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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 35. Köln, 5. Juli 1848.

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* Köln, 4. Juli.

Folgender Anschlag stand gestern Abend an unsern Straßenecken:

Mitglieder des Arbeiter-Vereins! Bürger!

Man hat heute zwei Eurer Führer verhaftet, Euren Präsidenten Dr. Gottschalk und den Bürger Anneke.

Laßt Euch aber nicht zu Gewaltstreichen hinreißen, wie man es wünscht. Ich ermahne und rufe euch zu: Behaltet euere Ruhe, wie bisher, laßt es nicht dahin kommen, daß Bürgerblut fließe. Wir streiten nicht für Personen, sondern für unsere Sache, für unser heiliges Recht, und das wird siegen, trotz aller brutalen Gewalt.

Köln, den 3. Juli 1848.

Der stellvertretende Präsident:

Jansen.

Wir fügen hinzu, daß der Abend ohne die geringste Ruhestörung vorüber ging.

* Köln, 4. Juli.

Nach einer Privatmittheilung in der Voss. Zeitung, sollen 1. das 18. Infanterie-Regiment, welches seit lange in Posen garnisonirt und den Posenern "liebgeworden" ist, 2. eine 6pfündige Fußbatterie von dort weg und über Berlin zum Rheine marschiren, vielleicht selbst die preußische Garnison in Mainz ablösen. - Unsere rheinischen Truppen sind also noch immer nicht auserlesen genug, um die Ordnung in der Provinz aufrecht zu erhalten und die Regierung in ihren stets offner hervortretenden Plänen zu unterstützen. Wir bedürfen dazu jener Soldateska, die gegen die unglücklichen Polen so entsetzlich gewüthet hat, daß sie sich selbst den Abscheu der russischen Soldaten zuzog. Es muß aber höchst dringend sein, daß diese Helden unter uns kommen, denn man scheut es nicht, wie die oben angeführte Korrespondenz sagt, die Posensche Garnison so zu schwächen, daß dieselbe einem ernsthaften Angriff kaum Widerstand leisten könnte. Die braven Posener "trösten" sich damit, "daß die Russen als Freunde kommen werden."

103 Berlin, 2. Juli.

Zur Vorbereitung der Wahl eines Bürgerwehr-Kommandanten fand heute die letzte vorberathende Versammlung statt. Es waren wieder mehrere vorgeschlagene Kandidaten anwesend, welche in längeren Reden ihr Glaubensbekenntniß und ihre Grundsätze darlegten. Hierauf folgten gewöhnlich Interpellationen, ganz nach Art der Wahl eines Volksvertreters. Herr v. Minutoli, der freiwillig abgegangene Polizeipräsident, scheint die meisten Aussichten zur Wahl zu haben. Das Volk ist gut, ehrlich und sittlich, sagte er, ich hatte Gelegenheit es kennen zu lernen, indem ich besonders die verhältnißmäßig kleine Zahl desselben ermittelte, die es nicht waren. Von oben herab habe man oft das Volk der Unsittlichkeit und Schlechtigkeit beschuldigt, aber er sei bereit das Gegentheil zu beweisen und nach diesen Grundsätzen wolle er auch als Bürgergeneral in vorkommenden Fällen als Vermittler aller Parteien handeln. Großer Beifall unterbrach mehrmals die Rede des Herrn v. Minutoli, der durchblicken ließ, daß das, was er als Polizeipräsident gegen die demokratischen Grundsätze that, ihm von oben befohlen war, und daß dies die Ursache seiner freiwilligen Abdankung gewesen. Uebrigens hat Herr von Minutoli die Annahme seiner Wahl davon abhängig gemacht, daß er mit großer Majorität gewählt werde, und daß das zu erwartende Gesetz über die Volksbewaffnung im wahrhaft freien Sinne erlassen würde, so daß er als General sich keinem andern Willen zu unterwerfen habe, als dem allgemeinen aus dem Organ der Bürgerwehr hervorgehenden.

Bei dieser Gelegenheit theilte Minutoli auch mit, daß er im höheren Auftrage mit einer auswärtigen Mission beauftragt, die nächsten vierzehn Tage hier nicht anwesend sein könne. Man erzählt hier, daß Herr v. Minutoli mit dem Abschluß des Friedens mit Dänemark beauftragt sei.

Die Kandidaten, welche neben Herrn v. Minutoli die meisten Aussichten zur Wahl des Bürgergenerals haben, sind: Held, Redakteur der Lokomotive und der jetzige interimistische Kommandant Rimpler. Die Wahl selbst ist eine direkte, bei der die ganze, über 30,000 Mann zählende Bürgerwehr ihre Stimmen abgibt.

Hamburg, 29. Juni.

Ein englischer Kurier, der hier durchgekommen und auch hier Depeschen abgegeben zu haben scheint, hat nach Petersburg energische Vorstellungen gegen die Einmischung Rußlands in die schleswig-holsteinische Frage und gegen die weitere Bedrohung des Friedenszustandes durch die Einschiffnung der in Petersburg gerüstet stehenden Truppen auf die Flotte überbracht. Diese Flotte, gegen deren Absegeln die englische Note gerichtet ist, bildet die zweite Abtheilung der russischen Ostseeflotte; sie ist noch nicht in See, wenn gleich sie gerüstet wird. Die erste Abtheilung oder das Revalgeschwader, das bisher unter Reval kreuzte, ist 15 Segel stark, (6 Linienschiffe und 9 Fregatten) am 14. bei Ystadt gesehen worden.

(D. A. Z.)
* Weimar, 30. Juni.

Auch in unserem Miniatur-Musterländchen beginnt die Reaktion bereits ihre in der ersten Furcht der Revolution gemachten Konzessionen unter beliebigen Vorwänden aufzuheben. Nach Berka hat man unlängst 400 Mann Soldaten gesendet, angeblich um dem Kriminalgericht bei Untersuchung früherer unbedeutender Exzesse mehr "Nachdruck" zu verschaffen; in der That bewährte sich auch die Expedition als wirklicher Nachdruck, als ein Nachdruck der bekannten Mainzer und Mannheimer Entwaffnungsprozeduren. Die Bürger wurden bei Ankunft der Soldaten aufgefordert, ihre Waffen abzuliefern. Ein Theil leistete der Aufforderung Folge; die Schützenkompagnie aber weigerte sich dessen und zog sich nach dem Schießhaus zurück, wo sie von den Truppen umringt und eingeschlossen wurde. Als die Soldateska wirklich zur Beschießung sich anschickte, ergaben sich indeß die Schützen, um einem unnützen Blutvergießen vorzubeugen. In Tannroda und Thangelstedt rief die Nachricht von diesem Vorfall die wüthendste Erbitterung hervor und das Volk machte sich in großem Zug auf den Marsch, um den Bewohnern von Berka zu Hülfe zu ziehen. Unterwegs aber wurden sie in einem Wald von den Truppen umzingelt, und nach kurzem Widerstand überwältigt und ihrer Waffen beraubt. Tags darauf fand in den benachbarten Orten überall allgemeine Entwaffnung statt. - Das sind die Errungenschaften der Revolution, die Errungenschaft des liberalen Ministers Wydenbrugk, von dessen Thätigkeit in Frankfurt man beiläufig hier nichts Anderes hört, als

- was ihm passirt,
Bei schönen Frauenzimmern.
Ulm, 30. Juni.

Die Untersuchung, in Anwesenheit eines außerordentlichen Commissärs, nimmt einen raschen Verlauf; verhaftet wurden gegen dreißig Reiter des dritten Regiments. Auch der Polizeiobmann Stämpfle ist in's Criminalgefängniß gebracht worden. Die Soldaten der Wiblinger Besatzung haben in einer Zuschrift den Einwohnern Ulms ihr Bedauern und ihren Abscheu an dem Vorgefallenen ausgedrückt.

(U. Kr.)
* Dresden, 29. Juni.

Die zweite Kammer hat nach zweitägiger Debatte den Antrag ihrer Kommission auf Annahme des Einkammersystems mit 42 gegen 31 Stimmen verworfen.

Wien, 28. Juni.

Von den Reichstagswahlen in den Provinzen sind nun über ein Drittheil (139) angezeigt. Mißtrauen gegen den Adel, die Beamtenwelt und die Geistlichkeit hat sich in der großen Mehrzahl der Wahldistrikte deutlich ausgesprochen, und weder Personen dieser Klassen, noch Advokaten, Schriftsteller, Studenten etc., konnten sich eines Erfolges erfreuen. Die Abgeordneten bestehen in der Hauptsache aus kleineren Grundbesitzern und Bürgern. Tyrol macht hierin eine etwas bedeutendere Ausnahme. Die Wünsche des Volkes finden sich deutlich ausgesprochen, nämlich Aufhebung der drückenden Unterthansverhältnisse gegenüber dem adeligen Besitzthume, Beschränkung der Beamtenherrschaft und eine der Art geordnete Stellung der Geistlichkeit, daß ihr Beruf und Reich mehr von jener als von dieser Welt sei. Eine Ausnahme in letzterer Beziehung hat bei den mehrfachen Wahlen griechischer Geistlichen in Galizien stattgefunden, die mit dem Volke enger verwachsen sind. Auch Fabrikbesitzer befinden sich wenige unter den bisherigen Abgeordneten.

(N. C.)
Schweiz.
Bern, 28. Juni.

Am 27. Juni wurde die Tagsatzung geschlossen, nachdem sie die Berathung der Bundesreform vollendet hatte. Bis zum 1. Sept. haben nun die Kantone über Annahme oder Verwerfung sich auszusprechen.

(A. A. Z.)
Italien.
* Turin, 26. Juni.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
123 Rom, 22. Juni.

Es droht ein gewaltiger Sturm loszubrechen, eine jener Revolutionen, durch welche das Geschick eines Staates geändert wird. Jedermann weiß, wie tiefe Wurzeln hier der "Sonderbund" hat, wie er sich stets zu seinen imfamen Plänen und Intriguen der Reactionäre und des unwissendsten Theils im Volke zu bedienen verstand. Die Vorfälle im Venetianischen haben der "Sonderbund-Partei" neue Hoffnungen eingeflößt. Sie glaubt schon die Oestreicher vor den Thoren Roms zu erblicken, sie schnaubt bereits Wuth und Rache gegen die Liberalen (und die Rache der Pfaffen ist, wie bekannt, schrecklich). Pius IX. wird von diesen Leuten umgarnt; sie wirken darauf hin, daß er die Fortsetzung des Krieges, die Rüstungen etc. verhindere. Sie überreden ihn, er möge erklären, daß er von dem Unabhängigkeitskampfe nichts wissen wolle. Gestern rief der Pabst das im Quirinal auf der Wache befindliche 4te Bataillon der Bürchewache zu sich und erklärte ihm: er wolle keine weitere Theilnahme am Kriege; nur die Exaltirten wollten und führten ihn. Er werde einer deshalb etwa zu machenden Anleihe seine Zustimmung versagen etc. Genug, der Pabst ist bei schlechter Laune und das untere Volk wird gegen die Liberalen von den Anhängern des alten Systems auf jede Weise aufgehetzt. Allein die Bürger sind auf ihrer Hut und man wird uns nicht das Schicksal der Neapolitaner bereiten zu können. Der Pabst gab auch dem Präsidenten des hohen Raths (der ersten Kammer) sein Mißfallen über Annahme der Deputirtenbeschlüsse wegen Fortsetzung des Krieges in ziemlich herben Ausdrücken zu erkennen. Künftigen Montag soll ein Konsistorium gehalten werden und man ist wegen des Resultates in Spannung. Aus jenen Intriguen ist zu erklären, daß ein Mitglied der ersten Kammer vorschlug, die eben erst im Einverständnisse mit den Deputirten wegen des Kriegs gefaßten Beschlüsse wieder umzustoßen. Die Mehrzahl besaß aber doch zu viel Schaamgefühl, um darauf einzugehen. Der Präsident Muzarelli hat übrigens seine Entlassung eingereicht, wohl hauptsächlich wegen der oben erwähnten Anrede des Pabstes.

14 Rom, 22. Juni.

In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer war fast noch mehr Spannung und Andrang von Zuhörern, als an andern Tagen. Denn man erwartete die Vorschläge der Minister zu hören in Betreff der Fortsetzung des Krieges und der neuen Rüstungen. Es waren 57 Deputirte anwesend. Nach einer Interpellation an das Ministerium wegen einer angeblich von Venedig bei Frankreich nachgesuchten Hülfe und nach der Antwort des Ministers, daß Venedig vielmehr bei allen übrigen Staaten Italiens um Hülfe nachgesucht: besteigt der Kriegsminister die Tribune und legt der Kammer folgende Gesetzentwürfe vor: "Es sollen alle in den Provinzen vereinzelte Truppen, 4000 Mann an der Zahl, zusammengezogen und ihnen durch Anwerbung von Freiwilligen noch 3000 Mann hinzugefügt werden. Sie bilden dann mit den schon bereit stehenden 6000 M. ein Korps von 13,000 M., das sofort in's Feld rücken kann. Die Dienstzeit, für welche die Anwerbung geschieht, wird von 6 auf 3 Jahre vermindert. Nach Ablauf der in der Kapitulation bedungenen 3 Monate werden 24,000 M. verwendbar. Ferner müssen sofort 2 Batterien vollzählig gemacht, 6 neue Kanonen angeschafft, Gewehre und Munition angekauft werden. Es sind sodann fremde Offiziere zur Instruktion der Truppen herbeigerufen und mit einem Theil der in Venedig befindlichen Mannschaften Ravenna zu besetzen. Der zur Ausführung geforderte Kredit geht bis 4 Mill. Scudi. Die Kammer theilt sich in 5 Sektionen, überweist obige Gesetzvorschläge an eine derselben und vertagt sich.

* Neapel, 21. Juni.

Die Wahl der Deputirten ist da, wo man überhaupt eine solche vorgenommen, auf die vorigen Deputirten gefallen. Daß die letzteren nicht so thöricht sein werden, unter den jetzigen Umständen hieher zu kommen und sich unnützer Weise Preis zu geben, versteht sich von selbst. Der "Bombardirer" hat bereits erklärt, daß er solche Deputirte nie zulassen werde. Man sagt, es werde ein neuer Staatsstreich vorbereitet. Ferdinand will wahrscheinlich nochmals "auch eine Demonstration" machen. St. Elmo und die übrigen Forts um Neapel werden täglich fester, angriffs- und vertheidigungsfähiger gemacht. Im Fort St. Elmo sind dieser Tage mehrere Batterien auf der Nordseite angebracht worden, wo es am schwächsten war, und auf den andern Seiten ist der Vorrath an Bomben, Brandraketen etc. ungeheuer vermehrt worden, damit Ferdinand seinen "geliebten Neapolitanern" seine "väterliche" Zuneigung darthun könne. Gleiche Vorbereitungen in den Forts zu Posilippo, Bagnoli und Pozzuoli. Ueber die Ereignisse in Calabrien deckt die Regierung einen dichten Schleier. Trotzdem weiß man, daß der 19. Juni von den Calabresen und Sizilianern zum Angriff gegen Nunziante bestimmt war. Der General Busacca ist mit seiner Kolonne von den Cilentinern und Cosentinern unter Carducci's Anführung vollständig geschlagen worden. Jetzt kann ich Ihnen erst einen genauen authentischen Aufschluß über die Verluste am 15. Mai geben. Die Truppen verloren 1354 Todte, darunter 891 Schweizer. Die Zahl der nach den verschiedenen Militär-Spitälern gebrachten Verwundeten, von denen seitdem Viele gestorben sind, belief sich auf 1207 Personen. Der hiesige Klerus ist fortwährend den Liberalen feindlich; aber nirgends sind auch die Priester unwissender, als hier. Ein guter Theil der verjagten Jesuiten sind von Malta wieder nach Neapel gekommen und wirken im Geheimen für den theuern Ferdinand. Man versichert, daß der berüchtigte Pater Cocle mit seinem Beichtkinde in fortwährender Korrespondenz ist und das "unschuldige" Gewissen desselben leitet. Endlich muß ich des Gerüchts erwähnen, wonach der bekannte Merenda eine scheinbare republikanische Demonstration mittelst 3 bis 400 bezahlter und als vornehme Bürger gekleideter Lazzaroni's organisirt hat, welche zwischen dem 24. bis 30.

* Köln, 4. Juli.

Folgender Anschlag stand gestern Abend an unsern Straßenecken:

Mitglieder des Arbeiter-Vereins! Bürger!

Man hat heute zwei Eurer Führer verhaftet, Euren Präsidenten Dr. Gottschalk und den Bürger Anneke.

Laßt Euch aber nicht zu Gewaltstreichen hinreißen, wie man es wünscht. Ich ermahne und rufe euch zu: Behaltet euere Ruhe, wie bisher, laßt es nicht dahin kommen, daß Bürgerblut fließe. Wir streiten nicht für Personen, sondern für unsere Sache, für unser heiliges Recht, und das wird siegen, trotz aller brutalen Gewalt.

Köln, den 3. Juli 1848.

Der stellvertretende Präsident:

Jansen.

Wir fügen hinzu, daß der Abend ohne die geringste Ruhestörung vorüber ging.

* Köln, 4. Juli.

Nach einer Privatmittheilung in der Voss. Zeitung, sollen 1. das 18. Infanterie-Regiment, welches seit lange in Posen garnisonirt und den Posenern „liebgeworden“ ist, 2. eine 6pfündige Fußbatterie von dort weg und über Berlin zum Rheine marschiren, vielleicht selbst die preußische Garnison in Mainz ablösen. ‒ Unsere rheinischen Truppen sind also noch immer nicht auserlesen genug, um die Ordnung in der Provinz aufrecht zu erhalten und die Regierung in ihren stets offner hervortretenden Plänen zu unterstützen. Wir bedürfen dazu jener Soldateska, die gegen die unglücklichen Polen so entsetzlich gewüthet hat, daß sie sich selbst den Abscheu der russischen Soldaten zuzog. Es muß aber höchst dringend sein, daß diese Helden unter uns kommen, denn man scheut es nicht, wie die oben angeführte Korrespondenz sagt, die Posensche Garnison so zu schwächen, daß dieselbe einem ernsthaften Angriff kaum Widerstand leisten könnte. Die braven Posener „trösten“ sich damit, „daß die Russen als Freunde kommen werden.“

103 Berlin, 2. Juli.

Zur Vorbereitung der Wahl eines Bürgerwehr-Kommandanten fand heute die letzte vorberathende Versammlung statt. Es waren wieder mehrere vorgeschlagene Kandidaten anwesend, welche in längeren Reden ihr Glaubensbekenntniß und ihre Grundsätze darlegten. Hierauf folgten gewöhnlich Interpellationen, ganz nach Art der Wahl eines Volksvertreters. Herr v. Minutoli, der freiwillig abgegangene Polizeipräsident, scheint die meisten Aussichten zur Wahl zu haben. Das Volk ist gut, ehrlich und sittlich, sagte er, ich hatte Gelegenheit es kennen zu lernen, indem ich besonders die verhältnißmäßig kleine Zahl desselben ermittelte, die es nicht waren. Von oben herab habe man oft das Volk der Unsittlichkeit und Schlechtigkeit beschuldigt, aber er sei bereit das Gegentheil zu beweisen und nach diesen Grundsätzen wolle er auch als Bürgergeneral in vorkommenden Fällen als Vermittler aller Parteien handeln. Großer Beifall unterbrach mehrmals die Rede des Herrn v. Minutoli, der durchblicken ließ, daß das, was er als Polizeipräsident gegen die demokratischen Grundsätze that, ihm von oben befohlen war, und daß dies die Ursache seiner freiwilligen Abdankung gewesen. Uebrigens hat Herr von Minutoli die Annahme seiner Wahl davon abhängig gemacht, daß er mit großer Majorität gewählt werde, und daß das zu erwartende Gesetz über die Volksbewaffnung im wahrhaft freien Sinne erlassen würde, so daß er als General sich keinem andern Willen zu unterwerfen habe, als dem allgemeinen aus dem Organ der Bürgerwehr hervorgehenden.

Bei dieser Gelegenheit theilte Minutoli auch mit, daß er im höheren Auftrage mit einer auswärtigen Mission beauftragt, die nächsten vierzehn Tage hier nicht anwesend sein könne. Man erzählt hier, daß Herr v. Minutoli mit dem Abschluß des Friedens mit Dänemark beauftragt sei.

Die Kandidaten, welche neben Herrn v. Minutoli die meisten Aussichten zur Wahl des Bürgergenerals haben, sind: Held, Redakteur der Lokomotive und der jetzige interimistische Kommandant Rimpler. Die Wahl selbst ist eine direkte, bei der die ganze, über 30,000 Mann zählende Bürgerwehr ihre Stimmen abgibt.

Hamburg, 29. Juni.

Ein englischer Kurier, der hier durchgekommen und auch hier Depeschen abgegeben zu haben scheint, hat nach Petersburg energische Vorstellungen gegen die Einmischung Rußlands in die schleswig-holsteinische Frage und gegen die weitere Bedrohung des Friedenszustandes durch die Einschiffnung der in Petersburg gerüstet stehenden Truppen auf die Flotte überbracht. Diese Flotte, gegen deren Absegeln die englische Note gerichtet ist, bildet die zweite Abtheilung der russischen Ostseeflotte; sie ist noch nicht in See, wenn gleich sie gerüstet wird. Die erste Abtheilung oder das Revalgeschwader, das bisher unter Reval kreuzte, ist 15 Segel stark, (6 Linienschiffe und 9 Fregatten) am 14. bei Ystadt gesehen worden.

(D. A. Z.)
* Weimar, 30. Juni.

Auch in unserem Miniatur-Musterländchen beginnt die Reaktion bereits ihre in der ersten Furcht der Revolution gemachten Konzessionen unter beliebigen Vorwänden aufzuheben. Nach Berka hat man unlängst 400 Mann Soldaten gesendet, angeblich um dem Kriminalgericht bei Untersuchung früherer unbedeutender Exzesse mehr „Nachdruck“ zu verschaffen; in der That bewährte sich auch die Expedition als wirklicher Nachdruck, als ein Nachdruck der bekannten Mainzer und Mannheimer Entwaffnungsprozeduren. Die Bürger wurden bei Ankunft der Soldaten aufgefordert, ihre Waffen abzuliefern. Ein Theil leistete der Aufforderung Folge; die Schützenkompagnie aber weigerte sich dessen und zog sich nach dem Schießhaus zurück, wo sie von den Truppen umringt und eingeschlossen wurde. Als die Soldateska wirklich zur Beschießung sich anschickte, ergaben sich indeß die Schützen, um einem unnützen Blutvergießen vorzubeugen. In Tannroda und Thangelstedt rief die Nachricht von diesem Vorfall die wüthendste Erbitterung hervor und das Volk machte sich in großem Zug auf den Marsch, um den Bewohnern von Berka zu Hülfe zu ziehen. Unterwegs aber wurden sie in einem Wald von den Truppen umzingelt, und nach kurzem Widerstand überwältigt und ihrer Waffen beraubt. Tags darauf fand in den benachbarten Orten überall allgemeine Entwaffnung statt. ‒ Das sind die Errungenschaften der Revolution, die Errungenschaft des liberalen Ministers Wydenbrugk, von dessen Thätigkeit in Frankfurt man beiläufig hier nichts Anderes hört, als

‒ was ihm passirt,
Bei schönen Frauenzimmern.
Ulm, 30. Juni.

Die Untersuchung, in Anwesenheit eines außerordentlichen Commissärs, nimmt einen raschen Verlauf; verhaftet wurden gegen dreißig Reiter des dritten Regiments. Auch der Polizeiobmann Stämpfle ist in's Criminalgefängniß gebracht worden. Die Soldaten der Wiblinger Besatzung haben in einer Zuschrift den Einwohnern Ulms ihr Bedauern und ihren Abscheu an dem Vorgefallenen ausgedrückt.

(U. Kr.)
* Dresden, 29. Juni.

Die zweite Kammer hat nach zweitägiger Debatte den Antrag ihrer Kommission auf Annahme des Einkammersystems mit 42 gegen 31 Stimmen verworfen.

Wien, 28. Juni.

Von den Reichstagswahlen in den Provinzen sind nun über ein Drittheil (139) angezeigt. Mißtrauen gegen den Adel, die Beamtenwelt und die Geistlichkeit hat sich in der großen Mehrzahl der Wahldistrikte deutlich ausgesprochen, und weder Personen dieser Klassen, noch Advokaten, Schriftsteller, Studenten etc., konnten sich eines Erfolges erfreuen. Die Abgeordneten bestehen in der Hauptsache aus kleineren Grundbesitzern und Bürgern. Tyrol macht hierin eine etwas bedeutendere Ausnahme. Die Wünsche des Volkes finden sich deutlich ausgesprochen, nämlich Aufhebung der drückenden Unterthansverhältnisse gegenüber dem adeligen Besitzthume, Beschränkung der Beamtenherrschaft und eine der Art geordnete Stellung der Geistlichkeit, daß ihr Beruf und Reich mehr von jener als von dieser Welt sei. Eine Ausnahme in letzterer Beziehung hat bei den mehrfachen Wahlen griechischer Geistlichen in Galizien stattgefunden, die mit dem Volke enger verwachsen sind. Auch Fabrikbesitzer befinden sich wenige unter den bisherigen Abgeordneten.

(N. C.)
Schweiz.
Bern, 28. Juni.

Am 27. Juni wurde die Tagsatzung geschlossen, nachdem sie die Berathung der Bundesreform vollendet hatte. Bis zum 1. Sept. haben nun die Kantone über Annahme oder Verwerfung sich auszusprechen.

(A. A. Z.)
Italien.
* Turin, 26. Juni.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
123 Rom, 22. Juni.

Es droht ein gewaltiger Sturm loszubrechen, eine jener Revolutionen, durch welche das Geschick eines Staates geändert wird. Jedermann weiß, wie tiefe Wurzeln hier der „Sonderbund“ hat, wie er sich stets zu seinen imfamen Plänen und Intriguen der Reactionäre und des unwissendsten Theils im Volke zu bedienen verstand. Die Vorfälle im Venetianischen haben der „Sonderbund-Partei“ neue Hoffnungen eingeflößt. Sie glaubt schon die Oestreicher vor den Thoren Roms zu erblicken, sie schnaubt bereits Wuth und Rache gegen die Liberalen (und die Rache der Pfaffen ist, wie bekannt, schrecklich). Pius IX. wird von diesen Leuten umgarnt; sie wirken darauf hin, daß er die Fortsetzung des Krieges, die Rüstungen etc. verhindere. Sie überreden ihn, er möge erklären, daß er von dem Unabhängigkeitskampfe nichts wissen wolle. Gestern rief der Pabst das im Quirinal auf der Wache befindliche 4te Bataillon der Bürchewache zu sich und erklärte ihm: er wolle keine weitere Theilnahme am Kriege; nur die Exaltirten wollten und führten ihn. Er werde einer deshalb etwa zu machenden Anleihe seine Zustimmung versagen etc. Genug, der Pabst ist bei schlechter Laune und das untere Volk wird gegen die Liberalen von den Anhängern des alten Systems auf jede Weise aufgehetzt. Allein die Bürger sind auf ihrer Hut und man wird uns nicht das Schicksal der Neapolitaner bereiten zu können. Der Pabst gab auch dem Präsidenten des hohen Raths (der ersten Kammer) sein Mißfallen über Annahme der Deputirtenbeschlüsse wegen Fortsetzung des Krieges in ziemlich herben Ausdrücken zu erkennen. Künftigen Montag soll ein Konsistorium gehalten werden und man ist wegen des Resultates in Spannung. Aus jenen Intriguen ist zu erklären, daß ein Mitglied der ersten Kammer vorschlug, die eben erst im Einverständnisse mit den Deputirten wegen des Kriegs gefaßten Beschlüsse wieder umzustoßen. Die Mehrzahl besaß aber doch zu viel Schaamgefühl, um darauf einzugehen. Der Präsident Muzarelli hat übrigens seine Entlassung eingereicht, wohl hauptsächlich wegen der oben erwähnten Anrede des Pabstes.

14 Rom, 22. Juni.

In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer war fast noch mehr Spannung und Andrang von Zuhörern, als an andern Tagen. Denn man erwartete die Vorschläge der Minister zu hören in Betreff der Fortsetzung des Krieges und der neuen Rüstungen. Es waren 57 Deputirte anwesend. Nach einer Interpellation an das Ministerium wegen einer angeblich von Venedig bei Frankreich nachgesuchten Hülfe und nach der Antwort des Ministers, daß Venedig vielmehr bei allen übrigen Staaten Italiens um Hülfe nachgesucht: besteigt der Kriegsminister die Tribune und legt der Kammer folgende Gesetzentwürfe vor: „Es sollen alle in den Provinzen vereinzelte Truppen, 4000 Mann an der Zahl, zusammengezogen und ihnen durch Anwerbung von Freiwilligen noch 3000 Mann hinzugefügt werden. Sie bilden dann mit den schon bereit stehenden 6000 M. ein Korps von 13,000 M., das sofort in's Feld rücken kann. Die Dienstzeit, für welche die Anwerbung geschieht, wird von 6 auf 3 Jahre vermindert. Nach Ablauf der in der Kapitulation bedungenen 3 Monate werden 24,000 M. verwendbar. Ferner müssen sofort 2 Batterien vollzählig gemacht, 6 neue Kanonen angeschafft, Gewehre und Munition angekauft werden. Es sind sodann fremde Offiziere zur Instruktion der Truppen herbeigerufen und mit einem Theil der in Venedig befindlichen Mannschaften Ravenna zu besetzen. Der zur Ausführung geforderte Kredit geht bis 4 Mill. Scudi. Die Kammer theilt sich in 5 Sektionen, überweist obige Gesetzvorschläge an eine derselben und vertagt sich.

* Neapel, 21. Juni.

Die Wahl der Deputirten ist da, wo man überhaupt eine solche vorgenommen, auf die vorigen Deputirten gefallen. Daß die letzteren nicht so thöricht sein werden, unter den jetzigen Umständen hieher zu kommen und sich unnützer Weise Preis zu geben, versteht sich von selbst. Der „Bombardirer“ hat bereits erklärt, daß er solche Deputirte nie zulassen werde. Man sagt, es werde ein neuer Staatsstreich vorbereitet. Ferdinand will wahrscheinlich nochmals „auch eine Demonstration“ machen. St. Elmo und die übrigen Forts um Neapel werden täglich fester, angriffs- und vertheidigungsfähiger gemacht. Im Fort St. Elmo sind dieser Tage mehrere Batterien auf der Nordseite angebracht worden, wo es am schwächsten war, und auf den andern Seiten ist der Vorrath an Bomben, Brandraketen etc. ungeheuer vermehrt worden, damit Ferdinand seinen „geliebten Neapolitanern“ seine „väterliche“ Zuneigung darthun könne. Gleiche Vorbereitungen in den Forts zu Posilippo, Bagnoli und Pozzuoli. Ueber die Ereignisse in Calabrien deckt die Regierung einen dichten Schleier. Trotzdem weiß man, daß der 19. Juni von den Calabresen und Sizilianern zum Angriff gegen Nunziante bestimmt war. Der General Busacca ist mit seiner Kolonne von den Cilentinern und Cosentinern unter Carducci's Anführung vollständig geschlagen worden. Jetzt kann ich Ihnen erst einen genauen authentischen Aufschluß über die Verluste am 15. Mai geben. Die Truppen verloren 1354 Todte, darunter 891 Schweizer. Die Zahl der nach den verschiedenen Militär-Spitälern gebrachten Verwundeten, von denen seitdem Viele gestorben sind, belief sich auf 1207 Personen. Der hiesige Klerus ist fortwährend den Liberalen feindlich; aber nirgends sind auch die Priester unwissender, als hier. Ein guter Theil der verjagten Jesuiten sind von Malta wieder nach Neapel gekommen und wirken im Geheimen für den theuern Ferdinand. Man versichert, daß der berüchtigte Pater Cocle mit seinem Beichtkinde in fortwährender Korrespondenz ist und das „unschuldige“ Gewissen desselben leitet. Endlich muß ich des Gerüchts erwähnen, wonach der bekannte Merenda eine scheinbare republikanische Demonstration mittelst 3 bis 400 bezahlter und als vornehme Bürger gekleideter Lazzaroni's organisirt hat, welche zwischen dem 24. bis 30.

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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 4. Juli.</head>
          <p>Nach einer Privatmittheilung in der Voss. Zeitung, sollen 1. das 18.                         Infanterie-Regiment, welches seit lange in Posen garnisonirt und den                         Posenern &#x201E;liebgeworden&#x201C; ist, 2. eine 6pfündige Fußbatterie von dort weg und                         über Berlin zum Rheine marschiren, vielleicht selbst die preußische Garnison                         in Mainz ablösen. &#x2012; Unsere rheinischen Truppen sind also noch immer nicht                         auserlesen genug, um die Ordnung in der Provinz aufrecht zu erhalten und die                         Regierung in ihren stets offner hervortretenden Plänen zu unterstützen. Wir                         bedürfen dazu jener Soldateska, die gegen die unglücklichen Polen so                         entsetzlich gewüthet hat, daß sie sich selbst den Abscheu der russischen                         Soldaten zuzog. Es muß aber höchst dringend sein, daß diese Helden unter uns                         kommen, denn man scheut es nicht, wie die oben angeführte Korrespondenz                         sagt, die Posensche Garnison so zu schwächen, daß dieselbe einem ernsthaften                         Angriff kaum Widerstand leisten könnte. Die braven Posener &#x201E;trösten&#x201C; sich                         damit, &#x201E;daß die Russen als <hi rendition="#g">Freunde</hi> kommen                         werden.&#x201C;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar035_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 2. Juli.</head>
          <p>Zur Vorbereitung der Wahl eines Bürgerwehr-Kommandanten fand heute die letzte                         vorberathende Versammlung statt. Es waren wieder mehrere vorgeschlagene                         Kandidaten anwesend, welche in längeren Reden ihr Glaubensbekenntniß und                         ihre Grundsätze darlegten. Hierauf folgten gewöhnlich Interpellationen, ganz                         nach Art der Wahl eines Volksvertreters. Herr v. Minutoli, der freiwillig                         abgegangene Polizeipräsident, scheint die meisten Aussichten zur Wahl zu                         haben. Das Volk ist gut, ehrlich und sittlich, sagte er, ich hatte                         Gelegenheit es kennen zu lernen, indem ich besonders die verhältnißmäßig                         kleine Zahl desselben ermittelte, die es nicht waren. Von oben herab habe                         man oft das Volk der Unsittlichkeit und Schlechtigkeit beschuldigt, aber er                         sei bereit das Gegentheil zu beweisen und nach diesen Grundsätzen wolle er                         auch als Bürgergeneral in vorkommenden Fällen als Vermittler aller Parteien                         handeln. Großer Beifall unterbrach mehrmals die Rede des Herrn v. Minutoli,                         der durchblicken ließ, daß das, was er als Polizeipräsident gegen die                         demokratischen Grundsätze that, ihm von oben befohlen war, und daß dies die                         Ursache seiner freiwilligen Abdankung gewesen. Uebrigens hat Herr von                         Minutoli die Annahme seiner Wahl davon abhängig gemacht, daß er mit großer                         Majorität gewählt werde, und daß das zu erwartende Gesetz über die                         Volksbewaffnung im wahrhaft freien Sinne erlassen würde, so daß er als                         General sich keinem andern Willen zu unterwerfen habe, als dem allgemeinen                         aus dem Organ der Bürgerwehr hervorgehenden.</p>
          <p>Bei dieser Gelegenheit theilte Minutoli auch mit, daß er im höheren Auftrage                         mit einer auswärtigen Mission beauftragt, die nächsten vierzehn Tage hier                         nicht anwesend sein könne. Man erzählt hier, daß Herr v. Minutoli <hi rendition="#g">mit dem Abschluß des Friedens mit Dänemark</hi> beauftragt sei.</p>
          <p>Die Kandidaten, welche neben Herrn v. Minutoli die meisten Aussichten zur                         Wahl des Bürgergenerals haben, sind: Held, Redakteur der Lokomotive und der                         jetzige interimistische Kommandant Rimpler. Die Wahl selbst ist eine <hi rendition="#g">direkte,</hi> bei der die ganze, über 30,000 Mann                         zählende Bürgerwehr ihre Stimmen abgibt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar035_007" type="jArticle">
          <head>Hamburg, 29. Juni.</head>
          <p>Ein englischer Kurier, der hier durchgekommen und auch hier Depeschen                         abgegeben zu haben scheint, hat nach Petersburg energische Vorstellungen                         gegen die Einmischung Rußlands in die schleswig-holsteinische Frage und                         gegen die weitere Bedrohung des Friedenszustandes durch die Einschiffnung                         der in Petersburg gerüstet stehenden Truppen auf die Flotte überbracht.                         Diese Flotte, gegen deren Absegeln die englische Note gerichtet ist, bildet                         die zweite Abtheilung der russischen Ostseeflotte; sie ist noch nicht in                         See, wenn gleich sie gerüstet wird. Die erste Abtheilung oder das                         Revalgeschwader, das bisher unter Reval kreuzte, ist 15 Segel stark, (6                         Linienschiffe und 9 Fregatten) am 14. bei Ystadt gesehen worden.</p>
          <bibl>(D. A. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar035_008" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Weimar, 30. Juni.</head>
          <p>Auch in unserem Miniatur-Musterländchen beginnt die Reaktion bereits ihre in                         der ersten Furcht der Revolution gemachten Konzessionen unter beliebigen                         Vorwänden aufzuheben. Nach Berka hat man unlängst 400 Mann Soldaten                         gesendet, angeblich um dem Kriminalgericht bei Untersuchung früherer                         unbedeutender Exzesse mehr &#x201E;Nachdruck&#x201C; zu verschaffen; in der That bewährte                         sich auch die Expedition als wirklicher Nachdruck, als ein Nachdruck der                         bekannten Mainzer und Mannheimer Entwaffnungsprozeduren. Die Bürger wurden                         bei Ankunft der Soldaten aufgefordert, ihre Waffen abzuliefern. Ein Theil                         leistete der Aufforderung Folge; die Schützenkompagnie aber weigerte sich                         dessen und zog sich nach dem Schießhaus zurück, wo sie von den Truppen                         umringt und eingeschlossen wurde. Als die Soldateska wirklich zur                         Beschießung sich anschickte, ergaben sich indeß die Schützen, um einem                         unnützen Blutvergießen vorzubeugen. In Tannroda und Thangelstedt rief die                         Nachricht von diesem Vorfall die wüthendste Erbitterung hervor und das Volk                         machte sich in großem Zug auf den Marsch, um den Bewohnern von Berka zu                         Hülfe zu ziehen. Unterwegs aber wurden sie in einem Wald von den Truppen                         umzingelt, und nach kurzem Widerstand überwältigt und ihrer Waffen beraubt.                         Tags darauf fand in den benachbarten Orten überall allgemeine Entwaffnung                         statt. &#x2012; Das sind die Errungenschaften der Revolution, die Errungenschaft                         des liberalen Ministers Wydenbrugk, von dessen Thätigkeit in Frankfurt man                         beiläufig hier nichts Anderes hört, als</p>
          <lg type="poem">
            <l>&#x2012; was ihm passirt,</l><lb/>
            <l>Bei schönen Frauenzimmern.</l><lb/>
          </lg>
        </div>
        <div xml:id="ar035_009" type="jArticle">
          <head>Ulm, 30. Juni.</head>
          <p>Die Untersuchung, in Anwesenheit eines außerordentlichen Commissärs, nimmt                         einen raschen Verlauf; verhaftet wurden gegen dreißig Reiter des dritten                         Regiments. Auch der Polizeiobmann Stämpfle ist in's Criminalgefängniß                         gebracht worden. Die Soldaten der Wiblinger Besatzung haben in einer                         Zuschrift den Einwohnern Ulms ihr Bedauern und ihren Abscheu an dem                         Vorgefallenen ausgedrückt.</p>
          <bibl>(U. Kr.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar035_010" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Dresden, 29. Juni.</head>
          <p>Die zweite Kammer hat nach zweitägiger Debatte den Antrag ihrer Kommission                         auf Annahme des Einkammersystems mit 42 gegen 31 Stimmen verworfen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar035_011" type="jArticle">
          <head>Wien, 28. Juni.</head>
          <p>Von den Reichstagswahlen in den Provinzen sind nun über ein Drittheil (139)                         angezeigt. Mißtrauen gegen den Adel, die Beamtenwelt und die Geistlichkeit                         hat sich in der großen Mehrzahl der Wahldistrikte deutlich ausgesprochen,                         und weder Personen dieser Klassen, noch Advokaten, Schriftsteller, Studenten                         etc., konnten sich eines Erfolges erfreuen. Die Abgeordneten bestehen in der                         Hauptsache aus kleineren Grundbesitzern und Bürgern. Tyrol macht hierin eine                         etwas bedeutendere Ausnahme. Die Wünsche des Volkes finden sich deutlich                         ausgesprochen, nämlich Aufhebung der drückenden Unterthansverhältnisse                         gegenüber dem adeligen Besitzthume, Beschränkung der Beamtenherrschaft und                         eine der Art geordnete Stellung der Geistlichkeit, daß ihr Beruf und Reich                         mehr von jener als von dieser Welt sei. Eine Ausnahme in letzterer Beziehung                         hat bei den mehrfachen Wahlen griechischer Geistlichen in Galizien                         stattgefunden, die mit dem Volke enger verwachsen sind. Auch Fabrikbesitzer                         befinden sich wenige unter den bisherigen Abgeordneten.</p>
          <bibl>(N. C.)</bibl>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Schweiz.</head>
        <div xml:id="ar035_012" type="jArticle">
          <head>Bern, 28. Juni.</head>
          <p>Am 27. Juni wurde die Tagsatzung geschlossen, nachdem sie die Berathung der                         Bundesreform vollendet hatte. Bis zum 1. Sept. haben nun die Kantone über                         Annahme oder Verwerfung sich auszusprechen.</p>
          <bibl>(A. A. Z.)</bibl>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Italien.</head>
        <div xml:id="ar035_013_c" type="jArticle">
          <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Italien. 5. Juli 1848. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 260.</bibl></note>
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Turin, 26. Juni.</head>
          <gap reason="copyright"/>
        </div>
        <div xml:id="ar035_014" type="jArticle">
          <head><bibl><author>123</author></bibl> Rom, 22. Juni.</head>
          <p>Es droht ein gewaltiger Sturm loszubrechen, eine jener Revolutionen, durch                         welche das Geschick eines Staates geändert wird. Jedermann weiß, wie tiefe                         Wurzeln hier der &#x201E;Sonderbund&#x201C; hat, wie er sich stets zu seinen imfamen                         Plänen und Intriguen der Reactionäre und des unwissendsten Theils im Volke                         zu bedienen verstand. Die Vorfälle im Venetianischen haben der                         &#x201E;Sonderbund-Partei&#x201C; neue Hoffnungen eingeflößt. Sie glaubt schon die                         Oestreicher vor den Thoren Roms zu erblicken, sie schnaubt bereits Wuth und                         Rache gegen die Liberalen (und die Rache der Pfaffen ist, wie bekannt,                         schrecklich). Pius IX. wird von diesen Leuten umgarnt; sie wirken darauf                         hin, daß er die Fortsetzung des Krieges, die Rüstungen etc. verhindere. Sie                         überreden ihn, er möge erklären, daß er von dem Unabhängigkeitskampfe nichts                         wissen wolle. Gestern rief der Pabst das im Quirinal auf der Wache                         befindliche 4te Bataillon der Bürchewache zu sich und erklärte ihm: er wolle                         keine weitere Theilnahme am Kriege; nur die Exaltirten wollten und führten                         ihn. Er werde einer deshalb etwa zu machenden Anleihe seine Zustimmung                         versagen etc. Genug, der Pabst ist bei schlechter Laune und das untere Volk                         wird gegen die Liberalen von den Anhängern des alten Systems auf jede Weise                         aufgehetzt. Allein die Bürger sind auf ihrer Hut und man wird uns nicht das                         Schicksal der Neapolitaner bereiten zu können. Der Pabst gab auch dem                         Präsidenten des hohen Raths (der ersten Kammer) sein Mißfallen über Annahme                         der Deputirtenbeschlüsse wegen Fortsetzung des Krieges in ziemlich herben                         Ausdrücken zu erkennen. Künftigen Montag soll ein Konsistorium gehalten                         werden und man ist wegen des Resultates in Spannung. Aus jenen Intriguen ist                         zu erklären, daß ein Mitglied der ersten Kammer vorschlug, die eben erst im                         Einverständnisse mit den Deputirten wegen des Kriegs gefaßten Beschlüsse                         wieder umzustoßen. Die Mehrzahl besaß aber doch zu viel Schaamgefühl, um                         darauf einzugehen. Der Präsident Muzarelli hat übrigens seine Entlassung                         eingereicht, wohl hauptsächlich wegen der oben erwähnten Anrede des                         Pabstes.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar035_015" type="jArticle">
          <head><bibl><author>14</author></bibl> Rom, 22. Juni.</head>
          <p>In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer war fast noch mehr Spannung und                         Andrang von Zuhörern, als an andern Tagen. Denn man erwartete die Vorschläge                         der Minister zu hören in Betreff der Fortsetzung des Krieges und der neuen                         Rüstungen. Es waren 57 Deputirte anwesend. Nach einer Interpellation an das                         Ministerium wegen einer angeblich von Venedig bei Frankreich nachgesuchten                         Hülfe und nach der Antwort des Ministers, daß Venedig vielmehr bei allen                         übrigen Staaten Italiens um Hülfe nachgesucht: besteigt der Kriegsminister                         die Tribune und legt der Kammer folgende Gesetzentwürfe vor: &#x201E;Es sollen alle                         in den Provinzen vereinzelte Truppen, 4000 Mann an der Zahl, zusammengezogen                         und ihnen durch Anwerbung von Freiwilligen noch 3000 Mann hinzugefügt                         werden. Sie bilden dann mit den schon bereit stehenden 6000 M. ein Korps von                         13,000 M., das sofort in's Feld rücken kann. Die Dienstzeit, für welche die                         Anwerbung geschieht, wird von 6 auf 3 Jahre vermindert. Nach Ablauf der in                         der Kapitulation bedungenen 3 Monate werden 24,000 M. verwendbar. Ferner                         müssen sofort 2 Batterien vollzählig gemacht, 6 neue Kanonen angeschafft,                         Gewehre und Munition angekauft werden. Es sind sodann fremde Offiziere zur                         Instruktion der Truppen herbeigerufen und mit einem Theil der in Venedig                         befindlichen Mannschaften Ravenna zu besetzen. Der zur Ausführung geforderte                         Kredit geht bis 4 Mill. Scudi. Die Kammer theilt sich in 5 Sektionen,                         überweist obige Gesetzvorschläge an eine derselben und vertagt sich.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar035_016" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Neapel, 21. Juni.</head>
          <p>Die Wahl der Deputirten ist da, wo man überhaupt eine solche vorgenommen, auf                         die vorigen Deputirten gefallen. Daß die letzteren nicht so thöricht sein                         werden, unter den jetzigen Umständen hieher zu kommen und sich unnützer                         Weise Preis zu geben, versteht sich von selbst. Der &#x201E;Bombardirer&#x201C; hat                         bereits erklärt, daß er solche Deputirte nie zulassen werde. Man sagt, es                         werde ein neuer Staatsstreich vorbereitet. Ferdinand will wahrscheinlich                         nochmals &#x201E;auch eine Demonstration&#x201C; machen. St. Elmo und die übrigen Forts um                         Neapel werden täglich fester, angriffs- und vertheidigungsfähiger gemacht.                         Im Fort St. Elmo sind dieser Tage mehrere Batterien auf der Nordseite                         angebracht worden, wo es am schwächsten war, und auf den andern Seiten ist                         der Vorrath an Bomben, Brandraketen etc. ungeheuer vermehrt worden, damit                         Ferdinand seinen &#x201E;geliebten Neapolitanern&#x201C; seine &#x201E;väterliche&#x201C; Zuneigung                         darthun könne. Gleiche Vorbereitungen in den Forts zu Posilippo, Bagnoli und                         Pozzuoli. Ueber die Ereignisse in Calabrien deckt die Regierung einen                         dichten Schleier. Trotzdem weiß man, daß der 19. Juni von den Calabresen und                         Sizilianern zum Angriff gegen Nunziante bestimmt war. Der General Busacca                         ist mit seiner Kolonne von den Cilentinern und Cosentinern unter Carducci's                         Anführung vollständig geschlagen worden. Jetzt kann ich Ihnen erst einen                         genauen authentischen Aufschluß über die Verluste am 15. Mai geben. Die                         Truppen verloren 1354 Todte, darunter 891 <hi rendition="#g">Schweizer.</hi> Die Zahl der nach den verschiedenen Militär-Spitälern gebrachten                         Verwundeten, von denen seitdem Viele gestorben sind, belief sich auf 1207                         Personen. Der hiesige Klerus ist fortwährend den Liberalen feindlich; aber                         nirgends sind auch die Priester unwissender, als hier. Ein guter Theil der                         verjagten Jesuiten sind von Malta wieder nach Neapel gekommen und wirken im                         Geheimen für den theuern Ferdinand. Man versichert, daß der berüchtigte                         Pater Cocle mit seinem Beichtkinde in fortwährender Korrespondenz ist und                         das &#x201E;unschuldige&#x201C; Gewissen desselben leitet. Endlich muß ich des Gerüchts                         erwähnen, wonach der bekannte <hi rendition="#g">Merenda</hi> eine                         scheinbare republikanische Demonstration mittelst 3 bis 400 bezahlter und                         als vornehme Bürger gekleideter Lazzaroni's organisirt hat, welche zwischen                         dem 24. bis 30.
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[0174/0002] * Köln, 4. Juli. Folgender Anschlag stand gestern Abend an unsern Straßenecken: Mitglieder des Arbeiter-Vereins! Bürger! Man hat heute zwei Eurer Führer verhaftet, Euren Präsidenten Dr. Gottschalk und den Bürger Anneke. Laßt Euch aber nicht zu Gewaltstreichen hinreißen, wie man es wünscht. Ich ermahne und rufe euch zu: Behaltet euere Ruhe, wie bisher, laßt es nicht dahin kommen, daß Bürgerblut fließe. Wir streiten nicht für Personen, sondern für unsere Sache, für unser heiliges Recht, und das wird siegen, trotz aller brutalen Gewalt. Köln, den 3. Juli 1848. Der stellvertretende Präsident: Jansen. Wir fügen hinzu, daß der Abend ohne die geringste Ruhestörung vorüber ging. * Köln, 4. Juli. Nach einer Privatmittheilung in der Voss. Zeitung, sollen 1. das 18. Infanterie-Regiment, welches seit lange in Posen garnisonirt und den Posenern „liebgeworden“ ist, 2. eine 6pfündige Fußbatterie von dort weg und über Berlin zum Rheine marschiren, vielleicht selbst die preußische Garnison in Mainz ablösen. ‒ Unsere rheinischen Truppen sind also noch immer nicht auserlesen genug, um die Ordnung in der Provinz aufrecht zu erhalten und die Regierung in ihren stets offner hervortretenden Plänen zu unterstützen. Wir bedürfen dazu jener Soldateska, die gegen die unglücklichen Polen so entsetzlich gewüthet hat, daß sie sich selbst den Abscheu der russischen Soldaten zuzog. Es muß aber höchst dringend sein, daß diese Helden unter uns kommen, denn man scheut es nicht, wie die oben angeführte Korrespondenz sagt, die Posensche Garnison so zu schwächen, daß dieselbe einem ernsthaften Angriff kaum Widerstand leisten könnte. Die braven Posener „trösten“ sich damit, „daß die Russen als Freunde kommen werden.“ 103 Berlin, 2. Juli. Zur Vorbereitung der Wahl eines Bürgerwehr-Kommandanten fand heute die letzte vorberathende Versammlung statt. Es waren wieder mehrere vorgeschlagene Kandidaten anwesend, welche in längeren Reden ihr Glaubensbekenntniß und ihre Grundsätze darlegten. Hierauf folgten gewöhnlich Interpellationen, ganz nach Art der Wahl eines Volksvertreters. Herr v. Minutoli, der freiwillig abgegangene Polizeipräsident, scheint die meisten Aussichten zur Wahl zu haben. Das Volk ist gut, ehrlich und sittlich, sagte er, ich hatte Gelegenheit es kennen zu lernen, indem ich besonders die verhältnißmäßig kleine Zahl desselben ermittelte, die es nicht waren. Von oben herab habe man oft das Volk der Unsittlichkeit und Schlechtigkeit beschuldigt, aber er sei bereit das Gegentheil zu beweisen und nach diesen Grundsätzen wolle er auch als Bürgergeneral in vorkommenden Fällen als Vermittler aller Parteien handeln. Großer Beifall unterbrach mehrmals die Rede des Herrn v. Minutoli, der durchblicken ließ, daß das, was er als Polizeipräsident gegen die demokratischen Grundsätze that, ihm von oben befohlen war, und daß dies die Ursache seiner freiwilligen Abdankung gewesen. Uebrigens hat Herr von Minutoli die Annahme seiner Wahl davon abhängig gemacht, daß er mit großer Majorität gewählt werde, und daß das zu erwartende Gesetz über die Volksbewaffnung im wahrhaft freien Sinne erlassen würde, so daß er als General sich keinem andern Willen zu unterwerfen habe, als dem allgemeinen aus dem Organ der Bürgerwehr hervorgehenden. Bei dieser Gelegenheit theilte Minutoli auch mit, daß er im höheren Auftrage mit einer auswärtigen Mission beauftragt, die nächsten vierzehn Tage hier nicht anwesend sein könne. Man erzählt hier, daß Herr v. Minutoli mit dem Abschluß des Friedens mit Dänemark beauftragt sei. Die Kandidaten, welche neben Herrn v. Minutoli die meisten Aussichten zur Wahl des Bürgergenerals haben, sind: Held, Redakteur der Lokomotive und der jetzige interimistische Kommandant Rimpler. Die Wahl selbst ist eine direkte, bei der die ganze, über 30,000 Mann zählende Bürgerwehr ihre Stimmen abgibt. Hamburg, 29. Juni. Ein englischer Kurier, der hier durchgekommen und auch hier Depeschen abgegeben zu haben scheint, hat nach Petersburg energische Vorstellungen gegen die Einmischung Rußlands in die schleswig-holsteinische Frage und gegen die weitere Bedrohung des Friedenszustandes durch die Einschiffnung der in Petersburg gerüstet stehenden Truppen auf die Flotte überbracht. Diese Flotte, gegen deren Absegeln die englische Note gerichtet ist, bildet die zweite Abtheilung der russischen Ostseeflotte; sie ist noch nicht in See, wenn gleich sie gerüstet wird. Die erste Abtheilung oder das Revalgeschwader, das bisher unter Reval kreuzte, ist 15 Segel stark, (6 Linienschiffe und 9 Fregatten) am 14. bei Ystadt gesehen worden. (D. A. Z.) * Weimar, 30. Juni. Auch in unserem Miniatur-Musterländchen beginnt die Reaktion bereits ihre in der ersten Furcht der Revolution gemachten Konzessionen unter beliebigen Vorwänden aufzuheben. Nach Berka hat man unlängst 400 Mann Soldaten gesendet, angeblich um dem Kriminalgericht bei Untersuchung früherer unbedeutender Exzesse mehr „Nachdruck“ zu verschaffen; in der That bewährte sich auch die Expedition als wirklicher Nachdruck, als ein Nachdruck der bekannten Mainzer und Mannheimer Entwaffnungsprozeduren. Die Bürger wurden bei Ankunft der Soldaten aufgefordert, ihre Waffen abzuliefern. Ein Theil leistete der Aufforderung Folge; die Schützenkompagnie aber weigerte sich dessen und zog sich nach dem Schießhaus zurück, wo sie von den Truppen umringt und eingeschlossen wurde. Als die Soldateska wirklich zur Beschießung sich anschickte, ergaben sich indeß die Schützen, um einem unnützen Blutvergießen vorzubeugen. In Tannroda und Thangelstedt rief die Nachricht von diesem Vorfall die wüthendste Erbitterung hervor und das Volk machte sich in großem Zug auf den Marsch, um den Bewohnern von Berka zu Hülfe zu ziehen. Unterwegs aber wurden sie in einem Wald von den Truppen umzingelt, und nach kurzem Widerstand überwältigt und ihrer Waffen beraubt. Tags darauf fand in den benachbarten Orten überall allgemeine Entwaffnung statt. ‒ Das sind die Errungenschaften der Revolution, die Errungenschaft des liberalen Ministers Wydenbrugk, von dessen Thätigkeit in Frankfurt man beiläufig hier nichts Anderes hört, als ‒ was ihm passirt, Bei schönen Frauenzimmern. Ulm, 30. Juni. Die Untersuchung, in Anwesenheit eines außerordentlichen Commissärs, nimmt einen raschen Verlauf; verhaftet wurden gegen dreißig Reiter des dritten Regiments. Auch der Polizeiobmann Stämpfle ist in's Criminalgefängniß gebracht worden. Die Soldaten der Wiblinger Besatzung haben in einer Zuschrift den Einwohnern Ulms ihr Bedauern und ihren Abscheu an dem Vorgefallenen ausgedrückt. (U. Kr.) * Dresden, 29. Juni. Die zweite Kammer hat nach zweitägiger Debatte den Antrag ihrer Kommission auf Annahme des Einkammersystems mit 42 gegen 31 Stimmen verworfen. Wien, 28. Juni. Von den Reichstagswahlen in den Provinzen sind nun über ein Drittheil (139) angezeigt. Mißtrauen gegen den Adel, die Beamtenwelt und die Geistlichkeit hat sich in der großen Mehrzahl der Wahldistrikte deutlich ausgesprochen, und weder Personen dieser Klassen, noch Advokaten, Schriftsteller, Studenten etc., konnten sich eines Erfolges erfreuen. Die Abgeordneten bestehen in der Hauptsache aus kleineren Grundbesitzern und Bürgern. Tyrol macht hierin eine etwas bedeutendere Ausnahme. Die Wünsche des Volkes finden sich deutlich ausgesprochen, nämlich Aufhebung der drückenden Unterthansverhältnisse gegenüber dem adeligen Besitzthume, Beschränkung der Beamtenherrschaft und eine der Art geordnete Stellung der Geistlichkeit, daß ihr Beruf und Reich mehr von jener als von dieser Welt sei. Eine Ausnahme in letzterer Beziehung hat bei den mehrfachen Wahlen griechischer Geistlichen in Galizien stattgefunden, die mit dem Volke enger verwachsen sind. Auch Fabrikbesitzer befinden sich wenige unter den bisherigen Abgeordneten. (N. C.) Schweiz. Bern, 28. Juni. Am 27. Juni wurde die Tagsatzung geschlossen, nachdem sie die Berathung der Bundesreform vollendet hatte. Bis zum 1. Sept. haben nun die Kantone über Annahme oder Verwerfung sich auszusprechen. (A. A. Z.) Italien. * Turin, 26. Juni. _ 123 Rom, 22. Juni. Es droht ein gewaltiger Sturm loszubrechen, eine jener Revolutionen, durch welche das Geschick eines Staates geändert wird. Jedermann weiß, wie tiefe Wurzeln hier der „Sonderbund“ hat, wie er sich stets zu seinen imfamen Plänen und Intriguen der Reactionäre und des unwissendsten Theils im Volke zu bedienen verstand. Die Vorfälle im Venetianischen haben der „Sonderbund-Partei“ neue Hoffnungen eingeflößt. Sie glaubt schon die Oestreicher vor den Thoren Roms zu erblicken, sie schnaubt bereits Wuth und Rache gegen die Liberalen (und die Rache der Pfaffen ist, wie bekannt, schrecklich). Pius IX. wird von diesen Leuten umgarnt; sie wirken darauf hin, daß er die Fortsetzung des Krieges, die Rüstungen etc. verhindere. Sie überreden ihn, er möge erklären, daß er von dem Unabhängigkeitskampfe nichts wissen wolle. Gestern rief der Pabst das im Quirinal auf der Wache befindliche 4te Bataillon der Bürchewache zu sich und erklärte ihm: er wolle keine weitere Theilnahme am Kriege; nur die Exaltirten wollten und führten ihn. Er werde einer deshalb etwa zu machenden Anleihe seine Zustimmung versagen etc. Genug, der Pabst ist bei schlechter Laune und das untere Volk wird gegen die Liberalen von den Anhängern des alten Systems auf jede Weise aufgehetzt. Allein die Bürger sind auf ihrer Hut und man wird uns nicht das Schicksal der Neapolitaner bereiten zu können. Der Pabst gab auch dem Präsidenten des hohen Raths (der ersten Kammer) sein Mißfallen über Annahme der Deputirtenbeschlüsse wegen Fortsetzung des Krieges in ziemlich herben Ausdrücken zu erkennen. Künftigen Montag soll ein Konsistorium gehalten werden und man ist wegen des Resultates in Spannung. Aus jenen Intriguen ist zu erklären, daß ein Mitglied der ersten Kammer vorschlug, die eben erst im Einverständnisse mit den Deputirten wegen des Kriegs gefaßten Beschlüsse wieder umzustoßen. Die Mehrzahl besaß aber doch zu viel Schaamgefühl, um darauf einzugehen. Der Präsident Muzarelli hat übrigens seine Entlassung eingereicht, wohl hauptsächlich wegen der oben erwähnten Anrede des Pabstes. 14 Rom, 22. Juni. In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer war fast noch mehr Spannung und Andrang von Zuhörern, als an andern Tagen. Denn man erwartete die Vorschläge der Minister zu hören in Betreff der Fortsetzung des Krieges und der neuen Rüstungen. Es waren 57 Deputirte anwesend. Nach einer Interpellation an das Ministerium wegen einer angeblich von Venedig bei Frankreich nachgesuchten Hülfe und nach der Antwort des Ministers, daß Venedig vielmehr bei allen übrigen Staaten Italiens um Hülfe nachgesucht: besteigt der Kriegsminister die Tribune und legt der Kammer folgende Gesetzentwürfe vor: „Es sollen alle in den Provinzen vereinzelte Truppen, 4000 Mann an der Zahl, zusammengezogen und ihnen durch Anwerbung von Freiwilligen noch 3000 Mann hinzugefügt werden. Sie bilden dann mit den schon bereit stehenden 6000 M. ein Korps von 13,000 M., das sofort in's Feld rücken kann. Die Dienstzeit, für welche die Anwerbung geschieht, wird von 6 auf 3 Jahre vermindert. Nach Ablauf der in der Kapitulation bedungenen 3 Monate werden 24,000 M. verwendbar. Ferner müssen sofort 2 Batterien vollzählig gemacht, 6 neue Kanonen angeschafft, Gewehre und Munition angekauft werden. Es sind sodann fremde Offiziere zur Instruktion der Truppen herbeigerufen und mit einem Theil der in Venedig befindlichen Mannschaften Ravenna zu besetzen. Der zur Ausführung geforderte Kredit geht bis 4 Mill. Scudi. Die Kammer theilt sich in 5 Sektionen, überweist obige Gesetzvorschläge an eine derselben und vertagt sich. * Neapel, 21. Juni. Die Wahl der Deputirten ist da, wo man überhaupt eine solche vorgenommen, auf die vorigen Deputirten gefallen. Daß die letzteren nicht so thöricht sein werden, unter den jetzigen Umständen hieher zu kommen und sich unnützer Weise Preis zu geben, versteht sich von selbst. Der „Bombardirer“ hat bereits erklärt, daß er solche Deputirte nie zulassen werde. Man sagt, es werde ein neuer Staatsstreich vorbereitet. Ferdinand will wahrscheinlich nochmals „auch eine Demonstration“ machen. St. Elmo und die übrigen Forts um Neapel werden täglich fester, angriffs- und vertheidigungsfähiger gemacht. Im Fort St. Elmo sind dieser Tage mehrere Batterien auf der Nordseite angebracht worden, wo es am schwächsten war, und auf den andern Seiten ist der Vorrath an Bomben, Brandraketen etc. ungeheuer vermehrt worden, damit Ferdinand seinen „geliebten Neapolitanern“ seine „väterliche“ Zuneigung darthun könne. Gleiche Vorbereitungen in den Forts zu Posilippo, Bagnoli und Pozzuoli. Ueber die Ereignisse in Calabrien deckt die Regierung einen dichten Schleier. Trotzdem weiß man, daß der 19. Juni von den Calabresen und Sizilianern zum Angriff gegen Nunziante bestimmt war. Der General Busacca ist mit seiner Kolonne von den Cilentinern und Cosentinern unter Carducci's Anführung vollständig geschlagen worden. Jetzt kann ich Ihnen erst einen genauen authentischen Aufschluß über die Verluste am 15. Mai geben. Die Truppen verloren 1354 Todte, darunter 891 Schweizer. Die Zahl der nach den verschiedenen Militär-Spitälern gebrachten Verwundeten, von denen seitdem Viele gestorben sind, belief sich auf 1207 Personen. Der hiesige Klerus ist fortwährend den Liberalen feindlich; aber nirgends sind auch die Priester unwissender, als hier. Ein guter Theil der verjagten Jesuiten sind von Malta wieder nach Neapel gekommen und wirken im Geheimen für den theuern Ferdinand. Man versichert, daß der berüchtigte Pater Cocle mit seinem Beichtkinde in fortwährender Korrespondenz ist und das „unschuldige“ Gewissen desselben leitet. Endlich muß ich des Gerüchts erwähnen, wonach der bekannte Merenda eine scheinbare republikanische Demonstration mittelst 3 bis 400 bezahlter und als vornehme Bürger gekleideter Lazzaroni's organisirt hat, welche zwischen dem 24. bis 30.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 35. Köln, 5. Juli 1848, S. 0174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz035_1848/2>, abgerufen am 24.04.2024.