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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 24. Köln, 24. Juni 1848. Beilage.

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Beilage zu Nr. 24 der Neuen Rheinischen Zeitung,
Samstag, 24. Juni.
Verfassungsentwurf für die französische Republik.

In Gegenwart Gottes und im Namen des französischen Volkes proklamirt und dekretirt die Nationalversammlung folgendes:

Erklärung der Rechte und Pflichten.

Art. 1. Die Pflichten des Menschen in der Gesellschaft fassen sich zusammen in der Achtung vor der Verfassung, in der Unterwürfigkeit unter die Gesetze, in der Vertheidigung des Vaterlandes, in der Erfüllung der Familienpflichten, und in der brüderlichen Bethätigung des Grundsatzes: Thue keinem Andern, was du nicht willst, daß man dir selbst thue; thue Andern, was du willst, daß sie dir thun.

Art. 2. Die Verfassung verbürgt allen Bürgern:

die Freiheit,
die Gleichheit,
die Sicherheit,
die Erziehung,
die Arbeit,
das Eigenthum,
den Beistand.

Art. 3. Die Freiheit besteht in dem Recht der freien Bewegung, in dem Recht sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, sich zu vereinigen, Petitionen einzugeben, seinen Gottesdienst zu üben, seine Gedanken und Meinungen kund zu thun auf dem Wege der Presse oder auf sonstige Weise.

Die Ausübung dieser Rechte hat keine andern Gränzen als die Rechte und die Freiheit der übrigen Menschen oder die öffentliche Sicherhrit.

Art: 4. Die Gleichheit besteht in der Ausschließung jedes Titels und Vorrechts der Geburt, der Klasse oder Kaste; in der Zulassung eines Jeden zu allen öffentlichen Aemtern, ohne andere Bevorrechtigung als die der Tugend und des Talentes, und in der gleichmäßigen (equitable) Theilnahme aller Bürger an den Lasten und Vortheilen der Gesellschaft.

Art. 5. Die Sicherheit besteht in dem Schutze der Familie, der Personen, des Domizils, der Rechte und des Eigenthums jedes Mitgliedes der Gesellschaft.

Art. 6. Das Recht auf Erziehung ist dasjenige Recht, welches alle Bürger besitzen, einen zur Entwicklung ihrer physischen, moralischen und intellektuellen Fähigkeiten geeigneten Unterricht von dem Staate unentgeldlich zu erhalten.

Art. 7. Das Recht auf Arbeit ist das Recht eines jeden, arbeitend leben zu können.

Die Gesellschaft hat die Verpflichtung, durch die ihr zu Gebote stehenden allgemeinen Produktionsmittel, deren Organisation vorbehalten bleibt, allen Arbeitsfähigen die Arbeit zu verschaffen, die sie sich auf sonstige Weise nicht verschaffen können.

Art. 8. Das Eigenthum besteht in dem Rechte, über seine Güter, seine Einkünfte, die Früchte seiner Arbeit, seiner Intelligenz und seiner Industrie zu verfügen und sie zu genießen.

Art. 9. Das Recht auf Beistand ist das Recht der verlassenen Kinder, der Arbeitsunfähigen und der Greise vom Staat ihre Existenzmittel zu erhalten.

Verfassung.

Erstes Kapitel.

Von der Volkssouveränität.

Art. 10. Frankreich ist eine einige und untheilbare demokratische Republik.

Art. 11. Die französische Republik hat zum Dogma: die Freiheit, die Gleichheit und die Brüderlichkeit.

Art. 12. Die Souveränität ruht in der Gesammtheit aller französischen Bürger.

Sie ist unveräußerlich und unverjährbar.

Kein Individuum, keine Fraktion des Volkes kann sich ihre Ausübung zuerkennen.

Art. 13. Alle öffentlichen Gewalten, welcher Art sie sein mögen, gehen vom Volke aus.

Sie können nicht erblich übertragen werden.

Art. 14. Die Trennung der Gewalten ist die erste Bedingung einer freien Regierung.

Zweites Kapitel.

Ueber die gesetzgebende Gewalt.

Art. 15. Das französische Volk überträgt die gesetzgebende Gewalt einer einzigen Versammlung.

Art. 16. Die Wahl hat zur Grundlage die Bevölkerung.

Art. 17. Die Gesammtzahl der Volksrepräsentanten besteht aus 750 Mitgliedern, mit Einschluß der Repräsentanten Algiers und der französischen Kolonien.

Art. 18. Diese Zahl wird auf 900 gesteigert für die Versammlungen zur Revision der Verfassung.

Art. 19. Das Stimmrecht ist direkt und allgemein.

Art. 20. Wähler sind alle Franzosen, die 21 Jahre alt sind und ihre bürgerlichen und politischen Rechte besitzen.

Art. 21. Wählbar sind, ohne Rücksicht auf Wahlcensus und Wohnsitz, alle Franzosen von 25 Jahren, die ihre bürgerlichen und politischen Rechte besitzen.

Art. 22. Weder Wähler noch wählbar sind 1. alle nicht rehabilitirte Falliten; 2) die, Individuen welche verurtheilt worden sind, sei es zu körperlichen oder infamirenden Strafen, sei es zu Zuchtpolizeistrafen für Verbrechen oder für Vergehen folgender Art: Diebstahl, Prellerei, Vertrauensmißbrauch, Attentat auf die guten Sitten.

Art. 23. Das Wahlgesetz wird diejenigen Beamten bezeichnen, die in dem Bezirke, wo sie ihr Amt ausüben, nicht gewählt werden können.

Art. 24. Die Abstimmung ist geheim.

Art. 25. Die Wahl geschieht nach Departements, an dem Hauptorte des Kantons und durch Stimmzettel.

Art. 26. Die National-Versammlung prüft die Vollmachten ihrer Mitglieder und beschließt über die Gültigkeit der Wahlen.

Art. 27. Sie ist auf drei Jahre gewählt, und wird dann in ihrer Gesammtheit erneuert.

Art. 28. Sie ist permanent; dessenungeachtet kann sie sich auf eine von ihr zu bestimmende Zeit vertagen, die jedoch nicht über drei Monat hinausgehen darf.

Art. 29. Die Repräsentanten sind immer wieder wählbar.

Art. 30. Die Repräsentanten der National-Versammlung sind die Repräsentanten nicht eines bestimmten Departements, das sie ernennt, sondern von ganz Frankreich.

Art. 31. Sie können kein bindendes Mandat erhalten.

Art. 32. Die Volksrepräsentanten sind unverletzbar. Sie können zu keiner Zeit für die Meinungen, welche sie in den Sitzungen der National-Versammlung ausgesprochen haben, in Untersuchung gezogen, angeklagt oder verurtheilt werden.

Art. 33. In Kriminalsachen können sie außer wenn sie auf frischer That betroffen werden, nur mit Zustimmung der Versammlung verfolgt oder arretirt werden.

Art. 34. Mit dem Mandate des Volksrepräsentanten sind alle diejenigen Funktionen unverträglich, deren Inhaber absetzbar sind.

Art. 35. Kein Mitglied kann während der Dauer der gesetzgebenden Versammlung zu Funktionen ernannt oder befördert werden, deren Besetzung der exekutiven Gewalt vorbehalten bleibt.

Art. 36. Die Mitglieder der Nationalversammlung, welche öffentliche Aemter bekleiden, treten ihre Stelle an Ersatzmänner ab, und erhalten während der Dauer ihres Mandats keine Besoldung.

Art. 37. Von den Bestimmungen der Art. 34, 35 und 36 sind ausgenommen

1) die Minister,
2) die Unterstaatssekretäre,
3) der Generalprokurator beim Kassationshofe,
4) der Generalprokurator beim Appelhofe von Paris,
5) der Maire von Paris,
6) der Polizeipräfekt,
7) der Kommandant der Pariser Nationalgarde und alle diejenigen, welche durch Ausnahmegesetze bezeichnet werden.

Art. 38. Jeder Volksrepräsentant erhält eine Entschädigung, auf welche er auch verzichten kann.

Art. 39. Die Sitzungen der Nationalversammlung sind öffentlich.

Dessenungeachtet kann die Versammlung sich als geheimes Comite konstituiren, auf Verlangen der durch das Reglement bestimmten Anzahl von Repräsentanten.

Art. 40. Die Versammlung erläßt Gesetze und Dekrete.

Die Dekrete beziehen sich lediglich auf lokale und Privatinteressen.

Die Anwesenheit von Einem mehr als die Hälfte der Mitglieder ist zur Gültigkeit eines abzustimmenden Gesetzes nothwendig.

Das Reglement bestimmt die Anzahl der Mitglieder, deren Gegenwart zur Gültigkeit eines Dekrets erforderlich ist.

Art. 41. Mit Ausnahme der dringenden Fälle, kann über keinen Gesetzentwurf definitiv abgestimmt werden, wenn er nicht vorher 3 Mal verlesen und zwar jedesmal mit einer dazwischenliegenden Frist von wenigstens 10 Tagen.

Art. 42. Jeder Dringlichkeitsmotion muß eine Darlegung der Motive vorhergehen.

Der Vorschlag wird in derselben Sitzung an die Büreaus verwiesen.

Eine von den Büreaus ernannte Kommission stattet Bericht ab ausschließlich über die Dringlichkeit.

Wenn die Versammlung der Meinung ist, daß der Fall der Dringlichkeit vorhanden ist, so gibt sie ihre Erklärung darüber, und setzt sofort den Zeitpunkt der Diskussion fest.

Entscheidet sie aber, daß keine Dringlichkeit vorhanden ist, so folgt der Entwurf dem Geschäftsgange der gewöhnlichen Anträge.

Drittes Kapitel.

Art. 43. Das französische Volk übergibt die vollziehende Gewalt einem Bürger, der den Titel eines Präsidenten der Republik erhält.

Art. 44. Um Präsident der Republik zu werden, muß man geborner Franzose und wenigstens dreißig Jahre alt sein.

Art. 45. Der Präsident wird durch direkte und allgemeine Wahl ernannt, in geheimer Abstimmung und mit absoluter Majorität der Stimmenden.

Art. 46. Die Protokolle der Wahlen werden unmittelbar der National-Versammlung übergeben, welche ohne Verzug über die Gültigkeit der Wahl statuirt und den Präsidenten der Republik proklamirt.

Wenn kein Kandidat mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhalten hat, so wählt die Nationalversammlung durch absolute Majorität und in geheimer Abstimmung den Präsidenten der Republik aus denjenigen fünf Kandidaten, welche die meisten Stimmen erhalten haben.

Art. 47. Der Präsident der Republik wird auf die Dauer von vier Jahren gewählt und ist erst vier Jahre nach Ablauf seiner Amtsdauer wieder wählbar.

Art. 48. Er ist beauftragt, die Vollziehung der Gesetze zu überwachen und sicher zu stellen.

Art. 49. Er verfügt über die bewaffnete Macht, ohne sie jedoch in Person kommandiren zu können.

Art. 50. Es kann keinen Theil des Gebiets abtreten, noch den gesetzgebenden Körper auflösen, noch in irgend einer Weise die Herrschaft der Konstitution und der Gesetze suspendiren.

Art. 51. Er legt jedes Jahr durch eine Botschaft der Versammlung eine Uebersicht vor über den allgemeinen Stand der Angelegenheiten der Republik.

Art. 52. Er unterhandelt über die Verträge.

Kein Vertrag gilt als definitiver, bevor er von der Nationalversammlung geprüft und ratifizirt worden ist.

Art. 53. Er hat das Recht zu begnadigen, aber er kann dieses Recht nur ausüben auf den Antrag des Justizministers und nach Einholung des Gutachtens des Staatsraths.

Art. 54. Er publicirt die Gesetze im Namen des französischen Volkes.

Art. 55. Die dringenden Gesetze werden innerhalb zweier Tage, und die übrigen Gesetze innerhalb 8 Tage, von dem Tage der Zustellung derselben an den Präsidenten der Republik durch den Präsidenten der Nationalversammlung gerechnet, publizirt.

Art. 56. Hat der Präsident der Republik wichtige Einwendungen gegen einen von der Nationalversammlung angenommenen Gesetz- oder Dekretentwurf, so kann er innerhalb des für die Publikation bestimmten Zeitraumes der Versammlung eine Botschaft zugehen lassen, worin er seine Einwendungen auseinandersetzt und eine neue Berathung verlangt.

Die Versammlung berätht; ihr Beschluß wird definitiv, und dieser dem Präsidenten der Republik zugesandt. Die Publikation findet binnen des für Gesetze und Dekrete von Dringlichkeit bestimmten Zeitraumes Statt.

Art. 57. Unterließe der Präsident die Publikation innerhalb der in den vorigen Artikeln bestimmten Fristen, so würde vom Präsidenten der Nationalversammlung dafür gesorgt werdene

Art. 58. Der Präsident empfängt die bei der Republik akkreditirten Gesandten und Bevollmächtigten der fremden Mächte.

Art. 59. Er führt bei nationalen Feierlichkeiten den Vorsitz.

Art. 60. Er erhält von der Republik freie Wohnung und ein jährliches Gehalt von 600,000 Frcs.

Art. 61. Er residirt am Sitze der Regierung.

Art. 62. Der Präsident der Republik ernennt und entläßt die Minister nach seinem Gutdünken.

Im Ministerrath ernennt und entläßt er die diplomatischen Agenten, die Generale und Kommandanten der Armee und Flotte, den Maire von Paris, die Gouverneure der Kolonien von Algier und der Bank von Frankreich, die General-Prokuratoren und andere höhere Beamte.

Er ernennt und entläßt die Regierungsagenten zweiten Ranges nach dem Vorschlage des kompetenten Ministers.

Art. 63. Er hat das Recht, die Maire't und andere von den Bürgern erwählte Agenten der Vollziehungsgewalt, aber höchstens auf 3 Monate, zu suspendiren.

Absetzen kann er dieselben nur unter Zustimmung des Staatsrathes.

Das Gesetz bestimmt den Fall, wo die abgesetzten Beamten für die nämlichen Stellen nicht wieder wählbar erklärt werden können. Die Erklärung dieser Nichtwählbarkeit kann nur durch eine Jury ausgesprochen werden.

Art. 64. Die Zahl der Minister wird nebst ihren Attributionen von der gesetzgebenden Gewalt festgestellt.

Art. 65. Andere Akte des Präsidenten, als die, mittelst welcher er die Minister ernennt und entläßt, sind ohne Wirkung, wenn sie nicht von einem Minister gegengezeichnet sind.

Art. 66. Der Präsident, die Minister, die Agenten und Innhaber der öffentlichen Gewalt, sind, so weit es Jeden derselben angeht, für alle Akte der Regierung und Verwaltung verantwortlich.

Ein Gesetz wird die Fälle der Verantwortlichkeit, die Garantien der Beamten und die Art der gerichtlichen Verfolgung bestimmen.

Art. 67. Die Minister haben in den Schooß der Nationalversammlung Zutritt; sie werden gehört, so oft sie es verlangen.

Art. 68. Es wird ein Vice-Präsident der Republik von der National-Versammlung auf 4 Jahre erwählt, nachdem ihr der Präsident im Laufe des seiner eigenen Wahl folgenden Monates Vorschläge dazu gemacht hat.

Im Verhinderungsfalle des Präsidenten vertritt ihn der Vizepräsident und übt seine Funktionen aus.

Wird die Präsidentschaft durch Tod, Zurücktreten des Präsidenten oder auf andere Weise erledigt, so wird innerhalb eines Monats zur Wahl eines neuen Präsidenten geschritten.

Viertes Kapitel.

Vom Staatsrath.

Art. 69. Es besteht ein aus mindestens 40 Mitgliedern zusammengesetzter Staatsrath.

Der Vizepräsident ist von Rechtswegen Präsident des Staatsrathes.

Art. 70. Die Mitglieder dieses Rathes könne nur von der Nationalversammlung im ersten Monat, nachdem sie sich konstituirt hat, in geheimer Abstimmung und mit absoluter Majorität auf 3 Jahre ernannt. Sie sind stets wieder wählbar.

Art. 71. Werden Mitglieder der Nationalversammlung in den Staatsrath ernannt, so muß ihre Stelle als Volksvertreter sofort ausgefüllt werden.

Art. 72. Die Mitglieder dieses Rathes werden von der Nationalversammlung auf Vorschlag des Präsidenten der Republik abgesetzt werden.

Art. 73. Der Staatsrath redigirt die von der Regierung der Nationalversammlung vorzulegenden Gesetzentwürfe, welche ihm von der National-Versammlung mittelst parlamentarischer Initiative zur Prüfung überwiesen werden.

Er verfaßt, nach speziellem Auftrage der Nationalversammlung die Reglements für die öffentliche Verwaltung.

Er übt in Betreff der Departements- und Munizipal-Verwaltungsbehörden alle vom Gesetz ihm übertragene Macht der Kontrole und Ueberwachung aus.

Ein besonderes Gesetz wird seine übrigen Zuständigkeiten regeln.

Art. 74. Nach Ablauf ihres Amtes sind der Präsident und der Vizepräsident der Republik von Rechtswegen Mitglieder der Staatsraths.

Fünftes Kapitel.

Von der innern Verwaltung.

Art. 75. Die gegenwärtige Eintheilung des Gebiets in Departements, Kantone und Gemeinden kann nur durch das Gesetz verändert werden.

Art. 76. Is besteht: 1) in jedem Departement eine Verwaltung, zusammengesetzt aus einem Präfekten, einem Generalrath und einem Verwaltungstribunal, daß die Funktionen eines Präfekturrathes ausübt.

2) In jedem Arrondissement ein Unterpräfekt.

3) In jedem Kanton ein Rath, gebildet aus den Maires aller Gemeinden des Kantons.

4) In jeder Gemeinde eine Verwaltung, bestehend aus dem Maire, den Beigeordneten und dem Gemeinderath.

Art. 77. Der Gemeinderath wählt den Maire und die Beigeordneten aus seiner Mitte.

Art. 78. Ein Gesetz wird die Zuständigkeiten der Gemeideräthe, Kantonalräthe und Generalräthe regeln.

Art. 79. Die Generalräthe und die Gemeinderäthe werden durch direkte Abstimmung aller im Departement oder der Gemeinde domizilirter Bürger gewählt.

Ein besonderes Gesetz wird den Wahlmodus in Paris und den Städten von mehr als 100,000 Seelen regeln.

Art. 80. Die General- und Gemeinderäthe können unter Zustimmung des Staatsraths durch den Präsidenten der Republik aufgelöst werden.

Sechstes Kapitel.

Von der richterlichen Gewalt.

Art. 81. Die Justiz wird im Namen des Volks ausgeübt.

Sie ist unentgeldlich.

Die Debatten sind öffentlich falls die Oeffentlichkeit nicht gefährlich für die Sitten und die Ordnung ist.

Die Formen der Prozedur werden abgekürzt und vereinfacht werden.

Art. 82. Die Jury bleibt in Kriminalfällen beibehalten.

Art. 83. Sie wird ausgedehnt auf Korrektionel- und Civilsachen in den Fällen und unter den Formen, die das Gesetz vorschreiben wird.

Art. 84. Die Friedensrichter und ihre Stellvertreter werden im Hauptorte des Kantons gewählt durch direkte Abstimmung aller im Kanton domizilirter Bürger.

Art. 85. Die Richter erster Instanz und der Appellhöfe werden durch den Präsidenten der Republik ernannt, nach einer Reihenfolge der Kandidatur, die das Gesetz über die Gerichts-Organisation regeln wird.

Art. 86. Die Richter am Kassationshofe ernennt die Nationalversammlung.

Art. 87. Die Beamten des öffentlichen Ministeriums ernennt der Präsident der Republik.

Art. 88. Die Richter erster Instanz, die an den Appellhöfen und am Kassationshofe, werden auf Lebenszeit ernannt.

Sie können durch ein Urtheil abgesetzt oder suspendirt werden, wegen der Ursachen und in den Formen, die die Gesetze vorschreiben.

Das Gesetz über die Gerichts-Organisation wird das Alter bestimmen, in welchem die Richter pensionirt werden können.

Art. 89. Die Kriegsgerichte der Armee und Flotte, die Handels- und und andere Spezialtribunale, behalten ihre gegenwärtigen Zuständigkeiten bis ein Gesetz anders verfügt.

Art. 90. In jedem Departement wird ein Verwaltungstribunal niedergesetzt, welches über die Streitigkeiten der Administration erkennt.

Die Mitglider dieses Tribunals werden vom Präsidenten der Republik aus einer Liste der vom Generalrathe des Departements vorgeschlagenen Kandidaten ernannt.

Art. 91. Es besteht für ganz Frankreich ein Verwaltungs-Obertribunal das uber alle Streitigkeiten der Administration entscheidet und dessen Zusammensetzung, Attributionen und Formen durch das Gesetz geregelt werden.

Die Mitglieder des Verwaltungstribunals werden ernannt vom Präsidenten der Republik, aus einer vom Staatsrath festgestellten Kandidatenliste.

Sie können nur durch den Präsidenten der Republik nach Anhörung des Staatsraths abgesetzt werden.

Art. 92. Die Mitglieder des Rechnungshofs werden ebenso ernannt und abgesetzt.

Art. 93. Die Kompetenzkonflikte zwischen der administrativen und richterlichen Behörde werden durch ein besonderes Tribunal von Kassations- und Staatsräthen entschieden, die alle drei Jahre in gleicher Zahl durch ihre resp. Körperschaften bezeichnet werden.

Der Minister der Justiz ist Präsident dieses Tribunals.

Art. 94. Rekurse gegen die Entscheidungen des Rechnungshofs werden vor die Konflikts-Gerichtsbarkeit gebracht.

Beilage zu Nr. 24 der Neuen Rheinischen Zeitung,
Samstag, 24. Juni.
Verfassungsentwurf für die französische Republik.

In Gegenwart Gottes und im Namen des französischen Volkes proklamirt und dekretirt die Nationalversammlung folgendes:

Erklärung der Rechte und Pflichten.

Art. 1. Die Pflichten des Menschen in der Gesellschaft fassen sich zusammen in der Achtung vor der Verfassung, in der Unterwürfigkeit unter die Gesetze, in der Vertheidigung des Vaterlandes, in der Erfüllung der Familienpflichten, und in der brüderlichen Bethätigung des Grundsatzes: Thue keinem Andern, was du nicht willst, daß man dir selbst thue; thue Andern, was du willst, daß sie dir thun.

Art. 2. Die Verfassung verbürgt allen Bürgern:

die Freiheit,
die Gleichheit,
die Sicherheit,
die Erziehung,
die Arbeit,
das Eigenthum,
den Beistand.

Art. 3. Die Freiheit besteht in dem Recht der freien Bewegung, in dem Recht sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, sich zu vereinigen, Petitionen einzugeben, seinen Gottesdienst zu üben, seine Gedanken und Meinungen kund zu thun auf dem Wege der Presse oder auf sonstige Weise.

Die Ausübung dieser Rechte hat keine andern Gränzen als die Rechte und die Freiheit der übrigen Menschen oder die öffentliche Sicherhrit.

Art: 4. Die Gleichheit besteht in der Ausschließung jedes Titels und Vorrechts der Geburt, der Klasse oder Kaste; in der Zulassung eines Jeden zu allen öffentlichen Aemtern, ohne andere Bevorrechtigung als die der Tugend und des Talentes, und in der gleichmäßigen (équitable) Theilnahme aller Bürger an den Lasten und Vortheilen der Gesellschaft.

Art. 5. Die Sicherheit besteht in dem Schutze der Familie, der Personen, des Domizils, der Rechte und des Eigenthums jedes Mitgliedes der Gesellschaft.

Art. 6. Das Recht auf Erziehung ist dasjenige Recht, welches alle Bürger besitzen, einen zur Entwicklung ihrer physischen, moralischen und intellektuellen Fähigkeiten geeigneten Unterricht von dem Staate unentgeldlich zu erhalten.

Art. 7. Das Recht auf Arbeit ist das Recht eines jeden, arbeitend leben zu können.

Die Gesellschaft hat die Verpflichtung, durch die ihr zu Gebote stehenden allgemeinen Produktionsmittel, deren Organisation vorbehalten bleibt, allen Arbeitsfähigen die Arbeit zu verschaffen, die sie sich auf sonstige Weise nicht verschaffen können.

Art. 8. Das Eigenthum besteht in dem Rechte, über seine Güter, seine Einkünfte, die Früchte seiner Arbeit, seiner Intelligenz und seiner Industrie zu verfügen und sie zu genießen.

Art. 9. Das Recht auf Beistand ist das Recht der verlassenen Kinder, der Arbeitsunfähigen und der Greise vom Staat ihre Existenzmittel zu erhalten.

Verfassung.

Erstes Kapitel.

Von der Volkssouveränität.

Art. 10. Frankreich ist eine einige und untheilbare demokratische Republik.

Art. 11. Die französische Republik hat zum Dogma: die Freiheit, die Gleichheit und die Brüderlichkeit.

Art. 12. Die Souveränität ruht in der Gesammtheit aller französischen Bürger.

Sie ist unveräußerlich und unverjährbar.

Kein Individuum, keine Fraktion des Volkes kann sich ihre Ausübung zuerkennen.

Art. 13. Alle öffentlichen Gewalten, welcher Art sie sein mögen, gehen vom Volke aus.

Sie können nicht erblich übertragen werden.

Art. 14. Die Trennung der Gewalten ist die erste Bedingung einer freien Regierung.

Zweites Kapitel.

Ueber die gesetzgebende Gewalt.

Art. 15. Das französische Volk überträgt die gesetzgebende Gewalt einer einzigen Versammlung.

Art. 16. Die Wahl hat zur Grundlage die Bevölkerung.

Art. 17. Die Gesammtzahl der Volksrepräsentanten besteht aus 750 Mitgliedern, mit Einschluß der Repräsentanten Algiers und der französischen Kolonien.

Art. 18. Diese Zahl wird auf 900 gesteigert für die Versammlungen zur Revision der Verfassung.

Art. 19. Das Stimmrecht ist direkt und allgemein.

Art. 20. Wähler sind alle Franzosen, die 21 Jahre alt sind und ihre bürgerlichen und politischen Rechte besitzen.

Art. 21. Wählbar sind, ohne Rücksicht auf Wahlcensus und Wohnsitz, alle Franzosen von 25 Jahren, die ihre bürgerlichen und politischen Rechte besitzen.

Art. 22. Weder Wähler noch wählbar sind 1. alle nicht rehabilitirte Falliten; 2) die, Individuen welche verurtheilt worden sind, sei es zu körperlichen oder infamirenden Strafen, sei es zu Zuchtpolizeistrafen für Verbrechen oder für Vergehen folgender Art: Diebstahl, Prellerei, Vertrauensmißbrauch, Attentat auf die guten Sitten.

Art. 23. Das Wahlgesetz wird diejenigen Beamten bezeichnen, die in dem Bezirke, wo sie ihr Amt ausüben, nicht gewählt werden können.

Art. 24. Die Abstimmung ist geheim.

Art. 25. Die Wahl geschieht nach Departements, an dem Hauptorte des Kantons und durch Stimmzettel.

Art. 26. Die National-Versammlung prüft die Vollmachten ihrer Mitglieder und beschließt über die Gültigkeit der Wahlen.

Art. 27. Sie ist auf drei Jahre gewählt, und wird dann in ihrer Gesammtheit erneuert.

Art. 28. Sie ist permanent; dessenungeachtet kann sie sich auf eine von ihr zu bestimmende Zeit vertagen, die jedoch nicht über drei Monat hinausgehen darf.

Art. 29. Die Repräsentanten sind immer wieder wählbar.

Art. 30. Die Repräsentanten der National-Versammlung sind die Repräsentanten nicht eines bestimmten Departements, das sie ernennt, sondern von ganz Frankreich.

Art. 31. Sie können kein bindendes Mandat erhalten.

Art. 32. Die Volksrepräsentanten sind unverletzbar. Sie können zu keiner Zeit für die Meinungen, welche sie in den Sitzungen der National-Versammlung ausgesprochen haben, in Untersuchung gezogen, angeklagt oder verurtheilt werden.

Art. 33. In Kriminalsachen können sie außer wenn sie auf frischer That betroffen werden, nur mit Zustimmung der Versammlung verfolgt oder arretirt werden.

Art. 34. Mit dem Mandate des Volksrepräsentanten sind alle diejenigen Funktionen unverträglich, deren Inhaber absetzbar sind.

Art. 35. Kein Mitglied kann während der Dauer der gesetzgebenden Versammlung zu Funktionen ernannt oder befördert werden, deren Besetzung der exekutiven Gewalt vorbehalten bleibt.

Art. 36. Die Mitglieder der Nationalversammlung, welche öffentliche Aemter bekleiden, treten ihre Stelle an Ersatzmänner ab, und erhalten während der Dauer ihres Mandats keine Besoldung.

Art. 37. Von den Bestimmungen der Art. 34, 35 und 36 sind ausgenommen

1) die Minister,
2) die Unterstaatssekretäre,
3) der Generalprokurator beim Kassationshofe,
4) der Generalprokurator beim Appelhofe von Paris,
5) der Maire von Paris,
6) der Polizeipräfekt,
7) der Kommandant der Pariser Nationalgarde und alle diejenigen, welche durch Ausnahmegesetze bezeichnet werden.

Art. 38. Jeder Volksrepräsentant erhält eine Entschädigung, auf welche er auch verzichten kann.

Art. 39. Die Sitzungen der Nationalversammlung sind öffentlich.

Dessenungeachtet kann die Versammlung sich als geheimes Comité konstituiren, auf Verlangen der durch das Reglement bestimmten Anzahl von Repräsentanten.

Art. 40. Die Versammlung erläßt Gesetze und Dekrete.

Die Dekrete beziehen sich lediglich auf lokale und Privatinteressen.

Die Anwesenheit von Einem mehr als die Hälfte der Mitglieder ist zur Gültigkeit eines abzustimmenden Gesetzes nothwendig.

Das Reglement bestimmt die Anzahl der Mitglieder, deren Gegenwart zur Gültigkeit eines Dekrets erforderlich ist.

Art. 41. Mit Ausnahme der dringenden Fälle, kann über keinen Gesetzentwurf definitiv abgestimmt werden, wenn er nicht vorher 3 Mal verlesen und zwar jedesmal mit einer dazwischenliegenden Frist von wenigstens 10 Tagen.

Art. 42. Jeder Dringlichkeitsmotion muß eine Darlegung der Motive vorhergehen.

Der Vorschlag wird in derselben Sitzung an die Büreaus verwiesen.

Eine von den Büreaus ernannte Kommission stattet Bericht ab ausschließlich über die Dringlichkeit.

Wenn die Versammlung der Meinung ist, daß der Fall der Dringlichkeit vorhanden ist, so gibt sie ihre Erklärung darüber, und setzt sofort den Zeitpunkt der Diskussion fest.

Entscheidet sie aber, daß keine Dringlichkeit vorhanden ist, so folgt der Entwurf dem Geschäftsgange der gewöhnlichen Anträge.

Drittes Kapitel.

Art. 43. Das französische Volk übergibt die vollziehende Gewalt einem Bürger, der den Titel eines Präsidenten der Republik erhält.

Art. 44. Um Präsident der Republik zu werden, muß man geborner Franzose und wenigstens dreißig Jahre alt sein.

Art. 45. Der Präsident wird durch direkte und allgemeine Wahl ernannt, in geheimer Abstimmung und mit absoluter Majorität der Stimmenden.

Art. 46. Die Protokolle der Wahlen werden unmittelbar der National-Versammlung übergeben, welche ohne Verzug über die Gültigkeit der Wahl statuirt und den Präsidenten der Republik proklamirt.

Wenn kein Kandidat mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhalten hat, so wählt die Nationalversammlung durch absolute Majorität und in geheimer Abstimmung den Präsidenten der Republik aus denjenigen fünf Kandidaten, welche die meisten Stimmen erhalten haben.

Art. 47. Der Präsident der Republik wird auf die Dauer von vier Jahren gewählt und ist erst vier Jahre nach Ablauf seiner Amtsdauer wieder wählbar.

Art. 48. Er ist beauftragt, die Vollziehung der Gesetze zu überwachen und sicher zu stellen.

Art. 49. Er verfügt über die bewaffnete Macht, ohne sie jedoch in Person kommandiren zu können.

Art. 50. Es kann keinen Theil des Gebiets abtreten, noch den gesetzgebenden Körper auflösen, noch in irgend einer Weise die Herrschaft der Konstitution und der Gesetze suspendiren.

Art. 51. Er legt jedes Jahr durch eine Botschaft der Versammlung eine Uebersicht vor über den allgemeinen Stand der Angelegenheiten der Republik.

Art. 52. Er unterhandelt über die Verträge.

Kein Vertrag gilt als definitiver, bevor er von der Nationalversammlung geprüft und ratifizirt worden ist.

Art. 53. Er hat das Recht zu begnadigen, aber er kann dieses Recht nur ausüben auf den Antrag des Justizministers und nach Einholung des Gutachtens des Staatsraths.

Art. 54. Er publicirt die Gesetze im Namen des französischen Volkes.

Art. 55. Die dringenden Gesetze werden innerhalb zweier Tage, und die übrigen Gesetze innerhalb 8 Tage, von dem Tage der Zustellung derselben an den Präsidenten der Republik durch den Präsidenten der Nationalversammlung gerechnet, publizirt.

Art. 56. Hat der Präsident der Republik wichtige Einwendungen gegen einen von der Nationalversammlung angenommenen Gesetz- oder Dekretentwurf, so kann er innerhalb des für die Publikation bestimmten Zeitraumes der Versammlung eine Botschaft zugehen lassen, worin er seine Einwendungen auseinandersetzt und eine neue Berathung verlangt.

Die Versammlung berätht; ihr Beschluß wird definitiv, und dieser dem Präsidenten der Republik zugesandt. Die Publikation findet binnen des für Gesetze und Dekrete von Dringlichkeit bestimmten Zeitraumes Statt.

Art. 57. Unterließe der Präsident die Publikation innerhalb der in den vorigen Artikeln bestimmten Fristen, so würde vom Präsidenten der Nationalversammlung dafür gesorgt werdene

Art. 58. Der Präsident empfängt die bei der Republik akkreditirten Gesandten und Bevollmächtigten der fremden Mächte.

Art. 59. Er führt bei nationalen Feierlichkeiten den Vorsitz.

Art. 60. Er erhält von der Republik freie Wohnung und ein jährliches Gehalt von 600,000 Frcs.

Art. 61. Er residirt am Sitze der Regierung.

Art. 62. Der Präsident der Republik ernennt und entläßt die Minister nach seinem Gutdünken.

Im Ministerrath ernennt und entläßt er die diplomatischen Agenten, die Generale und Kommandanten der Armee und Flotte, den Maire von Paris, die Gouverneure der Kolonien von Algier und der Bank von Frankreich, die General-Prokuratoren und andere höhere Beamte.

Er ernennt und entläßt die Regierungsagenten zweiten Ranges nach dem Vorschlage des kompetenten Ministers.

Art. 63. Er hat das Recht, die Maire't und andere von den Bürgern erwählte Agenten der Vollziehungsgewalt, aber höchstens auf 3 Monate, zu suspendiren.

Absetzen kann er dieselben nur unter Zustimmung des Staatsrathes.

Das Gesetz bestimmt den Fall, wo die abgesetzten Beamten für die nämlichen Stellen nicht wieder wählbar erklärt werden können. Die Erklärung dieser Nichtwählbarkeit kann nur durch eine Jury ausgesprochen werden.

Art. 64. Die Zahl der Minister wird nebst ihren Attributionen von der gesetzgebenden Gewalt festgestellt.

Art. 65. Andere Akte des Präsidenten, als die, mittelst welcher er die Minister ernennt und entläßt, sind ohne Wirkung, wenn sie nicht von einem Minister gegengezeichnet sind.

Art. 66. Der Präsident, die Minister, die Agenten und Innhaber der öffentlichen Gewalt, sind, so weit es Jeden derselben angeht, für alle Akte der Regierung und Verwaltung verantwortlich.

Ein Gesetz wird die Fälle der Verantwortlichkeit, die Garantien der Beamten und die Art der gerichtlichen Verfolgung bestimmen.

Art. 67. Die Minister haben in den Schooß der Nationalversammlung Zutritt; sie werden gehört, so oft sie es verlangen.

Art. 68. Es wird ein Vice-Präsident der Republik von der National-Versammlung auf 4 Jahre erwählt, nachdem ihr der Präsident im Laufe des seiner eigenen Wahl folgenden Monates Vorschläge dazu gemacht hat.

Im Verhinderungsfalle des Präsidenten vertritt ihn der Vizepräsident und übt seine Funktionen aus.

Wird die Präsidentschaft durch Tod, Zurücktreten des Präsidenten oder auf andere Weise erledigt, so wird innerhalb eines Monats zur Wahl eines neuen Präsidenten geschritten.

Viertes Kapitel.

Vom Staatsrath.

Art. 69. Es besteht ein aus mindestens 40 Mitgliedern zusammengesetzter Staatsrath.

Der Vizepräsident ist von Rechtswegen Präsident des Staatsrathes.

Art. 70. Die Mitglieder dieses Rathes könne nur von der Nationalversammlung im ersten Monat, nachdem sie sich konstituirt hat, in geheimer Abstimmung und mit absoluter Majorität auf 3 Jahre ernannt. Sie sind stets wieder wählbar.

Art. 71. Werden Mitglieder der Nationalversammlung in den Staatsrath ernannt, so muß ihre Stelle als Volksvertreter sofort ausgefüllt werden.

Art. 72. Die Mitglieder dieses Rathes werden von der Nationalversammlung auf Vorschlag des Präsidenten der Republik abgesetzt werden.

Art. 73. Der Staatsrath redigirt die von der Regierung der Nationalversammlung vorzulegenden Gesetzentwürfe, welche ihm von der National-Versammlung mittelst parlamentarischer Initiative zur Prüfung überwiesen werden.

Er verfaßt, nach speziellem Auftrage der Nationalversammlung die Reglements für die öffentliche Verwaltung.

Er übt in Betreff der Departements- und Munizipal-Verwaltungsbehörden alle vom Gesetz ihm übertragene Macht der Kontrole und Ueberwachung aus.

Ein besonderes Gesetz wird seine übrigen Zuständigkeiten regeln.

Art. 74. Nach Ablauf ihres Amtes sind der Präsident und der Vizepräsident der Republik von Rechtswegen Mitglieder der Staatsraths.

Fünftes Kapitel.

Von der innern Verwaltung.

Art. 75. Die gegenwärtige Eintheilung des Gebiets in Departements, Kantone und Gemeinden kann nur durch das Gesetz verändert werden.

Art. 76. Is besteht: 1) in jedem Departement eine Verwaltung, zusammengesetzt aus einem Präfekten, einem Generalrath und einem Verwaltungstribunal, daß die Funktionen eines Präfekturrathes ausübt.

2) In jedem Arrondissement ein Unterpräfekt.

3) In jedem Kanton ein Rath, gebildet aus den Maires aller Gemeinden des Kantons.

4) In jeder Gemeinde eine Verwaltung, bestehend aus dem Maire, den Beigeordneten und dem Gemeinderath.

Art. 77. Der Gemeinderath wählt den Maire und die Beigeordneten aus seiner Mitte.

Art. 78. Ein Gesetz wird die Zuständigkeiten der Gemeideräthe, Kantonalräthe und Generalräthe regeln.

Art. 79. Die Generalräthe und die Gemeinderäthe werden durch direkte Abstimmung aller im Departement oder der Gemeinde domizilirter Bürger gewählt.

Ein besonderes Gesetz wird den Wahlmodus in Paris und den Städten von mehr als 100,000 Seelen regeln.

Art. 80. Die General- und Gemeinderäthe können unter Zustimmung des Staatsraths durch den Präsidenten der Republik aufgelöst werden.

Sechstes Kapitel.

Von der richterlichen Gewalt.

Art. 81. Die Justiz wird im Namen des Volks ausgeübt.

Sie ist unentgeldlich.

Die Debatten sind öffentlich falls die Oeffentlichkeit nicht gefährlich für die Sitten und die Ordnung ist.

Die Formen der Prozedur werden abgekürzt und vereinfacht werden.

Art. 82. Die Jury bleibt in Kriminalfällen beibehalten.

Art. 83. Sie wird ausgedehnt auf Korrektionel- und Civilsachen in den Fällen und unter den Formen, die das Gesetz vorschreiben wird.

Art. 84. Die Friedensrichter und ihre Stellvertreter werden im Hauptorte des Kantons gewählt durch direkte Abstimmung aller im Kanton domizilirter Bürger.

Art. 85. Die Richter erster Instanz und der Appellhöfe werden durch den Präsidenten der Republik ernannt, nach einer Reihenfolge der Kandidatur, die das Gesetz über die Gerichts-Organisation regeln wird.

Art. 86. Die Richter am Kassationshofe ernennt die Nationalversammlung.

Art. 87. Die Beamten des öffentlichen Ministeriums ernennt der Präsident der Republik.

Art. 88. Die Richter erster Instanz, die an den Appellhöfen und am Kassationshofe, werden auf Lebenszeit ernannt.

Sie können durch ein Urtheil abgesetzt oder suspendirt werden, wegen der Ursachen und in den Formen, die die Gesetze vorschreiben.

Das Gesetz über die Gerichts-Organisation wird das Alter bestimmen, in welchem die Richter pensionirt werden können.

Art. 89. Die Kriegsgerichte der Armee und Flotte, die Handels- und und andere Spezialtribunale, behalten ihre gegenwärtigen Zuständigkeiten bis ein Gesetz anders verfügt.

Art. 90. In jedem Departement wird ein Verwaltungstribunal niedergesetzt, welches über die Streitigkeiten der Administration erkennt.

Die Mitglider dieses Tribunals werden vom Präsidenten der Republik aus einer Liste der vom Generalrathe des Departements vorgeschlagenen Kandidaten ernannt.

Art. 91. Es besteht für ganz Frankreich ein Verwaltungs-Obertribunal das uber alle Streitigkeiten der Administration entscheidet und dessen Zusammensetzung, Attributionen und Formen durch das Gesetz geregelt werden.

Die Mitglieder des Verwaltungstribunals werden ernannt vom Präsidenten der Republik, aus einer vom Staatsrath festgestellten Kandidatenliste.

Sie können nur durch den Präsidenten der Republik nach Anhörung des Staatsraths abgesetzt werden.

Art. 92. Die Mitglieder des Rechnungshofs werden ebenso ernannt und abgesetzt.

Art. 93. Die Kompetenzkonflikte zwischen der administrativen und richterlichen Behörde werden durch ein besonderes Tribunal von Kassations- und Staatsräthen entschieden, die alle drei Jahre in gleicher Zahl durch ihre resp. Körperschaften bezeichnet werden.

Der Minister der Justiz ist Präsident dieses Tribunals.

Art. 94. Rekurse gegen die Entscheidungen des Rechnungshofs werden vor die Konflikts-Gerichtsbarkeit gebracht.

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        <titlePart type="main">Beilage zu Nr. 24 der Neuen Rheinischen Zeitung, </titlePart>
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          <docDate>Samstag, 24. Juni.</docDate>
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          <head>Verfassungsentwurf für die französische Republik.</head>
          <note type="editorial">Französischer Verfassungsentwurf</note>
          <p>In Gegenwart Gottes und im Namen des französischen Volkes proklamirt und                         dekretirt die Nationalversammlung folgendes:</p>
          <p> <hi rendition="#g">Erklärung der Rechte und Pflichten.</hi> </p>
          <p>Art. 1. Die Pflichten des Menschen in der Gesellschaft fassen sich zusammen                         in der Achtung vor der Verfassung, in der Unterwürfigkeit unter die Gesetze,                         in der Vertheidigung des Vaterlandes, in der Erfüllung der                         Familienpflichten, und in der brüderlichen Bethätigung des Grundsatzes: Thue                         keinem Andern, was du nicht willst, daß man dir selbst thue; thue Andern,                         was du willst, daß sie dir thun.</p>
          <p>Art. 2. Die Verfassung verbürgt allen Bürgern:</p>
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den Beistand.</p>
          <p>Art. 3. Die Freiheit besteht in dem Recht der freien Bewegung, in dem Recht                         sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, sich zu vereinigen, Petitionen                         einzugeben, seinen Gottesdienst zu üben, seine Gedanken und Meinungen kund                         zu thun auf dem Wege der Presse oder auf sonstige Weise.</p>
          <p>Die Ausübung dieser Rechte hat keine andern Gränzen als die Rechte und die                         Freiheit der übrigen Menschen oder die öffentliche Sicherhrit.</p>
          <p>Art: 4. Die Gleichheit besteht in der Ausschließung jedes Titels und                         Vorrechts der Geburt, der Klasse oder Kaste; in der Zulassung eines Jeden zu                         allen öffentlichen Aemtern, ohne andere Bevorrechtigung als die der Tugend                         und des Talentes, und in der gleichmäßigen (équitable) Theilnahme aller                         Bürger an den Lasten und Vortheilen der Gesellschaft.</p>
          <p>Art. 5. Die Sicherheit besteht in dem Schutze der Familie, der Personen, des                         Domizils, der Rechte und des Eigenthums jedes Mitgliedes der                         Gesellschaft.</p>
          <p>Art. 6. Das Recht auf Erziehung ist dasjenige Recht, welches alle Bürger                         besitzen, einen zur Entwicklung ihrer physischen, moralischen und                         intellektuellen Fähigkeiten geeigneten Unterricht von dem Staate                         unentgeldlich zu erhalten.</p>
          <p>Art. 7. Das Recht auf Arbeit ist das Recht eines jeden, arbeitend leben zu                         können.</p>
          <p>Die Gesellschaft hat die Verpflichtung, durch die ihr zu Gebote stehenden                         allgemeinen Produktionsmittel, deren Organisation vorbehalten bleibt, allen                         Arbeitsfähigen die Arbeit zu verschaffen, die sie sich auf sonstige Weise                         nicht verschaffen können.</p>
          <p>Art. 8. Das Eigenthum besteht in dem Rechte, über seine Güter, seine                         Einkünfte, die Früchte seiner Arbeit, seiner Intelligenz und seiner                         Industrie zu verfügen und sie zu genießen.</p>
          <p>Art. 9. Das Recht auf Beistand ist das Recht der verlassenen Kinder, der                         Arbeitsunfähigen und der Greise vom Staat ihre Existenzmittel zu                         erhalten.</p>
          <p> <hi rendition="#b">Verfassung.</hi> </p>
          <p> <hi rendition="#b">Erstes Kapitel.</hi> </p>
          <p> <hi rendition="#g">Von der Volkssouveränität.</hi> </p>
          <p>Art. 10. Frankreich ist eine einige und untheilbare demokratische                         Republik.</p>
          <p>Art. 11. Die französische Republik hat zum Dogma: die Freiheit, die                         Gleichheit und die Brüderlichkeit.</p>
          <p>Art. 12. Die Souveränität ruht in der Gesammtheit aller französischen                         Bürger.</p>
          <p>Sie ist unveräußerlich und unverjährbar.</p>
          <p>Kein Individuum, keine Fraktion des Volkes kann sich ihre Ausübung                         zuerkennen.</p>
          <p>Art. 13. Alle öffentlichen Gewalten, welcher Art sie sein mögen, gehen vom                         Volke aus.</p>
          <p>Sie können nicht erblich übertragen werden.</p>
          <p>Art. 14. Die Trennung der Gewalten ist die erste Bedingung einer freien                         Regierung.</p>
          <p> <hi rendition="#b">Zweites Kapitel.</hi> </p>
          <p> <hi rendition="#g">Ueber die gesetzgebende Gewalt.</hi> </p>
          <p>Art. 15. Das französische Volk überträgt die gesetzgebende Gewalt einer                         einzigen Versammlung.</p>
          <p>Art. 16. Die Wahl hat zur Grundlage die Bevölkerung.</p>
          <p>Art. 17. Die Gesammtzahl der Volksrepräsentanten besteht aus 750 Mitgliedern,                         mit Einschluß der Repräsentanten Algiers und der französischen Kolonien.</p>
          <p>Art. 18. Diese Zahl wird auf 900 gesteigert für die Versammlungen zur                         Revision der Verfassung.</p>
          <p>Art. 19. Das Stimmrecht ist direkt und allgemein.</p>
          <p>Art. 20. Wähler sind alle Franzosen, die 21 Jahre alt sind und ihre                         bürgerlichen und politischen Rechte besitzen.</p>
          <p>Art. 21. Wählbar sind, ohne Rücksicht auf Wahlcensus und Wohnsitz, alle                         Franzosen von 25 Jahren, die ihre bürgerlichen und politischen Rechte                         besitzen.</p>
          <p>Art. 22. Weder Wähler noch wählbar sind 1. alle nicht rehabilitirte Falliten;                         2) die, Individuen welche verurtheilt worden sind, sei es zu körperlichen                         oder infamirenden Strafen, sei es zu Zuchtpolizeistrafen für Verbrechen oder                         für Vergehen folgender Art: Diebstahl, Prellerei, Vertrauensmißbrauch,                         Attentat auf die guten Sitten.</p>
          <p>Art. 23. Das Wahlgesetz wird diejenigen Beamten bezeichnen, die in dem                         Bezirke, wo sie ihr Amt ausüben, nicht gewählt werden können.</p>
          <p>Art. 24. Die Abstimmung ist geheim.</p>
          <p>Art. 25. Die Wahl geschieht nach Departements, an dem Hauptorte des Kantons                         und durch Stimmzettel.</p>
          <p>Art. 26. Die National-Versammlung prüft die Vollmachten ihrer Mitglieder und                         beschließt über die Gültigkeit der Wahlen.</p>
          <p>Art. 27. Sie ist auf drei Jahre gewählt, und wird dann in ihrer Gesammtheit                         erneuert.</p>
          <p>Art. 28. Sie ist permanent; dessenungeachtet kann sie sich auf eine von ihr                         zu bestimmende Zeit vertagen, die jedoch nicht über drei Monat hinausgehen                         darf.</p>
          <p>Art. 29. Die Repräsentanten sind immer wieder wählbar.</p>
          <p>Art. 30. Die Repräsentanten der National-Versammlung sind die Repräsentanten                         nicht eines bestimmten Departements, das sie ernennt, sondern von ganz                         Frankreich.</p>
          <p>Art. 31. Sie können kein bindendes Mandat erhalten.</p>
          <p>Art. 32. Die Volksrepräsentanten sind unverletzbar. Sie können zu keiner Zeit                         für die Meinungen, welche sie in den Sitzungen der National-Versammlung                         ausgesprochen haben, in Untersuchung gezogen, angeklagt oder verurtheilt                         werden.</p>
          <p>Art. 33. In Kriminalsachen können sie außer wenn sie auf frischer That                         betroffen werden, nur mit Zustimmung der Versammlung verfolgt oder arretirt                         werden.</p>
          <p>Art. 34. Mit dem Mandate des Volksrepräsentanten sind alle diejenigen                         Funktionen unverträglich, deren Inhaber absetzbar sind.</p>
          <p>Art. 35. Kein Mitglied kann während der Dauer der gesetzgebenden Versammlung                         zu Funktionen ernannt oder befördert werden, deren Besetzung der exekutiven                         Gewalt vorbehalten bleibt.</p>
          <p>Art. 36. Die Mitglieder der Nationalversammlung, welche öffentliche Aemter                         bekleiden, treten ihre Stelle an Ersatzmänner ab, und erhalten während der                         Dauer ihres Mandats keine Besoldung.</p>
          <p>Art. 37. Von den Bestimmungen der Art. 34, 35 und 36 sind ausgenommen</p>
          <p rendition="#et">1) die Minister,<lb/>
2) die Unterstaatssekretäre,<lb/>
3)                         der Generalprokurator beim Kassationshofe,<lb/>
4) der Generalprokurator                         beim Appelhofe von Paris,<lb/>
5) der Maire von Paris,<lb/>
6) der                         Polizeipräfekt,<lb/>
7) der Kommandant der Pariser Nationalgarde und alle                         diejenigen, welche durch Ausnahmegesetze bezeichnet werden.</p>
          <p>Art. 38. Jeder Volksrepräsentant erhält eine Entschädigung, auf welche er                         auch verzichten kann.</p>
          <p>Art. 39. Die Sitzungen der Nationalversammlung sind öffentlich.</p>
          <p>Dessenungeachtet kann die Versammlung sich als geheimes Comité konstituiren,                         auf Verlangen der durch das Reglement bestimmten Anzahl von                         Repräsentanten.</p>
          <p>Art. 40. Die Versammlung erläßt Gesetze und Dekrete.</p>
          <p>Die Dekrete beziehen sich lediglich auf lokale und Privatinteressen.</p>
          <p>Die Anwesenheit von Einem mehr als die Hälfte der Mitglieder ist zur                         Gültigkeit eines abzustimmenden Gesetzes nothwendig.</p>
          <p>Das Reglement bestimmt die Anzahl der Mitglieder, deren Gegenwart zur                         Gültigkeit eines Dekrets erforderlich ist.</p>
          <p>Art. 41. Mit Ausnahme der dringenden Fälle, kann über keinen Gesetzentwurf                         definitiv abgestimmt werden, wenn er nicht vorher 3 Mal verlesen und zwar                         jedesmal mit einer dazwischenliegenden Frist von wenigstens 10 Tagen.</p>
          <p>Art. 42. Jeder Dringlichkeitsmotion muß eine Darlegung der Motive                         vorhergehen.</p>
          <p>Der Vorschlag wird in derselben Sitzung an die Büreaus verwiesen.</p>
          <p>Eine von den Büreaus ernannte Kommission stattet Bericht ab ausschließlich                         über die Dringlichkeit.</p>
          <p>Wenn die Versammlung der Meinung ist, daß der Fall der Dringlichkeit                         vorhanden ist, so gibt sie ihre Erklärung darüber, und setzt sofort den                         Zeitpunkt der Diskussion fest.</p>
          <p>Entscheidet sie aber, daß keine Dringlichkeit vorhanden ist, so folgt der                         Entwurf dem Geschäftsgange der gewöhnlichen Anträge.</p>
          <p> <hi rendition="#b">Drittes Kapitel.</hi> </p>
          <p>Art. 43. Das französische Volk übergibt die vollziehende Gewalt einem Bürger,                         der den Titel eines Präsidenten der Republik erhält.</p>
          <p>Art. 44. Um Präsident der Republik zu werden, muß man geborner Franzose und                         wenigstens dreißig Jahre alt sein.</p>
          <p>Art. 45. Der Präsident wird durch direkte und allgemeine Wahl ernannt, in                         geheimer Abstimmung und mit absoluter Majorität der Stimmenden.</p>
          <p>Art. 46. Die Protokolle der Wahlen werden unmittelbar der                         National-Versammlung übergeben, welche ohne Verzug über die Gültigkeit der                         Wahl statuirt und den Präsidenten der Republik proklamirt.</p>
          <p>Wenn kein Kandidat mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhalten hat,                         so wählt die Nationalversammlung durch absolute Majorität und in geheimer                         Abstimmung den Präsidenten der Republik aus denjenigen fünf Kandidaten,                         welche die meisten Stimmen erhalten haben.</p>
          <p>Art. 47. Der Präsident der Republik wird auf die Dauer von vier Jahren                         gewählt und ist erst vier Jahre nach Ablauf seiner Amtsdauer wieder                         wählbar.</p>
          <p>Art. 48. Er ist beauftragt, die Vollziehung der Gesetze zu überwachen und                         sicher zu stellen.</p>
          <p>Art. 49. Er verfügt über die bewaffnete Macht, ohne sie jedoch in Person                         kommandiren zu können.</p>
          <p>Art. 50. Es kann keinen Theil des Gebiets abtreten, noch den gesetzgebenden                         Körper auflösen, noch in irgend einer Weise die Herrschaft der Konstitution                         und der Gesetze suspendiren.</p>
          <p>Art. 51. Er legt jedes Jahr durch eine Botschaft der Versammlung eine                         Uebersicht vor über den allgemeinen Stand der Angelegenheiten der                         Republik.</p>
          <p>Art. 52. Er unterhandelt über die Verträge.</p>
          <p>Kein Vertrag gilt als definitiver, bevor er von der Nationalversammlung                         geprüft und ratifizirt worden ist.</p>
          <p>Art. 53. Er hat das Recht zu begnadigen, aber er kann dieses Recht nur                         ausüben auf den Antrag des Justizministers und nach Einholung des Gutachtens                         des Staatsraths.</p>
          <p>Art. 54. Er publicirt die Gesetze im Namen des französischen Volkes.</p>
          <p>Art. 55. Die dringenden Gesetze werden innerhalb zweier Tage, und die übrigen                         Gesetze innerhalb 8 Tage, von dem Tage der Zustellung derselben an den                         Präsidenten der Republik durch den Präsidenten der Nationalversammlung                         gerechnet, publizirt.</p>
          <p>Art. 56. Hat der Präsident der Republik wichtige Einwendungen gegen einen von                         der Nationalversammlung angenommenen Gesetz- oder Dekretentwurf, so kann er                         innerhalb des für die Publikation bestimmten Zeitraumes der Versammlung eine                         Botschaft zugehen lassen, worin er seine Einwendungen auseinandersetzt und                         eine neue Berathung verlangt.</p>
          <p>Die Versammlung berätht; ihr Beschluß wird definitiv, und dieser dem                         Präsidenten der Republik zugesandt. Die Publikation findet binnen des für                         Gesetze und Dekrete von Dringlichkeit bestimmten Zeitraumes Statt.</p>
          <p>Art. 57. Unterließe der Präsident die Publikation innerhalb der in den                         vorigen Artikeln bestimmten Fristen, so würde vom Präsidenten der                         Nationalversammlung dafür gesorgt werdene</p>
          <p>Art. 58. Der Präsident empfängt die bei der Republik akkreditirten Gesandten                         und Bevollmächtigten der fremden Mächte.</p>
          <p>Art. 59. Er führt bei nationalen Feierlichkeiten den Vorsitz.</p>
          <p>Art. 60. Er erhält von der Republik freie Wohnung und ein jährliches Gehalt                         von 600,000 Frcs.</p>
          <p>Art. 61. Er residirt am Sitze der Regierung.</p>
          <p>Art. 62. Der Präsident der Republik ernennt und entläßt die Minister nach                         seinem Gutdünken.</p>
          <p>Im Ministerrath ernennt und entläßt er die diplomatischen Agenten, die                         Generale und Kommandanten der Armee und Flotte, den Maire von Paris, die                         Gouverneure der Kolonien von Algier und der Bank von Frankreich, die                         General-Prokuratoren und andere höhere Beamte.</p>
          <p>Er ernennt und entläßt die Regierungsagenten zweiten Ranges nach dem                         Vorschlage des kompetenten Ministers.</p>
          <p>Art. 63. Er hat das Recht, die Maire't und andere von den Bürgern erwählte                         Agenten der Vollziehungsgewalt, aber höchstens auf 3 Monate, zu                         suspendiren.</p>
          <p>Absetzen kann er dieselben nur unter Zustimmung des Staatsrathes.</p>
          <p>Das Gesetz bestimmt den Fall, wo die abgesetzten Beamten für die nämlichen                         Stellen nicht wieder wählbar erklärt werden können. Die Erklärung dieser                         Nichtwählbarkeit kann nur durch eine Jury ausgesprochen werden.</p>
          <p>Art. 64. Die Zahl der Minister wird nebst ihren Attributionen von der                         gesetzgebenden Gewalt festgestellt.</p>
          <p>Art. 65. Andere Akte des Präsidenten, als die, mittelst welcher er die                         Minister ernennt und entläßt, sind ohne Wirkung, wenn sie nicht von einem                         Minister gegengezeichnet sind.</p>
          <p>Art. 66. Der Präsident, die Minister, die Agenten und Innhaber der                         öffentlichen Gewalt, sind, so weit es Jeden derselben angeht, für alle Akte                         der Regierung und Verwaltung verantwortlich.</p>
          <p>Ein Gesetz wird die Fälle der Verantwortlichkeit, die Garantien der Beamten                         und die Art der gerichtlichen Verfolgung bestimmen.</p>
          <p>Art. 67. Die Minister haben in den Schooß der Nationalversammlung Zutritt;                         sie werden gehört, so oft sie es verlangen.</p>
          <p>Art. 68. Es wird ein Vice-Präsident der Republik von der National-Versammlung                         auf 4 Jahre erwählt, nachdem ihr der Präsident im Laufe des seiner eigenen                         Wahl folgenden Monates Vorschläge dazu gemacht hat.</p>
          <p>Im Verhinderungsfalle des Präsidenten vertritt ihn der Vizepräsident und übt                         seine Funktionen aus.</p>
          <p>Wird die Präsidentschaft durch Tod, Zurücktreten des Präsidenten oder auf                         andere Weise erledigt, so wird innerhalb eines Monats zur Wahl eines neuen                         Präsidenten geschritten.</p>
          <p> <hi rendition="#b">Viertes Kapitel.</hi> </p>
          <p> <hi rendition="#g">Vom Staatsrath.</hi> </p>
          <p>Art. 69. Es besteht ein aus mindestens 40 Mitgliedern zusammengesetzter                         Staatsrath.</p>
          <p>Der Vizepräsident ist von Rechtswegen Präsident des Staatsrathes.</p>
          <p>Art. 70. Die Mitglieder dieses Rathes könne nur von der Nationalversammlung                         im ersten Monat, nachdem sie sich konstituirt hat, in geheimer Abstimmung                         und mit absoluter Majorität auf 3 Jahre ernannt. Sie sind stets wieder                         wählbar.</p>
          <p>Art. 71. Werden Mitglieder der Nationalversammlung in den Staatsrath ernannt,                         so muß ihre Stelle als Volksvertreter sofort ausgefüllt werden.</p>
          <p>Art. 72. Die Mitglieder dieses Rathes werden von der Nationalversammlung auf                         Vorschlag des Präsidenten der Republik abgesetzt werden.</p>
          <p>Art. 73. Der Staatsrath redigirt die von der Regierung der                         Nationalversammlung vorzulegenden Gesetzentwürfe, welche ihm von der                         National-Versammlung mittelst parlamentarischer Initiative zur Prüfung                         überwiesen werden.</p>
          <p>Er verfaßt, nach speziellem Auftrage der Nationalversammlung die Reglements                         für die öffentliche Verwaltung.</p>
          <p>Er übt in Betreff der Departements- und Munizipal-Verwaltungsbehörden alle                         vom Gesetz ihm übertragene Macht der Kontrole und Ueberwachung aus.</p>
          <p>Ein besonderes Gesetz wird seine übrigen Zuständigkeiten regeln.</p>
          <p>Art. 74. Nach Ablauf ihres Amtes sind der Präsident und der Vizepräsident der                         Republik von Rechtswegen Mitglieder der Staatsraths.</p>
          <p> <hi rendition="#b">Fünftes Kapitel.</hi> </p>
          <p> <hi rendition="#g">Von der innern Verwaltung.</hi> </p>
          <p>Art. 75. Die gegenwärtige Eintheilung des Gebiets in Departements, Kantone                         und Gemeinden kann nur durch das Gesetz verändert werden.</p>
          <p>Art. 76. Is besteht: 1) in jedem Departement eine Verwaltung, zusammengesetzt                         aus einem Präfekten, einem Generalrath und einem Verwaltungstribunal, daß                         die Funktionen eines Präfekturrathes ausübt.</p>
          <p>2) In jedem Arrondissement ein Unterpräfekt.</p>
          <p>3) In jedem Kanton ein Rath, gebildet aus den Maires aller Gemeinden des                         Kantons.</p>
          <p>4) In jeder Gemeinde eine Verwaltung, bestehend aus dem Maire, den                         Beigeordneten und dem Gemeinderath.</p>
          <p>Art. 77. Der Gemeinderath wählt den Maire und die Beigeordneten aus seiner                         Mitte.</p>
          <p>Art. 78. Ein Gesetz wird die Zuständigkeiten der Gemeideräthe, Kantonalräthe                         und Generalräthe regeln.</p>
          <p>Art. 79. Die Generalräthe und die Gemeinderäthe werden durch direkte                         Abstimmung aller im Departement oder der Gemeinde domizilirter Bürger                         gewählt.</p>
          <p>Ein besonderes Gesetz wird den Wahlmodus in Paris und den Städten von mehr                         als 100,000 Seelen regeln.</p>
          <p>Art. 80. Die General- und Gemeinderäthe können unter Zustimmung des                         Staatsraths durch den Präsidenten der Republik aufgelöst werden.</p>
          <p> <hi rendition="#b">Sechstes Kapitel.</hi> </p>
          <p> <hi rendition="#g">Von der richterlichen Gewalt.</hi> </p>
          <p>Art. 81. Die Justiz wird im Namen des Volks ausgeübt.</p>
          <p>Sie ist unentgeldlich.</p>
          <p>Die Debatten sind öffentlich falls die Oeffentlichkeit nicht gefährlich für                         die Sitten und die Ordnung ist.</p>
          <p>Die Formen der Prozedur werden abgekürzt und vereinfacht werden.</p>
          <p>Art. 82. Die Jury bleibt in Kriminalfällen beibehalten.</p>
          <p>Art. 83. Sie wird ausgedehnt auf Korrektionel- und Civilsachen in den Fällen                         und unter den Formen, die das Gesetz vorschreiben wird.</p>
          <p>Art. 84. Die Friedensrichter und ihre Stellvertreter werden im Hauptorte des                         Kantons gewählt durch direkte Abstimmung aller im Kanton domizilirter                         Bürger.</p>
          <p>Art. 85. Die Richter erster Instanz und der Appellhöfe werden durch den                         Präsidenten der Republik ernannt, nach einer Reihenfolge der Kandidatur, die                         das Gesetz über die Gerichts-Organisation regeln wird.</p>
          <p>Art. 86. Die Richter am Kassationshofe ernennt die Nationalversammlung.</p>
          <p>Art. 87. Die Beamten des öffentlichen Ministeriums ernennt der Präsident der                         Republik.</p>
          <p>Art. 88. Die Richter erster Instanz, die an den Appellhöfen und am                         Kassationshofe, werden auf Lebenszeit ernannt.</p>
          <p>Sie können durch ein Urtheil abgesetzt oder suspendirt werden, wegen der                         Ursachen und in den Formen, die die Gesetze vorschreiben.</p>
          <p>Das Gesetz über die Gerichts-Organisation wird das Alter bestimmen, in                         welchem die Richter pensionirt werden können.</p>
          <p>Art. 89. Die Kriegsgerichte der Armee und Flotte, die Handels- und und andere                         Spezialtribunale, behalten ihre gegenwärtigen Zuständigkeiten bis ein Gesetz                         anders verfügt.</p>
          <p>Art. 90. In jedem Departement wird ein Verwaltungstribunal niedergesetzt,                         welches über die Streitigkeiten der Administration erkennt.</p>
          <p>Die Mitglider dieses Tribunals werden vom Präsidenten der Republik aus einer                         Liste der vom Generalrathe des Departements vorgeschlagenen Kandidaten                         ernannt.</p>
          <p>Art. 91. Es besteht für ganz Frankreich ein Verwaltungs-Obertribunal das uber                         alle Streitigkeiten der Administration entscheidet und dessen                         Zusammensetzung, Attributionen und Formen durch das Gesetz geregelt                         werden.</p>
          <p>Die Mitglieder des Verwaltungstribunals werden ernannt vom Präsidenten der                         Republik, aus einer vom Staatsrath festgestellten Kandidatenliste.</p>
          <p>Sie können nur durch den Präsidenten der Republik nach Anhörung des                         Staatsraths abgesetzt werden.</p>
          <p>Art. 92. Die Mitglieder des Rechnungshofs werden ebenso ernannt und                         abgesetzt.</p>
          <p>Art. 93. Die Kompetenzkonflikte zwischen der administrativen und                         richterlichen Behörde werden durch ein besonderes Tribunal von Kassations-                         und Staatsräthen entschieden, die alle drei Jahre in gleicher Zahl durch                         ihre resp. Körperschaften bezeichnet werden.</p>
          <p>Der Minister der Justiz ist Präsident dieses Tribunals.</p>
          <p>Art. 94. Rekurse gegen die Entscheidungen des Rechnungshofs werden vor die                         Konflikts-Gerichtsbarkeit gebracht.</p>
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</TEI>
[0111/0001] Beilage zu Nr. 24 der Neuen Rheinischen Zeitung, Samstag, 24. Juni. Verfassungsentwurf für die französische Republik. In Gegenwart Gottes und im Namen des französischen Volkes proklamirt und dekretirt die Nationalversammlung folgendes: Erklärung der Rechte und Pflichten. Art. 1. Die Pflichten des Menschen in der Gesellschaft fassen sich zusammen in der Achtung vor der Verfassung, in der Unterwürfigkeit unter die Gesetze, in der Vertheidigung des Vaterlandes, in der Erfüllung der Familienpflichten, und in der brüderlichen Bethätigung des Grundsatzes: Thue keinem Andern, was du nicht willst, daß man dir selbst thue; thue Andern, was du willst, daß sie dir thun. Art. 2. Die Verfassung verbürgt allen Bürgern: die Freiheit, die Gleichheit, die Sicherheit, die Erziehung, die Arbeit, das Eigenthum, den Beistand. Art. 3. Die Freiheit besteht in dem Recht der freien Bewegung, in dem Recht sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, sich zu vereinigen, Petitionen einzugeben, seinen Gottesdienst zu üben, seine Gedanken und Meinungen kund zu thun auf dem Wege der Presse oder auf sonstige Weise. Die Ausübung dieser Rechte hat keine andern Gränzen als die Rechte und die Freiheit der übrigen Menschen oder die öffentliche Sicherhrit. Art: 4. Die Gleichheit besteht in der Ausschließung jedes Titels und Vorrechts der Geburt, der Klasse oder Kaste; in der Zulassung eines Jeden zu allen öffentlichen Aemtern, ohne andere Bevorrechtigung als die der Tugend und des Talentes, und in der gleichmäßigen (équitable) Theilnahme aller Bürger an den Lasten und Vortheilen der Gesellschaft. Art. 5. Die Sicherheit besteht in dem Schutze der Familie, der Personen, des Domizils, der Rechte und des Eigenthums jedes Mitgliedes der Gesellschaft. Art. 6. Das Recht auf Erziehung ist dasjenige Recht, welches alle Bürger besitzen, einen zur Entwicklung ihrer physischen, moralischen und intellektuellen Fähigkeiten geeigneten Unterricht von dem Staate unentgeldlich zu erhalten. Art. 7. Das Recht auf Arbeit ist das Recht eines jeden, arbeitend leben zu können. Die Gesellschaft hat die Verpflichtung, durch die ihr zu Gebote stehenden allgemeinen Produktionsmittel, deren Organisation vorbehalten bleibt, allen Arbeitsfähigen die Arbeit zu verschaffen, die sie sich auf sonstige Weise nicht verschaffen können. Art. 8. Das Eigenthum besteht in dem Rechte, über seine Güter, seine Einkünfte, die Früchte seiner Arbeit, seiner Intelligenz und seiner Industrie zu verfügen und sie zu genießen. Art. 9. Das Recht auf Beistand ist das Recht der verlassenen Kinder, der Arbeitsunfähigen und der Greise vom Staat ihre Existenzmittel zu erhalten. Verfassung. Erstes Kapitel. Von der Volkssouveränität. Art. 10. Frankreich ist eine einige und untheilbare demokratische Republik. Art. 11. Die französische Republik hat zum Dogma: die Freiheit, die Gleichheit und die Brüderlichkeit. Art. 12. Die Souveränität ruht in der Gesammtheit aller französischen Bürger. Sie ist unveräußerlich und unverjährbar. Kein Individuum, keine Fraktion des Volkes kann sich ihre Ausübung zuerkennen. Art. 13. Alle öffentlichen Gewalten, welcher Art sie sein mögen, gehen vom Volke aus. Sie können nicht erblich übertragen werden. Art. 14. Die Trennung der Gewalten ist die erste Bedingung einer freien Regierung. Zweites Kapitel. Ueber die gesetzgebende Gewalt. Art. 15. Das französische Volk überträgt die gesetzgebende Gewalt einer einzigen Versammlung. Art. 16. Die Wahl hat zur Grundlage die Bevölkerung. Art. 17. Die Gesammtzahl der Volksrepräsentanten besteht aus 750 Mitgliedern, mit Einschluß der Repräsentanten Algiers und der französischen Kolonien. Art. 18. Diese Zahl wird auf 900 gesteigert für die Versammlungen zur Revision der Verfassung. Art. 19. Das Stimmrecht ist direkt und allgemein. Art. 20. Wähler sind alle Franzosen, die 21 Jahre alt sind und ihre bürgerlichen und politischen Rechte besitzen. Art. 21. Wählbar sind, ohne Rücksicht auf Wahlcensus und Wohnsitz, alle Franzosen von 25 Jahren, die ihre bürgerlichen und politischen Rechte besitzen. Art. 22. Weder Wähler noch wählbar sind 1. alle nicht rehabilitirte Falliten; 2) die, Individuen welche verurtheilt worden sind, sei es zu körperlichen oder infamirenden Strafen, sei es zu Zuchtpolizeistrafen für Verbrechen oder für Vergehen folgender Art: Diebstahl, Prellerei, Vertrauensmißbrauch, Attentat auf die guten Sitten. Art. 23. Das Wahlgesetz wird diejenigen Beamten bezeichnen, die in dem Bezirke, wo sie ihr Amt ausüben, nicht gewählt werden können. Art. 24. Die Abstimmung ist geheim. Art. 25. Die Wahl geschieht nach Departements, an dem Hauptorte des Kantons und durch Stimmzettel. Art. 26. Die National-Versammlung prüft die Vollmachten ihrer Mitglieder und beschließt über die Gültigkeit der Wahlen. Art. 27. Sie ist auf drei Jahre gewählt, und wird dann in ihrer Gesammtheit erneuert. Art. 28. Sie ist permanent; dessenungeachtet kann sie sich auf eine von ihr zu bestimmende Zeit vertagen, die jedoch nicht über drei Monat hinausgehen darf. Art. 29. Die Repräsentanten sind immer wieder wählbar. Art. 30. Die Repräsentanten der National-Versammlung sind die Repräsentanten nicht eines bestimmten Departements, das sie ernennt, sondern von ganz Frankreich. Art. 31. Sie können kein bindendes Mandat erhalten. Art. 32. Die Volksrepräsentanten sind unverletzbar. Sie können zu keiner Zeit für die Meinungen, welche sie in den Sitzungen der National-Versammlung ausgesprochen haben, in Untersuchung gezogen, angeklagt oder verurtheilt werden. Art. 33. In Kriminalsachen können sie außer wenn sie auf frischer That betroffen werden, nur mit Zustimmung der Versammlung verfolgt oder arretirt werden. Art. 34. Mit dem Mandate des Volksrepräsentanten sind alle diejenigen Funktionen unverträglich, deren Inhaber absetzbar sind. Art. 35. Kein Mitglied kann während der Dauer der gesetzgebenden Versammlung zu Funktionen ernannt oder befördert werden, deren Besetzung der exekutiven Gewalt vorbehalten bleibt. Art. 36. Die Mitglieder der Nationalversammlung, welche öffentliche Aemter bekleiden, treten ihre Stelle an Ersatzmänner ab, und erhalten während der Dauer ihres Mandats keine Besoldung. Art. 37. Von den Bestimmungen der Art. 34, 35 und 36 sind ausgenommen 1) die Minister, 2) die Unterstaatssekretäre, 3) der Generalprokurator beim Kassationshofe, 4) der Generalprokurator beim Appelhofe von Paris, 5) der Maire von Paris, 6) der Polizeipräfekt, 7) der Kommandant der Pariser Nationalgarde und alle diejenigen, welche durch Ausnahmegesetze bezeichnet werden. Art. 38. Jeder Volksrepräsentant erhält eine Entschädigung, auf welche er auch verzichten kann. Art. 39. Die Sitzungen der Nationalversammlung sind öffentlich. Dessenungeachtet kann die Versammlung sich als geheimes Comité konstituiren, auf Verlangen der durch das Reglement bestimmten Anzahl von Repräsentanten. Art. 40. Die Versammlung erläßt Gesetze und Dekrete. Die Dekrete beziehen sich lediglich auf lokale und Privatinteressen. Die Anwesenheit von Einem mehr als die Hälfte der Mitglieder ist zur Gültigkeit eines abzustimmenden Gesetzes nothwendig. Das Reglement bestimmt die Anzahl der Mitglieder, deren Gegenwart zur Gültigkeit eines Dekrets erforderlich ist. Art. 41. Mit Ausnahme der dringenden Fälle, kann über keinen Gesetzentwurf definitiv abgestimmt werden, wenn er nicht vorher 3 Mal verlesen und zwar jedesmal mit einer dazwischenliegenden Frist von wenigstens 10 Tagen. Art. 42. Jeder Dringlichkeitsmotion muß eine Darlegung der Motive vorhergehen. Der Vorschlag wird in derselben Sitzung an die Büreaus verwiesen. Eine von den Büreaus ernannte Kommission stattet Bericht ab ausschließlich über die Dringlichkeit. Wenn die Versammlung der Meinung ist, daß der Fall der Dringlichkeit vorhanden ist, so gibt sie ihre Erklärung darüber, und setzt sofort den Zeitpunkt der Diskussion fest. Entscheidet sie aber, daß keine Dringlichkeit vorhanden ist, so folgt der Entwurf dem Geschäftsgange der gewöhnlichen Anträge. Drittes Kapitel. Art. 43. Das französische Volk übergibt die vollziehende Gewalt einem Bürger, der den Titel eines Präsidenten der Republik erhält. Art. 44. Um Präsident der Republik zu werden, muß man geborner Franzose und wenigstens dreißig Jahre alt sein. Art. 45. Der Präsident wird durch direkte und allgemeine Wahl ernannt, in geheimer Abstimmung und mit absoluter Majorität der Stimmenden. Art. 46. Die Protokolle der Wahlen werden unmittelbar der National-Versammlung übergeben, welche ohne Verzug über die Gültigkeit der Wahl statuirt und den Präsidenten der Republik proklamirt. Wenn kein Kandidat mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhalten hat, so wählt die Nationalversammlung durch absolute Majorität und in geheimer Abstimmung den Präsidenten der Republik aus denjenigen fünf Kandidaten, welche die meisten Stimmen erhalten haben. Art. 47. Der Präsident der Republik wird auf die Dauer von vier Jahren gewählt und ist erst vier Jahre nach Ablauf seiner Amtsdauer wieder wählbar. Art. 48. Er ist beauftragt, die Vollziehung der Gesetze zu überwachen und sicher zu stellen. Art. 49. Er verfügt über die bewaffnete Macht, ohne sie jedoch in Person kommandiren zu können. Art. 50. Es kann keinen Theil des Gebiets abtreten, noch den gesetzgebenden Körper auflösen, noch in irgend einer Weise die Herrschaft der Konstitution und der Gesetze suspendiren. Art. 51. Er legt jedes Jahr durch eine Botschaft der Versammlung eine Uebersicht vor über den allgemeinen Stand der Angelegenheiten der Republik. Art. 52. Er unterhandelt über die Verträge. Kein Vertrag gilt als definitiver, bevor er von der Nationalversammlung geprüft und ratifizirt worden ist. Art. 53. Er hat das Recht zu begnadigen, aber er kann dieses Recht nur ausüben auf den Antrag des Justizministers und nach Einholung des Gutachtens des Staatsraths. Art. 54. Er publicirt die Gesetze im Namen des französischen Volkes. Art. 55. Die dringenden Gesetze werden innerhalb zweier Tage, und die übrigen Gesetze innerhalb 8 Tage, von dem Tage der Zustellung derselben an den Präsidenten der Republik durch den Präsidenten der Nationalversammlung gerechnet, publizirt. Art. 56. Hat der Präsident der Republik wichtige Einwendungen gegen einen von der Nationalversammlung angenommenen Gesetz- oder Dekretentwurf, so kann er innerhalb des für die Publikation bestimmten Zeitraumes der Versammlung eine Botschaft zugehen lassen, worin er seine Einwendungen auseinandersetzt und eine neue Berathung verlangt. Die Versammlung berätht; ihr Beschluß wird definitiv, und dieser dem Präsidenten der Republik zugesandt. Die Publikation findet binnen des für Gesetze und Dekrete von Dringlichkeit bestimmten Zeitraumes Statt. Art. 57. Unterließe der Präsident die Publikation innerhalb der in den vorigen Artikeln bestimmten Fristen, so würde vom Präsidenten der Nationalversammlung dafür gesorgt werdene Art. 58. Der Präsident empfängt die bei der Republik akkreditirten Gesandten und Bevollmächtigten der fremden Mächte. Art. 59. Er führt bei nationalen Feierlichkeiten den Vorsitz. Art. 60. Er erhält von der Republik freie Wohnung und ein jährliches Gehalt von 600,000 Frcs. Art. 61. Er residirt am Sitze der Regierung. Art. 62. Der Präsident der Republik ernennt und entläßt die Minister nach seinem Gutdünken. Im Ministerrath ernennt und entläßt er die diplomatischen Agenten, die Generale und Kommandanten der Armee und Flotte, den Maire von Paris, die Gouverneure der Kolonien von Algier und der Bank von Frankreich, die General-Prokuratoren und andere höhere Beamte. Er ernennt und entläßt die Regierungsagenten zweiten Ranges nach dem Vorschlage des kompetenten Ministers. Art. 63. Er hat das Recht, die Maire't und andere von den Bürgern erwählte Agenten der Vollziehungsgewalt, aber höchstens auf 3 Monate, zu suspendiren. Absetzen kann er dieselben nur unter Zustimmung des Staatsrathes. Das Gesetz bestimmt den Fall, wo die abgesetzten Beamten für die nämlichen Stellen nicht wieder wählbar erklärt werden können. Die Erklärung dieser Nichtwählbarkeit kann nur durch eine Jury ausgesprochen werden. Art. 64. Die Zahl der Minister wird nebst ihren Attributionen von der gesetzgebenden Gewalt festgestellt. Art. 65. Andere Akte des Präsidenten, als die, mittelst welcher er die Minister ernennt und entläßt, sind ohne Wirkung, wenn sie nicht von einem Minister gegengezeichnet sind. Art. 66. Der Präsident, die Minister, die Agenten und Innhaber der öffentlichen Gewalt, sind, so weit es Jeden derselben angeht, für alle Akte der Regierung und Verwaltung verantwortlich. Ein Gesetz wird die Fälle der Verantwortlichkeit, die Garantien der Beamten und die Art der gerichtlichen Verfolgung bestimmen. Art. 67. Die Minister haben in den Schooß der Nationalversammlung Zutritt; sie werden gehört, so oft sie es verlangen. Art. 68. Es wird ein Vice-Präsident der Republik von der National-Versammlung auf 4 Jahre erwählt, nachdem ihr der Präsident im Laufe des seiner eigenen Wahl folgenden Monates Vorschläge dazu gemacht hat. Im Verhinderungsfalle des Präsidenten vertritt ihn der Vizepräsident und übt seine Funktionen aus. Wird die Präsidentschaft durch Tod, Zurücktreten des Präsidenten oder auf andere Weise erledigt, so wird innerhalb eines Monats zur Wahl eines neuen Präsidenten geschritten. Viertes Kapitel. Vom Staatsrath. Art. 69. Es besteht ein aus mindestens 40 Mitgliedern zusammengesetzter Staatsrath. Der Vizepräsident ist von Rechtswegen Präsident des Staatsrathes. Art. 70. Die Mitglieder dieses Rathes könne nur von der Nationalversammlung im ersten Monat, nachdem sie sich konstituirt hat, in geheimer Abstimmung und mit absoluter Majorität auf 3 Jahre ernannt. Sie sind stets wieder wählbar. Art. 71. Werden Mitglieder der Nationalversammlung in den Staatsrath ernannt, so muß ihre Stelle als Volksvertreter sofort ausgefüllt werden. Art. 72. Die Mitglieder dieses Rathes werden von der Nationalversammlung auf Vorschlag des Präsidenten der Republik abgesetzt werden. Art. 73. Der Staatsrath redigirt die von der Regierung der Nationalversammlung vorzulegenden Gesetzentwürfe, welche ihm von der National-Versammlung mittelst parlamentarischer Initiative zur Prüfung überwiesen werden. Er verfaßt, nach speziellem Auftrage der Nationalversammlung die Reglements für die öffentliche Verwaltung. Er übt in Betreff der Departements- und Munizipal-Verwaltungsbehörden alle vom Gesetz ihm übertragene Macht der Kontrole und Ueberwachung aus. Ein besonderes Gesetz wird seine übrigen Zuständigkeiten regeln. Art. 74. Nach Ablauf ihres Amtes sind der Präsident und der Vizepräsident der Republik von Rechtswegen Mitglieder der Staatsraths. Fünftes Kapitel. Von der innern Verwaltung. Art. 75. Die gegenwärtige Eintheilung des Gebiets in Departements, Kantone und Gemeinden kann nur durch das Gesetz verändert werden. Art. 76. Is besteht: 1) in jedem Departement eine Verwaltung, zusammengesetzt aus einem Präfekten, einem Generalrath und einem Verwaltungstribunal, daß die Funktionen eines Präfekturrathes ausübt. 2) In jedem Arrondissement ein Unterpräfekt. 3) In jedem Kanton ein Rath, gebildet aus den Maires aller Gemeinden des Kantons. 4) In jeder Gemeinde eine Verwaltung, bestehend aus dem Maire, den Beigeordneten und dem Gemeinderath. Art. 77. Der Gemeinderath wählt den Maire und die Beigeordneten aus seiner Mitte. Art. 78. Ein Gesetz wird die Zuständigkeiten der Gemeideräthe, Kantonalräthe und Generalräthe regeln. Art. 79. Die Generalräthe und die Gemeinderäthe werden durch direkte Abstimmung aller im Departement oder der Gemeinde domizilirter Bürger gewählt. Ein besonderes Gesetz wird den Wahlmodus in Paris und den Städten von mehr als 100,000 Seelen regeln. Art. 80. Die General- und Gemeinderäthe können unter Zustimmung des Staatsraths durch den Präsidenten der Republik aufgelöst werden. Sechstes Kapitel. Von der richterlichen Gewalt. Art. 81. Die Justiz wird im Namen des Volks ausgeübt. Sie ist unentgeldlich. Die Debatten sind öffentlich falls die Oeffentlichkeit nicht gefährlich für die Sitten und die Ordnung ist. Die Formen der Prozedur werden abgekürzt und vereinfacht werden. Art. 82. Die Jury bleibt in Kriminalfällen beibehalten. Art. 83. Sie wird ausgedehnt auf Korrektionel- und Civilsachen in den Fällen und unter den Formen, die das Gesetz vorschreiben wird. Art. 84. Die Friedensrichter und ihre Stellvertreter werden im Hauptorte des Kantons gewählt durch direkte Abstimmung aller im Kanton domizilirter Bürger. Art. 85. Die Richter erster Instanz und der Appellhöfe werden durch den Präsidenten der Republik ernannt, nach einer Reihenfolge der Kandidatur, die das Gesetz über die Gerichts-Organisation regeln wird. Art. 86. Die Richter am Kassationshofe ernennt die Nationalversammlung. Art. 87. Die Beamten des öffentlichen Ministeriums ernennt der Präsident der Republik. Art. 88. Die Richter erster Instanz, die an den Appellhöfen und am Kassationshofe, werden auf Lebenszeit ernannt. Sie können durch ein Urtheil abgesetzt oder suspendirt werden, wegen der Ursachen und in den Formen, die die Gesetze vorschreiben. Das Gesetz über die Gerichts-Organisation wird das Alter bestimmen, in welchem die Richter pensionirt werden können. Art. 89. Die Kriegsgerichte der Armee und Flotte, die Handels- und und andere Spezialtribunale, behalten ihre gegenwärtigen Zuständigkeiten bis ein Gesetz anders verfügt. Art. 90. In jedem Departement wird ein Verwaltungstribunal niedergesetzt, welches über die Streitigkeiten der Administration erkennt. Die Mitglider dieses Tribunals werden vom Präsidenten der Republik aus einer Liste der vom Generalrathe des Departements vorgeschlagenen Kandidaten ernannt. Art. 91. Es besteht für ganz Frankreich ein Verwaltungs-Obertribunal das uber alle Streitigkeiten der Administration entscheidet und dessen Zusammensetzung, Attributionen und Formen durch das Gesetz geregelt werden. Die Mitglieder des Verwaltungstribunals werden ernannt vom Präsidenten der Republik, aus einer vom Staatsrath festgestellten Kandidatenliste. Sie können nur durch den Präsidenten der Republik nach Anhörung des Staatsraths abgesetzt werden. Art. 92. Die Mitglieder des Rechnungshofs werden ebenso ernannt und abgesetzt. Art. 93. Die Kompetenzkonflikte zwischen der administrativen und richterlichen Behörde werden durch ein besonderes Tribunal von Kassations- und Staatsräthen entschieden, die alle drei Jahre in gleicher Zahl durch ihre resp. Körperschaften bezeichnet werden. Der Minister der Justiz ist Präsident dieses Tribunals. Art. 94. Rekurse gegen die Entscheidungen des Rechnungshofs werden vor die Konflikts-Gerichtsbarkeit gebracht.

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Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 24. Köln, 24. Juni 1848. Beilage, S. 0111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz024b_1848/1>, abgerufen am 28.03.2024.