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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 39. Köln, 9. Juli 1848. Beilage.

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Beilage zu Nr. 39 der Neuen Rhein. Zeitung.
Sonntag, 9. Juli 1848.
Uebersicht.

Deutschland. Köln (das Ministerium der That. - Die preußische Pacifizirung und Reorganisation Posens. - Vereinbarungsdebatte). Berlin (Ministerkrisis. Lachmann. Polenkommission. Herrn Mäder's Verhaftung. - Ministerialgerüchte. - Die Russen sollen in die Donauprovinzen gerückt sein). Frankfurt (Sitzung der Nationalversammlung. - Blöde über die letzte Turner-Tagsatzung. - Die Thurn und Taxis'sche Post). Posen (Soldatenwirthschaft. Hamburg (Friedensgerüchte in Kopenhagen. - Der Abschluß des Waffenstillstandes). Freiburg (Verhaftung). Ulm (die Zahl der Verwundeten). Prag (die Verhaftungen dauern fort). Wien (der vereinigte Ausschuß). Aus Tirol (der Gouverneur). Aus Südtirol (östreichische Finanzen).

Ungarn. Pesth (Kossuth). Temeswar. (Die serbischen Vorbereitungen zum Angriff).

Donaufürstenthümer. Bukarest (Cholera).

Frankreich. Paris (die Nationalgarden. - Sitzung der Nationalversammlung vom 5. Juli. - Ein Brief Louis Blanc's. - Chateaubriand. - Barrikadenträume. - Carnot's Abdankung. - Die "Organisation sociale" über die Deportation. - Guizot über die Thiersparthei. - Lügen der "Ere Nouvelle." - Vermischtes.

Spanien. (Neuer Karlistenaufstand. Cabrera).

Italien. Venedig (Pläne der Oestreicher).

Großbritannien. London (Abnahme der Staatseinkünfte. - Chartistenprozeß).

Amerika. (Sympathieen für John Mitchel in den Vereinigten-Staaten. St. Juan de Nicaragua von den Engländern in Besitz genommen).

Handelsnachrichten.

[Französische Republik]

Das Dekret lautet, wie folgt:

Art. 1. Der Finanzminister ist bevollmächtigt, eine Anleihe von 150 Millionen bei der Bank zu machen, unter den Klauseln und Bedingungen, die in dem angeschlossnen, zwischen dem Finanzminister und dem Gouverneur eingegangnen Vertrag enthalten sind.

Art. 2. Um die in dem Vertrag verabredeten Garantien leisten zu können, wird der Finanzminister bevollmächtigt: I) der Bank die Summe von Renten zu übertragen, die von der Amortissement-Kasse herrührt und nöthig ist, um unter den durch die Ordonanz vom 15. Mai 1839 bestimmten Bedingungen einen Vorschuß von 75 Millionen decken zu können II) der Bank die in der dem Vertrag anliegenden Register bestimmten Staatswaldungen zu verkaufen, die für die Summe von andern 75 Millionen cedirt sind.

H. Favre schlägt das Amendement vor, die Erlaubniß zum Verkauf der Wälder bis zum ersten Januar 1850 aufzuschieben. (Mit starker Majorität verworfen.)

Art. 3. Alle Derogationen, sei es der Statuten der Bank von Frankreich, sei es der Verfügungen der bestehenden Gesetzgebung, die sich aus den Klauseln und Bedingungen des erwähnten Ertrags ergeben, sind bestätigt.

Das ganze Dekret wird adoptirt.

Raynal: Ehe die Nationalversammlung in ihrer Diskussion fortfährt, wünsche ich, sei es an den Chef der Exekutivgewalt, sei es an das Ministerium, eine Interpellation zu richten. Es handelt sich von der Unverletzlichkeit der Mitglieder der Nationalversammlung. (Hört, hört!) Ein ungeheurer Exceß ist gegen einen Eurer Kollegen begangen worden. (Allgemeine Spannung.) Diese Nacht um zwei Uhr erschien ein Polizeikommissär bei mir, um eine Haussuchung anzustellen. Ich stellte ihm meine Eigenschaft als Volksrepräsentant entgegen. Er zog sich sofort zurück. Um 5 1/2 Uhr wurde meine Wohnung von neuem überschwemmt durch Wächter von Paris und Mobilgarden, begleitet von einem Polizeikommissär, der, ohne den Befehl, dessen Träger er war, mir vorzeigen zu wollen, zu einer Vernehmung überging, auf die ich mich einzulassen verweigerte. (Murren in einem Theil der Nationalversammlung, Beistimmung auf der äußersten Linken.) Ich zeigte ihm meine Medaille vor und fragte ihn von neuem, auf welchen Rechtstitel hin er sich bei mir einfände. Er antwortete darauf, er hätte nicht gewußt, daß ich Volksrepräsentant sei, und darin hat er gelogen. Ich verlange Genugthuung. Bevollmächtigt der Belagerungszustand einen Polizeikommissär das Hausrecht, und gar das eines Volksrepräsentanten, zu verletzen? In diesem Fall würde ich mit aller Kraft protestiren und alle in meiner Macht befindlichen Mittel anwenden, um es zu verhindern. (Auf der Linken: Sehr gut! - Lärm.) Ich stehe nicht an, es zu sagen, ich würde Gewalt durch Gewalt zurückstoßen. (Murren auf mehreren Bänken.) An dem Titel, den uns das Volk übertragen hat, der Souverän, müssen alle Illegalitäten zerschellen, alle die gräulichen Machtübergriffe.

Falatien: Auch bei mir ist wiederholt und mehrere Tage nach einander Haussuchung gehalten worden. Bald fand sie Statt durch Mobil- bald durch Nationalgarden. Man hat mir ein Jagdgewehr, einen Säbel, und außerdem ein kleines Möbel weggenommen. Ich konnte sie nur zurückhalten durch Dazwischenkunft eines Bataillonschefs, der mit mir dasselbe Haus bewohnt.

Senard, Minister des Innern, erklärt, unter vielen Unterbrechungen der äußersten Linken, jeder müsse sich unter den gegenwärtigen Umständen beliebigen Unannehmlichkeiten aussetzen, verspricht übrigens, das Betragen des Polizeikommissärs streng zu untersuchen. Die gefällige Kammer geht zur Tagesordnung über, nämlich zur Diskussion des Dekretentwurfs, der einen Kredit von 3 Millionen Francs eröffnet, bestimmt, als Darlehn vertheilt zu werden unter die freien Associationen, sei es der Arbeiter unter sich, sei es der Arbeiter und Arbeitgeber.

Charles Dupin: Man müsse diese Darlehn besonders den leidenden Industriezweigen zu gut kommen lassen, denen, wo die isolirte individuelle Arbeit keine genügenden Resultate liefere. Namentlich müsse man sich hüthen, die Koalitionen zu unterstützen. Eine Jury, bestehend aus Herrn vom Institut, dem Conservatoire, der Gesellschaft zur Ermunterung der nationalen Industrie, solle alles entscheiden. Zu Artikel 3 schlägt er das Amendement vor, daß die jährliche Rechnung über die Vertheilung des Kredits der Nationalversammlung vorgelegt werde mit einem raisonnirenden Bericht des Comite's über die erlangten Resultate.

Das Dekret wird mit seinem Amendement angenommen.

Der Berichterstatter des 5. Büreaus stattet dann Bericht ab über die angefochtene Wahl von Quatre Barbes im Departement de Finistere.

Die Zulassung von Quatre Barbes wird mit einer starken Majorität verworfen.

Auf der Tagesordnung steht endlich die Diskussion eines Gesetzentwurfs, der eine Million dem Minister des Unterrichts zuweist, zur Vertheilung unter die Lehrer der Primärschulen, deren Gehalt nach dem Gesetz von 1833 unter 600 Francs steht.

Bonjean heilige Pflicht sei es, die Lehrer nicht verhungern zu lassen. Vor allem aber komme es an auf die obere Leitung dieses wichtigsten öffentlichen Dienstes. Ihr habt fast alle die Instruktionen des Unterrichtsministers (Carnot) gelesen. - Ihr habt sie alle beurtheilt. Aber, was Ihr vielleicht nicht wißt, man hat im Namen, vielleicht im Auftrag des Unterrichtsministers so verabscheuungswürdige, so gefährliche Schriften vertheilt, daß ich, ehe ich die verlangten Fonds votire, wissen muß, ob der Minister diese Schriften au, torisirt hat. Eine dieser Schriften ist betitelt: "Republikanisches Handbuch des Menschen und des Bürgers, veröffentlicht unter den Auspicien des Ministers des öffentlichen Unterrichts." Es verkauft sich bei Pagnerre, verfaßt von Charles Renouvier. Da findet sich z. B. Kapitel VII über die Eigenthumsfrage:

"Schüler: Giebt es wenigstens Mittel, die die Reichen verhindern, müßig zu sein und die Armen von den Reichen verspeist zu werden? (Exclamationen.) (Unglaublich! schallt es von mehreren Seiten.) Lehrer: Ja, sie existiren und zwar vortreffliche Mittel. Die Lenker der Republik werden diese Mittel finden, sobald sie ernsthaft die Brüderlichkeit verwirklichen wollen. (Bewegung in verschiedenem Sinne.) Es verhält sich mit dem Eigenthum und der freien Verwendung des Kapitals, wie mit allen andern Freiheiten, das Gesetz, das sie anerkennt, kann und muß sie in gewisse Grenzen beschränken. Ohne das Erbrecht abzuschaffen, kann man es im allgemeinen Interesse begrenzen; ohne den Zins des Kapitals zu vernichten, kann man Maßregeln ergreifen, um ihn zu vermindern. Dann wird dem Reichen der Müssiggang erschwert und der Arme findet leicht Mittel, sich zu bereichern. (Lebhafte Exclamationen. Eine Stimme: Kredit durch Plündern.) Das Gesetz kann jede Bedingung dem Grundbesitz auferlegen, ihn selbst expropriiren mit Entschädigung, wenn schlechter Gebrauch davon gemacht wird. Was die großen Grundeigenthümer betrifft, die ihr mit Recht fürchtet, wißt, daß wenn sie der Republik eine passende Steuer zahlten und ihren Arbeitern den gebührenden Lohn, sie ihre Ländereien meist an Bürger verkaufen müßten, die einen bessern Gebrauch davon machen würden. Man wird hierüber Gesetze machen, sobald man wollen wird. (Mehre Stimmen: das ist baarer Kommunismus.) Solche Moral, fährt Bougean fort, predigt man den Kindern in den Schulen. Schlagen wir Kap. VIII. über die Organisation der Arbeit nach."

"Schüler: Die Freiheit der Industrie hat also große Uebel verursacht?"

"Lehrer: In ihrem Gefolg befand sich die zügellose Konkurrenz; diese hat den erbitterten Krieg der Arbeiter natürlich hervorgebracht, die Herabdrückung der Salaire, den Betrug im Handel, endlich den Ruin der Armen und die Bereicherung der Reichen, die mehr Mittel hatten, diesen Kampf zu bestehen, so sehr, daß im Augenblick, wo Paris seinen letzten König verjagte, die Freiheit der Industrie nur noch eine Phrase war und das triumphirende Monopol Frankreich eine neue Aristokratie gab, gefährlicher als die erstere. (Neue Exclamationen. Zur Linken: Es ist die Wahrheit.)"

"Schüler: Die Republik hat also das Recht, sich in die Bedingungen der Arbeit einzumischen, in die Regulirung der Presse und der Salaire?"

"Lehrer: Zweifelsohne, sie hat dies Recht. Was wäre, was könnte er sein, ein Industrieller- oder ein Geschäftsmann ohne die Arbeit des Volks und ohne den Schutz der Republik? Indem die Republik dem Handel und der Industrie die Freiheit versichert, erwirbt sie eben hierdurch das Recht, diese Freiheit allen aus dem Gesammtinteresse hervorgehenden Bedingungen zu unterwerfen. Das ist es, was man Organisation der Arbeit nennt. (Gelächter und Gemurre. Ein Mitglied: Sagt vielmehr Desorganisation!) In einem der Kapitel handelt es sich von der Lage der Frauen, von Ehe und Ehescheidung, z. B. p. 34 lese ich: Was die Gesetze über Ehe und Testamente betrifft, so wird die Versammlung nie ohne große Vorsicht und sehr legitimer Skrupel an denselben rütteln. Aber untersuchen könnte sie, ob das republikanische Regime der Gleichheit und Freiheit nicht den Rechten der Frauen in der Familie etwas hinzufügen muß, ob im Interesse der Ehe selbst die Wiederherstellung der Ehescheidung wie zur Zeit des Kaiserreichs nicht gut ist, ob endlich die Steuer, welche die Uebertragung der Güter trifft, nicht billiger im Interesse der Republik und der Familie zu regeln wäre. Der Minister antworte mit Ja oder Nein, ob er derartige Doktrinen adoptirt. (Großer Eindruck.)

Carnot, Minister des öffentlichen Unterrichts: Der Gesetzentwurf zur Unterstützung der Elementarlehrer, der hier keinen Widerspruch zu finden scheint, wird als Vorwand zu Angriffen gegen meine Administrationen benutzt. Mein Ministerium ging aus den Barrikaden des Februar hervor. (Abläugnen auf verschiedenen Bänken. Auf der Linken: verharren Sie bei dem Ausdrucke.) Dieser Ursprung ist die Ursache gewisser Rancunen. (Heftiges Murren in mehren Reihen der Versammlung.) Während meine Kollegen durch Dringlichkeitsmaßregeln die oft fürchterlichen Bedürfnisse des Augenblicks zu befriedigen hatten, mußte ich neue Bürger für die neuen Institutionen vorzubereiten suchen, für ein Volk noch unerfahren in der Ausübung der ungeheuren Rechte, die es so eben erobert hatte. Die Einführung des allgemeinen Wahlrechts legte mir die Pflicht auf, mich schleunigst mit der Entwicklung des Elementarunterrichts zu beschäftigen.

Ich umgab mich mit einer zahlreichen Kommission, zusammengesetzt aus Männern, die in allen Zweigen der Administration, des öffentlichen und des Privatunterrichts gewählt waren. Diese Kommission arbeitete zwei Monate mit größtem Eifer. Der Gesetzentwurf über den Elementarunterricht, den ich vor einigen Tagen niedergelegt habe, ist die Frucht dieser Kommission. Unentgeldlicher öffentlicher Elementar-Unterricht, Lehrfreiheit zur Seite eines so umfassend und kräftig als möglich konstituirten National-Unterrichts, - auf diesen Prinzipien beruht der Entwurf. Für den Elementar-Unterricht trat ich als hastiger Neuerer auf, für den höheren Unterricht als Conservativer. - Um das Volk für das allgemeine Wahlrecht zu bilden, mußte ich namenlich auf dem Land zwei Männer hauptsächlich in's Auge fassen, den Pfarrer und den Schulmeister. Ich schickte ihnen Circulaire zu, worin ich ihnen sagte: Neben euren Pflichten gegen die Kinder legen euch die Umstände eine Dringlichkeitspflicht auf, die, den Erwachsenen zum politischen Leben, das ihnen eröffnet ist, vorzubereiten; euch gehört es an, ihnen den wahren Sinn der neuen Republik begreiflich zu machen. Carnot vertheidigt sich unter vielem Tumult und Unterbrechungen gegen den alten Vorwurf: Ignoranten und Barbaren als besonders passende Kandidaten für die N.-V. in seinen Circulairen empfohlen zu haben und geht dann direkt zur Antwort auf Bonjeans Angriff über.

Carnot. Sobald das Prinzip des allgemeinen Wahlrechts festgestellt war, richtete ich ein Circulair an die Rektoren aller Akademien, worin ich sie einlud Republikanische Handbücher zu entwerfen, keineswegs für die Kinder, wie man vorgegeben hat, sondern für die Wähler, um ihnen anzuzeigen, wie sie ihre Pflichten zu erfüllen hätten. (Agitation.) So sind mehre sehr bemerkenswerthe Werke entstanden. Zu Paris haben zwei, durch ihre historischen und philosophischen Werke sehr ausgezeichneten Schviftsteller, Henri Martin und Charles Renouvier zwei dieser Handbücher entworfen. Sie haben sie nicht unter meinen Auspicien veröffentlicht, aber mit meiner Zustimmung und meiner Erlaubniß, was nur heißt, daß ich sie gelesen und nichts tadelnswerthes in ihnen gefunden habe. (Geschrei zur Rechten. Einer: Köstliches Geständniß! Nehmen wir es zu Protokoll.)

Nach einem furchtbaren Redespektakel, worin für und gegen Renouviers Buch, für und gegen seine Art, das Eigenthum zu behandeln mehr gepoltert und geschrieen als gesagt wird, giebt Herr Bonjean die Moral der Fabel, indem er das Amendement stellt, den verlangten Kredit für das Ministerium des öffentlichen Unterrichts von Einer Million auf 5000 Fr. zu reduziren, d. h. ihm gar keinen Kredit zu geben.

Eine Stimme. Das reduzirt die Debatte auf ein Vertrauensvotum, auf eine ministerielle Frage. (Furchtbarer Lärm.) Herr Bonjean vertheidigt sein Amendement unter stets steigendem Lärm und beständigen Unterbrechungen. Man räth von verschiedenen Seiten dem Präsidenten sich zu bedenken. Mehre Mitglieder gruppiren sich vor und neben die Tribüne und interpelliren Bonjean.

Der Präsident. Ich rufe alle Unterbrecher zur Ordnung, aber mitten in diesem Kreuzfeuer von Unterbrechungen ist es unmöglich auch nur zu sagen, wer unterbricht.

Bonjean. "Ich mußte eine Ziffer vorschlagen, ich habe 5000 Fr. festgesetzt, meinetwegen kann man die Summe noch tiefer herabdrücken. Ich verlange, daß die Abstimmung ein Ausdruck des Tadels für jene unannehmbaren Doktrinen sei." - Endlich kommt es zur Abstimmung und zwar auf Verlangen von mehr als 20 Stimmen zum Stimmen durch Theilung. Für die Annahme des Amendements sind 314 Stimmen, gegen die Annahme 303. Das Amendement des Herrn Bonjean ist also adoptirt. (Große Aufregung. Schluß der Sitzung ein viertel vor 7 Uhr.)

- Wegen der Todtenfeier hält heute die Nationalversammlung keine Sitzung. Auch bleiben die Börse und alle übrigen Behörden geschlossen. Es ist ein offizieller Festtag.

- Das Dekret, das die Demission Carnots annimmt und Vaulabelle an seine Stelle setzt, lautet also: "Der Präsident des mit Ausübung der Vollziehungsgewalt beauftragten Ausschusses beschließt nach Anhörung der Minister: der Bürger Vaulabelle ist zum Unterrichtsminister ernannt in Ersetzung des Bürgers Carnot, dessen Entlassung angenommen."

(Moniteur v. 6. Juli.)

- General Bedeau nimmt das ihm zugedachte Portefeuille des Auswärtigen nicht an. Man sagt daher, Bastide, der für die Marine bestimmt war, werde das Auswärtige behalten und man sich nach einem andern Marine-Minister umsehen.

- Die letzte Handlung des Unterrichts- und Kultus-Ministers Carnot war ein Rundschreiben an sämmtliche Erzbischöfe, Bischöfe und Bisthumsverwalter Frankreichs, um sie aufzufordern, öffentliche Gebete und Gottesdienste für die Märtyrer des bürgerlichen Junisieges in allen Kirchen ihres Sprengels anstellen zu lassen. Und man klagt ihn an, Ultrarevolutionär zu sein!

- Der Spectateur Francais, Guizots Londoner Blatt, bringt einen Artikel, der für das rührende Einverständniß zwischen gewissen Mitgliedern der Nationalversammlung und den Stützen des untergegangenen Regimes zeugt. Dieser Artikel schließt: "In der Nationalversammlung sind es die alten Deputirten, welche Ordnung in die Arbeiten der Kammer hineinbringen, welche mit einem Wort, die neuen Repräsentanten leiten und dennoch drängt man die alten Deputirten von der Führung der öffentlichen Angelegenheiten zurück, man nimmt im Geheimen ihre Unterstützung an, man will sie nicht öffentlich gestehn. Es ist wahr, daß wir uns noch am Morgen einer gegen die alten Mandatare des Landes vollbrachten Revolution befinden. Das Mißtrauen wird sich zerstreuen, wenigstens muß man es hoffen, und die Dienste der erprobten politischen Männer in der Versammlung werden nicht für das Land verloren gehn. Die alten Deputirten fühlen überdem, daß ihr Augenblick noch nicht gekommen ist; das was sich seit 4 Monaten mit den neuen Männern zugetragen hat, was sich noch zuträgt, wird die Stunde ihrer Ankunft an die Regierung vielleicht rascher herbeiführen als sie wünschen." Die Parole ist ausgetheilt. Die Bürger Leon Faucher, Odillon Barrot, Vivien, Billault, Dufaure und ihr Anführer, der Bürger Thiers mögen es sich merken. Man bereitet in London ihre Gelangung zur Regierung vor.

(Republique.)

Girardin, Redakteur der "Presse," ist am Morgen des 5. Juli in Freiheit gesetzt worden. Er begab sich in das Büreau seines Journals, wo er noch die Siegel angelegt fand.

- Seit einigen Tagen spricht man nur noch von einem Plan des Kriegsministers, die Rückkehr der Barrikadenemeute unmöglich zu machen. Man dachte zuerst an ein neues Pflastersystem, aber das würde eine kolossale Ausgabe sein, woran man in diesem Augenblick nicht denken kann. Zudem ist das Pflaster nicht das einzige Element der Barrikaden. General Lamoriciere schlägt ein homöopathisches System vor, nämlich gegenüber den Barrikaden der Insurrektion, Barrikaden der Ordnung aufzuwerfen. Von der Höhe ihrer Fenster herab, würden die Nationalgarden auf die Insurgenten tirailliren.

Nach einem bisher unverbürgten Gerücht, soll die provisorische Regierung den 16. März bei Gelegenheit der Demonstration der pelzbemüzten Nationalgarden sich bedroht gewähnt und sich zu einem Kampf gegen die Nationalgarde vorbereitet haben. Man bildete heimlich ein Barrikadenbataillon, dessen Mitglieder als Lehrer in allen Stadtvierteln dienen und ihnen theoretisch die angemessenste Art des Barrikadenbau beibringen sollten.. Die Barrikaden waren verzeichnet auf einem Plan von Paris. Man hatte hier die Häuser angezeigt, die Monumente, die als Centralpunkte zu befestigen seien. Jene Lehrer hießen Barrikadenprofessoren. - In Frankreich glaubt man das Uebel in der Wurzel zu fassen, indem man in ferne Kolonien Tausende von Individuen deportirt, denen das Elend die Waffen in die Hand gedrückt hat. Das heißt den Kranken, der schreit, nicht heilen, sondern ihn schwächen, ihm den Mund verstopfen. Wahrhaft heitres Mittel, den Reklamationen dadurch ein Ende zu machen, daß man die entfernt, die reklamiren! Um gut zu sein, müßte die Maßregel vollständig sein. Man müßte alle Armen, womit das Land übersäet ist, expulsiren, d. h. die gesammte Arbeiterbevölkerung.

(L'Organisation sociale.)
Paris, 6. Juli.

Aus dem Briefe Louis Blanc's an die Patrie entnehmen wir Folgendes:

"In der Patrie vom 30. Juni befindet sich ein Artikel, worin man mich solidarisch verantwortlich macht für den furchtbaren Kampf, der eben erst Paris verheert. Eine solche Insinuation krönt die Serie von Verläumdungen, die man zum System erhoben hat. Man erinnert an die Reden, die ich im Luxembourg gehalten habe. Wörtliche, unbestreitbare Citate, im Moniteur geschöpft, werden den Geist dieser Reden kennen lehren und hinreichen, um meine Verläumder zu beschämen. - Folgen hierauf die Citate und Louis Blanc fährt fort:

Es bleibt also durch unwiderlegliche Texte bewiesen:

1) Daß weit davon entfernt, an den Geist der Zwietracht appellirt zu haben, ich immer Eintracht gepredigt unter den Mitgliedern der großen Familie und als Grundlage für meine Doktrinen das wesentlich versöhnende Prinzip der menschlichen Solidarität aufgestellt habe; 2) daß, weit entfernt, das Volk in zu sanguinischen, zu stürmischen und trügerischen Hoffnungen ermuthigt zu haben, ich es im Gegentheil immer zur Geduld ermahnt und ihm gezeigt habe, wie schwierig die Lösung der socialen Probleme und wie wichtig es sei, mit den Entschließungen nicht zu stürmen; 3) daß weit entfernt, die Arbeiter zu einem Mangel an Respekt für die Nationalversammlung vorbereitet zu haben, ich sie ihnen im voraus darstellte als die Volkssouveränetät in Bewegung; 4) daß weit entfernt, den Arbeitern geschmeichelt zu haben, ich, bei jeder Gelegenheit meine Hingebung an ihre Sache der Gerechtigkeit untergeordnet habe, und wie ich übrigens zu ihrer Ehre hinzufügen muß, dieß stets unter ihren lauten Beifallsbezeugungen; 5) endlich, daß weit entfernt, sie zu Gedanken der Gewalt zu treiben, ich ihnen immer die Ordnung empfohlen, die Ruhe, die Mäßigung und ein reflektirtes Zutrauen in die friedliche Allmacht der Vernunft.

Aber so viel unbilligen Anklagen, gerichtet gegen den Einfluß meiner Worte oder meiner Doktrinen habe ich eine Hauptthatsache entgegen zu setzen, eine entscheidende, unzerstörbare Thatsache. So lange ich mich an der Macht befand und in Verbindung mit der Arbeiterklasse, wann eklatirte die mindeste Unordnung? wurde die öffentliche Ruhe einen einzigen Augenblick gestört? Deutete irgend ein Vorfall auch nur die Möglichkeit eines Bürgerkriegs an? Und dennoch dauerten noch die Kampfschauer des Februars und kein einziger Soldat befand sich zu Paris! Die Kommission

Beilage zu Nr. 39 der Neuen Rhein. Zeitung.
Sonntag, 9. Juli 1848.
Uebersicht.

Deutschland. Köln (das Ministerium der That. ‒ Die preußische Pacifizirung und Reorganisation Posens. ‒ Vereinbarungsdebatte). Berlin (Ministerkrisis. Lachmann. Polenkommission. Herrn Mäder's Verhaftung. ‒ Ministerialgerüchte. ‒ Die Russen sollen in die Donauprovinzen gerückt sein). Frankfurt (Sitzung der Nationalversammlung. ‒ Blöde über die letzte Turner-Tagsatzung. ‒ Die Thurn und Taxis'sche Post). Posen (Soldatenwirthschaft. Hamburg (Friedensgerüchte in Kopenhagen. ‒ Der Abschluß des Waffenstillstandes). Freiburg (Verhaftung). Ulm (die Zahl der Verwundeten). Prag (die Verhaftungen dauern fort). Wien (der vereinigte Ausschuß). Aus Tirol (der Gouverneur). Aus Südtirol (östreichische Finanzen).

Ungarn. Pesth (Kossuth). Temeswar. (Die serbischen Vorbereitungen zum Angriff).

Donaufürstenthümer. Bukarest (Cholera).

Frankreich. Paris (die Nationalgarden. ‒ Sitzung der Nationalversammlung vom 5. Juli. ‒ Ein Brief Louis Blanc's. ‒ Chateaubriand. ‒ Barrikadenträume. ‒ Carnot's Abdankung. ‒ Die „Organisation sociale“ über die Deportation. ‒ Guizot über die Thiersparthei. ‒ Lügen der „Ere Nouvelle.“ ‒ Vermischtes.

Spanien. (Neuer Karlistenaufstand. Cabrera).

Italien. Venedig (Pläne der Oestreicher).

Großbritannien. London (Abnahme der Staatseinkünfte. ‒ Chartistenprozeß).

Amerika. (Sympathieen für John Mitchel in den Vereinigten-Staaten. St. Juan de Nicaragua von den Engländern in Besitz genommen).

Handelsnachrichten.

[Französische Republik]

Das Dekret lautet, wie folgt:

Art. 1. Der Finanzminister ist bevollmächtigt, eine Anleihe von 150 Millionen bei der Bank zu machen, unter den Klauseln und Bedingungen, die in dem angeschlossnen, zwischen dem Finanzminister und dem Gouverneur eingegangnen Vertrag enthalten sind.

Art. 2. Um die in dem Vertrag verabredeten Garantien leisten zu können, wird der Finanzminister bevollmächtigt: I) der Bank die Summe von Renten zu übertragen, die von der Amortissement-Kasse herrührt und nöthig ist, um unter den durch die Ordonanz vom 15. Mai 1839 bestimmten Bedingungen einen Vorschuß von 75 Millionen decken zu können II) der Bank die in der dem Vertrag anliegenden Register bestimmten Staatswaldungen zu verkaufen, die für die Summe von andern 75 Millionen cedirt sind.

H. Favre schlägt das Amendement vor, die Erlaubniß zum Verkauf der Wälder bis zum ersten Januar 1850 aufzuschieben. (Mit starker Majorität verworfen.)

Art. 3. Alle Derogationen, sei es der Statuten der Bank von Frankreich, sei es der Verfügungen der bestehenden Gesetzgebung, die sich aus den Klauseln und Bedingungen des erwähnten Ertrags ergeben, sind bestätigt.

Das ganze Dekret wird adoptirt.

Raynal: Ehe die Nationalversammlung in ihrer Diskussion fortfährt, wünsche ich, sei es an den Chef der Exekutivgewalt, sei es an das Ministerium, eine Interpellation zu richten. Es handelt sich von der Unverletzlichkeit der Mitglieder der Nationalversammlung. (Hört, hört!) Ein ungeheurer Exceß ist gegen einen Eurer Kollegen begangen worden. (Allgemeine Spannung.) Diese Nacht um zwei Uhr erschien ein Polizeikommissär bei mir, um eine Haussuchung anzustellen. Ich stellte ihm meine Eigenschaft als Volksrepräsentant entgegen. Er zog sich sofort zurück. Um 5 1/2 Uhr wurde meine Wohnung von neuem überschwemmt durch Wächter von Paris und Mobilgarden, begleitet von einem Polizeikommissär, der, ohne den Befehl, dessen Träger er war, mir vorzeigen zu wollen, zu einer Vernehmung überging, auf die ich mich einzulassen verweigerte. (Murren in einem Theil der Nationalversammlung, Beistimmung auf der äußersten Linken.) Ich zeigte ihm meine Medaille vor und fragte ihn von neuem, auf welchen Rechtstitel hin er sich bei mir einfände. Er antwortete darauf, er hätte nicht gewußt, daß ich Volksrepräsentant sei, und darin hat er gelogen. Ich verlange Genugthuung. Bevollmächtigt der Belagerungszustand einen Polizeikommissär das Hausrecht, und gar das eines Volksrepräsentanten, zu verletzen? In diesem Fall würde ich mit aller Kraft protestiren und alle in meiner Macht befindlichen Mittel anwenden, um es zu verhindern. (Auf der Linken: Sehr gut! ‒ Lärm.) Ich stehe nicht an, es zu sagen, ich würde Gewalt durch Gewalt zurückstoßen. (Murren auf mehreren Bänken.) An dem Titel, den uns das Volk übertragen hat, der Souverän, müssen alle Illegalitäten zerschellen, alle die gräulichen Machtübergriffe.

Falatien: Auch bei mir ist wiederholt und mehrere Tage nach einander Haussuchung gehalten worden. Bald fand sie Statt durch Mobil- bald durch Nationalgarden. Man hat mir ein Jagdgewehr, einen Säbel, und außerdem ein kleines Möbel weggenommen. Ich konnte sie nur zurückhalten durch Dazwischenkunft eines Bataillonschefs, der mit mir dasselbe Haus bewohnt.

Senard, Minister des Innern, erklärt, unter vielen Unterbrechungen der äußersten Linken, jeder müsse sich unter den gegenwärtigen Umständen beliebigen Unannehmlichkeiten aussetzen, verspricht übrigens, das Betragen des Polizeikommissärs streng zu untersuchen. Die gefällige Kammer geht zur Tagesordnung über, nämlich zur Diskussion des Dekretentwurfs, der einen Kredit von 3 Millionen Francs eröffnet, bestimmt, als Darlehn vertheilt zu werden unter die freien Associationen, sei es der Arbeiter unter sich, sei es der Arbeiter und Arbeitgeber.

Charles Dupin: Man müsse diese Darlehn besonders den leidenden Industriezweigen zu gut kommen lassen, denen, wo die isolirte individuelle Arbeit keine genügenden Resultate liefere. Namentlich müsse man sich hüthen, die Koalitionen zu unterstützen. Eine Jury, bestehend aus Herrn vom Institut, dem Conservatoire, der Gesellschaft zur Ermunterung der nationalen Industrie, solle alles entscheiden. Zu Artikel 3 schlägt er das Amendement vor, daß die jährliche Rechnung über die Vertheilung des Kredits der Nationalversammlung vorgelegt werde mit einem raisonnirenden Bericht des Comité's über die erlangten Resultate.

Das Dekret wird mit seinem Amendement angenommen.

Der Berichterstatter des 5. Büreaus stattet dann Bericht ab über die angefochtene Wahl von Quatre Barbes im Departement de Finistère.

Die Zulassung von Quatre Barbes wird mit einer starken Majorität verworfen.

Auf der Tagesordnung steht endlich die Diskussion eines Gesetzentwurfs, der eine Million dem Minister des Unterrichts zuweist, zur Vertheilung unter die Lehrer der Primärschulen, deren Gehalt nach dem Gesetz von 1833 unter 600 Francs steht.

Bonjean heilige Pflicht sei es, die Lehrer nicht verhungern zu lassen. Vor allem aber komme es an auf die obere Leitung dieses wichtigsten öffentlichen Dienstes. Ihr habt fast alle die Instruktionen des Unterrichtsministers (Carnot) gelesen. ‒ Ihr habt sie alle beurtheilt. Aber, was Ihr vielleicht nicht wißt, man hat im Namen, vielleicht im Auftrag des Unterrichtsministers so verabscheuungswürdige, so gefährliche Schriften vertheilt, daß ich, ehe ich die verlangten Fonds votire, wissen muß, ob der Minister diese Schriften au, torisirt hat. Eine dieser Schriften ist betitelt: „Republikanisches Handbuch des Menschen und des Bürgers, veröffentlicht unter den Auspicien des Ministers des öffentlichen Unterrichts.“ Es verkauft sich bei Pagnerre, verfaßt von Charles Renouvier. Da findet sich z. B. Kapitel VII über die Eigenthumsfrage:

„Schüler: Giebt es wenigstens Mittel, die die Reichen verhindern, müßig zu sein und die Armen von den Reichen verspeist zu werden? (Exclamationen.) (Unglaublich! schallt es von mehreren Seiten.) Lehrer: Ja, sie existiren und zwar vortreffliche Mittel. Die Lenker der Republik werden diese Mittel finden, sobald sie ernsthaft die Brüderlichkeit verwirklichen wollen. (Bewegung in verschiedenem Sinne.) Es verhält sich mit dem Eigenthum und der freien Verwendung des Kapitals, wie mit allen andern Freiheiten, das Gesetz, das sie anerkennt, kann und muß sie in gewisse Grenzen beschränken. Ohne das Erbrecht abzuschaffen, kann man es im allgemeinen Interesse begrenzen; ohne den Zins des Kapitals zu vernichten, kann man Maßregeln ergreifen, um ihn zu vermindern. Dann wird dem Reichen der Müssiggang erschwert und der Arme findet leicht Mittel, sich zu bereichern. (Lebhafte Exclamationen. Eine Stimme: Kredit durch Plündern.) Das Gesetz kann jede Bedingung dem Grundbesitz auferlegen, ihn selbst expropriiren mit Entschädigung, wenn schlechter Gebrauch davon gemacht wird. Was die großen Grundeigenthümer betrifft, die ihr mit Recht fürchtet, wißt, daß wenn sie der Republik eine passende Steuer zahlten und ihren Arbeitern den gebührenden Lohn, sie ihre Ländereien meist an Bürger verkaufen müßten, die einen bessern Gebrauch davon machen würden. Man wird hierüber Gesetze machen, sobald man wollen wird. (Mehre Stimmen: das ist baarer Kommunismus.) Solche Moral, fährt Bougean fort, predigt man den Kindern in den Schulen. Schlagen wir Kap. VIII. über die Organisation der Arbeit nach.“

„Schüler: Die Freiheit der Industrie hat also große Uebel verursacht?“

„Lehrer: In ihrem Gefolg befand sich die zügellose Konkurrenz; diese hat den erbitterten Krieg der Arbeiter natürlich hervorgebracht, die Herabdrückung der Salaire, den Betrug im Handel, endlich den Ruin der Armen und die Bereicherung der Reichen, die mehr Mittel hatten, diesen Kampf zu bestehen, so sehr, daß im Augenblick, wo Paris seinen letzten König verjagte, die Freiheit der Industrie nur noch eine Phrase war und das triumphirende Monopol Frankreich eine neue Aristokratie gab, gefährlicher als die erstere. (Neue Exclamationen. Zur Linken: Es ist die Wahrheit.)“

„Schüler: Die Republik hat also das Recht, sich in die Bedingungen der Arbeit einzumischen, in die Regulirung der Presse und der Salaire?“

„Lehrer: Zweifelsohne, sie hat dies Recht. Was wäre, was könnte er sein, ein Industrieller- oder ein Geschäftsmann ohne die Arbeit des Volks und ohne den Schutz der Republik? Indem die Republik dem Handel und der Industrie die Freiheit versichert, erwirbt sie eben hierdurch das Recht, diese Freiheit allen aus dem Gesammtinteresse hervorgehenden Bedingungen zu unterwerfen. Das ist es, was man Organisation der Arbeit nennt. (Gelächter und Gemurre. Ein Mitglied: Sagt vielmehr Desorganisation!) In einem der Kapitel handelt es sich von der Lage der Frauen, von Ehe und Ehescheidung, z. B. p. 34 lese ich: Was die Gesetze über Ehe und Testamente betrifft, so wird die Versammlung nie ohne große Vorsicht und sehr legitimer Skrupel an denselben rütteln. Aber untersuchen könnte sie, ob das republikanische Regime der Gleichheit und Freiheit nicht den Rechten der Frauen in der Familie etwas hinzufügen muß, ob im Interesse der Ehe selbst die Wiederherstellung der Ehescheidung wie zur Zeit des Kaiserreichs nicht gut ist, ob endlich die Steuer, welche die Uebertragung der Güter trifft, nicht billiger im Interesse der Republik und der Familie zu regeln wäre. Der Minister antworte mit Ja oder Nein, ob er derartige Doktrinen adoptirt. (Großer Eindruck.)

Carnot, Minister des öffentlichen Unterrichts: Der Gesetzentwurf zur Unterstützung der Elementarlehrer, der hier keinen Widerspruch zu finden scheint, wird als Vorwand zu Angriffen gegen meine Administrationen benutzt. Mein Ministerium ging aus den Barrikaden des Februar hervor. (Abläugnen auf verschiedenen Bänken. Auf der Linken: verharren Sie bei dem Ausdrucke.) Dieser Ursprung ist die Ursache gewisser Rancunen. (Heftiges Murren in mehren Reihen der Versammlung.) Während meine Kollegen durch Dringlichkeitsmaßregeln die oft fürchterlichen Bedürfnisse des Augenblicks zu befriedigen hatten, mußte ich neue Bürger für die neuen Institutionen vorzubereiten suchen, für ein Volk noch unerfahren in der Ausübung der ungeheuren Rechte, die es so eben erobert hatte. Die Einführung des allgemeinen Wahlrechts legte mir die Pflicht auf, mich schleunigst mit der Entwicklung des Elementarunterrichts zu beschäftigen.

Ich umgab mich mit einer zahlreichen Kommission, zusammengesetzt aus Männern, die in allen Zweigen der Administration, des öffentlichen und des Privatunterrichts gewählt waren. Diese Kommission arbeitete zwei Monate mit größtem Eifer. Der Gesetzentwurf über den Elementarunterricht, den ich vor einigen Tagen niedergelegt habe, ist die Frucht dieser Kommission. Unentgeldlicher öffentlicher Elementar-Unterricht, Lehrfreiheit zur Seite eines so umfassend und kräftig als möglich konstituirten National-Unterrichts, ‒ auf diesen Prinzipien beruht der Entwurf. Für den Elementar-Unterricht trat ich als hastiger Neuerer auf, für den höheren Unterricht als Conservativer. ‒ Um das Volk für das allgemeine Wahlrecht zu bilden, mußte ich namenlich auf dem Land zwei Männer hauptsächlich in's Auge fassen, den Pfarrer und den Schulmeister. Ich schickte ihnen Circulaire zu, worin ich ihnen sagte: Neben euren Pflichten gegen die Kinder legen euch die Umstände eine Dringlichkeitspflicht auf, die, den Erwachsenen zum politischen Leben, das ihnen eröffnet ist, vorzubereiten; euch gehört es an, ihnen den wahren Sinn der neuen Republik begreiflich zu machen. Carnot vertheidigt sich unter vielem Tumult und Unterbrechungen gegen den alten Vorwurf: Ignoranten und Barbaren als besonders passende Kandidaten für die N.-V. in seinen Circulairen empfohlen zu haben und geht dann direkt zur Antwort auf Bonjeans Angriff über.

Carnot. Sobald das Prinzip des allgemeinen Wahlrechts festgestellt war, richtete ich ein Circulair an die Rektoren aller Akademien, worin ich sie einlud Republikanische Handbücher zu entwerfen, keineswegs für die Kinder, wie man vorgegeben hat, sondern für die Wähler, um ihnen anzuzeigen, wie sie ihre Pflichten zu erfüllen hätten. (Agitation.) So sind mehre sehr bemerkenswerthe Werke entstanden. Zu Paris haben zwei, durch ihre historischen und philosophischen Werke sehr ausgezeichneten Schviftsteller, Henri Martin und Charles Renouvier zwei dieser Handbücher entworfen. Sie haben sie nicht unter meinen Auspicien veröffentlicht, aber mit meiner Zustimmung und meiner Erlaubniß, was nur heißt, daß ich sie gelesen und nichts tadelnswerthes in ihnen gefunden habe. (Geschrei zur Rechten. Einer: Köstliches Geständniß! Nehmen wir es zu Protokoll.)

Nach einem furchtbaren Redespektakel, worin für und gegen Renouviers Buch, für und gegen seine Art, das Eigenthum zu behandeln mehr gepoltert und geschrieen als gesagt wird, giebt Herr Bonjean die Moral der Fabel, indem er das Amendement stellt, den verlangten Kredit für das Ministerium des öffentlichen Unterrichts von Einer Million auf 5000 Fr. zu reduziren, d. h. ihm gar keinen Kredit zu geben.

Eine Stimme. Das reduzirt die Debatte auf ein Vertrauensvotum, auf eine ministerielle Frage. (Furchtbarer Lärm.) Herr Bonjean vertheidigt sein Amendement unter stets steigendem Lärm und beständigen Unterbrechungen. Man räth von verschiedenen Seiten dem Präsidenten sich zu bedenken. Mehre Mitglieder gruppiren sich vor und neben die Tribüne und interpelliren Bonjean.

Der Präsident. Ich rufe alle Unterbrecher zur Ordnung, aber mitten in diesem Kreuzfeuer von Unterbrechungen ist es unmöglich auch nur zu sagen, wer unterbricht.

Bonjean. „Ich mußte eine Ziffer vorschlagen, ich habe 5000 Fr. festgesetzt, meinetwegen kann man die Summe noch tiefer herabdrücken. Ich verlange, daß die Abstimmung ein Ausdruck des Tadels für jene unannehmbaren Doktrinen sei.“ ‒ Endlich kommt es zur Abstimmung und zwar auf Verlangen von mehr als 20 Stimmen zum Stimmen durch Theilung. Für die Annahme des Amendements sind 314 Stimmen, gegen die Annahme 303. Das Amendement des Herrn Bonjean ist also adoptirt. (Große Aufregung. Schluß der Sitzung ein viertel vor 7 Uhr.)

‒ Wegen der Todtenfeier hält heute die Nationalversammlung keine Sitzung. Auch bleiben die Börse und alle übrigen Behörden geschlossen. Es ist ein offizieller Festtag.

‒ Das Dekret, das die Demission Carnots annimmt und Vaulabelle an seine Stelle setzt, lautet also: „Der Präsident des mit Ausübung der Vollziehungsgewalt beauftragten Ausschusses beschließt nach Anhörung der Minister: der Bürger Vaulabelle ist zum Unterrichtsminister ernannt in Ersetzung des Bürgers Carnot, dessen Entlassung angenommen.“

(Moniteur v. 6. Juli.)

‒ General Bedeau nimmt das ihm zugedachte Portefeuille des Auswärtigen nicht an. Man sagt daher, Bastide, der für die Marine bestimmt war, werde das Auswärtige behalten und man sich nach einem andern Marine-Minister umsehen.

‒ Die letzte Handlung des Unterrichts- und Kultus-Ministers Carnot war ein Rundschreiben an sämmtliche Erzbischöfe, Bischöfe und Bisthumsverwalter Frankreichs, um sie aufzufordern, öffentliche Gebete und Gottesdienste für die Märtyrer des bürgerlichen Junisieges in allen Kirchen ihres Sprengels anstellen zu lassen. Und man klagt ihn an, Ultrarevolutionär zu sein!

‒ Der Spectateur Francais, Guizots Londoner Blatt, bringt einen Artikel, der für das rührende Einverständniß zwischen gewissen Mitgliedern der Nationalversammlung und den Stützen des untergegangenen Regimes zeugt. Dieser Artikel schließt: „In der Nationalversammlung sind es die alten Deputirten, welche Ordnung in die Arbeiten der Kammer hineinbringen, welche mit einem Wort, die neuen Repräsentanten leiten und dennoch drängt man die alten Deputirten von der Führung der öffentlichen Angelegenheiten zurück, man nimmt im Geheimen ihre Unterstützung an, man will sie nicht öffentlich gestehn. Es ist wahr, daß wir uns noch am Morgen einer gegen die alten Mandatare des Landes vollbrachten Revolution befinden. Das Mißtrauen wird sich zerstreuen, wenigstens muß man es hoffen, und die Dienste der erprobten politischen Männer in der Versammlung werden nicht für das Land verloren gehn. Die alten Deputirten fühlen überdem, daß ihr Augenblick noch nicht gekommen ist; das was sich seit 4 Monaten mit den neuen Männern zugetragen hat, was sich noch zuträgt, wird die Stunde ihrer Ankunft an die Regierung vielleicht rascher herbeiführen als sie wünschen.“ Die Parole ist ausgetheilt. Die Bürger Leon Faucher, Odillon Barrot, Vivien, Billault, Dufaure und ihr Anführer, der Bürger Thiers mögen es sich merken. Man bereitet in London ihre Gelangung zur Regierung vor.

(République.)

Girardin, Redakteur der „Presse,“ ist am Morgen des 5. Juli in Freiheit gesetzt worden. Er begab sich in das Büreau seines Journals, wo er noch die Siegel angelegt fand.

‒ Seit einigen Tagen spricht man nur noch von einem Plan des Kriegsministers, die Rückkehr der Barrikadenemeute unmöglich zu machen. Man dachte zuerst an ein neues Pflastersystem, aber das würde eine kolossale Ausgabe sein, woran man in diesem Augenblick nicht denken kann. Zudem ist das Pflaster nicht das einzige Element der Barrikaden. General Lamoricière schlägt ein homöopathisches System vor, nämlich gegenüber den Barrikaden der Insurrektion, Barrikaden der Ordnung aufzuwerfen. Von der Höhe ihrer Fenster herab, würden die Nationalgarden auf die Insurgenten tirailliren.

Nach einem bisher unverbürgten Gerücht, soll die provisorische Regierung den 16. März bei Gelegenheit der Demonstration der pelzbemüzten Nationalgarden sich bedroht gewähnt und sich zu einem Kampf gegen die Nationalgarde vorbereitet haben. Man bildete heimlich ein Barrikadenbataillon, dessen Mitglieder als Lehrer in allen Stadtvierteln dienen und ihnen theoretisch die angemessenste Art des Barrikadenbau beibringen sollten.. Die Barrikaden waren verzeichnet auf einem Plan von Paris. Man hatte hier die Häuser angezeigt, die Monumente, die als Centralpunkte zu befestigen seien. Jene Lehrer hießen Barrikadenprofessoren. ‒ In Frankreich glaubt man das Uebel in der Wurzel zu fassen, indem man in ferne Kolonien Tausende von Individuen deportirt, denen das Elend die Waffen in die Hand gedrückt hat. Das heißt den Kranken, der schreit, nicht heilen, sondern ihn schwächen, ihm den Mund verstopfen. Wahrhaft heitres Mittel, den Reklamationen dadurch ein Ende zu machen, daß man die entfernt, die reklamiren! Um gut zu sein, müßte die Maßregel vollständig sein. Man müßte alle Armen, womit das Land übersäet ist, expulsiren, d. h. die gesammte Arbeiterbevölkerung.

(L'Organisation sociale.)
Paris, 6. Juli.

Aus dem Briefe Louis Blanc's an die Patrie entnehmen wir Folgendes:

In der Patrie vom 30. Juni befindet sich ein Artikel, worin man mich solidarisch verantwortlich macht für den furchtbaren Kampf, der eben erst Paris verheert. Eine solche Insinuation krönt die Serie von Verläumdungen, die man zum System erhoben hat. Man erinnert an die Reden, die ich im Luxembourg gehalten habe. Wörtliche, unbestreitbare Citate, im Moniteur geschöpft, werden den Geist dieser Reden kennen lehren und hinreichen, um meine Verläumder zu beschämen. ‒ Folgen hierauf die Citate und Louis Blanc fährt fort:

Es bleibt also durch unwiderlegliche Texte bewiesen:

1) Daß weit davon entfernt, an den Geist der Zwietracht appellirt zu haben, ich immer Eintracht gepredigt unter den Mitgliedern der großen Familie und als Grundlage für meine Doktrinen das wesentlich versöhnende Prinzip der menschlichen Solidarität aufgestellt habe; 2) daß, weit entfernt, das Volk in zu sanguinischen, zu stürmischen und trügerischen Hoffnungen ermuthigt zu haben, ich es im Gegentheil immer zur Geduld ermahnt und ihm gezeigt habe, wie schwierig die Lösung der socialen Probleme und wie wichtig es sei, mit den Entschließungen nicht zu stürmen; 3) daß weit entfernt, die Arbeiter zu einem Mangel an Respekt für die Nationalversammlung vorbereitet zu haben, ich sie ihnen im voraus darstellte als die Volkssouveränetät in Bewegung; 4) daß weit entfernt, den Arbeitern geschmeichelt zu haben, ich, bei jeder Gelegenheit meine Hingebung an ihre Sache der Gerechtigkeit untergeordnet habe, und wie ich übrigens zu ihrer Ehre hinzufügen muß, dieß stets unter ihren lauten Beifallsbezeugungen; 5) endlich, daß weit entfernt, sie zu Gedanken der Gewalt zu treiben, ich ihnen immer die Ordnung empfohlen, die Ruhe, die Mäßigung und ein reflektirtes Zutrauen in die friedliche Allmacht der Vernunft.

Aber so viel unbilligen Anklagen, gerichtet gegen den Einfluß meiner Worte oder meiner Doktrinen habe ich eine Hauptthatsache entgegen zu setzen, eine entscheidende, unzerstörbare Thatsache. So lange ich mich an der Macht befand und in Verbindung mit der Arbeiterklasse, wann eklatirte die mindeste Unordnung? wurde die öffentliche Ruhe einen einzigen Augenblick gestört? Deutete irgend ein Vorfall auch nur die Möglichkeit eines Bürgerkriegs an? Und dennoch dauerten noch die Kampfschauer des Februars und kein einziger Soldat befand sich zu Paris! Die Kommission

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        <titlePart type="main">Beilage zu Nr. 39 der Neuen Rhein. Zeitung. </titlePart>
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          <docDate>Sonntag, 9. Juli 1848.</docDate>
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        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Köln (das Ministerium der That. &#x2012; Die                     preußische Pacifizirung und Reorganisation Posens. &#x2012; Vereinbarungsdebatte).                     Berlin (Ministerkrisis. Lachmann. Polenkommission. Herrn Mäder's Verhaftung. &#x2012;                     Ministerialgerüchte. &#x2012; Die Russen sollen in die Donauprovinzen gerückt sein).                     Frankfurt (Sitzung der Nationalversammlung. &#x2012; Blöde über die letzte                     Turner-Tagsatzung. &#x2012; Die Thurn und Taxis'sche Post). Posen (Soldatenwirthschaft.                     Hamburg (Friedensgerüchte in Kopenhagen. &#x2012; Der Abschluß des Waffenstillstandes).                     Freiburg (Verhaftung). Ulm (die Zahl der Verwundeten). Prag (die Verhaftungen                     dauern fort). Wien (der vereinigte Ausschuß). Aus Tirol (der Gouverneur). Aus                     Südtirol (östreichische Finanzen).</p>
        <p><hi rendition="#g">Ungarn.</hi> Pesth (Kossuth). Temeswar. (Die serbischen                     Vorbereitungen zum Angriff).</p>
        <p><hi rendition="#g">Donaufürstenthümer.</hi> Bukarest (Cholera).</p>
        <p><hi rendition="#g">Frankreich.</hi> Paris (die Nationalgarden. &#x2012; Sitzung der                     Nationalversammlung vom 5. Juli. &#x2012; Ein Brief Louis Blanc's. &#x2012; Chateaubriand. &#x2012;                     Barrikadenträume. &#x2012; Carnot's Abdankung. &#x2012; Die &#x201E;Organisation sociale&#x201C; über die                     Deportation. &#x2012; Guizot über die Thiersparthei. &#x2012; Lügen der &#x201E;Ere Nouvelle.&#x201C; &#x2012;                     Vermischtes.</p>
        <p><hi rendition="#g">Spanien.</hi> (Neuer Karlistenaufstand. Cabrera).</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> Venedig (Pläne der Oestreicher).</p>
        <p><hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> London (Abnahme der Staatseinkünfte. &#x2012;                     Chartistenprozeß).</p>
        <p><hi rendition="#g">Amerika.</hi> (Sympathieen für John Mitchel in den                     Vereinigten-Staaten. St. Juan de Nicaragua von den Engländern in Besitz                     genommen).</p>
        <p> <hi rendition="#g">Handelsnachrichten.</hi> </p>
      </div>
      <div n="1">
        <head>[Französische Republik]</head>
        <div xml:id="ar039b_001" type="jArticle">
          <p>Das Dekret lautet, wie folgt:</p>
          <p><hi rendition="#g">Art. 1.</hi> Der Finanzminister ist bevollmächtigt, eine                         Anleihe von 150 Millionen bei der Bank zu machen, unter den Klauseln und                         Bedingungen, die in dem angeschlossnen, zwischen dem Finanzminister und dem                         Gouverneur eingegangnen Vertrag enthalten sind.</p>
          <p><hi rendition="#g">Art. 2.</hi> Um die in dem Vertrag verabredeten Garantien                         leisten zu können, wird der Finanzminister bevollmächtigt: I) der Bank die                         Summe von Renten zu übertragen, die von der Amortissement-Kasse herrührt und                         nöthig ist, um unter den durch die Ordonanz vom 15. Mai 1839 bestimmten                         Bedingungen einen Vorschuß von 75 Millionen decken zu können II) der Bank                         die in der dem Vertrag anliegenden Register bestimmten Staatswaldungen zu                         verkaufen, die für die Summe von andern 75 Millionen cedirt sind.</p>
          <p><hi rendition="#g">H. Favre</hi> schlägt das Amendement vor, die Erlaubniß                         zum Verkauf der Wälder bis zum ersten Januar 1850 aufzuschieben. (Mit                         starker Majorität verworfen.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Art. 3.</hi> Alle Derogationen, sei es der Statuten der                         Bank von Frankreich, sei es der Verfügungen der bestehenden Gesetzgebung,                         die sich aus den Klauseln und Bedingungen des erwähnten Ertrags ergeben,                         sind bestätigt.</p>
          <p>Das ganze Dekret wird adoptirt.</p>
          <p><hi rendition="#g">Raynal:</hi> Ehe die Nationalversammlung in ihrer                         Diskussion fortfährt, wünsche ich, sei es an den Chef der Exekutivgewalt,                         sei es an das Ministerium, eine Interpellation zu richten. Es handelt sich                         von der Unverletzlichkeit der Mitglieder der Nationalversammlung. (Hört,                         hört!) Ein ungeheurer Exceß ist gegen einen Eurer Kollegen begangen worden.                         (Allgemeine Spannung.) Diese Nacht um zwei Uhr erschien ein Polizeikommissär                         bei mir, um eine Haussuchung anzustellen. Ich stellte ihm meine Eigenschaft                         als Volksrepräsentant entgegen. Er zog sich sofort zurück. Um 5 1/2 Uhr                         wurde meine Wohnung von neuem überschwemmt durch Wächter von Paris und                         Mobilgarden, begleitet von einem Polizeikommissär, der, ohne den Befehl,                         dessen Träger er war, mir vorzeigen zu wollen, zu einer Vernehmung überging,                         auf die ich mich einzulassen verweigerte. (Murren in einem Theil der                         Nationalversammlung, Beistimmung auf der äußersten Linken.) Ich zeigte ihm                         meine Medaille vor und fragte ihn von neuem, auf welchen Rechtstitel hin er                         sich bei mir einfände. Er antwortete darauf, er hätte nicht gewußt, daß ich                         Volksrepräsentant sei, und darin hat er gelogen. Ich verlange Genugthuung.                         Bevollmächtigt der Belagerungszustand einen Polizeikommissär das Hausrecht,                         und gar das eines Volksrepräsentanten, zu verletzen? In diesem Fall würde                         ich mit aller Kraft protestiren und alle in meiner Macht befindlichen Mittel                         anwenden, um es zu verhindern. (Auf der Linken: Sehr gut! &#x2012; Lärm.) Ich stehe                         nicht an, es zu sagen, ich würde Gewalt durch Gewalt zurückstoßen. (Murren                         auf mehreren Bänken.) An dem Titel, den uns das Volk übertragen hat, der                         Souverän, müssen alle Illegalitäten zerschellen, alle die gräulichen                         Machtübergriffe.</p>
          <p><hi rendition="#g">Falatien:</hi> Auch bei mir ist wiederholt und mehrere                         Tage nach einander Haussuchung gehalten worden. Bald fand sie Statt durch                         Mobil- bald durch Nationalgarden. Man hat mir ein Jagdgewehr, einen Säbel,                         und außerdem ein kleines Möbel weggenommen. Ich konnte sie nur zurückhalten                         durch Dazwischenkunft eines Bataillonschefs, der mit mir dasselbe Haus                         bewohnt.</p>
          <p><hi rendition="#g">Senard,</hi> Minister des Innern, erklärt, unter vielen                         Unterbrechungen der äußersten Linken, jeder müsse sich unter den                         gegenwärtigen Umständen beliebigen Unannehmlichkeiten aussetzen, verspricht                         übrigens, das Betragen des Polizeikommissärs streng zu untersuchen. Die                         gefällige Kammer geht zur Tagesordnung über, nämlich zur Diskussion des                         Dekretentwurfs, der einen Kredit von 3 Millionen Francs eröffnet, bestimmt,                         als Darlehn vertheilt zu werden unter die freien Associationen, sei es der                         Arbeiter unter sich, sei es der Arbeiter und Arbeitgeber.</p>
          <p><hi rendition="#g">Charles Dupin:</hi> Man müsse diese Darlehn besonders den                         leidenden Industriezweigen zu gut kommen lassen, denen, wo die isolirte                         individuelle Arbeit keine genügenden Resultate liefere. Namentlich müsse man                         sich hüthen, die Koalitionen zu unterstützen. Eine Jury, bestehend aus Herrn                         vom Institut, dem Conservatoire, der Gesellschaft zur Ermunterung der                         nationalen Industrie, solle alles entscheiden. Zu Artikel 3 schlägt er das                         Amendement vor, daß die jährliche Rechnung über die Vertheilung des Kredits                         der Nationalversammlung vorgelegt werde mit einem raisonnirenden Bericht des                         Comité's über die erlangten Resultate.</p>
          <p>Das Dekret wird mit seinem Amendement angenommen.</p>
          <p>Der Berichterstatter des 5. Büreaus stattet dann Bericht ab über die                         angefochtene Wahl von Quatre Barbes im Departement de Finistère.</p>
          <p>Die Zulassung von Quatre Barbes wird mit einer starken Majorität                         verworfen.</p>
          <p>Auf der Tagesordnung steht endlich die Diskussion eines Gesetzentwurfs, der                         eine Million dem Minister des Unterrichts zuweist, zur Vertheilung unter die                         Lehrer der Primärschulen, deren Gehalt nach dem Gesetz von 1833 unter 600                         Francs steht.</p>
          <p><hi rendition="#g">Bonjean</hi> heilige Pflicht sei es, die Lehrer nicht                         verhungern zu lassen. Vor allem aber komme es an auf die obere Leitung                         dieses wichtigsten öffentlichen Dienstes. Ihr habt fast alle die                         Instruktionen des Unterrichtsministers (Carnot) gelesen. &#x2012; Ihr habt sie alle                         beurtheilt. Aber, was Ihr vielleicht nicht wißt, man hat im Namen,                         vielleicht im Auftrag des Unterrichtsministers so verabscheuungswürdige, so                         gefährliche Schriften vertheilt, daß ich, ehe ich die verlangten Fonds                         votire, wissen muß, ob der Minister diese Schriften au, torisirt hat. Eine                         dieser Schriften ist betitelt: &#x201E;Republikanisches Handbuch des Menschen und                         des Bürgers, veröffentlicht unter den Auspicien des Ministers des                         öffentlichen Unterrichts.&#x201C; Es verkauft sich bei Pagnerre, verfaßt von                         Charles Renouvier. Da findet sich z. B. Kapitel VII über die                         Eigenthumsfrage:</p>
          <p><hi rendition="#g">&#x201E;Schüler:</hi> Giebt es wenigstens Mittel, die die Reichen                         verhindern, <hi rendition="#g">müßig</hi> zu sein und die Armen von den                         Reichen <hi rendition="#g">verspeist</hi> zu werden? (Exclamationen.)                         (Unglaublich! schallt es von mehreren Seiten.) <hi rendition="#g">Lehrer:</hi> Ja, sie existiren und zwar vortreffliche Mittel. Die                         Lenker der Republik werden diese Mittel finden, sobald sie ernsthaft die                         Brüderlichkeit verwirklichen wollen. (Bewegung in verschiedenem Sinne.) Es                         verhält sich mit dem Eigenthum und der freien Verwendung des Kapitals, wie                         mit allen andern Freiheiten, das Gesetz, das sie anerkennt, kann und muß sie                         in gewisse Grenzen beschränken. Ohne das Erbrecht abzuschaffen, kann man es                         im allgemeinen Interesse begrenzen; ohne den Zins des Kapitals zu                         vernichten, kann man Maßregeln ergreifen, um ihn zu vermindern. Dann wird                         dem Reichen der Müssiggang erschwert und der Arme findet leicht Mittel, sich                         zu bereichern. (Lebhafte Exclamationen. Eine Stimme: Kredit durch Plündern.)                         Das Gesetz kann jede Bedingung dem Grundbesitz auferlegen, ihn selbst                         expropriiren mit Entschädigung, wenn schlechter Gebrauch davon gemacht wird.                         Was die großen Grundeigenthümer betrifft, die ihr mit Recht fürchtet, wißt,                         daß wenn sie der Republik eine passende Steuer zahlten und ihren Arbeitern                         den gebührenden Lohn, sie ihre Ländereien meist an Bürger verkaufen müßten,                         die einen bessern Gebrauch davon machen würden. Man wird hierüber Gesetze                         machen, sobald man wollen wird. (Mehre Stimmen: das ist baarer Kommunismus.)                         Solche Moral, fährt Bougean fort, predigt man den Kindern in den Schulen.                         Schlagen wir Kap. VIII. über die Organisation der Arbeit nach.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">&#x201E;Schüler:</hi> Die Freiheit der Industrie hat also große                         Uebel verursacht?&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">&#x201E;Lehrer:</hi> In ihrem Gefolg befand sich die zügellose                         Konkurrenz; diese hat den erbitterten Krieg der Arbeiter natürlich                         hervorgebracht, die Herabdrückung der Salaire, den Betrug im Handel, endlich                         den Ruin der Armen und die Bereicherung der Reichen, die mehr Mittel hatten,                         diesen Kampf zu bestehen, so sehr, daß im Augenblick, wo Paris seinen                         letzten König verjagte, die Freiheit der Industrie nur noch eine Phrase war                         und das triumphirende Monopol Frankreich eine neue Aristokratie gab,                         gefährlicher als die erstere. (Neue Exclamationen. Zur Linken: Es ist die                         Wahrheit.)&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">&#x201E;Schüler:</hi> Die Republik hat also das Recht, sich in                         die Bedingungen der Arbeit einzumischen, in die Regulirung der Presse und                         der Salaire?&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">&#x201E;Lehrer:</hi> Zweifelsohne, sie hat dies Recht. Was wäre,                         was könnte er sein, ein Industrieller- oder ein Geschäftsmann ohne die                         Arbeit des Volks und ohne den Schutz der Republik? Indem die Republik dem                         Handel und der Industrie die Freiheit versichert, erwirbt sie eben hierdurch                         das Recht, diese Freiheit allen aus dem Gesammtinteresse hervorgehenden                         Bedingungen zu unterwerfen. Das ist es, was man Organisation der Arbeit                         nennt. (Gelächter und Gemurre. Ein Mitglied: Sagt vielmehr Desorganisation!)                         In einem der Kapitel handelt es sich von der Lage der Frauen, von Ehe und                         Ehescheidung, z. B. p. 34 lese ich: Was die Gesetze über Ehe und Testamente                         betrifft, so wird die Versammlung nie ohne große Vorsicht und sehr legitimer                         Skrupel an denselben rütteln. Aber untersuchen könnte sie, ob das                         republikanische Regime der Gleichheit und Freiheit nicht den Rechten der                         Frauen in der Familie etwas hinzufügen muß, ob im Interesse der Ehe selbst                         die Wiederherstellung der Ehescheidung wie zur Zeit des Kaiserreichs nicht                         gut ist, ob endlich die Steuer, welche die Uebertragung der Güter trifft,                         nicht billiger im Interesse der Republik und der Familie zu regeln wäre. Der                         Minister antworte mit Ja oder Nein, ob er derartige Doktrinen adoptirt.                         (Großer Eindruck.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Carnot,</hi> Minister des öffentlichen Unterrichts: Der                         Gesetzentwurf zur Unterstützung der Elementarlehrer, der hier keinen                         Widerspruch zu finden scheint, wird als Vorwand zu Angriffen gegen meine                         Administrationen benutzt. Mein Ministerium ging aus den Barrikaden des                         Februar hervor. (Abläugnen auf verschiedenen Bänken. Auf der Linken:                         verharren Sie bei dem Ausdrucke.) Dieser Ursprung ist die Ursache gewisser                         Rancunen. (Heftiges Murren in mehren Reihen der Versammlung.) Während meine                         Kollegen durch Dringlichkeitsmaßregeln die oft fürchterlichen Bedürfnisse                         des Augenblicks zu befriedigen hatten, mußte ich neue Bürger für die neuen                         Institutionen vorzubereiten suchen, für ein Volk noch unerfahren in der                         Ausübung der ungeheuren Rechte, die es so eben erobert hatte. Die Einführung                         des allgemeinen Wahlrechts legte mir die Pflicht auf, mich schleunigst mit                         der Entwicklung des Elementarunterrichts zu beschäftigen.</p>
          <p>Ich umgab mich mit einer zahlreichen Kommission, zusammengesetzt aus Männern,                         die in allen Zweigen der Administration, des öffentlichen und des                         Privatunterrichts gewählt waren. Diese Kommission arbeitete zwei Monate mit                         größtem Eifer. Der Gesetzentwurf über den Elementarunterricht, den ich vor                         einigen Tagen niedergelegt habe, ist die Frucht dieser Kommission.                         Unentgeldlicher öffentlicher Elementar-Unterricht, Lehrfreiheit zur Seite                         eines so umfassend und kräftig als möglich konstituirten                         National-Unterrichts, &#x2012; auf diesen Prinzipien beruht der Entwurf. Für den                         Elementar-Unterricht trat ich als hastiger Neuerer auf, für den höheren                         Unterricht als Conservativer. &#x2012; Um das Volk für das allgemeine Wahlrecht zu                         bilden, mußte ich namenlich auf dem Land zwei Männer hauptsächlich in's Auge                         fassen, den Pfarrer und den Schulmeister. Ich schickte ihnen Circulaire zu,                         worin ich ihnen sagte: Neben euren Pflichten gegen die Kinder legen euch die                         Umstände eine Dringlichkeitspflicht auf, die, den Erwachsenen zum                         politischen Leben, das ihnen eröffnet ist, vorzubereiten; euch gehört es an,                         ihnen den wahren Sinn der neuen Republik begreiflich zu machen. <hi rendition="#g">Carnot</hi> vertheidigt sich unter vielem Tumult und                         Unterbrechungen gegen den alten Vorwurf: Ignoranten und Barbaren als                         besonders passende Kandidaten für die N.-V. in seinen Circulairen empfohlen                         zu haben und geht dann direkt zur Antwort auf Bonjeans Angriff über.</p>
          <p><hi rendition="#g">Carnot.</hi> Sobald das Prinzip des allgemeinen Wahlrechts                         festgestellt war, richtete ich ein Circulair an die Rektoren aller                         Akademien, worin ich sie einlud <hi rendition="#g">Republikanische                             Handbücher</hi> zu entwerfen, keineswegs für die Kinder, wie man                         vorgegeben hat, sondern für die Wähler, um ihnen anzuzeigen, wie sie ihre                         Pflichten zu erfüllen hätten. (Agitation.) So sind mehre sehr                         bemerkenswerthe Werke entstanden. Zu Paris haben zwei, durch ihre                         historischen und philosophischen Werke sehr ausgezeichneten Schviftsteller,                         Henri Martin und Charles Renouvier zwei dieser Handbücher entworfen. Sie                         haben sie nicht unter meinen Auspicien veröffentlicht, aber mit meiner                         Zustimmung und meiner Erlaubniß, was nur heißt, daß ich sie gelesen und                         nichts tadelnswerthes in ihnen gefunden habe. (Geschrei zur Rechten. Einer:                         Köstliches Geständniß! Nehmen wir es zu Protokoll.)</p>
          <p>Nach einem furchtbaren Redespektakel, worin für und gegen Renouviers Buch,                         für und gegen seine Art, das Eigenthum zu behandeln mehr gepoltert und                         geschrieen als gesagt wird, giebt Herr Bonjean die Moral der Fabel, indem er                         das Amendement stellt, den verlangten Kredit für das Ministerium des                         öffentlichen Unterrichts von Einer Million auf 5000 Fr. zu reduziren, d. h.                         ihm gar keinen Kredit zu geben.</p>
          <p><hi rendition="#g">Eine Stimme.</hi> Das reduzirt die Debatte auf ein                         Vertrauensvotum, auf eine ministerielle Frage. (Furchtbarer Lärm.) Herr                         Bonjean vertheidigt sein Amendement unter stets steigendem Lärm und                         beständigen Unterbrechungen. Man räth von verschiedenen Seiten dem                         Präsidenten sich zu bedenken. Mehre Mitglieder gruppiren sich vor und neben                         die Tribüne und interpelliren Bonjean.</p>
          <p><hi rendition="#g">Der Präsident.</hi> Ich rufe alle Unterbrecher zur                         Ordnung, aber mitten in diesem Kreuzfeuer von Unterbrechungen ist es                         unmöglich auch nur zu sagen, wer unterbricht.</p>
          <p><hi rendition="#g">Bonjean.</hi> &#x201E;Ich mußte eine Ziffer vorschlagen, ich habe                         5000 Fr. festgesetzt, meinetwegen kann man die Summe noch tiefer                         herabdrücken. Ich verlange, daß die Abstimmung ein Ausdruck des Tadels für                         jene unannehmbaren Doktrinen sei.&#x201C; &#x2012; Endlich kommt es zur Abstimmung und                         zwar auf Verlangen von mehr als 20 Stimmen zum Stimmen durch Theilung. Für                         die Annahme des Amendements sind 314 Stimmen, gegen die Annahme 303. Das                         Amendement des Herrn Bonjean ist also adoptirt. (Große Aufregung. Schluß der                         Sitzung ein viertel vor 7 Uhr.)</p>
          <p>&#x2012; Wegen der Todtenfeier hält heute die Nationalversammlung keine Sitzung.                         Auch bleiben die Börse und alle übrigen Behörden geschlossen. Es ist ein                         offizieller Festtag.</p>
          <p>&#x2012; Das Dekret, das die Demission Carnots annimmt und Vaulabelle an seine                         Stelle setzt, lautet also: &#x201E;Der Präsident des mit Ausübung der                         Vollziehungsgewalt beauftragten Ausschusses beschließt nach Anhörung der                         Minister: der Bürger Vaulabelle ist zum Unterrichtsminister ernannt in                         Ersetzung des Bürgers Carnot, dessen Entlassung angenommen.&#x201C;</p>
          <bibl>(Moniteur v. 6. Juli.)</bibl>
          <p>&#x2012; General Bedeau nimmt das ihm zugedachte Portefeuille des Auswärtigen <hi rendition="#g">nicht</hi> an. Man sagt daher, Bastide, der für die                         Marine bestimmt war, werde das Auswärtige behalten und man sich nach einem                         andern Marine-Minister umsehen.</p>
          <p>&#x2012; Die letzte Handlung des Unterrichts- und Kultus-Ministers Carnot war ein                         Rundschreiben an sämmtliche Erzbischöfe, Bischöfe und Bisthumsverwalter                         Frankreichs, um sie aufzufordern, öffentliche Gebete und Gottesdienste für                         die Märtyrer des bürgerlichen Junisieges in allen Kirchen ihres Sprengels                         anstellen zu lassen. Und man klagt ihn an, Ultrarevolutionär zu sein!</p>
          <p>&#x2012; Der Spectateur Francais, Guizots Londoner Blatt, bringt einen Artikel, der                         für das rührende Einverständniß zwischen gewissen Mitgliedern der                         Nationalversammlung und den Stützen des untergegangenen Regimes zeugt.                         Dieser Artikel schließt: &#x201E;In der Nationalversammlung sind es die alten                         Deputirten, welche Ordnung in die Arbeiten der Kammer hineinbringen, welche                         mit einem Wort, die neuen Repräsentanten leiten und dennoch drängt man die                         alten Deputirten von der Führung der öffentlichen Angelegenheiten zurück,                         man nimmt im Geheimen ihre Unterstützung an, man will sie nicht öffentlich                         gestehn. Es ist wahr, daß wir uns noch am Morgen einer gegen die alten                         Mandatare des Landes vollbrachten Revolution befinden. Das Mißtrauen wird                         sich zerstreuen, wenigstens muß man es hoffen, und die Dienste der erprobten                         politischen Männer in der Versammlung werden nicht für das Land verloren                         gehn. Die alten Deputirten fühlen überdem, daß ihr Augenblick noch nicht                         gekommen ist; das was sich seit 4 Monaten mit den neuen Männern zugetragen                         hat, was sich noch zuträgt, wird die Stunde ihrer Ankunft an die Regierung                         vielleicht rascher herbeiführen als sie wünschen.&#x201C; Die Parole ist                         ausgetheilt. Die <hi rendition="#g">Bürger</hi> Leon Faucher, Odillon                         Barrot, Vivien, Billault, Dufaure und ihr Anführer, der <hi rendition="#g">Bürger</hi> Thiers mögen es sich merken. Man bereitet in London ihre                         Gelangung zur Regierung vor.</p>
          <bibl>(République.)</bibl>
          <p><hi rendition="#g">Girardin,</hi> Redakteur der &#x201E;Presse,&#x201C; ist am Morgen des                         5. Juli in Freiheit gesetzt worden. Er begab sich in das Büreau seines                         Journals, wo er noch die Siegel angelegt fand.</p>
          <p>&#x2012; Seit einigen Tagen spricht man nur noch von einem Plan des Kriegsministers,                         die Rückkehr der Barrikadenemeute unmöglich zu machen. Man dachte zuerst an                         ein neues Pflastersystem, aber das würde eine kolossale Ausgabe sein, woran                         man in diesem Augenblick nicht denken kann. Zudem ist das Pflaster nicht das                         einzige Element der Barrikaden. General Lamoricière schlägt ein                         homöopathisches System vor, nämlich gegenüber den Barrikaden der                         Insurrektion, Barrikaden der Ordnung aufzuwerfen. Von der Höhe ihrer Fenster                         herab, würden die Nationalgarden auf die Insurgenten tirailliren.</p>
          <p>Nach einem bisher unverbürgten Gerücht, soll die provisorische Regierung den                         16. März bei Gelegenheit der Demonstration der pelzbemüzten Nationalgarden                         sich bedroht gewähnt und sich zu einem Kampf gegen die Nationalgarde                         vorbereitet haben. Man bildete heimlich ein Barrikadenbataillon, dessen                         Mitglieder als Lehrer in allen Stadtvierteln dienen und ihnen theoretisch                         die angemessenste Art des Barrikadenbau beibringen sollten.. Die Barrikaden                         waren verzeichnet auf einem Plan von Paris. Man hatte hier die Häuser                         angezeigt, die Monumente, die als Centralpunkte zu befestigen seien. Jene                         Lehrer hießen Barrikadenprofessoren. &#x2012; In Frankreich glaubt man das Uebel in                         der Wurzel zu fassen, indem man in ferne Kolonien Tausende von Individuen                         deportirt, denen das Elend die Waffen in die Hand gedrückt hat. Das heißt                         den Kranken, der schreit, nicht heilen, sondern ihn schwächen, ihm den Mund                         verstopfen. Wahrhaft heitres Mittel, den Reklamationen dadurch ein Ende zu                         machen, daß man die entfernt, die reklamiren! Um gut zu sein, müßte die                         Maßregel vollständig sein. Man müßte alle <hi rendition="#g">Armen,</hi> womit das Land übersäet ist, <hi rendition="#g">expulsiren, d. h. die                             gesammte Arbeiterbevölkerung.</hi> </p>
          <bibl> <hi rendition="#g">(L'Organisation sociale.)</hi> </bibl>
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          <head>Paris, 6. Juli.</head>
          <p>Aus dem Briefe <hi rendition="#g">Louis Blanc's</hi> an die <hi rendition="#g">Patrie</hi> entnehmen wir Folgendes:</p>
          <p>&#x201E;<hi rendition="#g">In der Patrie</hi> vom 30. Juni befindet sich ein                         Artikel, worin man mich solidarisch verantwortlich macht für den furchtbaren                         Kampf, der eben erst Paris verheert. Eine solche Insinuation krönt die Serie                         von Verläumdungen, die man zum System erhoben hat. Man erinnert an die                         Reden, die ich im Luxembourg gehalten habe. Wörtliche, unbestreitbare                         Citate, im Moniteur geschöpft, werden den Geist dieser Reden kennen lehren                         und hinreichen, um meine Verläumder zu beschämen. &#x2012; Folgen hierauf die                         Citate und Louis Blanc fährt fort:</p>
          <p>Es bleibt also durch unwiderlegliche Texte bewiesen:</p>
          <p>1) Daß weit davon entfernt, an den Geist der Zwietracht appellirt zu haben,                         ich immer Eintracht gepredigt unter den Mitgliedern der großen Familie und                         als Grundlage für meine Doktrinen das wesentlich versöhnende Prinzip der                         menschlichen Solidarität aufgestellt habe; 2) daß, weit entfernt, das Volk                         in zu sanguinischen, zu stürmischen und trügerischen Hoffnungen ermuthigt zu                         haben, ich es im Gegentheil immer zur Geduld ermahnt und ihm gezeigt habe,                         wie schwierig die Lösung der socialen Probleme und wie wichtig es sei, mit                         den Entschließungen nicht zu stürmen; 3) daß weit entfernt, die Arbeiter zu                         einem Mangel an Respekt für die Nationalversammlung vorbereitet zu haben,                         ich sie ihnen im voraus darstellte als die Volkssouveränetät in Bewegung; 4)                         daß weit entfernt, den Arbeitern geschmeichelt zu haben, ich, bei jeder                         Gelegenheit meine Hingebung an ihre Sache der Gerechtigkeit untergeordnet                         habe, und wie ich übrigens zu ihrer Ehre hinzufügen muß, dieß stets unter                         ihren lauten Beifallsbezeugungen; 5) endlich, daß weit entfernt, sie zu                         Gedanken der Gewalt zu treiben, ich ihnen immer die Ordnung empfohlen, die                         Ruhe, die Mäßigung und ein reflektirtes Zutrauen in die friedliche Allmacht                         der Vernunft.</p>
          <p>Aber so viel unbilligen Anklagen, gerichtet gegen den Einfluß meiner Worte                         oder meiner Doktrinen habe ich eine Hauptthatsache entgegen zu setzen, eine                         entscheidende, unzerstörbare Thatsache. So lange ich mich an der Macht                         befand und in Verbindung mit der Arbeiterklasse, wann eklatirte die mindeste                         Unordnung? wurde die öffentliche Ruhe einen einzigen Augenblick gestört?                         Deutete irgend ein Vorfall auch nur die Möglichkeit eines Bürgerkriegs an?                         Und dennoch dauerten noch die Kampfschauer des Februars und kein einziger                         Soldat befand sich zu Paris! Die Kommission
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</TEI>
[0195/0001] Beilage zu Nr. 39 der Neuen Rhein. Zeitung. Sonntag, 9. Juli 1848. Uebersicht. Deutschland. Köln (das Ministerium der That. ‒ Die preußische Pacifizirung und Reorganisation Posens. ‒ Vereinbarungsdebatte). Berlin (Ministerkrisis. Lachmann. Polenkommission. Herrn Mäder's Verhaftung. ‒ Ministerialgerüchte. ‒ Die Russen sollen in die Donauprovinzen gerückt sein). Frankfurt (Sitzung der Nationalversammlung. ‒ Blöde über die letzte Turner-Tagsatzung. ‒ Die Thurn und Taxis'sche Post). Posen (Soldatenwirthschaft. Hamburg (Friedensgerüchte in Kopenhagen. ‒ Der Abschluß des Waffenstillstandes). Freiburg (Verhaftung). Ulm (die Zahl der Verwundeten). Prag (die Verhaftungen dauern fort). Wien (der vereinigte Ausschuß). Aus Tirol (der Gouverneur). Aus Südtirol (östreichische Finanzen). Ungarn. Pesth (Kossuth). Temeswar. (Die serbischen Vorbereitungen zum Angriff). Donaufürstenthümer. Bukarest (Cholera). Frankreich. Paris (die Nationalgarden. ‒ Sitzung der Nationalversammlung vom 5. Juli. ‒ Ein Brief Louis Blanc's. ‒ Chateaubriand. ‒ Barrikadenträume. ‒ Carnot's Abdankung. ‒ Die „Organisation sociale“ über die Deportation. ‒ Guizot über die Thiersparthei. ‒ Lügen der „Ere Nouvelle.“ ‒ Vermischtes. Spanien. (Neuer Karlistenaufstand. Cabrera). Italien. Venedig (Pläne der Oestreicher). Großbritannien. London (Abnahme der Staatseinkünfte. ‒ Chartistenprozeß). Amerika. (Sympathieen für John Mitchel in den Vereinigten-Staaten. St. Juan de Nicaragua von den Engländern in Besitz genommen). Handelsnachrichten. [Französische Republik] Das Dekret lautet, wie folgt: Art. 1. Der Finanzminister ist bevollmächtigt, eine Anleihe von 150 Millionen bei der Bank zu machen, unter den Klauseln und Bedingungen, die in dem angeschlossnen, zwischen dem Finanzminister und dem Gouverneur eingegangnen Vertrag enthalten sind. Art. 2. Um die in dem Vertrag verabredeten Garantien leisten zu können, wird der Finanzminister bevollmächtigt: I) der Bank die Summe von Renten zu übertragen, die von der Amortissement-Kasse herrührt und nöthig ist, um unter den durch die Ordonanz vom 15. Mai 1839 bestimmten Bedingungen einen Vorschuß von 75 Millionen decken zu können II) der Bank die in der dem Vertrag anliegenden Register bestimmten Staatswaldungen zu verkaufen, die für die Summe von andern 75 Millionen cedirt sind. H. Favre schlägt das Amendement vor, die Erlaubniß zum Verkauf der Wälder bis zum ersten Januar 1850 aufzuschieben. (Mit starker Majorität verworfen.) Art. 3. Alle Derogationen, sei es der Statuten der Bank von Frankreich, sei es der Verfügungen der bestehenden Gesetzgebung, die sich aus den Klauseln und Bedingungen des erwähnten Ertrags ergeben, sind bestätigt. Das ganze Dekret wird adoptirt. Raynal: Ehe die Nationalversammlung in ihrer Diskussion fortfährt, wünsche ich, sei es an den Chef der Exekutivgewalt, sei es an das Ministerium, eine Interpellation zu richten. Es handelt sich von der Unverletzlichkeit der Mitglieder der Nationalversammlung. (Hört, hört!) Ein ungeheurer Exceß ist gegen einen Eurer Kollegen begangen worden. (Allgemeine Spannung.) Diese Nacht um zwei Uhr erschien ein Polizeikommissär bei mir, um eine Haussuchung anzustellen. Ich stellte ihm meine Eigenschaft als Volksrepräsentant entgegen. Er zog sich sofort zurück. Um 5 1/2 Uhr wurde meine Wohnung von neuem überschwemmt durch Wächter von Paris und Mobilgarden, begleitet von einem Polizeikommissär, der, ohne den Befehl, dessen Träger er war, mir vorzeigen zu wollen, zu einer Vernehmung überging, auf die ich mich einzulassen verweigerte. (Murren in einem Theil der Nationalversammlung, Beistimmung auf der äußersten Linken.) Ich zeigte ihm meine Medaille vor und fragte ihn von neuem, auf welchen Rechtstitel hin er sich bei mir einfände. Er antwortete darauf, er hätte nicht gewußt, daß ich Volksrepräsentant sei, und darin hat er gelogen. Ich verlange Genugthuung. Bevollmächtigt der Belagerungszustand einen Polizeikommissär das Hausrecht, und gar das eines Volksrepräsentanten, zu verletzen? In diesem Fall würde ich mit aller Kraft protestiren und alle in meiner Macht befindlichen Mittel anwenden, um es zu verhindern. (Auf der Linken: Sehr gut! ‒ Lärm.) Ich stehe nicht an, es zu sagen, ich würde Gewalt durch Gewalt zurückstoßen. (Murren auf mehreren Bänken.) An dem Titel, den uns das Volk übertragen hat, der Souverän, müssen alle Illegalitäten zerschellen, alle die gräulichen Machtübergriffe. Falatien: Auch bei mir ist wiederholt und mehrere Tage nach einander Haussuchung gehalten worden. Bald fand sie Statt durch Mobil- bald durch Nationalgarden. Man hat mir ein Jagdgewehr, einen Säbel, und außerdem ein kleines Möbel weggenommen. Ich konnte sie nur zurückhalten durch Dazwischenkunft eines Bataillonschefs, der mit mir dasselbe Haus bewohnt. Senard, Minister des Innern, erklärt, unter vielen Unterbrechungen der äußersten Linken, jeder müsse sich unter den gegenwärtigen Umständen beliebigen Unannehmlichkeiten aussetzen, verspricht übrigens, das Betragen des Polizeikommissärs streng zu untersuchen. Die gefällige Kammer geht zur Tagesordnung über, nämlich zur Diskussion des Dekretentwurfs, der einen Kredit von 3 Millionen Francs eröffnet, bestimmt, als Darlehn vertheilt zu werden unter die freien Associationen, sei es der Arbeiter unter sich, sei es der Arbeiter und Arbeitgeber. Charles Dupin: Man müsse diese Darlehn besonders den leidenden Industriezweigen zu gut kommen lassen, denen, wo die isolirte individuelle Arbeit keine genügenden Resultate liefere. Namentlich müsse man sich hüthen, die Koalitionen zu unterstützen. Eine Jury, bestehend aus Herrn vom Institut, dem Conservatoire, der Gesellschaft zur Ermunterung der nationalen Industrie, solle alles entscheiden. Zu Artikel 3 schlägt er das Amendement vor, daß die jährliche Rechnung über die Vertheilung des Kredits der Nationalversammlung vorgelegt werde mit einem raisonnirenden Bericht des Comité's über die erlangten Resultate. Das Dekret wird mit seinem Amendement angenommen. Der Berichterstatter des 5. Büreaus stattet dann Bericht ab über die angefochtene Wahl von Quatre Barbes im Departement de Finistère. Die Zulassung von Quatre Barbes wird mit einer starken Majorität verworfen. Auf der Tagesordnung steht endlich die Diskussion eines Gesetzentwurfs, der eine Million dem Minister des Unterrichts zuweist, zur Vertheilung unter die Lehrer der Primärschulen, deren Gehalt nach dem Gesetz von 1833 unter 600 Francs steht. Bonjean heilige Pflicht sei es, die Lehrer nicht verhungern zu lassen. Vor allem aber komme es an auf die obere Leitung dieses wichtigsten öffentlichen Dienstes. Ihr habt fast alle die Instruktionen des Unterrichtsministers (Carnot) gelesen. ‒ Ihr habt sie alle beurtheilt. Aber, was Ihr vielleicht nicht wißt, man hat im Namen, vielleicht im Auftrag des Unterrichtsministers so verabscheuungswürdige, so gefährliche Schriften vertheilt, daß ich, ehe ich die verlangten Fonds votire, wissen muß, ob der Minister diese Schriften au, torisirt hat. Eine dieser Schriften ist betitelt: „Republikanisches Handbuch des Menschen und des Bürgers, veröffentlicht unter den Auspicien des Ministers des öffentlichen Unterrichts.“ Es verkauft sich bei Pagnerre, verfaßt von Charles Renouvier. Da findet sich z. B. Kapitel VII über die Eigenthumsfrage: „Schüler: Giebt es wenigstens Mittel, die die Reichen verhindern, müßig zu sein und die Armen von den Reichen verspeist zu werden? (Exclamationen.) (Unglaublich! schallt es von mehreren Seiten.) Lehrer: Ja, sie existiren und zwar vortreffliche Mittel. Die Lenker der Republik werden diese Mittel finden, sobald sie ernsthaft die Brüderlichkeit verwirklichen wollen. (Bewegung in verschiedenem Sinne.) Es verhält sich mit dem Eigenthum und der freien Verwendung des Kapitals, wie mit allen andern Freiheiten, das Gesetz, das sie anerkennt, kann und muß sie in gewisse Grenzen beschränken. Ohne das Erbrecht abzuschaffen, kann man es im allgemeinen Interesse begrenzen; ohne den Zins des Kapitals zu vernichten, kann man Maßregeln ergreifen, um ihn zu vermindern. Dann wird dem Reichen der Müssiggang erschwert und der Arme findet leicht Mittel, sich zu bereichern. (Lebhafte Exclamationen. Eine Stimme: Kredit durch Plündern.) Das Gesetz kann jede Bedingung dem Grundbesitz auferlegen, ihn selbst expropriiren mit Entschädigung, wenn schlechter Gebrauch davon gemacht wird. Was die großen Grundeigenthümer betrifft, die ihr mit Recht fürchtet, wißt, daß wenn sie der Republik eine passende Steuer zahlten und ihren Arbeitern den gebührenden Lohn, sie ihre Ländereien meist an Bürger verkaufen müßten, die einen bessern Gebrauch davon machen würden. Man wird hierüber Gesetze machen, sobald man wollen wird. (Mehre Stimmen: das ist baarer Kommunismus.) Solche Moral, fährt Bougean fort, predigt man den Kindern in den Schulen. Schlagen wir Kap. VIII. über die Organisation der Arbeit nach.“ „Schüler: Die Freiheit der Industrie hat also große Uebel verursacht?“ „Lehrer: In ihrem Gefolg befand sich die zügellose Konkurrenz; diese hat den erbitterten Krieg der Arbeiter natürlich hervorgebracht, die Herabdrückung der Salaire, den Betrug im Handel, endlich den Ruin der Armen und die Bereicherung der Reichen, die mehr Mittel hatten, diesen Kampf zu bestehen, so sehr, daß im Augenblick, wo Paris seinen letzten König verjagte, die Freiheit der Industrie nur noch eine Phrase war und das triumphirende Monopol Frankreich eine neue Aristokratie gab, gefährlicher als die erstere. (Neue Exclamationen. Zur Linken: Es ist die Wahrheit.)“ „Schüler: Die Republik hat also das Recht, sich in die Bedingungen der Arbeit einzumischen, in die Regulirung der Presse und der Salaire?“ „Lehrer: Zweifelsohne, sie hat dies Recht. Was wäre, was könnte er sein, ein Industrieller- oder ein Geschäftsmann ohne die Arbeit des Volks und ohne den Schutz der Republik? Indem die Republik dem Handel und der Industrie die Freiheit versichert, erwirbt sie eben hierdurch das Recht, diese Freiheit allen aus dem Gesammtinteresse hervorgehenden Bedingungen zu unterwerfen. Das ist es, was man Organisation der Arbeit nennt. (Gelächter und Gemurre. Ein Mitglied: Sagt vielmehr Desorganisation!) In einem der Kapitel handelt es sich von der Lage der Frauen, von Ehe und Ehescheidung, z. B. p. 34 lese ich: Was die Gesetze über Ehe und Testamente betrifft, so wird die Versammlung nie ohne große Vorsicht und sehr legitimer Skrupel an denselben rütteln. Aber untersuchen könnte sie, ob das republikanische Regime der Gleichheit und Freiheit nicht den Rechten der Frauen in der Familie etwas hinzufügen muß, ob im Interesse der Ehe selbst die Wiederherstellung der Ehescheidung wie zur Zeit des Kaiserreichs nicht gut ist, ob endlich die Steuer, welche die Uebertragung der Güter trifft, nicht billiger im Interesse der Republik und der Familie zu regeln wäre. Der Minister antworte mit Ja oder Nein, ob er derartige Doktrinen adoptirt. (Großer Eindruck.) Carnot, Minister des öffentlichen Unterrichts: Der Gesetzentwurf zur Unterstützung der Elementarlehrer, der hier keinen Widerspruch zu finden scheint, wird als Vorwand zu Angriffen gegen meine Administrationen benutzt. Mein Ministerium ging aus den Barrikaden des Februar hervor. (Abläugnen auf verschiedenen Bänken. Auf der Linken: verharren Sie bei dem Ausdrucke.) Dieser Ursprung ist die Ursache gewisser Rancunen. (Heftiges Murren in mehren Reihen der Versammlung.) Während meine Kollegen durch Dringlichkeitsmaßregeln die oft fürchterlichen Bedürfnisse des Augenblicks zu befriedigen hatten, mußte ich neue Bürger für die neuen Institutionen vorzubereiten suchen, für ein Volk noch unerfahren in der Ausübung der ungeheuren Rechte, die es so eben erobert hatte. Die Einführung des allgemeinen Wahlrechts legte mir die Pflicht auf, mich schleunigst mit der Entwicklung des Elementarunterrichts zu beschäftigen. Ich umgab mich mit einer zahlreichen Kommission, zusammengesetzt aus Männern, die in allen Zweigen der Administration, des öffentlichen und des Privatunterrichts gewählt waren. Diese Kommission arbeitete zwei Monate mit größtem Eifer. Der Gesetzentwurf über den Elementarunterricht, den ich vor einigen Tagen niedergelegt habe, ist die Frucht dieser Kommission. Unentgeldlicher öffentlicher Elementar-Unterricht, Lehrfreiheit zur Seite eines so umfassend und kräftig als möglich konstituirten National-Unterrichts, ‒ auf diesen Prinzipien beruht der Entwurf. Für den Elementar-Unterricht trat ich als hastiger Neuerer auf, für den höheren Unterricht als Conservativer. ‒ Um das Volk für das allgemeine Wahlrecht zu bilden, mußte ich namenlich auf dem Land zwei Männer hauptsächlich in's Auge fassen, den Pfarrer und den Schulmeister. Ich schickte ihnen Circulaire zu, worin ich ihnen sagte: Neben euren Pflichten gegen die Kinder legen euch die Umstände eine Dringlichkeitspflicht auf, die, den Erwachsenen zum politischen Leben, das ihnen eröffnet ist, vorzubereiten; euch gehört es an, ihnen den wahren Sinn der neuen Republik begreiflich zu machen. Carnot vertheidigt sich unter vielem Tumult und Unterbrechungen gegen den alten Vorwurf: Ignoranten und Barbaren als besonders passende Kandidaten für die N.-V. in seinen Circulairen empfohlen zu haben und geht dann direkt zur Antwort auf Bonjeans Angriff über. Carnot. Sobald das Prinzip des allgemeinen Wahlrechts festgestellt war, richtete ich ein Circulair an die Rektoren aller Akademien, worin ich sie einlud Republikanische Handbücher zu entwerfen, keineswegs für die Kinder, wie man vorgegeben hat, sondern für die Wähler, um ihnen anzuzeigen, wie sie ihre Pflichten zu erfüllen hätten. (Agitation.) So sind mehre sehr bemerkenswerthe Werke entstanden. Zu Paris haben zwei, durch ihre historischen und philosophischen Werke sehr ausgezeichneten Schviftsteller, Henri Martin und Charles Renouvier zwei dieser Handbücher entworfen. Sie haben sie nicht unter meinen Auspicien veröffentlicht, aber mit meiner Zustimmung und meiner Erlaubniß, was nur heißt, daß ich sie gelesen und nichts tadelnswerthes in ihnen gefunden habe. (Geschrei zur Rechten. Einer: Köstliches Geständniß! Nehmen wir es zu Protokoll.) Nach einem furchtbaren Redespektakel, worin für und gegen Renouviers Buch, für und gegen seine Art, das Eigenthum zu behandeln mehr gepoltert und geschrieen als gesagt wird, giebt Herr Bonjean die Moral der Fabel, indem er das Amendement stellt, den verlangten Kredit für das Ministerium des öffentlichen Unterrichts von Einer Million auf 5000 Fr. zu reduziren, d. h. ihm gar keinen Kredit zu geben. Eine Stimme. Das reduzirt die Debatte auf ein Vertrauensvotum, auf eine ministerielle Frage. (Furchtbarer Lärm.) Herr Bonjean vertheidigt sein Amendement unter stets steigendem Lärm und beständigen Unterbrechungen. Man räth von verschiedenen Seiten dem Präsidenten sich zu bedenken. Mehre Mitglieder gruppiren sich vor und neben die Tribüne und interpelliren Bonjean. Der Präsident. Ich rufe alle Unterbrecher zur Ordnung, aber mitten in diesem Kreuzfeuer von Unterbrechungen ist es unmöglich auch nur zu sagen, wer unterbricht. Bonjean. „Ich mußte eine Ziffer vorschlagen, ich habe 5000 Fr. festgesetzt, meinetwegen kann man die Summe noch tiefer herabdrücken. Ich verlange, daß die Abstimmung ein Ausdruck des Tadels für jene unannehmbaren Doktrinen sei.“ ‒ Endlich kommt es zur Abstimmung und zwar auf Verlangen von mehr als 20 Stimmen zum Stimmen durch Theilung. Für die Annahme des Amendements sind 314 Stimmen, gegen die Annahme 303. Das Amendement des Herrn Bonjean ist also adoptirt. (Große Aufregung. Schluß der Sitzung ein viertel vor 7 Uhr.) ‒ Wegen der Todtenfeier hält heute die Nationalversammlung keine Sitzung. Auch bleiben die Börse und alle übrigen Behörden geschlossen. Es ist ein offizieller Festtag. ‒ Das Dekret, das die Demission Carnots annimmt und Vaulabelle an seine Stelle setzt, lautet also: „Der Präsident des mit Ausübung der Vollziehungsgewalt beauftragten Ausschusses beschließt nach Anhörung der Minister: der Bürger Vaulabelle ist zum Unterrichtsminister ernannt in Ersetzung des Bürgers Carnot, dessen Entlassung angenommen.“ (Moniteur v. 6. Juli.) ‒ General Bedeau nimmt das ihm zugedachte Portefeuille des Auswärtigen nicht an. Man sagt daher, Bastide, der für die Marine bestimmt war, werde das Auswärtige behalten und man sich nach einem andern Marine-Minister umsehen. ‒ Die letzte Handlung des Unterrichts- und Kultus-Ministers Carnot war ein Rundschreiben an sämmtliche Erzbischöfe, Bischöfe und Bisthumsverwalter Frankreichs, um sie aufzufordern, öffentliche Gebete und Gottesdienste für die Märtyrer des bürgerlichen Junisieges in allen Kirchen ihres Sprengels anstellen zu lassen. Und man klagt ihn an, Ultrarevolutionär zu sein! ‒ Der Spectateur Francais, Guizots Londoner Blatt, bringt einen Artikel, der für das rührende Einverständniß zwischen gewissen Mitgliedern der Nationalversammlung und den Stützen des untergegangenen Regimes zeugt. Dieser Artikel schließt: „In der Nationalversammlung sind es die alten Deputirten, welche Ordnung in die Arbeiten der Kammer hineinbringen, welche mit einem Wort, die neuen Repräsentanten leiten und dennoch drängt man die alten Deputirten von der Führung der öffentlichen Angelegenheiten zurück, man nimmt im Geheimen ihre Unterstützung an, man will sie nicht öffentlich gestehn. Es ist wahr, daß wir uns noch am Morgen einer gegen die alten Mandatare des Landes vollbrachten Revolution befinden. Das Mißtrauen wird sich zerstreuen, wenigstens muß man es hoffen, und die Dienste der erprobten politischen Männer in der Versammlung werden nicht für das Land verloren gehn. Die alten Deputirten fühlen überdem, daß ihr Augenblick noch nicht gekommen ist; das was sich seit 4 Monaten mit den neuen Männern zugetragen hat, was sich noch zuträgt, wird die Stunde ihrer Ankunft an die Regierung vielleicht rascher herbeiführen als sie wünschen.“ Die Parole ist ausgetheilt. Die Bürger Leon Faucher, Odillon Barrot, Vivien, Billault, Dufaure und ihr Anführer, der Bürger Thiers mögen es sich merken. Man bereitet in London ihre Gelangung zur Regierung vor. (République.) Girardin, Redakteur der „Presse,“ ist am Morgen des 5. Juli in Freiheit gesetzt worden. Er begab sich in das Büreau seines Journals, wo er noch die Siegel angelegt fand. ‒ Seit einigen Tagen spricht man nur noch von einem Plan des Kriegsministers, die Rückkehr der Barrikadenemeute unmöglich zu machen. Man dachte zuerst an ein neues Pflastersystem, aber das würde eine kolossale Ausgabe sein, woran man in diesem Augenblick nicht denken kann. Zudem ist das Pflaster nicht das einzige Element der Barrikaden. General Lamoricière schlägt ein homöopathisches System vor, nämlich gegenüber den Barrikaden der Insurrektion, Barrikaden der Ordnung aufzuwerfen. Von der Höhe ihrer Fenster herab, würden die Nationalgarden auf die Insurgenten tirailliren. Nach einem bisher unverbürgten Gerücht, soll die provisorische Regierung den 16. März bei Gelegenheit der Demonstration der pelzbemüzten Nationalgarden sich bedroht gewähnt und sich zu einem Kampf gegen die Nationalgarde vorbereitet haben. Man bildete heimlich ein Barrikadenbataillon, dessen Mitglieder als Lehrer in allen Stadtvierteln dienen und ihnen theoretisch die angemessenste Art des Barrikadenbau beibringen sollten.. Die Barrikaden waren verzeichnet auf einem Plan von Paris. Man hatte hier die Häuser angezeigt, die Monumente, die als Centralpunkte zu befestigen seien. Jene Lehrer hießen Barrikadenprofessoren. ‒ In Frankreich glaubt man das Uebel in der Wurzel zu fassen, indem man in ferne Kolonien Tausende von Individuen deportirt, denen das Elend die Waffen in die Hand gedrückt hat. Das heißt den Kranken, der schreit, nicht heilen, sondern ihn schwächen, ihm den Mund verstopfen. Wahrhaft heitres Mittel, den Reklamationen dadurch ein Ende zu machen, daß man die entfernt, die reklamiren! Um gut zu sein, müßte die Maßregel vollständig sein. Man müßte alle Armen, womit das Land übersäet ist, expulsiren, d. h. die gesammte Arbeiterbevölkerung. (L'Organisation sociale.) Paris, 6. Juli. Aus dem Briefe Louis Blanc's an die Patrie entnehmen wir Folgendes: „In der Patrie vom 30. Juni befindet sich ein Artikel, worin man mich solidarisch verantwortlich macht für den furchtbaren Kampf, der eben erst Paris verheert. Eine solche Insinuation krönt die Serie von Verläumdungen, die man zum System erhoben hat. Man erinnert an die Reden, die ich im Luxembourg gehalten habe. Wörtliche, unbestreitbare Citate, im Moniteur geschöpft, werden den Geist dieser Reden kennen lehren und hinreichen, um meine Verläumder zu beschämen. ‒ Folgen hierauf die Citate und Louis Blanc fährt fort: Es bleibt also durch unwiderlegliche Texte bewiesen: 1) Daß weit davon entfernt, an den Geist der Zwietracht appellirt zu haben, ich immer Eintracht gepredigt unter den Mitgliedern der großen Familie und als Grundlage für meine Doktrinen das wesentlich versöhnende Prinzip der menschlichen Solidarität aufgestellt habe; 2) daß, weit entfernt, das Volk in zu sanguinischen, zu stürmischen und trügerischen Hoffnungen ermuthigt zu haben, ich es im Gegentheil immer zur Geduld ermahnt und ihm gezeigt habe, wie schwierig die Lösung der socialen Probleme und wie wichtig es sei, mit den Entschließungen nicht zu stürmen; 3) daß weit entfernt, die Arbeiter zu einem Mangel an Respekt für die Nationalversammlung vorbereitet zu haben, ich sie ihnen im voraus darstellte als die Volkssouveränetät in Bewegung; 4) daß weit entfernt, den Arbeitern geschmeichelt zu haben, ich, bei jeder Gelegenheit meine Hingebung an ihre Sache der Gerechtigkeit untergeordnet habe, und wie ich übrigens zu ihrer Ehre hinzufügen muß, dieß stets unter ihren lauten Beifallsbezeugungen; 5) endlich, daß weit entfernt, sie zu Gedanken der Gewalt zu treiben, ich ihnen immer die Ordnung empfohlen, die Ruhe, die Mäßigung und ein reflektirtes Zutrauen in die friedliche Allmacht der Vernunft. Aber so viel unbilligen Anklagen, gerichtet gegen den Einfluß meiner Worte oder meiner Doktrinen habe ich eine Hauptthatsache entgegen zu setzen, eine entscheidende, unzerstörbare Thatsache. So lange ich mich an der Macht befand und in Verbindung mit der Arbeiterklasse, wann eklatirte die mindeste Unordnung? wurde die öffentliche Ruhe einen einzigen Augenblick gestört? Deutete irgend ein Vorfall auch nur die Möglichkeit eines Bürgerkriegs an? Und dennoch dauerten noch die Kampfschauer des Februars und kein einziger Soldat befand sich zu Paris! Die Kommission

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 39. Köln, 9. Juli 1848. Beilage, S. 0195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz039b_1848/1>, abgerufen am 28.03.2024.