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Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 48. Stuttgart/Tübingen, 30. November 1856.

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[Beginn Spaltensatz] was ich theilweise schon früher hätte berichten können,
aber auf diesen Brief verschoben habe, um den Lesern
einen Ueberblick über das zu geben, was Sommer und
Herbst uns gebracht haben, oder was doch an uns vor-
übergezogen ist. Da tritt denn vor allem wieder die herr-
liche Ludwigshöhe hoch heraus. Sie war in diesem Som-
mer wieder der Centralpunkt jenes Lebens und Treibens,
das sich in einer entlegenen Provinz über das Niveau des
Alltäglichen erhebt und die Blicke auf sich zieht. Jn seine
Villa Ludwigshöhe ist König Ludwig am 7. Juni wieder
eingezogen, von der Bevölkerung herzlicher als je empfan-
gen. Sie hat sich innig gefreut, ihn nach der schweren
Krankheit gesund wieder zu sehen, um so mehr, als sie
schon gezweifelt hatte, ob er je wieder kommen werde,
nachdem der Tod ihm die Gemahlin von der Seite ge-
rissen. Man fürchtete, es werde dem Könige droben zu
einsam werden, aber statt dessen entfaltete sich just in
diesem Jahre ein viel bunteres und bewegteres Leben auf
Ludwigshöhe, als dieß bei einer der früheren Villeggiatu-
ren des Königspaares je der Fall gewesen. Schon am Tag
nach der Ankunft des Vaters traf auch Prinzessin Alexandra
ein, die sich durch ihre Leutseligkeit und durch zahlreiche
Wohlthaten einen gefeierten Namen in der Pfalz gemacht
hat. Nicht nur daß sie den Vater auf seinen täglichen
Ausflügen begleitete, sie machte solche auch allein an Orte,
wo Pfleghäuser armer Kinder bestehen, um diesen durch
allerlei Geschenke Freude zu bereiten. Besonders scheint
es der Prinzessin in den stillen Thälern jenseits des Tri-
fels gefallen zu haben. So erschien sie nicht weniger als
dreimal in dem lieblichen Gossersweiler Thale und machte
oft weitere Touren zu Fuß, um den Kindern ihre Ge-
schenke zu bringen. Auch die Großherzogin von Hessen
kam, und blieb, wie in früheren Sommern, die bestän-
dige Begleiterin ihres königlichen Vaters. Bald aber sollte
es noch lebhafter auf Ludwigshöhe werden. Die verwitt-
wete Kaiserin Caroline Auguste von Oesterreich, des Königs
Schwester, hatte ihren Besuch zugesagt. Der 21. Juni
war der Tag ihrer Ankunft, und der Empfang, den ihr
die Bevölkerung bereitete, war so festlich und herzlich, als
ob sie des Landes eigene Mutter wäre. Sie hatte seit
1799 die Ufer des Rheins nicht mehr gesehen und war
entzückt über den schönen Sommeraufenthalt, den ihr
königlicher Bruder sich an denselben geschaffen. Die Stadt
Mannheim und in derselben das Haus, in dem sie gebo-
ren, war natürlich eines der ersten Ziele der nun fol-
genden Ausflüge; ebenso Oggersheim, wo sie als Kind im
Schlosse der Kurfürstin Elisabeth gespielt. Daß dieses
Schloß längst verschwunden, habe ich zu anderer Zeit ge-
schrieben, ebenso daß sich jetzt dort ein wahrhaft kolossales
Etablissement, eine neue Sammtfabrik, erhebt. Zu dem
Hauptgebäude derselben hat König Ludwig mit der Groß-
herzogin Mathilde am 17. Juli den Eckstein gelegt.

Ein besonders festlicher Tag war aber der 29. Juni.
König Ludwig führte an diesem seine kaiserliche Schwester
nach Speyer, um ihr die Herrlichkeit des neu erstandenen
[Spaltenumbruch] Kaiserdomes zu zeigen, und freute sich innig des Beifalls,
den sie dieser seiner erhabenen Schöpfung zollte. Die
Dombaukasse ist dabei nicht leer ausgegangen, indem die
hohe Dame ihr ein Geschenk von 1500 Gulden über-
machen ließ. Unter den sonstigen Städten und Orten,
denen die Ehre des kaiserlichen und königlichen Besuches
zu Theil geworden, und unter welchen natürlich das reizend
gelegene Dürkheim nicht fehlte, hebe ich nur Kaiserslautern
und Otterberg heraus. Die alte schöne und große byzan-
tinische Kirche des letztgenannten Städtchens hatte den
König schon vor dreizehn Jahren einmal dahin gezogen,
nun führte er auch die Schwester und die beiden Töchter
dahin. Jn Kaiserslautern fanden die Herrschaften freilich
keinen Rest mehr von dem Palaste der Hohenstaufen, aber
die Stelle, wo er einst gestanden, besuchten sie doch, so
wie auch die gothische Stiftskirche aus jener Zeit; bewir-
thet aber wurden sie in einem der Paläste unserer Zeit,
nämlich in dem großen Saale der von Professor Voit er-
bauten prächtigen Fruchthalle, demselben Raume, in wel-
chem weiland die provisorische Regierung der revolutio-
nirten Pfalz mit ihren Freischaarenrotten ihr unsauberes
Wesen getrieben,

Die Zahl der Gäste auf Ludwigshöhe sollte sich noch
mehren. Zu kürzerem Besuche kam Erzherzog Albrecht
von Oesterreich, zu längerem König Otto von Griechen-
land, den die pfälzische Bevölkerung schon um seiner schö-
nen griechischen Tracht willen mit besonderem Jnteresse
betrachtete. Zum Feste der Himmelfahrt Mariä erschien
der ganze Hof beim Hochamt im Dom zu Speyer, und
diese Stadt feierte wieder einen ihrer glänzenden Tage,
die an die Herrlichkeiten einer längst entschwundenen Zeit
gemahnen. Das Hauptfest im Laufe des Sommers war
aber das Geburts= und Namensfest König Ludwigs am
25. August, an dem er das siebzigste Lebensjahr vollen-
det hat. Hohe Freudenfeuer lohten am Vorabende dieses
Tages auf den Bergen empor, ein Fackelständchen wurde
vor der Villa gebracht, um die sich eine große Menschen-
menge gesammelt hatte, und alle Glocken der Umgegend
klangen durch die schöne, helle Sommernacht. Der König,
der am Mittag die von München gekommene Deputation
der Hauptstadt, den Bürgermeister v. Steinsdorf an der
Spitze, empfangen und die pracht = und kunstvolle Adresse
entgegen genommen hatte, kam mit dem ganzen Hofe eben
von einer Abendfahrt nach der Maxburg zurück und war
sehr erfreut und gerührt ob allen dieser Kundgebungen
dankbarer Liebe und Anhänglichkeit, die sich Tags darauf
in anderer Gestalt wiederholten, als der Hof vom Dorfe
Haardt zurückkehrte, wo er den siebzigsten Geburtstag des
Königs bei festlichem Mahl im Landhause eines Privaten
gefeiert hatte. Die Stadt Edenkoben war festlich beleuchtet
und ein solenner Ball, den die hohen Herrschaften mit
ihrer Gegenwart beehrten, schloß die Feier des Tages.
Mit dem 1. September ward es wieder still auf Ludwigs-
höhe, und der liebliche Sommersitz wartet nun wieder,
hoffentlich nicht allzulange, auf andere Tage neuen, fest-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] was ich theilweise schon früher hätte berichten können,
aber auf diesen Brief verschoben habe, um den Lesern
einen Ueberblick über das zu geben, was Sommer und
Herbst uns gebracht haben, oder was doch an uns vor-
übergezogen ist. Da tritt denn vor allem wieder die herr-
liche Ludwigshöhe hoch heraus. Sie war in diesem Som-
mer wieder der Centralpunkt jenes Lebens und Treibens,
das sich in einer entlegenen Provinz über das Niveau des
Alltäglichen erhebt und die Blicke auf sich zieht. Jn seine
Villa Ludwigshöhe ist König Ludwig am 7. Juni wieder
eingezogen, von der Bevölkerung herzlicher als je empfan-
gen. Sie hat sich innig gefreut, ihn nach der schweren
Krankheit gesund wieder zu sehen, um so mehr, als sie
schon gezweifelt hatte, ob er je wieder kommen werde,
nachdem der Tod ihm die Gemahlin von der Seite ge-
rissen. Man fürchtete, es werde dem Könige droben zu
einsam werden, aber statt dessen entfaltete sich just in
diesem Jahre ein viel bunteres und bewegteres Leben auf
Ludwigshöhe, als dieß bei einer der früheren Villeggiatu-
ren des Königspaares je der Fall gewesen. Schon am Tag
nach der Ankunft des Vaters traf auch Prinzessin Alexandra
ein, die sich durch ihre Leutseligkeit und durch zahlreiche
Wohlthaten einen gefeierten Namen in der Pfalz gemacht
hat. Nicht nur daß sie den Vater auf seinen täglichen
Ausflügen begleitete, sie machte solche auch allein an Orte,
wo Pfleghäuser armer Kinder bestehen, um diesen durch
allerlei Geschenke Freude zu bereiten. Besonders scheint
es der Prinzessin in den stillen Thälern jenseits des Tri-
fels gefallen zu haben. So erschien sie nicht weniger als
dreimal in dem lieblichen Gossersweiler Thale und machte
oft weitere Touren zu Fuß, um den Kindern ihre Ge-
schenke zu bringen. Auch die Großherzogin von Hessen
kam, und blieb, wie in früheren Sommern, die bestän-
dige Begleiterin ihres königlichen Vaters. Bald aber sollte
es noch lebhafter auf Ludwigshöhe werden. Die verwitt-
wete Kaiserin Caroline Auguste von Oesterreich, des Königs
Schwester, hatte ihren Besuch zugesagt. Der 21. Juni
war der Tag ihrer Ankunft, und der Empfang, den ihr
die Bevölkerung bereitete, war so festlich und herzlich, als
ob sie des Landes eigene Mutter wäre. Sie hatte seit
1799 die Ufer des Rheins nicht mehr gesehen und war
entzückt über den schönen Sommeraufenthalt, den ihr
königlicher Bruder sich an denselben geschaffen. Die Stadt
Mannheim und in derselben das Haus, in dem sie gebo-
ren, war natürlich eines der ersten Ziele der nun fol-
genden Ausflüge; ebenso Oggersheim, wo sie als Kind im
Schlosse der Kurfürstin Elisabeth gespielt. Daß dieses
Schloß längst verschwunden, habe ich zu anderer Zeit ge-
schrieben, ebenso daß sich jetzt dort ein wahrhaft kolossales
Etablissement, eine neue Sammtfabrik, erhebt. Zu dem
Hauptgebäude derselben hat König Ludwig mit der Groß-
herzogin Mathilde am 17. Juli den Eckstein gelegt.

Ein besonders festlicher Tag war aber der 29. Juni.
König Ludwig führte an diesem seine kaiserliche Schwester
nach Speyer, um ihr die Herrlichkeit des neu erstandenen
[Spaltenumbruch] Kaiserdomes zu zeigen, und freute sich innig des Beifalls,
den sie dieser seiner erhabenen Schöpfung zollte. Die
Dombaukasse ist dabei nicht leer ausgegangen, indem die
hohe Dame ihr ein Geschenk von 1500 Gulden über-
machen ließ. Unter den sonstigen Städten und Orten,
denen die Ehre des kaiserlichen und königlichen Besuches
zu Theil geworden, und unter welchen natürlich das reizend
gelegene Dürkheim nicht fehlte, hebe ich nur Kaiserslautern
und Otterberg heraus. Die alte schöne und große byzan-
tinische Kirche des letztgenannten Städtchens hatte den
König schon vor dreizehn Jahren einmal dahin gezogen,
nun führte er auch die Schwester und die beiden Töchter
dahin. Jn Kaiserslautern fanden die Herrschaften freilich
keinen Rest mehr von dem Palaste der Hohenstaufen, aber
die Stelle, wo er einst gestanden, besuchten sie doch, so
wie auch die gothische Stiftskirche aus jener Zeit; bewir-
thet aber wurden sie in einem der Paläste unserer Zeit,
nämlich in dem großen Saale der von Professor Voit er-
bauten prächtigen Fruchthalle, demselben Raume, in wel-
chem weiland die provisorische Regierung der revolutio-
nirten Pfalz mit ihren Freischaarenrotten ihr unsauberes
Wesen getrieben,

Die Zahl der Gäste auf Ludwigshöhe sollte sich noch
mehren. Zu kürzerem Besuche kam Erzherzog Albrecht
von Oesterreich, zu längerem König Otto von Griechen-
land, den die pfälzische Bevölkerung schon um seiner schö-
nen griechischen Tracht willen mit besonderem Jnteresse
betrachtete. Zum Feste der Himmelfahrt Mariä erschien
der ganze Hof beim Hochamt im Dom zu Speyer, und
diese Stadt feierte wieder einen ihrer glänzenden Tage,
die an die Herrlichkeiten einer längst entschwundenen Zeit
gemahnen. Das Hauptfest im Laufe des Sommers war
aber das Geburts= und Namensfest König Ludwigs am
25. August, an dem er das siebzigste Lebensjahr vollen-
det hat. Hohe Freudenfeuer lohten am Vorabende dieses
Tages auf den Bergen empor, ein Fackelständchen wurde
vor der Villa gebracht, um die sich eine große Menschen-
menge gesammelt hatte, und alle Glocken der Umgegend
klangen durch die schöne, helle Sommernacht. Der König,
der am Mittag die von München gekommene Deputation
der Hauptstadt, den Bürgermeister v. Steinsdorf an der
Spitze, empfangen und die pracht = und kunstvolle Adresse
entgegen genommen hatte, kam mit dem ganzen Hofe eben
von einer Abendfahrt nach der Maxburg zurück und war
sehr erfreut und gerührt ob allen dieser Kundgebungen
dankbarer Liebe und Anhänglichkeit, die sich Tags darauf
in anderer Gestalt wiederholten, als der Hof vom Dorfe
Haardt zurückkehrte, wo er den siebzigsten Geburtstag des
Königs bei festlichem Mahl im Landhause eines Privaten
gefeiert hatte. Die Stadt Edenkoben war festlich beleuchtet
und ein solenner Ball, den die hohen Herrschaften mit
ihrer Gegenwart beehrten, schloß die Feier des Tages.
Mit dem 1. September ward es wieder still auf Ludwigs-
höhe, und der liebliche Sommersitz wartet nun wieder,
hoffentlich nicht allzulange, auf andere Tage neuen, fest-
[Ende Spaltensatz]

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[1150/0022] 1150 was ich theilweise schon früher hätte berichten können, aber auf diesen Brief verschoben habe, um den Lesern einen Ueberblick über das zu geben, was Sommer und Herbst uns gebracht haben, oder was doch an uns vor- übergezogen ist. Da tritt denn vor allem wieder die herr- liche Ludwigshöhe hoch heraus. Sie war in diesem Som- mer wieder der Centralpunkt jenes Lebens und Treibens, das sich in einer entlegenen Provinz über das Niveau des Alltäglichen erhebt und die Blicke auf sich zieht. Jn seine Villa Ludwigshöhe ist König Ludwig am 7. Juni wieder eingezogen, von der Bevölkerung herzlicher als je empfan- gen. Sie hat sich innig gefreut, ihn nach der schweren Krankheit gesund wieder zu sehen, um so mehr, als sie schon gezweifelt hatte, ob er je wieder kommen werde, nachdem der Tod ihm die Gemahlin von der Seite ge- rissen. Man fürchtete, es werde dem Könige droben zu einsam werden, aber statt dessen entfaltete sich just in diesem Jahre ein viel bunteres und bewegteres Leben auf Ludwigshöhe, als dieß bei einer der früheren Villeggiatu- ren des Königspaares je der Fall gewesen. Schon am Tag nach der Ankunft des Vaters traf auch Prinzessin Alexandra ein, die sich durch ihre Leutseligkeit und durch zahlreiche Wohlthaten einen gefeierten Namen in der Pfalz gemacht hat. Nicht nur daß sie den Vater auf seinen täglichen Ausflügen begleitete, sie machte solche auch allein an Orte, wo Pfleghäuser armer Kinder bestehen, um diesen durch allerlei Geschenke Freude zu bereiten. Besonders scheint es der Prinzessin in den stillen Thälern jenseits des Tri- fels gefallen zu haben. So erschien sie nicht weniger als dreimal in dem lieblichen Gossersweiler Thale und machte oft weitere Touren zu Fuß, um den Kindern ihre Ge- schenke zu bringen. Auch die Großherzogin von Hessen kam, und blieb, wie in früheren Sommern, die bestän- dige Begleiterin ihres königlichen Vaters. Bald aber sollte es noch lebhafter auf Ludwigshöhe werden. Die verwitt- wete Kaiserin Caroline Auguste von Oesterreich, des Königs Schwester, hatte ihren Besuch zugesagt. Der 21. Juni war der Tag ihrer Ankunft, und der Empfang, den ihr die Bevölkerung bereitete, war so festlich und herzlich, als ob sie des Landes eigene Mutter wäre. Sie hatte seit 1799 die Ufer des Rheins nicht mehr gesehen und war entzückt über den schönen Sommeraufenthalt, den ihr königlicher Bruder sich an denselben geschaffen. Die Stadt Mannheim und in derselben das Haus, in dem sie gebo- ren, war natürlich eines der ersten Ziele der nun fol- genden Ausflüge; ebenso Oggersheim, wo sie als Kind im Schlosse der Kurfürstin Elisabeth gespielt. Daß dieses Schloß längst verschwunden, habe ich zu anderer Zeit ge- schrieben, ebenso daß sich jetzt dort ein wahrhaft kolossales Etablissement, eine neue Sammtfabrik, erhebt. Zu dem Hauptgebäude derselben hat König Ludwig mit der Groß- herzogin Mathilde am 17. Juli den Eckstein gelegt. Ein besonders festlicher Tag war aber der 29. Juni. König Ludwig führte an diesem seine kaiserliche Schwester nach Speyer, um ihr die Herrlichkeit des neu erstandenen Kaiserdomes zu zeigen, und freute sich innig des Beifalls, den sie dieser seiner erhabenen Schöpfung zollte. Die Dombaukasse ist dabei nicht leer ausgegangen, indem die hohe Dame ihr ein Geschenk von 1500 Gulden über- machen ließ. Unter den sonstigen Städten und Orten, denen die Ehre des kaiserlichen und königlichen Besuches zu Theil geworden, und unter welchen natürlich das reizend gelegene Dürkheim nicht fehlte, hebe ich nur Kaiserslautern und Otterberg heraus. Die alte schöne und große byzan- tinische Kirche des letztgenannten Städtchens hatte den König schon vor dreizehn Jahren einmal dahin gezogen, nun führte er auch die Schwester und die beiden Töchter dahin. Jn Kaiserslautern fanden die Herrschaften freilich keinen Rest mehr von dem Palaste der Hohenstaufen, aber die Stelle, wo er einst gestanden, besuchten sie doch, so wie auch die gothische Stiftskirche aus jener Zeit; bewir- thet aber wurden sie in einem der Paläste unserer Zeit, nämlich in dem großen Saale der von Professor Voit er- bauten prächtigen Fruchthalle, demselben Raume, in wel- chem weiland die provisorische Regierung der revolutio- nirten Pfalz mit ihren Freischaarenrotten ihr unsauberes Wesen getrieben, Die Zahl der Gäste auf Ludwigshöhe sollte sich noch mehren. Zu kürzerem Besuche kam Erzherzog Albrecht von Oesterreich, zu längerem König Otto von Griechen- land, den die pfälzische Bevölkerung schon um seiner schö- nen griechischen Tracht willen mit besonderem Jnteresse betrachtete. Zum Feste der Himmelfahrt Mariä erschien der ganze Hof beim Hochamt im Dom zu Speyer, und diese Stadt feierte wieder einen ihrer glänzenden Tage, die an die Herrlichkeiten einer längst entschwundenen Zeit gemahnen. Das Hauptfest im Laufe des Sommers war aber das Geburts= und Namensfest König Ludwigs am 25. August, an dem er das siebzigste Lebensjahr vollen- det hat. Hohe Freudenfeuer lohten am Vorabende dieses Tages auf den Bergen empor, ein Fackelständchen wurde vor der Villa gebracht, um die sich eine große Menschen- menge gesammelt hatte, und alle Glocken der Umgegend klangen durch die schöne, helle Sommernacht. Der König, der am Mittag die von München gekommene Deputation der Hauptstadt, den Bürgermeister v. Steinsdorf an der Spitze, empfangen und die pracht = und kunstvolle Adresse entgegen genommen hatte, kam mit dem ganzen Hofe eben von einer Abendfahrt nach der Maxburg zurück und war sehr erfreut und gerührt ob allen dieser Kundgebungen dankbarer Liebe und Anhänglichkeit, die sich Tags darauf in anderer Gestalt wiederholten, als der Hof vom Dorfe Haardt zurückkehrte, wo er den siebzigsten Geburtstag des Königs bei festlichem Mahl im Landhause eines Privaten gefeiert hatte. Die Stadt Edenkoben war festlich beleuchtet und ein solenner Ball, den die hohen Herrschaften mit ihrer Gegenwart beehrten, schloß die Feier des Tages. Mit dem 1. September ward es wieder still auf Ludwigs- höhe, und der liebliche Sommersitz wartet nun wieder, hoffentlich nicht allzulange, auf andere Tage neuen, fest-

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Zitationshilfe: Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 48. Stuttgart/Tübingen, 30. November 1856, S. 1150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt48_1856/22>, abgerufen am 28.05.2024.