich sehr wohl
kannte und wußte, daß er Carls IX. ächter Bruder
war, sie, die von ihrem Bette aus die Dinge mit Hülfe
der Dienerschaft genau beobachtete und durch die Wände
sah, sie mußte die verschiedene Färbung jedes Tages,
die auf einander folgenden Grade von Verzweiflung und
Wuth beurtheilen und den Moment, da der Strick
reißt, errathen.

Es schlägt vier Uhr. Du Halde erwacht, steht
auf und pocht an das Zimmer der Königin. Fräulein
Louise Dubois de Porlant, ihre erste Kammerjungfer,
kommt auf den Lärm, fragt, was es gebe. „Jch bin's,
Du Halde; sagen Sie dem König, daß es vier Uhr
geschlagen.“ — „Er schläft und die Königin auch.“ —
„Wecken Sie ihn,“ antwortet Du Halde, „er hat es
mir befohlen; sonst wecke ich sie beide.“ Der König,
welcher nicht schlief und die Nacht in schöner Unruhe
zugebracht hatte, hört sprechen, fragt das Fräulein,
was es gebe. „Sire,“ sagt sie, „es ist Du Halde, der
sagt, daß es vier Uhr geschlagen.“ — „Porlant,“ sagt
der König, „meine Stiefelchen, mein Kleid und meinen
Leuchter!“ — Er erhebt sich, und die Königin in großer
Verwirrung zurücklassend, geht er in sein Kabinet, wo
schon de Termes und Du Halde waren. Von diesem
verlangt der König die Schlüssel der kleinen Zellen, die
er für die Kapuziner hatte einrichten lassen ( unter dem
Dache des Schlosses ) . Er steigt hinauf, Herr von
Termes trägt den Leuchter. Der König öffnet eine und
sperrt den Du Halde in dieselbe, und so nach einander
die fünfundvierzig ( von der Garde ) , die herbeikamen.
Später ließ er sie in seine Stube hinabkommen.

„Vor allem keinen Lärm,“ sagte der König, „daß
wir meine Mutter nicht wecken!“ — Er war aufgeregt,
wie man denken kann, und sehr gemacht, andere aufzu-
regen, eine blasse, jammervolle Figur, die bat und bet-
telte. Er sagte ihnen, er sey verloren, wenn der Herzog
nicht sterbe; es sey zum Aeußersten gekommen, er sey
ein Gefangener im eigenen Hause, und könne nichts
mehr mit Sicherheit sein nennen, nicht einmal sein
[Spaltenumbruch] Bett; er habe immer auf ihre Degen gezählt und habe
für sie gethan, was in seinen Kräften gestanden, aber
er vermöge nichts mehr, und man habe sie abschaffen
wollen; er sey aber doch König, habe Recht über Leben
und Tod und gebe ihnen das Recht, zu tödten.

All diese Gaskogner Köpfe geriethen in Feuer.
Sie beklagten sich nur, daß sie warten mußten. Ein
gewisser Periac klopfte den König mit der Hand auf
die Brust: » Caso de Jou! Sire, ich werde dir ihn
todt liefern!“ — Sie sprachen so laut und so stark, daß
der König Angst bekam. Er zittere, sagte er immer,
die Königin Mutter möchte erwachen. — „Laßt einmal
sehen,“ sagte er ganz leise, „laßt sehen, wer von euch
Dolche hat.“ Es fanden sich acht. Capitain Longnac
nahm nur die vollständig mit Dolch und Schwert be-
waffnet waren. Er stellte sie im Vorzimmer auf. Die
andern wurden anderswo aufgestellt.

Jn seinem Kabinete selbst behielt der König seinen
Corsen und eine Klinge ersten Rangs, den Gaskogner
la Bastide, sammt dem Sekretär Révol. Der Graf
de Termes blieb im Zimmer, um den König bei seinem
Entschluß fest zu halten. Der König dachte gar nicht
daran, seinen Entschluß zu ändern. Er war zu allem
bereit, entschlossen und hatte gebeichtet; er hatte es
nicht vergessen, seinen Beichtvater in ein Kabinet zu
berufen, um mit seinem Gewissen in Ordnung zu seyn.
Alles das nahm nicht viel Zeit, so daß eine lange Frist
mit Worten und Nichtsthun verstrich. Der König ging
und kam und konnte nicht an einer Stelle bleiben.
Von Zeit zu Zeit öffnete er die Thüre, steckte den Kopf
in's Vorzimmer und sagte zu den Acht: „Laßt euch ja
nicht verwunden; ein Mann von dieser Größe kann sich
vertheidigen. Es wäre mir sehr unangenehm.“

Erst gegen acht Uhr wagte man es, Guise zu
wecken. Er warf in Eile ein galantes neues Kleid von
grauem Satin um und ging, mit dem Mantel auf dem
Arm, in's Conseil. Jm Hofe, auf der Treppe, auf
dem Flur, überall traf er viele Garden. Er verwun-
derte sich nicht, da ihm Larchaut, ihr Capitain, vor-
ausgesagt hatte, diese armen Teufel werden ihn um
sein Fürwort bei dem Conseil bitten, daß sie bezahlt
werden. Larchaut, der krank und zum Erschrecken ma-
ger war, spielte um so besser die Rolle des Bettlers
und sagte mit jämmerlicher Stimme: „Monseigneur,
diese armen Soldaten werden gezwungen seyn, auf und
davon zu gehen und ihre Pferde zu verkaufen; sie sind
verloren, zu Grunde gerichtet.“ Alle folgten ihm mit
dem Hut in der Hand. Er versprach höflich und ging
weiter. Aber kaum war er eingetreten und die Thüre
zu, als die Scene hinter ihm sich änderte. Die Garden
[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0016" n="1144"/><fw type="pageNum" place="top">1144</fw><cb type="start"/>
das Kopfkissen und beurlaubte den Warnungsboten:<lb/>
&#x201E;Schlafen wir und geht auch Jhr zu Bett.&#x201C; &#x2014; Er<lb/>
spielte so den Muthigen, um seine Geliebte zu beruhi-<lb/>
gen und seine Abschiedsnacht nicht zu verderben. Beim<lb/>
Nachtessen war er übertrieben kühn gewesen und hatte<lb/>
die geheimnißvollen Billets, auf die er geschrieben:<lb/>
&#x201E;Sie wagen es nicht!&#x201C; unter den Tisch geworfen. Das<lb/>
hieß nicht nur die Gefahr verachten, sondern sie her-<lb/>
ausfordern.</p><lb/>
        <p>Woher kamen diese Billets? Man weiß es nicht.<lb/>
Aber der Mann der Königin Mutter, Cheveny, sagte<lb/>
daheim zu De Thou: &#x201E;Der König wird ihn tödten.&#x201C; Die<lb/>
Königin Mutter selbst, die ihren Heinrich sehr wohl<lb/>
kannte und wußte, daß er Carls <hi rendition="#aq">IX</hi>. ächter Bruder<lb/>
war, sie, die von ihrem Bette aus die Dinge mit Hülfe<lb/>
der Dienerschaft genau beobachtete und durch die Wände<lb/>
sah, sie mußte die verschiedene Färbung jedes Tages,<lb/>
die auf einander folgenden Grade von Verzweiflung und<lb/>
Wuth beurtheilen und den Moment, da der Strick<lb/>
reißt, errathen.</p><lb/>
        <p>Es schlägt vier Uhr. Du Halde erwacht, steht<lb/>
auf und pocht an das Zimmer der Königin. Fräulein<lb/>
Louise Dubois de Porlant, ihre erste Kammerjungfer,<lb/>
kommt auf den Lärm, fragt, was es gebe. &#x201E;Jch bin's,<lb/>
Du Halde; sagen Sie dem König, daß es vier Uhr<lb/>
geschlagen.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Er schläft und die Königin auch.&#x201C; &#x2014;<lb/>
&#x201E;Wecken Sie ihn,&#x201C; antwortet Du Halde, &#x201E;er hat es<lb/>
mir befohlen; sonst wecke ich sie beide.&#x201C; Der König,<lb/>
welcher nicht schlief und die Nacht in schöner Unruhe<lb/>
zugebracht hatte, hört sprechen, fragt das Fräulein,<lb/>
was es gebe. &#x201E;Sire,&#x201C; sagt sie, &#x201E;es ist Du Halde, der<lb/>
sagt, daß es vier Uhr geschlagen.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Porlant,&#x201C; sagt<lb/>
der König, &#x201E;meine Stiefelchen, mein Kleid und meinen<lb/>
Leuchter!&#x201C; &#x2014; Er erhebt sich, und die Königin in großer<lb/>
Verwirrung zurücklassend, geht er in sein Kabinet, wo<lb/>
schon de Termes und Du Halde waren. Von diesem<lb/>
verlangt der König die Schlüssel der kleinen Zellen, die<lb/>
er für die Kapuziner hatte einrichten lassen ( unter dem<lb/>
Dache des Schlosses ) . Er steigt hinauf, Herr von<lb/>
Termes trägt den Leuchter. Der König öffnet eine und<lb/>
sperrt den Du Halde in dieselbe, und so nach einander<lb/>
die fünfundvierzig ( von der Garde ) , die herbeikamen.<lb/>
Später ließ er sie in seine Stube hinabkommen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Vor allem keinen Lärm,&#x201C; sagte der König, &#x201E;daß<lb/>
wir meine Mutter nicht wecken!&#x201C; &#x2014; Er war aufgeregt,<lb/>
wie man denken kann, und sehr gemacht, andere aufzu-<lb/>
regen, eine blasse, jammervolle Figur, die bat und bet-<lb/>
telte. Er sagte ihnen, er sey verloren, wenn der Herzog<lb/>
nicht sterbe; es sey zum Aeußersten gekommen, er sey<lb/>
ein Gefangener im eigenen Hause, und könne nichts<lb/>
mehr mit Sicherheit sein nennen, nicht einmal sein<lb/><cb n="2"/>
Bett; er habe immer auf ihre Degen gezählt und habe<lb/>
für sie gethan, was in seinen Kräften gestanden, aber<lb/>
er vermöge nichts mehr, und man habe sie abschaffen<lb/>
wollen; er sey aber doch König, habe Recht über Leben<lb/>
und Tod und gebe ihnen das Recht, zu tödten.</p><lb/>
        <p>All diese Gaskogner Köpfe geriethen in Feuer.<lb/>
Sie beklagten sich nur, daß sie warten mußten. Ein<lb/>
gewisser Periac klopfte den König mit der Hand auf<lb/>
die Brust: » <hi rendition="#aq">Caso de Jou</hi>! Sire, ich werde dir ihn<lb/>
todt liefern!&#x201C; &#x2014; Sie sprachen so laut und so stark, daß<lb/>
der König Angst bekam. Er zittere, sagte er immer,<lb/>
die Königin Mutter möchte erwachen. &#x2014; &#x201E;Laßt einmal<lb/>
sehen,&#x201C; sagte er ganz leise, &#x201E;laßt sehen, wer von euch<lb/>
Dolche hat.&#x201C; Es fanden sich acht. Capitain Longnac<lb/>
nahm nur die vollständig mit Dolch und Schwert be-<lb/>
waffnet waren. Er stellte sie im Vorzimmer auf. Die<lb/>
andern wurden anderswo aufgestellt.</p><lb/>
        <p>Jn seinem Kabinete selbst behielt der König seinen<lb/>
Corsen und eine Klinge ersten Rangs, den Gaskogner<lb/>
la Bastide, sammt dem Sekretär R<hi rendition="#aq">é</hi>vol. Der Graf<lb/>
de Termes blieb im Zimmer, um den König bei seinem<lb/>
Entschluß fest zu halten. Der König dachte gar nicht<lb/>
daran, seinen Entschluß zu ändern. Er war zu allem<lb/>
bereit, entschlossen und hatte gebeichtet; er hatte es<lb/>
nicht vergessen, seinen Beichtvater in ein Kabinet zu<lb/>
berufen, um mit seinem Gewissen in Ordnung zu seyn.<lb/>
Alles das nahm nicht viel Zeit, so daß eine lange Frist<lb/>
mit Worten und Nichtsthun verstrich. Der König ging<lb/>
und kam und konnte nicht an einer Stelle bleiben.<lb/>
Von Zeit zu Zeit öffnete er die Thüre, steckte den Kopf<lb/>
in's Vorzimmer und sagte zu den Acht: &#x201E;Laßt euch ja<lb/>
nicht verwunden; ein Mann von dieser Größe kann sich<lb/>
vertheidigen. Es wäre mir sehr unangenehm.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Erst gegen acht Uhr wagte man es, Guise zu<lb/>
wecken. Er warf in Eile ein galantes neues Kleid von<lb/>
grauem Satin um und ging, mit dem Mantel auf dem<lb/>
Arm, in's Conseil. Jm Hofe, auf der Treppe, auf<lb/>
dem Flur, überall traf er viele Garden. Er verwun-<lb/>
derte sich nicht, da ihm Larchaut, ihr Capitain, vor-<lb/>
ausgesagt hatte, diese armen Teufel werden ihn um<lb/>
sein Fürwort bei dem Conseil bitten, daß sie bezahlt<lb/>
werden. Larchaut, der krank und zum Erschrecken ma-<lb/>
ger war, spielte um so besser die Rolle des Bettlers<lb/>
und sagte mit jämmerlicher Stimme: &#x201E;Monseigneur,<lb/>
diese armen Soldaten werden gezwungen seyn, auf und<lb/>
davon zu gehen und ihre Pferde zu verkaufen; sie sind<lb/>
verloren, zu Grunde gerichtet.&#x201C; Alle folgten ihm mit<lb/>
dem Hut in der Hand. Er versprach höflich und ging<lb/>
weiter. Aber kaum war er eingetreten und die Thüre<lb/>
zu, als die Scene hinter ihm sich änderte. Die Garden<lb/><cb type="end"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1144/0016] 1144 das Kopfkissen und beurlaubte den Warnungsboten: „Schlafen wir und geht auch Jhr zu Bett.“ — Er spielte so den Muthigen, um seine Geliebte zu beruhi- gen und seine Abschiedsnacht nicht zu verderben. Beim Nachtessen war er übertrieben kühn gewesen und hatte die geheimnißvollen Billets, auf die er geschrieben: „Sie wagen es nicht!“ unter den Tisch geworfen. Das hieß nicht nur die Gefahr verachten, sondern sie her- ausfordern. Woher kamen diese Billets? Man weiß es nicht. Aber der Mann der Königin Mutter, Cheveny, sagte daheim zu De Thou: „Der König wird ihn tödten.“ Die Königin Mutter selbst, die ihren Heinrich sehr wohl kannte und wußte, daß er Carls IX. ächter Bruder war, sie, die von ihrem Bette aus die Dinge mit Hülfe der Dienerschaft genau beobachtete und durch die Wände sah, sie mußte die verschiedene Färbung jedes Tages, die auf einander folgenden Grade von Verzweiflung und Wuth beurtheilen und den Moment, da der Strick reißt, errathen. Es schlägt vier Uhr. Du Halde erwacht, steht auf und pocht an das Zimmer der Königin. Fräulein Louise Dubois de Porlant, ihre erste Kammerjungfer, kommt auf den Lärm, fragt, was es gebe. „Jch bin's, Du Halde; sagen Sie dem König, daß es vier Uhr geschlagen.“ — „Er schläft und die Königin auch.“ — „Wecken Sie ihn,“ antwortet Du Halde, „er hat es mir befohlen; sonst wecke ich sie beide.“ Der König, welcher nicht schlief und die Nacht in schöner Unruhe zugebracht hatte, hört sprechen, fragt das Fräulein, was es gebe. „Sire,“ sagt sie, „es ist Du Halde, der sagt, daß es vier Uhr geschlagen.“ — „Porlant,“ sagt der König, „meine Stiefelchen, mein Kleid und meinen Leuchter!“ — Er erhebt sich, und die Königin in großer Verwirrung zurücklassend, geht er in sein Kabinet, wo schon de Termes und Du Halde waren. Von diesem verlangt der König die Schlüssel der kleinen Zellen, die er für die Kapuziner hatte einrichten lassen ( unter dem Dache des Schlosses ) . Er steigt hinauf, Herr von Termes trägt den Leuchter. Der König öffnet eine und sperrt den Du Halde in dieselbe, und so nach einander die fünfundvierzig ( von der Garde ) , die herbeikamen. Später ließ er sie in seine Stube hinabkommen. „Vor allem keinen Lärm,“ sagte der König, „daß wir meine Mutter nicht wecken!“ — Er war aufgeregt, wie man denken kann, und sehr gemacht, andere aufzu- regen, eine blasse, jammervolle Figur, die bat und bet- telte. Er sagte ihnen, er sey verloren, wenn der Herzog nicht sterbe; es sey zum Aeußersten gekommen, er sey ein Gefangener im eigenen Hause, und könne nichts mehr mit Sicherheit sein nennen, nicht einmal sein Bett; er habe immer auf ihre Degen gezählt und habe für sie gethan, was in seinen Kräften gestanden, aber er vermöge nichts mehr, und man habe sie abschaffen wollen; er sey aber doch König, habe Recht über Leben und Tod und gebe ihnen das Recht, zu tödten. All diese Gaskogner Köpfe geriethen in Feuer. Sie beklagten sich nur, daß sie warten mußten. Ein gewisser Periac klopfte den König mit der Hand auf die Brust: » Caso de Jou! Sire, ich werde dir ihn todt liefern!“ — Sie sprachen so laut und so stark, daß der König Angst bekam. Er zittere, sagte er immer, die Königin Mutter möchte erwachen. — „Laßt einmal sehen,“ sagte er ganz leise, „laßt sehen, wer von euch Dolche hat.“ Es fanden sich acht. Capitain Longnac nahm nur die vollständig mit Dolch und Schwert be- waffnet waren. Er stellte sie im Vorzimmer auf. Die andern wurden anderswo aufgestellt. Jn seinem Kabinete selbst behielt der König seinen Corsen und eine Klinge ersten Rangs, den Gaskogner la Bastide, sammt dem Sekretär Révol. Der Graf de Termes blieb im Zimmer, um den König bei seinem Entschluß fest zu halten. Der König dachte gar nicht daran, seinen Entschluß zu ändern. Er war zu allem bereit, entschlossen und hatte gebeichtet; er hatte es nicht vergessen, seinen Beichtvater in ein Kabinet zu berufen, um mit seinem Gewissen in Ordnung zu seyn. Alles das nahm nicht viel Zeit, so daß eine lange Frist mit Worten und Nichtsthun verstrich. Der König ging und kam und konnte nicht an einer Stelle bleiben. Von Zeit zu Zeit öffnete er die Thüre, steckte den Kopf in's Vorzimmer und sagte zu den Acht: „Laßt euch ja nicht verwunden; ein Mann von dieser Größe kann sich vertheidigen. Es wäre mir sehr unangenehm.“ Erst gegen acht Uhr wagte man es, Guise zu wecken. Er warf in Eile ein galantes neues Kleid von grauem Satin um und ging, mit dem Mantel auf dem Arm, in's Conseil. Jm Hofe, auf der Treppe, auf dem Flur, überall traf er viele Garden. Er verwun- derte sich nicht, da ihm Larchaut, ihr Capitain, vor- ausgesagt hatte, diese armen Teufel werden ihn um sein Fürwort bei dem Conseil bitten, daß sie bezahlt werden. Larchaut, der krank und zum Erschrecken ma- ger war, spielte um so besser die Rolle des Bettlers und sagte mit jämmerlicher Stimme: „Monseigneur, diese armen Soldaten werden gezwungen seyn, auf und davon zu gehen und ihre Pferde zu verkaufen; sie sind verloren, zu Grunde gerichtet.“ Alle folgten ihm mit dem Hut in der Hand. Er versprach höflich und ging weiter. Aber kaum war er eingetreten und die Thüre zu, als die Scene hinter ihm sich änderte. Die Garden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt48_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt48_1856/16
Zitationshilfe: Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 48. Stuttgart/Tübingen, 30. November 1856, S. 1144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt48_1856/16>, abgerufen am 28.05.2024.