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[N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

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ihre species nur wenige sind, ihre Größe aber ist bedeutend, ich
fand welche von 300' Höhe.

Auch nahe am Pol finden sich noch viele Pflanzen. Parry
hat von der Melville Insel 70 species mitgebracht. (Ich rede hier
immer nur von Pflanzen höherer Organisation) Auf dieser
Insel welche unter 75° N. B. liegt, findet sich sogar noch ein kleiner
Baum salix arctica. Spitzbergen scheint ärmer an Pflanzen zu
sein. Man glaubte, daß auf der Südhemisphaere die Pflanzen-
decke nicht so weit nach Süden reiche; Förster behauptete, daß im
Sandwichland gar keine Pflanzen wachsen, doch in Neushetland
sind welche gefunden [u.]und Bellinghausen brachte welche mit aus
den Alexander [u.]und Pauls Inseln. Auf den Andes habe ich noch
bei 17500' umilicaria gefunden, eine Kryptogame. Bei 15000'
giebt es noch schöne Phanerogamen. Die Kälte ist es wahrscheinlich
nicht, die die Pflanzen hindert noch höher zu kommen, sondern
vielmehr der Schnee [u.]und dasselbe gilt auch wohl von der Polarregion.

Die Alpenpflanzen sind merkwürdig wegen ihrer Dürre,
Harzigkeit [u.]und den vielen Haaren, die sie umhüllen. Die Ursache
davon liegt wahrscheinlich im Barometerdruck. Die höchstmöglichste
Respiration findet sich bei diesen Alpenpflanzen, wozu sie geneigt
werden durch die Dünne der Luft u. durch das Licht. Dadurch entstehen
auch wohl die Haare, denn diese sind nichts weiter als Werk-
zeuge der Ausdünstung der Oberhaut der Pflanzen. Aus dem-
selben Grunde sind sie so schwer auf der Ebene zu cultiviren,
denn das Licht [u.]und den Luftdruck kann man ihnen künstlich nicht
geben. Die chemische Beschaffenheit des Bodens habe ich nicht mit-
genannt, weil nach Theodor v. Saussure nur wenig hierauf

ihre species nur wenige sind, ihre Größe aber ist bedeutend, ich
fand welche von 300′ Höhe.

Auch nahe am Pol finden sich noch viele Pflanzen. Parrÿ
hat von der Melville Insel 70 species mitgebracht. (Ich rede hier
immer nur von Pflanzen höherer Organisation) Auf dieser
Insel welche unter 75° N. B. liegt, findet sich sogar noch ein kleiner
Baum salix arctica. Spitzbergen scheint ärmer an Pflanzen zu
sein. Man glaubte, daß auf der Südhemisphaere die Pflanzen-
decke nicht so weit nach Süden reiche; Förster behauptete, daß im
Sandwichland gar keine Pflanzen wachsen, doch in Neushetland
sind welche gefunden [u.]und Bellinghausen brachte welche mit aus
den Alexander [u.]und Pauls Inseln. Auf den Andes habe ich noch
bei 17500′ umilicaria gefunden, eine Krÿptogame. Bei 15000′
giebt es noch schöne Phanerogamen. Die Kälte ist es wahrscheinlich
nicht, die die Pflanzen hindert noch höher zu kommen, sondern
vielmehr der Schnee [u.]und dasselbe gilt auch wohl von der Polarregion.

Die Alpenpflanzen sind merkwürdig wegen ihrer Dürre,
Harzigkeit [u.]und den vielen Haaren, die sie umhüllen. Die Ursache
davon liegt wahrscheinlich im Barometerdruck. Die höchstmöglichste
Respiration findet sich bei diesen Alpenpflanzen, wozu sie geneigt
werden durch die Dünne der Luft u. durch das Licht. Dadurch entstehen
auch wohl die Haare, denn diese sind nichts weiter als Werk-
zeuge der Ausdünstung der Oberhaut der Pflanzen. Aus dem-
selben Grunde sind sie so schwer auf der Ebene zu cultiviren,
denn das Licht [u.]und den Luftdruck kann man ihnen künstlich nicht
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genannt, weil nach Theodor v. Saussure nur wenig hierauf

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[[289]/0295] ihre species nur wenige sind, ihre Größe aber ist bedeutend, ich fand welche von 300′ Höhe. Auch nahe am Pol finden sich noch viele Pflanzen. Parrÿ hat von der Melville Insel 70 species mitgebracht. (Ich rede hier immer nur von Pflanzen höherer Organisation) Auf dieser Insel welche unter 75° N. B. liegt, findet sich sogar noch ein kleiner Baum salix arctica. Spitzbergen scheint ärmer an Pflanzen zu sein. Man glaubte, daß auf der Südhemisphaere die Pflanzen- decke nicht so weit nach Süden reiche; Förster behauptete, daß im Sandwichland gar keine Pflanzen wachsen, doch in Neushetland sind welche gefunden u.und Bellinghausen brachte welche mit aus den Alexander u.und Pauls Inseln. Auf den Andes habe ich noch bei 17500′ umilicaria gefunden, eine Krÿptogame. Bei 15000′ giebt es noch schöne Phanerogamen. Die Kälte ist es wahrscheinlich nicht, die die Pflanzen hindert noch höher zu kommen, sondern vielmehr der Schnee u.und dasselbe gilt auch wohl von der Polarregion. Die Alpenpflanzen sind merkwürdig wegen ihrer Dürre, Harzigkeit u.und den vielen Haaren, die sie umhüllen. Die Ursache davon liegt wahrscheinlich im Barometerdruck. Die höchstmöglichste Respiration findet sich bei diesen Alpenpflanzen, wozu sie geneigt werden durch die Dünne der Luft u. durch das Licht. Dadurch entstehen auch wohl die Haare, denn diese sind nichts weiter als Werk- zeuge der Ausdünstung der Oberhaut der Pflanzen. Aus dem- selben Grunde sind sie so schwer auf der Ebene zu cultiviren, denn das Licht u.und den Luftdruck kann man ihnen künstlich nicht geben. Die chemische Beschaffenheit des Bodens habe ich nicht mit- genannt, weil nach Theodor v. Saussure nur wenig hierauf

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Anonym (Hg.): Alexander von Humboldts Vorlesungen über physikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. Berlin, 1934. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

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Zitationshilfe: [N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. [289]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827/295>, abgerufen am 19.04.2024.