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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 85. Köln, 25. August 1848.

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Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No 85 Köln, Freitag 25. August 1848.
Deutschland.
* Köln, 24. August.

Der Redakteur en chef der Neuen Rheinischen Zeitung, Karl Marx, ist gestern auf einige Tage nach Wien abgereist.

!!! Frankfurt, 22. Aug.

64. Sitzung der Nat.-Versammlung. -- Beginn der Sitzung halb 10 Uhr. -- Präsident v. Gagern.

Tagesordnung: Fortsetzung der gestrigen Debatte des Art III der Grundrechte. Verlesung des Protokoll von gestern. Die Bänke sind wie gewöhnlich bis halb 11 Uhr leer. Dr. Kalkberg tritt aus der Versammlung. Flottenbeiträge werden verlesen, das letzte Verzeichniß dieser Beiträge ergiebt 13,847 Fl. Die Totalsumme 41,195 Fl.

Eisenmann erläutert seine gestrige Interpellation von wegen der deutschen Farben und Oestreichs politischer Stellung; und macht dazu einige geniale Anmerkungen. Zur Zeit als Latour, der schwarzgelbe, im Kabinet, waren darin noch so viel rothe Elemente, daß diese Mixtur noch ein leidliches schwarz-roth-gold abgab. (Man ist so gütig zu lachen.) Wir würden, sagen die Oestreicher, gern die deutschen Farben aufstecken, wenn wir uns vor den Slaven nicht fürchteten. Seine Rede schließt er patriotisch: "Wir wollen vor den äußersten Mitteln nicht zurückbeben, wenn es die Einheit Deutschlands gilt. (Bravo.) Hinter unsern Ministern steht die Nationalversammlung, hinter dieser das deutsche Volk." (Bravo der Patrioten.)

Schmerling (Minister): Die Rede, der er unbedingten Beifall zollt, ist gar keine Interpellation. (Eisenmann ärgert sich.) Wenn darin die Frage liegen soll, ob das Ministerium die Interessen der deutschen Politik wahren wolle, so beantwortet er sie mit offenem "ja." (Bravo.)

Eisenmann beruhigt sich nicht, sondern gebährdet sich sehr unwillig Gagern bringt ihn zur Ruhe.

Tagesordnung.

v. Beisler (Münchener Minister) stellt anstatt des § 14 den Antrag:

"die Angelegenheiten der christlichen Kirche Deutschlands, namentlich ihrer Beziehung zum Staate, sollen durch eine Reichssynode geordnet werden."

Unsre weltlichen Fürsten haben der Volksgewalt viel nachgeben müssen, verlangen wir dasselbe von den geistlichen Fürsten. (Anhaltendes Bravo; dürftiges Zischen der Ultramontanen.)

Zittel, Pfarrer aus Baden: Ich will, wie der vorige Redner, den Sturz der Hierarchie. Ich halte den Satz des Art. 3 nur für eine Floskel, denn Glaubens- und Gewissensfreiheit hat jeder Mensch von Anno I.

Organisation des religiösen Gemeinwesens ist die Hauptaufgabe unserer Zeit. Hier (in der Paulskirche) ist der Boden, wo die Kirchen sich endlich begegnen, sich endlich die Hand reichen sollen. Geben sie vollständige Religionsfreiheit. (Langer Beifall von allen Seiten.)

Vogt: Ich spreche für dasselbe Prinzip wie der vorige Redner; wenn auch von ganz anderm Standpunkt aus. (Gelächter und Bravo.) Sie wissen es, ich bin ganz und gar ein Parteimann. (Bravo) Die heutige Frage anlangend, stehe ich aber erhaben über alle Parteien, vollkommen neutral, so neutral, daß ich fast gar keinen Standpunkt habe. (Gelächter und Bravo.) Doch auch in dieser Frage wird unsere Partei einig bleiben. Der Staat und die Kirche, hat man hier gesagt, haben sich sehr geliebt. Ja, etwa so wie Haifisch und Häring. (Gelächter und Bravo.) Ich bin für Trennung der Kirche vom Staat. Aber nur unter der Bedingung, daß, was man so Kirche nennt, ganz aufhört. Mag es zurückkehren in den Himmel, wohin es gehört. (Schauder der Ultramontanen. Bravo links und Gallerien.) Die Kirche ist ein Hemmschuh der Civilisation Ich will gar keine Kirche. (Schrecken.) Man sagt, die Kirche sei ein Institut der Sittlichkeit. Ich behaupte, es ist eine Zwangsanstalt, weil sie die Vergehen der Menschen mit Strafen bedroht, mit Fegefeuer u. s. w. (Gelächter.) Die Sittlichkeit muß frei sein. Es gibt noch Kirchen, die einen Pfarrer exkommuniziren möchten, wenn er eine weiße Hose trägt. (Gelächter.) Man hat gesagt, die Kirche sei demokratisch. Ich freue mich ein neues Element der Demokratie kennen zu lernen. Aber wenn sie wirklich demokratisch, so müßte sie aufhören, Kirche zu sein. Sie will die Freiheit nicht in ihrer Vollkommenheit, nur als Mittel für sich, zum Zweck der Unterdrückung Anderer will sie dieselbe. Wir wissen es, es naht der Kampf mit dem religiösen Fanatismus. Man hat gesagt, das Volk kann die Hierarchen verjagen, wenn es nur will. Aber, meine Herren, die Hierarchen kämpfen unter den Fahnen der Dummheit, und sie wissen, mit der Dummheit kämpfen selbst Götter vergebens. (Bravo.) Dennoch, wir fürchten diesen Feind nicht. Wir werden ihm entgegentreten mit dem blanken Stahl. Nur in der unbeschränkten Freiheit finde ich ein Gegengift gegen den Ultramontanismus. Wie der Glauben frei ist, muß der Unglauben frei sein, das müssen sie dekretiren. Wir wollen den Polizeistaat nicht nur politisch, sondern auch religiös vernichten. Ihnen, meine Herren, (nach rechts) lasse ich gern das Verdienst der Vergangenheit, ihnen, meine Herren, (an's Centrum) das Verdienst der Gegenwart, das Recht Minister zu machen; wir aber (nach links) behalten uns das Verdienst der Zukunft. Deswegen werden wir für vollständige Unabhängigkeit der Schule von der Kirche stimmen; wir sichern uns die wachsenden Generationen. (Langes Bravo.) Diese sollen uns nicht verdummen, dann mögen Sie kommen mit ihrer Vergangenheit, dann wagen Sie den Kampf mit uns, dem Heere der Zukunft. (Langes schallendes Bravo.)

Jürgens, Pfarrer aus Braunschweig. Als Theologe und Kirchenhistoriker hat er Anträge gestellt von etwa 3 Seiten Umfang. Er erklärt sich gegen die Ausschußanträge.

Der Probst Döllinger aus Baiern (Ultramontaner) bekämpft Hrn. Vogt und vorzüglich Hrn. v. Beisler. Mit Hrn. Vogt wird er kurz fertig werden, denn contra principia negantem non disputandum. Die Freiheit des Unglaubens bis zur äußersten Konsequenz zu treiben, ist mir unmöglich. Hr. Vogt hat uns einen Kampf auf Leben und Tod angekündigt. Wie nehmen ihn an, da er ja noch fern sein soll. Siegt Hr. Vogt und seine Partei, so müssen wir u. ein Theil des deutschen Volks auswandern. (Links, nein, nur die Ultramontanen..) Der Redner wendet sich dann gegen Hrn. v. Beisler. Unter vielem Hin- und Herreden kommt er auch auf den Einfluß der Geistlichkeit bei den Wahlen zur Nationalversammlung zu sprechen Man hätte den Geistlichen unerlaubten Einfluß Schuld gegeben. (Links, ja Eisenmann, jawohl!) Redner: Hr. Eisenmann wird dies beweisen (Eisenmann: Ja gewiß.) Der Redner fährt fort: Und wenn es wahr ist, will man aus diesem Grund gegen die Unabhängigkeit der Kirche stimmen? Daß die hier angeregten Synoden noch nicht zu Stande gekommen sind, ist nicht unsere Schuld, sondern die des Polizeistaats.

Minister v. Beckerath deklamirt sehr unverständlich unter öfterem Rufe, "laut! laut!" gegen Hrn. Vogt. Er schmeichelt sich, einer der freisinnigsten religiösen Genossenschaften anzugehören. Aus der Luft der eisigen Verstandesabstraktion steige ich hinein in meine Gefühlsluft. (Schallendes Bravo aller Gefühlsmenschen.) Er tritt den Ausschußvorschlägen bei, und schwatzt dann noch eine lange Zeit fort.

Bischof Geritz aus Frauenburg in Preußen spricht ganz unverständlich. Die Versammlung schaart sich andächtig um die Tribüne und hört diesem alten Herrn bis zu Ende zu.

Nach Böcler (aus Meklenburg), der sich für die Unabhängigkeit der Kirche ausspricht und dabei schrecklich gestikulirt, verlangt die ermüdete Versammlung (um 2 Uhr) Vertagung der Debatte.

Gagern: Es sind noch viele Redner eingeschrieben. Ich bitte Sie, lassen Sie die Diskussion fortgehen, und hören Sie heute wenigstens noch zwei Redner. Man hört.

Paur aus Augsburg: Als einziger protestantischer Aabgeordneter aus Baiern habe ich mich damals gefreut, als Hr. Döllinger (s. oben) mit der ganzen Gewalt seiner Dialektik des Ministers Abel Grundsätze vertheidigte (links, hört, hört!, dieselben offen angegriffen zu haben. (Bravos.) Die Ausschußvorschläge scheinen mir mit wenig Abänderungen das rechte Maaß der Freiheit zu geben. Gänzliche Freiheit des Glaubens und Unglaubens ist nicht rathsam. Selbst in Nordamerika wird, ehe 25 Jahre vergehen, wohl auch in die Konstitution ein jus circa sacra aufgenommen werden. (Oho! Widerspruch.) Stimmen Sie, ich bitte Sie, zwar für Unabhängigkeit der Kirche, aber gegen die Trennung der Kirche vom Staat. (Vielseitiger Applaus. Ruf: Vertagung!)

Präsident theilt einen Antrag von Reichensperger, Jucho, Radowitz etc. mit, "die allgemeine Debatte über Artikel III. zu schließen."

Verworfen, dagegen die Vertagung der Debatte um 2 1/2 Uhr beschlossen.

Vicepräsident erstattet Bericht über eine große Menge Urlaube.

Morgen keine Sitzung. Donnerstag Fortsetzung der Kirchendebatte.

103 Berlin.

Die "große Aufregung" der Berliner über die Charlottenburger Brutalitäten hat in der gewohnten Art aller Berliner "Aufregung" geendet. Unsere Leser mögen sich aus folgenden Nachrichten überzeugen.

103 Berlin, 22. August.

Gestern Abend gegen 7 Uhr hatte der demokratische Club in Folge der Charlottenburger Ereignisse eine Ansprache an die "Berliner Mitbürger" erlassen, welche in der Bevölkerung Berlins eine allgemeine Aufregung hervorbrachte.

Vor dem Opernhause versammelten sich viele Tausend Menschen, und nach 8 Uhr betraten viele bekannte Volksredner die Freitreppe des Opernhauses um zu der Versammlung zu sprechen. Die Charlottenburger Ereignisse wurden nur als ein Glied der großen Kette angesehen, welche die Reaktion durch das ganze Land hindurchgezogen, wovon neuerdings die Vorfälle in Schweidnitz wieder die besten Beispiele gewähren. Einer der Redner beantragte die Abdankung des Ministeriums, das er ein Krämerministerium nannte, welcher Antrag allgemeine Beistimmung fand. -- Ungefähr um 8 3/4 Uhr beschloß die Versammlung zuerst zum Minister Kühlwetter zu ziehen, um ihm durch eine Deputation Verantwortung abzuverlangen, daß er sein Abends vorher gegebenes Versprechen, eine sofortige strenge Untersuchung zu veranlassen, nicht gehalten habe. Die ganze Versammlung begab sich nach dem unter den Linden gelegenen Hotel des Ministers des Innern. Das Thor war verschlossen und da die im Hotel Anwesenden die Oeffnung verweigerten, weil der Minister nicht zu Hause sei, wurde das Thor durch die Andringenden aufgedrückt, ohne daß Gewaltmaßregeln angewendet wurden. (Dies ist, was man in Berlin "Stürmen" nennt.) Da die Deputation, die sich ins Hotel begab, den Minister nicht auffand, schlug man vor, zum Justizminister Märker zu ziehen, um von ihm eine Amnestie aller politischen Angeklagten zu verlangen. Dies wurde mit Beifall aufgenommen. Die Volksmenge, die sich vielleicht auf 10,000 Köpfe vergrößert hatte, zog nach der nahen Wilhelmsstraße, wo man, dem Justizministerium gegenüber, das Hotel des Ministerpräsidenten glänzend erleuchtet fand. Eine große Soiree fand daselbst statt; alle Minister waren da zusammen und viele Abgeordnete der Rechten als Gäste anwesend. Die Deputation begab sich ins Hotel und verlangte nach dem Justizminister Märker. Jedoch kamen beinah alle Minister, und als die Deputation mit ihren Forderungen hervortrat und nur ungenügende Zusicherungen erhielt, da man zwar die Erlassung einer Amnestie in Aussicht stellte, aber die in Folge der Zeughausexcesse Angeklagten und Verurtheilten davon ausnehmen wollte, brach der Deputation die Geduld und man sagte den Ministern, daß sie unfähig wären das Land zu regieren und am besten thun würden, sofort abzudanken. (Der Ruf "Abdanken!" "Die Minister müssen abdanken!" erscholl von Zeit zu Zeit aus dem Volke.) Der Ministerpräsident erwiederte sehr gedrückt, daß dies doch nur die Meinung der Minorität sei, das Land werde durch die Vereinbarer-Versammlung vertreten, und deren Willen allein hätten sie sich zu unterwerfen. -- Einige Redner deducirten von philosophischem Standpunkt, daß die Minorität immer die Revolutionen gemacht und erst dann zur Majorität geworden wäre; man setzte den Ministern weitschweifig auseinander, wie nothwendig ihre Abdankung sei. --

Währenddem das Volk ruhig die Rückkehr seiner Deputation abwartete, kam auf einmal ein Trupp Constabler von ungefähr 40-50 Mann mit blanker Waffe, und begann sogleich einzuhauen, um den Platz zu säubern. Die Arbeiter, besonders die anwesenden Maschinenbauer geriethen dadurch in Wuth und warfen mit Steinen auf die Constabler, die diesem Angriff nicht widerstehen konnten und sich in das Ministerhotel flüchteten. Die Minister sahen die eingedrungenen Constabler für bewaffnetes Volk an und entflohen, indem sie die Deputation stehen ließen. Diese begab sich zur vorderen Thür zum Volke zurück, während die Minister, die eingeladenen Abgeordneten und die tapfern Constabler aus der Hinterthür durch den Garten flüchteten. Das Volk aber, welches die Steine einmal zum eigenen Schutz aufgerissen hatte, brauchte dieselbe nun, um damit alle Fenster des Hotel des Ministerpräsidenten zu zerstören. Um etwas zum Schutz gegen unvermuthete Angriffe in den Händen zu haben, rissen die Arbeiter die eisernen Gitter und eisernen Laternen-Pfähle vor den zwei Ministerhotels, und die eisernen Stangen unter den Linden aus den Steinen heraus. Aber diese Vorsicht war unnöthig. Die Constabler fürchteten die aufgeregte Menge und ließen sich nicht sehen, die Bürgerwehr hingegen schritt nicht ein, da ihre Befehlshaber sämmtlich zu einem dem Commandanten Rimpler gegebenen Feste im Krollschen Garten versammelt waren. -- Zwei Schüsse fielen gleich Anfangs in dem Augenblick, als die Demolirung der Fenster begann. Es ist unentschieden, von welcher Seite diese Schüsse gefallen sind, jedoch ist soviel gewiß, daß sie keinen Menschen getroffen und daß überhaupt bei den gestrigen Vorfällen kein Menschenleben verloren ging. Einige Constabler sollen, von Steinwürfen und Schlägen hart getroffen, ohnmächtig fortgetragen worden sein. Noch länger als eine Stunde blieb ein Haufen Neugieriger vor dem demolirten Hotel, und unter den Linden war es an der politischen Ecke von Mitgliedern des souveränen Clubs sehr lebhaft. Gegen Mitternacht endlich reinigte ein sanfter Regen und einige Bataillone Bürgerwehr die Linden und die angränzenden Straßen. --

Die Minister erschienen heute erst zwei Stunden nach Eröffnung der Sitzung der Vereinbarer-Versammlung in derselben. Sie hatten heute Morgen eine mehrstündige Sitzung in Folge der gestrigen Ereignisse und beriethen ein neues Gesetz, welches dergleichen Fällen vorbeugen soll. Die Annahme eines solchen Gesetzes ist sehr zu bezweifeln, umsomehr, da heute Abstimmungen stattfanden, in welchen die Majorität gegen den Willen des Ministeriums die Amendements zum §. 1. des Gesetzentwurfs annahm und das Amendement Otto nur dadurch mit einer kleinen Majorität verworfen wurde, weil einige Mitglieder fehlten. Bei der nächsten namentlichen Abstimmung hofft man eine Niederlage des Ministeriums. Man spricht, daß das Ministerium eine Art von Martialgesetz beantragen werde, wodurch die Clubs und die Plakate unter polizeiliche Aufsicht gestellt werden sollen. --

Die Aufregung hat sich heute nur in der ganzen Stadt vermehrt und man befürchtet für heute Abend neue Unruhen. Es bilden sich schon jetzt nach 7 Uhr Atroupements unter den Linden. Der demokratische Club und der Commandant der Bürgerwehr haben neue Bekanntmachungen erlassen.

103 Berlin, 22. August.

Sitzung der Vereinbarerversammlung. Tagesordnung: Berathung des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit. Da die Minister sämmtlich Anfangs der Sitzung nicht anwesend sind, so werden die beantragten dringenden Interpellationen und Anträge bis nach Berathung des Gesetzentwurfs verschoben. Abgeordneter Waldeck verliest hierauf den Bericht der Central-Abtheilung.

Abgeordneter Otto (von Liegnitz): Die sofortige Erlassung dieses Gesetzes ist durchaus nothwendig. Wir können aber dieselbe nicht bis zur vollständigen Organisation des ganzen Gerichtswesens anstehen lassen, denn wir befinden uns in einem vollständigen lügenhaften Zustand. Das frühere absolutistische System ist noch nicht aufgegeben. So lange ein solcher Zustand dauert, können wir keine Ruhe und Ordnung herbeiführen. Seit fünf Monaten existirt Preßfreiheit, trotzdem werden noch alle freien Aeußerungen, welche das Volk im Bewußtsein seiner errungenen Freiheit hören läßt, nach den Gesetzen des gestürzten Polizeisystems beurtheilt. Diesem lügenhaften Zustand muß ein Ende gemacht werden. Die persönliche Freiheit muß gewährleistet werden, zumal weder das Ministerium des Uebergangs noch das der That mit der Vorlegung einer Habeas-Corpus-Acte die Initiative ergriffen hat.

Abg. Zweifel hatte den Antrag gestellt: dies Gesetz nicht im Bezirke des Appellationsgerichts zu Köln zur Anwendung zu bringen, nimmt diesen Antrag aber jetzt zurück, da das Gesetz mehrere, der rheinischen Gesetzgebung entlehnte Zusätze erhalten habe.

Die allgemeine Debatte wird geschlossen und vor der Diskussion der einzelnen Paragraphen wird die Vorfrage: "ob überhaupt ein solches Gesetz vor der Verfassung und vor der Organisation zu erlassen sei?" mit großer Majorität angenommen.

Zu dem § 1 werden mehrere Amendements eingebracht.

Abg. Parrisius spricht gegen die Fassung der Kommission. Der Grundsatz, von welchem das Gesetz ausgehe, müsse an die Spitze gestellt werden. Der § 1 beginne sofort mit einer Ausnahme. Die Ansicht der Centralabtheilung, daß das Aussprechen des Grundsatzes: "die persönliche Freiheit ist gewährleistet," in die Verfassung gehöre, sei richtig, aber dadurch ist derselbe aus diesem Gesetze noch nicht ausgeschlossen.

Abg. Knauth stellt den Zusatz: "Jeder Angeschuldigte soll gegen Stellung einer vom Gericht zu bestimmenden Caution oder Bürgschaft der Haft entlassen werden, sofern nicht dringende Anzeigen eines schweren peinlichen Verbrechens gegen denselben vorliegen."

Minister d. Innern: Ich erlaube mir, die Stellung des Ministeriums zu dem vorliegenden Gesetze auseinanderzusetzen. Als der Abgeordnete Waldeck den Antrag machte, vier Paragraphen des Verfassungs-Entwurfs sofort als eine Habeas-Corpus-Acte zum Gesetz zu erheben, konnte sich die Regierung nur gegen einen solchen Antrag erklären. Die Regierung erkannte nicht, daß die Erlassung einer Habeas-Corpus-Acte nothwendig sei, und daß die Polizei und die Justiz da seien, um die Freiheit zu schützen und nicht um sie dem Staatsbürger zu rauben. -- Die Regierung begrüßt die Arbeit, wie sie aus der Centralabtheilung hervorgegangen, als eine vollständige, der sie ihre völlige Zustimmung giebt und wird für deren ungeänderte Annahme stimmen.

Abg. Harossewitz spricht gegen die Fassung des Kommissions Entwurfs. Man mache den Richter durch dasselbe zu einem Polizei-Beamten, denn nicht von dem Namen, sondern von den Befugnissen und Pflichten, hängt der offizielle Charakter ab. Der § 2 vernichte die schönen Hoffnungen wieder, welche § 1 errege. Wolle man es dem alleinigen Ermessen der Polizei überlassen, wann eine Verhaftung vorzunehmen sei, so möge man dies offen aussprechen, aber nicht durch falsche Vorspiegelungen ungegründete Hoffnungen erregen. Stellt demgemäß Amendements.

Nachdem noch mehrere Redner gesprochen haben, kommt man zur Abstimmung über § 1. Alle Amendements werden verworfen und nur das Amendement Parrisius angenommen. Demnach werden dem § 1 die Worte: "die persönliche Freiheit ist gewährleistet", vorgesetzt und im ersten Satz desselben noch hinzugefügt, daß im Verhaftsbefehl auch die Bezeichnung der Person des Beschuldigten enthalten sein müsse.

Der § 1 lautet demnach, nach der Annahme der andern Sätze des Kommissions-Entwurfs, folgendermaßen:

"Die persönliche Freiheit ist gewährleistet. Außer dem Falle der Ergreifung auf frischer That, darf eine Verhaftung nur kraft eines schriftlichen, die Beschuldigung und den Beschuldigten bezeichnenden richterlichen Befehls bewirkt werden. Dieser Befehl muß entweder bei der Verhaftung, oder spätestens innerhalb 24 Stunden dem Beschuldigten zugestellt werden. Bei jeder Verhaftung ist in gleicher Frist das Erforderliche zu veranlassen, um den Verhafteten dem zuständigen Richter vorzuführen."

Nach der Debatte über den § 1 ergreift der Minister-Präsident das Wort, um der Versammlung mitzutheilen, daß, in Folge der gestrigen und vorgestrigen Ereignisse, welche die Ruhe und Ordnung gestört und die Sicherheit der Personen und des Eigenthums gefährdet haben, das Ministerium ein Gesetz in Vorschlag bringe, welches wo möglich noch heute dem Präsidenten zugesandt werden solle. Er bitte um dessen Priorität bei der nächsten Berathung. Ueber die Excesse selbst werde der Minister des Innern Mittheilung machen.

Minister des Innern: Ich soll Ihnen ein Bild geben von den letzten bedauernswerthen Ereignissen. Ich will es versuchen, obschon ich theils selbst keine zuverlässigen Nachrichten besitze (!!) und theils durch persönliche Aufregung nicht befähigt bin. Es haben vorgestern bei der Gründung eines demokratischen Vereins in Charlottenburg Attroupements stattgefunden. Man hat einige Leute schändlich behandelt. Mir wurde erst Abends 7 Uhr Mittheilung von den Vorfällen in Charlottenburg und ich beeilte mich sogleich einen Kommissarius hinzusenden.

Durch die Untersuchung hat sich bestätigt, daß mehrere Männer schmählich mißhandelt worden sind, und in Folge dessen sind auch schon 16 Verhaftsbefehle in Charlottenburg erlassen worden und die Untersuchung wird ihren ferneren Lauf behalten.

Die gestrigen Ereignisse knüpfen sich vielleicht an die Vorfälle in Charlottenburg. Man hat schon Vormittags Excesse vor dem Hotel des Ministers des Handels und der Arbeiten begangen, und die Nachricht wurde mir hinterbracht, daß man schon Nachmittags in einem bekannten Hause die Wiederhohlung dieser Excesse für den Abend festsetzte. Es wurden alle Maßregeln vor dem Hotel des Handelsministeriums getroffen. Unterdessen erschien eine Bekanntmachung des demokratischen Klubs, aus welcher ich Ihnen nur die letzten Sätze verlesen will, wonach Sie die Art und Weise beurtheilen können wie das Volk aufgeregt wurde. (Er verliest zwei Sätze der Bekanntmachung, worin es heißt, daß es nicht genug sei, untergeordnete Frevler zu bestrafen, daß man vielmehr die Unfähigen oder Böswilligen, welche an der Spitze stehen, entfernen müsse.) Gegen Abend fanden Attroupements vor dem Opernhause statt. Von der Treppe des Opernhauses sind aufregende Reden gehalten worden. Man zog zuerst vor mein Haus und erstürmte die Thür, drang in mein Schlafzimmer, und als man mich nicht fand, beschloß man zum Justizminister zu ziehen. Man fand denselben vor dem Hotel des Ministerpräsidenten und verlangte von ihm die Freilassung aller politischen Gefangenen. Der Justizminister erklärte der Deputation, die ihn darum anging, daß dies nicht gehe. Man sprach hierauf von Abdankung, und als der Ministerpräsident frug, wer denn die Abdankung verlange, antwortete die Deputation: Das Volk auf der Straße verlangt die Abdankung. Das Hotel des Ministerpräsidenten wurde hierauf mit Steinen beworfen, die Fenster eingeschlagen und große Steine flogen in die Salons, wo die Gesandten fremder Mächte und die Vertreter der Nation sich hinter die Pfeiler zurückziehen mußten, um sich vor dem Steinregen zu schützen. Selbst dem Justizminister fiel ein Stein auf den Fuß. Die Schutzmannschaften waren nicht vermögend die Excesse zu verhindern. Die Bürgerwehr erschien erst nach langer Zeit. -- Ein Staatsbürger muß für seine Person und sein Eigenthum gesichert sein, sei er Demokrat oder Minister, die Regierung wird Ihnen deshalb die geeigneten Vorschläge machen.

Man schreitet hierauf zur Berathung des §. 2. des Gesetzentwurfs.

Abg. Walter beantragt, daß die Versammlung beschließe: statt des zu unbestimmten Ausdrucks des Entwurfs, "durch die öffentliche Stimme," zu setzen: "durch den lauten Ruf des Volkes," welcher Ausdruck dem des französischen Urtextes: "par la clameur publique," mehr entspricht. Auch

Neue Rheinische Zeitung.
Organ der Demokratie.
No 85 Köln, Freitag 25. August 1848.
Deutschland.
* Köln, 24. August.

Der Redakteur en chef der Neuen Rheinischen Zeitung, Karl Marx, ist gestern auf einige Tage nach Wien abgereist.

!!! Frankfurt, 22. Aug.

64. Sitzung der Nat.-Versammlung. — Beginn der Sitzung halb 10 Uhr. — Präsident v. Gagern.

Tagesordnung: Fortsetzung der gestrigen Debatte des Art III der Grundrechte. Verlesung des Protokoll von gestern. Die Bänke sind wie gewöhnlich bis halb 11 Uhr leer. Dr. Kalkberg tritt aus der Versammlung. Flottenbeiträge werden verlesen, das letzte Verzeichniß dieser Beiträge ergiebt 13,847 Fl. Die Totalsumme 41,195 Fl.

Eisenmann erläutert seine gestrige Interpellation von wegen der deutschen Farben und Oestreichs politischer Stellung; und macht dazu einige geniale Anmerkungen. Zur Zeit als Latour, der schwarzgelbe, im Kabinet, waren darin noch so viel rothe Elemente, daß diese Mixtur noch ein leidliches schwarz-roth-gold abgab. (Man ist so gütig zu lachen.) Wir würden, sagen die Oestreicher, gern die deutschen Farben aufstecken, wenn wir uns vor den Slaven nicht fürchteten. Seine Rede schließt er patriotisch: „Wir wollen vor den äußersten Mitteln nicht zurückbeben, wenn es die Einheit Deutschlands gilt. (Bravo.) Hinter unsern Ministern steht die Nationalversammlung, hinter dieser das deutsche Volk.“ (Bravo der Patrioten.)

Schmerling (Minister): Die Rede, der er unbedingten Beifall zollt, ist gar keine Interpellation. (Eisenmann ärgert sich.) Wenn darin die Frage liegen soll, ob das Ministerium die Interessen der deutschen Politik wahren wolle, so beantwortet er sie mit offenem „ja.“ (Bravo.)

Eisenmann beruhigt sich nicht, sondern gebährdet sich sehr unwillig Gagern bringt ihn zur Ruhe.

Tagesordnung.

v. Beisler (Münchener Minister) stellt anstatt des § 14 den Antrag:

„die Angelegenheiten der christlichen Kirche Deutschlands, namentlich ihrer Beziehung zum Staate, sollen durch eine Reichssynode geordnet werden.“

Unsre weltlichen Fürsten haben der Volksgewalt viel nachgeben müssen, verlangen wir dasselbe von den geistlichen Fürsten. (Anhaltendes Bravo; dürftiges Zischen der Ultramontanen.)

Zittel, Pfarrer aus Baden: Ich will, wie der vorige Redner, den Sturz der Hierarchie. Ich halte den Satz des Art. 3 nur für eine Floskel, denn Glaubens- und Gewissensfreiheit hat jeder Mensch von Anno I.

Organisation des religiösen Gemeinwesens ist die Hauptaufgabe unserer Zeit. Hier (in der Paulskirche) ist der Boden, wo die Kirchen sich endlich begegnen, sich endlich die Hand reichen sollen. Geben sie vollständige Religionsfreiheit. (Langer Beifall von allen Seiten.)

Vogt: Ich spreche für dasselbe Prinzip wie der vorige Redner; wenn auch von ganz anderm Standpunkt aus. (Gelächter und Bravo.) Sie wissen es, ich bin ganz und gar ein Parteimann. (Bravo) Die heutige Frage anlangend, stehe ich aber erhaben über alle Parteien, vollkommen neutral, so neutral, daß ich fast gar keinen Standpunkt habe. (Gelächter und Bravo.) Doch auch in dieser Frage wird unsere Partei einig bleiben. Der Staat und die Kirche, hat man hier gesagt, haben sich sehr geliebt. Ja, etwa so wie Haifisch und Häring. (Gelächter und Bravo.) Ich bin für Trennung der Kirche vom Staat. Aber nur unter der Bedingung, daß, was man so Kirche nennt, ganz aufhört. Mag es zurückkehren in den Himmel, wohin es gehört. (Schauder der Ultramontanen. Bravo links und Gallerien.) Die Kirche ist ein Hemmschuh der Civilisation Ich will gar keine Kirche. (Schrecken.) Man sagt, die Kirche sei ein Institut der Sittlichkeit. Ich behaupte, es ist eine Zwangsanstalt, weil sie die Vergehen der Menschen mit Strafen bedroht, mit Fegefeuer u. s. w. (Gelächter.) Die Sittlichkeit muß frei sein. Es gibt noch Kirchen, die einen Pfarrer exkommuniziren möchten, wenn er eine weiße Hose trägt. (Gelächter.) Man hat gesagt, die Kirche sei demokratisch. Ich freue mich ein neues Element der Demokratie kennen zu lernen. Aber wenn sie wirklich demokratisch, so müßte sie aufhören, Kirche zu sein. Sie will die Freiheit nicht in ihrer Vollkommenheit, nur als Mittel für sich, zum Zweck der Unterdrückung Anderer will sie dieselbe. Wir wissen es, es naht der Kampf mit dem religiösen Fanatismus. Man hat gesagt, das Volk kann die Hierarchen verjagen, wenn es nur will. Aber, meine Herren, die Hierarchen kämpfen unter den Fahnen der Dummheit, und sie wissen, mit der Dummheit kämpfen selbst Götter vergebens. (Bravo.) Dennoch, wir fürchten diesen Feind nicht. Wir werden ihm entgegentreten mit dem blanken Stahl. Nur in der unbeschränkten Freiheit finde ich ein Gegengift gegen den Ultramontanismus. Wie der Glauben frei ist, muß der Unglauben frei sein, das müssen sie dekretiren. Wir wollen den Polizeistaat nicht nur politisch, sondern auch religiös vernichten. Ihnen, meine Herren, (nach rechts) lasse ich gern das Verdienst der Vergangenheit, ihnen, meine Herren, (an's Centrum) das Verdienst der Gegenwart, das Recht Minister zu machen; wir aber (nach links) behalten uns das Verdienst der Zukunft. Deswegen werden wir für vollständige Unabhängigkeit der Schule von der Kirche stimmen; wir sichern uns die wachsenden Generationen. (Langes Bravo.) Diese sollen uns nicht verdummen, dann mögen Sie kommen mit ihrer Vergangenheit, dann wagen Sie den Kampf mit uns, dem Heere der Zukunft. (Langes schallendes Bravo.)

Jürgens, Pfarrer aus Braunschweig. Als Theologe und Kirchenhistoriker hat er Anträge gestellt von etwa 3 Seiten Umfang. Er erklärt sich gegen die Ausschußanträge.

Der Probst Döllinger aus Baiern (Ultramontaner) bekämpft Hrn. Vogt und vorzüglich Hrn. v. Beisler. Mit Hrn. Vogt wird er kurz fertig werden, denn contra principia negantem non disputandum. Die Freiheit des Unglaubens bis zur äußersten Konsequenz zu treiben, ist mir unmöglich. Hr. Vogt hat uns einen Kampf auf Leben und Tod angekündigt. Wie nehmen ihn an, da er ja noch fern sein soll. Siegt Hr. Vogt und seine Partei, so müssen wir u. ein Theil des deutschen Volks auswandern. (Links, nein, nur die Ultramontanen‥) Der Redner wendet sich dann gegen Hrn. v. Beisler. Unter vielem Hin- und Herreden kommt er auch auf den Einfluß der Geistlichkeit bei den Wahlen zur Nationalversammlung zu sprechen Man hätte den Geistlichen unerlaubten Einfluß Schuld gegeben. (Links, ja Eisenmann, jawohl!) Redner: Hr. Eisenmann wird dies beweisen (Eisenmann: Ja gewiß.) Der Redner fährt fort: Und wenn es wahr ist, will man aus diesem Grund gegen die Unabhängigkeit der Kirche stimmen? Daß die hier angeregten Synoden noch nicht zu Stande gekommen sind, ist nicht unsere Schuld, sondern die des Polizeistaats.

Minister v. Beckerath deklamirt sehr unverständlich unter öfterem Rufe, „laut! laut!“ gegen Hrn. Vogt. Er schmeichelt sich, einer der freisinnigsten religiösen Genossenschaften anzugehören. Aus der Luft der eisigen Verstandesabstraktion steige ich hinein in meine Gefühlsluft. (Schallendes Bravo aller Gefühlsmenschen.) Er tritt den Ausschußvorschlägen bei, und schwatzt dann noch eine lange Zeit fort.

Bischof Geritz aus Frauenburg in Preußen spricht ganz unverständlich. Die Versammlung schaart sich andächtig um die Tribüne und hört diesem alten Herrn bis zu Ende zu.

Nach Böcler (aus Meklenburg), der sich für die Unabhängigkeit der Kirche ausspricht und dabei schrecklich gestikulirt, verlangt die ermüdete Versammlung (um 2 Uhr) Vertagung der Debatte.

Gagern: Es sind noch viele Redner eingeschrieben. Ich bitte Sie, lassen Sie die Diskussion fortgehen, und hören Sie heute wenigstens noch zwei Redner. Man hört.

Paur aus Augsburg: Als einziger protestantischer Aabgeordneter aus Baiern habe ich mich damals gefreut, als Hr. Döllinger (s. oben) mit der ganzen Gewalt seiner Dialektik des Ministers Abel Grundsätze vertheidigte (links, hört, hört!, dieselben offen angegriffen zu haben. (Bravos.) Die Ausschußvorschläge scheinen mir mit wenig Abänderungen das rechte Maaß der Freiheit zu geben. Gänzliche Freiheit des Glaubens und Unglaubens ist nicht rathsam. Selbst in Nordamerika wird, ehe 25 Jahre vergehen, wohl auch in die Konstitution ein jus circa sacra aufgenommen werden. (Oho! Widerspruch.) Stimmen Sie, ich bitte Sie, zwar für Unabhängigkeit der Kirche, aber gegen die Trennung der Kirche vom Staat. (Vielseitiger Applaus. Ruf: Vertagung!)

Präsident theilt einen Antrag von Reichensperger, Jucho, Radowitz etc. mit, „die allgemeine Debatte über Artikel III. zu schließen.“

Verworfen, dagegen die Vertagung der Debatte um 2 1/2 Uhr beschlossen.

Vicepräsident erstattet Bericht über eine große Menge Urlaube.

Morgen keine Sitzung. Donnerstag Fortsetzung der Kirchendebatte.

103 Berlin.

Die „große Aufregung“ der Berliner über die Charlottenburger Brutalitäten hat in der gewohnten Art aller Berliner „Aufregung“ geendet. Unsere Leser mögen sich aus folgenden Nachrichten überzeugen.

103 Berlin, 22. August.

Gestern Abend gegen 7 Uhr hatte der demokratische Club in Folge der Charlottenburger Ereignisse eine Ansprache an die „Berliner Mitbürger“ erlassen, welche in der Bevölkerung Berlins eine allgemeine Aufregung hervorbrachte.

Vor dem Opernhause versammelten sich viele Tausend Menschen, und nach 8 Uhr betraten viele bekannte Volksredner die Freitreppe des Opernhauses um zu der Versammlung zu sprechen. Die Charlottenburger Ereignisse wurden nur als ein Glied der großen Kette angesehen, welche die Reaktion durch das ganze Land hindurchgezogen, wovon neuerdings die Vorfälle in Schweidnitz wieder die besten Beispiele gewähren. Einer der Redner beantragte die Abdankung des Ministeriums, das er ein Krämerministerium nannte, welcher Antrag allgemeine Beistimmung fand. — Ungefähr um 8 3/4 Uhr beschloß die Versammlung zuerst zum Minister Kühlwetter zu ziehen, um ihm durch eine Deputation Verantwortung abzuverlangen, daß er sein Abends vorher gegebenes Versprechen, eine sofortige strenge Untersuchung zu veranlassen, nicht gehalten habe. Die ganze Versammlung begab sich nach dem unter den Linden gelegenen Hotel des Ministers des Innern. Das Thor war verschlossen und da die im Hotel Anwesenden die Oeffnung verweigerten, weil der Minister nicht zu Hause sei, wurde das Thor durch die Andringenden aufgedrückt, ohne daß Gewaltmaßregeln angewendet wurden. (Dies ist, was man in Berlin „Stürmen“ nennt.) Da die Deputation, die sich ins Hotel begab, den Minister nicht auffand, schlug man vor, zum Justizminister Märker zu ziehen, um von ihm eine Amnestie aller politischen Angeklagten zu verlangen. Dies wurde mit Beifall aufgenommen. Die Volksmenge, die sich vielleicht auf 10,000 Köpfe vergrößert hatte, zog nach der nahen Wilhelmsstraße, wo man, dem Justizministerium gegenüber, das Hotel des Ministerpräsidenten glänzend erleuchtet fand. Eine große Soiree fand daselbst statt; alle Minister waren da zusammen und viele Abgeordnete der Rechten als Gäste anwesend. Die Deputation begab sich ins Hotel und verlangte nach dem Justizminister Märker. Jedoch kamen beinah alle Minister, und als die Deputation mit ihren Forderungen hervortrat und nur ungenügende Zusicherungen erhielt, da man zwar die Erlassung einer Amnestie in Aussicht stellte, aber die in Folge der Zeughausexcesse Angeklagten und Verurtheilten davon ausnehmen wollte, brach der Deputation die Geduld und man sagte den Ministern, daß sie unfähig wären das Land zu regieren und am besten thun würden, sofort abzudanken. (Der Ruf „Abdanken!“ „Die Minister müssen abdanken!“ erscholl von Zeit zu Zeit aus dem Volke.) Der Ministerpräsident erwiederte sehr gedrückt, daß dies doch nur die Meinung der Minorität sei, das Land werde durch die Vereinbarer-Versammlung vertreten, und deren Willen allein hätten sie sich zu unterwerfen. — Einige Redner deducirten von philosophischem Standpunkt, daß die Minorität immer die Revolutionen gemacht und erst dann zur Majorität geworden wäre; man setzte den Ministern weitschweifig auseinander, wie nothwendig ihre Abdankung sei. —

Währenddem das Volk ruhig die Rückkehr seiner Deputation abwartete, kam auf einmal ein Trupp Constabler von ungefähr 40-50 Mann mit blanker Waffe, und begann sogleich einzuhauen, um den Platz zu säubern. Die Arbeiter, besonders die anwesenden Maschinenbauer geriethen dadurch in Wuth und warfen mit Steinen auf die Constabler, die diesem Angriff nicht widerstehen konnten und sich in das Ministerhotel flüchteten. Die Minister sahen die eingedrungenen Constabler für bewaffnetes Volk an und entflohen, indem sie die Deputation stehen ließen. Diese begab sich zur vorderen Thür zum Volke zurück, während die Minister, die eingeladenen Abgeordneten und die tapfern Constabler aus der Hinterthür durch den Garten flüchteten. Das Volk aber, welches die Steine einmal zum eigenen Schutz aufgerissen hatte, brauchte dieselbe nun, um damit alle Fenster des Hotel des Ministerpräsidenten zu zerstören. Um etwas zum Schutz gegen unvermuthete Angriffe in den Händen zu haben, rissen die Arbeiter die eisernen Gitter und eisernen Laternen-Pfähle vor den zwei Ministerhotels, und die eisernen Stangen unter den Linden aus den Steinen heraus. Aber diese Vorsicht war unnöthig. Die Constabler fürchteten die aufgeregte Menge und ließen sich nicht sehen, die Bürgerwehr hingegen schritt nicht ein, da ihre Befehlshaber sämmtlich zu einem dem Commandanten Rimpler gegebenen Feste im Krollschen Garten versammelt waren. — Zwei Schüsse fielen gleich Anfangs in dem Augenblick, als die Demolirung der Fenster begann. Es ist unentschieden, von welcher Seite diese Schüsse gefallen sind, jedoch ist soviel gewiß, daß sie keinen Menschen getroffen und daß überhaupt bei den gestrigen Vorfällen kein Menschenleben verloren ging. Einige Constabler sollen, von Steinwürfen und Schlägen hart getroffen, ohnmächtig fortgetragen worden sein. Noch länger als eine Stunde blieb ein Haufen Neugieriger vor dem demolirten Hotel, und unter den Linden war es an der politischen Ecke von Mitgliedern des souveränen Clubs sehr lebhaft. Gegen Mitternacht endlich reinigte ein sanfter Regen und einige Bataillone Bürgerwehr die Linden und die angränzenden Straßen. —

Die Minister erschienen heute erst zwei Stunden nach Eröffnung der Sitzung der Vereinbarer-Versammlung in derselben. Sie hatten heute Morgen eine mehrstündige Sitzung in Folge der gestrigen Ereignisse und beriethen ein neues Gesetz, welches dergleichen Fällen vorbeugen soll. Die Annahme eines solchen Gesetzes ist sehr zu bezweifeln, umsomehr, da heute Abstimmungen stattfanden, in welchen die Majorität gegen den Willen des Ministeriums die Amendements zum §. 1. des Gesetzentwurfs annahm und das Amendement Otto nur dadurch mit einer kleinen Majorität verworfen wurde, weil einige Mitglieder fehlten. Bei der nächsten namentlichen Abstimmung hofft man eine Niederlage des Ministeriums. Man spricht, daß das Ministerium eine Art von Martialgesetz beantragen werde, wodurch die Clubs und die Plakate unter polizeiliche Aufsicht gestellt werden sollen. —

Die Aufregung hat sich heute nur in der ganzen Stadt vermehrt und man befürchtet für heute Abend neue Unruhen. Es bilden sich schon jetzt nach 7 Uhr Atroupements unter den Linden. Der demokratische Club und der Commandant der Bürgerwehr haben neue Bekanntmachungen erlassen.

103 Berlin, 22. August.

Sitzung der Vereinbarerversammlung. Tagesordnung: Berathung des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit. Da die Minister sämmtlich Anfangs der Sitzung nicht anwesend sind, so werden die beantragten dringenden Interpellationen und Anträge bis nach Berathung des Gesetzentwurfs verschoben. Abgeordneter Waldeck verliest hierauf den Bericht der Central-Abtheilung.

Abgeordneter Otto (von Liegnitz): Die sofortige Erlassung dieses Gesetzes ist durchaus nothwendig. Wir können aber dieselbe nicht bis zur vollständigen Organisation des ganzen Gerichtswesens anstehen lassen, denn wir befinden uns in einem vollständigen lügenhaften Zustand. Das frühere absolutistische System ist noch nicht aufgegeben. So lange ein solcher Zustand dauert, können wir keine Ruhe und Ordnung herbeiführen. Seit fünf Monaten existirt Preßfreiheit, trotzdem werden noch alle freien Aeußerungen, welche das Volk im Bewußtsein seiner errungenen Freiheit hören läßt, nach den Gesetzen des gestürzten Polizeisystems beurtheilt. Diesem lügenhaften Zustand muß ein Ende gemacht werden. Die persönliche Freiheit muß gewährleistet werden, zumal weder das Ministerium des Uebergangs noch das der That mit der Vorlegung einer Habeas-Corpus-Acte die Initiative ergriffen hat.

Abg. Zweifel hatte den Antrag gestellt: dies Gesetz nicht im Bezirke des Appellationsgerichts zu Köln zur Anwendung zu bringen, nimmt diesen Antrag aber jetzt zurück, da das Gesetz mehrere, der rheinischen Gesetzgebung entlehnte Zusätze erhalten habe.

Die allgemeine Debatte wird geschlossen und vor der Diskussion der einzelnen Paragraphen wird die Vorfrage: „ob überhaupt ein solches Gesetz vor der Verfassung und vor der Organisation zu erlassen sei?“ mit großer Majorität angenommen.

Zu dem § 1 werden mehrere Amendements eingebracht.

Abg. Parrisius spricht gegen die Fassung der Kommission. Der Grundsatz, von welchem das Gesetz ausgehe, müsse an die Spitze gestellt werden. Der § 1 beginne sofort mit einer Ausnahme. Die Ansicht der Centralabtheilung, daß das Aussprechen des Grundsatzes: „die persönliche Freiheit ist gewährleistet,“ in die Verfassung gehöre, sei richtig, aber dadurch ist derselbe aus diesem Gesetze noch nicht ausgeschlossen.

Abg. Knauth stellt den Zusatz: „Jeder Angeschuldigte soll gegen Stellung einer vom Gericht zu bestimmenden Caution oder Bürgschaft der Haft entlassen werden, sofern nicht dringende Anzeigen eines schweren peinlichen Verbrechens gegen denselben vorliegen.“

Minister d. Innern: Ich erlaube mir, die Stellung des Ministeriums zu dem vorliegenden Gesetze auseinanderzusetzen. Als der Abgeordnete Waldeck den Antrag machte, vier Paragraphen des Verfassungs-Entwurfs sofort als eine Habeas-Corpus-Acte zum Gesetz zu erheben, konnte sich die Regierung nur gegen einen solchen Antrag erklären. Die Regierung erkannte nicht, daß die Erlassung einer Habeas-Corpus-Acte nothwendig sei, und daß die Polizei und die Justiz da seien, um die Freiheit zu schützen und nicht um sie dem Staatsbürger zu rauben. — Die Regierung begrüßt die Arbeit, wie sie aus der Centralabtheilung hervorgegangen, als eine vollständige, der sie ihre völlige Zustimmung giebt und wird für deren ungeänderte Annahme stimmen.

Abg. Harossewitz spricht gegen die Fassung des Kommissions Entwurfs. Man mache den Richter durch dasselbe zu einem Polizei-Beamten, denn nicht von dem Namen, sondern von den Befugnissen und Pflichten, hängt der offizielle Charakter ab. Der § 2 vernichte die schönen Hoffnungen wieder, welche § 1 errege. Wolle man es dem alleinigen Ermessen der Polizei überlassen, wann eine Verhaftung vorzunehmen sei, so möge man dies offen aussprechen, aber nicht durch falsche Vorspiegelungen ungegründete Hoffnungen erregen. Stellt demgemäß Amendements.

Nachdem noch mehrere Redner gesprochen haben, kommt man zur Abstimmung über § 1. Alle Amendements werden verworfen und nur das Amendement Parrisius angenommen. Demnach werden dem § 1 die Worte: „die persönliche Freiheit ist gewährleistet“, vorgesetzt und im ersten Satz desselben noch hinzugefügt, daß im Verhaftsbefehl auch die Bezeichnung der Person des Beschuldigten enthalten sein müsse.

Der § 1 lautet demnach, nach der Annahme der andern Sätze des Kommissions-Entwurfs, folgendermaßen:

„Die persönliche Freiheit ist gewährleistet. Außer dem Falle der Ergreifung auf frischer That, darf eine Verhaftung nur kraft eines schriftlichen, die Beschuldigung und den Beschuldigten bezeichnenden richterlichen Befehls bewirkt werden. Dieser Befehl muß entweder bei der Verhaftung, oder spätestens innerhalb 24 Stunden dem Beschuldigten zugestellt werden. Bei jeder Verhaftung ist in gleicher Frist das Erforderliche zu veranlassen, um den Verhafteten dem zuständigen Richter vorzuführen.“

Nach der Debatte über den § 1 ergreift der Minister-Präsident das Wort, um der Versammlung mitzutheilen, daß, in Folge der gestrigen und vorgestrigen Ereignisse, welche die Ruhe und Ordnung gestört und die Sicherheit der Personen und des Eigenthums gefährdet haben, das Ministerium ein Gesetz in Vorschlag bringe, welches wo möglich noch heute dem Präsidenten zugesandt werden solle. Er bitte um dessen Priorität bei der nächsten Berathung. Ueber die Excesse selbst werde der Minister des Innern Mittheilung machen.

Minister des Innern: Ich soll Ihnen ein Bild geben von den letzten bedauernswerthen Ereignissen. Ich will es versuchen, obschon ich theils selbst keine zuverlässigen Nachrichten besitze (!!) und theils durch persönliche Aufregung nicht befähigt bin. Es haben vorgestern bei der Gründung eines demokratischen Vereins in Charlottenburg Attroupements stattgefunden. Man hat einige Leute schändlich behandelt. Mir wurde erst Abends 7 Uhr Mittheilung von den Vorfällen in Charlottenburg und ich beeilte mich sogleich einen Kommissarius hinzusenden.

Durch die Untersuchung hat sich bestätigt, daß mehrere Männer schmählich mißhandelt worden sind, und in Folge dessen sind auch schon 16 Verhaftsbefehle in Charlottenburg erlassen worden und die Untersuchung wird ihren ferneren Lauf behalten.

Die gestrigen Ereignisse knüpfen sich vielleicht an die Vorfälle in Charlottenburg. Man hat schon Vormittags Excesse vor dem Hotel des Ministers des Handels und der Arbeiten begangen, und die Nachricht wurde mir hinterbracht, daß man schon Nachmittags in einem bekannten Hause die Wiederhohlung dieser Excesse für den Abend festsetzte. Es wurden alle Maßregeln vor dem Hotel des Handelsministeriums getroffen. Unterdessen erschien eine Bekanntmachung des demokratischen Klubs, aus welcher ich Ihnen nur die letzten Sätze verlesen will, wonach Sie die Art und Weise beurtheilen können wie das Volk aufgeregt wurde. (Er verliest zwei Sätze der Bekanntmachung, worin es heißt, daß es nicht genug sei, untergeordnete Frevler zu bestrafen, daß man vielmehr die Unfähigen oder Böswilligen, welche an der Spitze stehen, entfernen müsse.) Gegen Abend fanden Attroupements vor dem Opernhause statt. Von der Treppe des Opernhauses sind aufregende Reden gehalten worden. Man zog zuerst vor mein Haus und erstürmte die Thür, drang in mein Schlafzimmer, und als man mich nicht fand, beschloß man zum Justizminister zu ziehen. Man fand denselben vor dem Hotel des Ministerpräsidenten und verlangte von ihm die Freilassung aller politischen Gefangenen. Der Justizminister erklärte der Deputation, die ihn darum anging, daß dies nicht gehe. Man sprach hierauf von Abdankung, und als der Ministerpräsident frug, wer denn die Abdankung verlange, antwortete die Deputation: Das Volk auf der Straße verlangt die Abdankung. Das Hotel des Ministerpräsidenten wurde hierauf mit Steinen beworfen, die Fenster eingeschlagen und große Steine flogen in die Salons, wo die Gesandten fremder Mächte und die Vertreter der Nation sich hinter die Pfeiler zurückziehen mußten, um sich vor dem Steinregen zu schützen. Selbst dem Justizminister fiel ein Stein auf den Fuß. Die Schutzmannschaften waren nicht vermögend die Excesse zu verhindern. Die Bürgerwehr erschien erst nach langer Zeit. — Ein Staatsbürger muß für seine Person und sein Eigenthum gesichert sein, sei er Demokrat oder Minister, die Regierung wird Ihnen deshalb die geeigneten Vorschläge machen.

Man schreitet hierauf zur Berathung des §. 2. des Gesetzentwurfs.

Abg. Walter beantragt, daß die Versammlung beschließe: statt des zu unbestimmten Ausdrucks des Entwurfs, „durch die öffentliche Stimme,“ zu setzen: „durch den lauten Ruf des Volkes,“ welcher Ausdruck dem des französischen Urtextes: „par la clameur publique,“ mehr entspricht. Auch

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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung.</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No 85 Köln, Freitag 25. August 1848.</docDate>
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        <head>Deutschland.</head>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 24. August.</head>
          <p>Der Redakteur en chef der Neuen Rheinischen Zeitung, Karl <hi rendition="#g">Marx</hi>, ist gestern auf einige Tage nach <hi rendition="#g">Wien</hi> abgereist.</p>
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          <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Frankfurt, 22. Aug.</head>
          <p>64. Sitzung der Nat.-Versammlung. &#x2014; Beginn der Sitzung halb 10 Uhr. &#x2014;                         Präsident v. Gagern.</p>
          <p>Tagesordnung: Fortsetzung der gestrigen Debatte des Art III der Grundrechte.                         Verlesung des Protokoll von gestern. Die Bänke sind wie gewöhnlich bis halb                         11 Uhr leer. Dr. Kalkberg tritt aus der Versammlung. Flottenbeiträge werden                         verlesen, das letzte Verzeichniß dieser Beiträge ergiebt 13,847 Fl. Die                         Totalsumme 41,195 Fl.</p>
          <p>Eisenmann erläutert seine gestrige Interpellation von wegen der deutschen                         Farben und Oestreichs politischer Stellung; und macht dazu einige geniale                         Anmerkungen. Zur Zeit als Latour, der schwarzgelbe, im Kabinet, waren darin                         noch so viel rothe Elemente, daß diese Mixtur noch ein leidliches                         schwarz-roth-gold abgab. (Man ist so gütig zu lachen.) Wir würden, sagen die                         Oestreicher, gern die deutschen Farben aufstecken, wenn wir uns vor den                         Slaven nicht fürchteten. Seine Rede schließt er patriotisch: &#x201E;Wir wollen vor                         den äußersten Mitteln nicht zurückbeben, wenn es die Einheit Deutschlands                         gilt. (Bravo.) Hinter unsern Ministern steht die Nationalversammlung, hinter                         dieser das deutsche Volk.&#x201C; (Bravo der Patrioten.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Schmerling</hi> (Minister): Die Rede, der er unbedingten                         Beifall zollt, ist gar keine Interpellation. (Eisenmann ärgert sich.) Wenn                         darin die Frage liegen soll, ob das Ministerium die Interessen der deutschen                         Politik wahren wolle, so beantwortet er sie mit offenem &#x201E;ja.&#x201C; (Bravo.)</p>
          <p>Eisenmann beruhigt sich nicht, sondern gebährdet sich sehr unwillig Gagern                         bringt ihn zur Ruhe.</p>
          <p><hi rendition="#g">Tagesordnung</hi>.</p>
          <p><hi rendition="#g">v. Beisler</hi> (Münchener Minister) stellt anstatt des §                         14 den Antrag:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;die Angelegenheiten der christlichen Kirche Deutschlands,                         namentlich ihrer Beziehung zum Staate, sollen durch eine Reichssynode                         geordnet werden.&#x201C;</p>
          <p>Unsre weltlichen Fürsten haben der Volksgewalt viel nachgeben müssen,                         verlangen wir dasselbe von den geistlichen Fürsten. (Anhaltendes Bravo;                         dürftiges Zischen der Ultramontanen.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Zittel,</hi> Pfarrer aus Baden: Ich will, wie der vorige                         Redner, den Sturz der Hierarchie. Ich halte den Satz des Art. 3 nur für eine                         Floskel, denn Glaubens- und Gewissensfreiheit hat jeder Mensch von Anno                         I.</p>
          <p>Organisation des religiösen Gemeinwesens ist die Hauptaufgabe unserer Zeit.                         Hier (in der Paulskirche) ist der Boden, wo die Kirchen sich endlich                         begegnen, sich endlich die Hand reichen sollen. Geben sie vollständige                         Religionsfreiheit. (Langer Beifall von allen Seiten.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Vogt</hi>: Ich spreche für dasselbe Prinzip wie der vorige                         Redner; wenn auch von ganz anderm Standpunkt aus. (Gelächter und Bravo.) Sie                         wissen es, ich bin ganz und gar ein Parteimann. (Bravo) Die heutige Frage                         anlangend, stehe ich aber erhaben über alle Parteien, vollkommen neutral, so                         neutral, daß ich fast gar keinen Standpunkt habe. (Gelächter und Bravo.)                         Doch auch in dieser Frage wird unsere Partei einig bleiben. Der Staat und                         die Kirche, hat man hier gesagt, haben sich sehr geliebt. Ja, etwa so wie                         Haifisch und Häring. (Gelächter und Bravo.) Ich bin für Trennung der Kirche                         vom Staat. Aber nur unter der Bedingung, daß, was man so Kirche nennt, ganz                         aufhört. Mag es zurückkehren in den Himmel, wohin es gehört. (Schauder der                         Ultramontanen. Bravo links und Gallerien.) Die Kirche ist ein Hemmschuh der                         Civilisation Ich will gar keine Kirche. (Schrecken.) Man sagt, die Kirche                         sei ein Institut der Sittlichkeit. Ich behaupte, es ist eine Zwangsanstalt,                         weil sie die Vergehen der Menschen mit Strafen bedroht, mit Fegefeuer u. s.                         w. (Gelächter.) Die Sittlichkeit muß frei sein. Es gibt noch Kirchen, die                         einen Pfarrer exkommuniziren möchten, wenn er eine weiße Hose trägt.                         (Gelächter.) Man hat gesagt, die Kirche sei demokratisch. Ich freue mich ein                         neues Element der Demokratie kennen zu lernen. Aber wenn sie wirklich                         demokratisch, so müßte sie aufhören, Kirche zu sein. Sie will die Freiheit                         nicht in ihrer Vollkommenheit, nur als Mittel für sich, zum Zweck der                         Unterdrückung Anderer will sie dieselbe. Wir wissen es, es naht der Kampf                         mit dem religiösen Fanatismus. Man hat gesagt, das Volk kann die Hierarchen                         verjagen, wenn es nur will. Aber, meine Herren, die Hierarchen kämpfen unter                         den Fahnen der Dummheit, und sie wissen, mit der Dummheit kämpfen selbst                         Götter vergebens. (Bravo.) Dennoch, wir fürchten diesen Feind nicht. Wir                         werden ihm entgegentreten mit dem blanken Stahl. Nur in der unbeschränkten                         Freiheit finde ich ein Gegengift gegen den Ultramontanismus. Wie der <hi rendition="#g">Glauben</hi> frei ist, muß der <hi rendition="#g">Unglauben</hi> frei sein, das müssen sie dekretiren. Wir wollen den                         Polizeistaat nicht nur <hi rendition="#g">politisch</hi>, sondern auch <hi rendition="#g">religiös</hi> vernichten. Ihnen, meine Herren, (nach                         rechts) lasse ich gern das Verdienst der Vergangenheit, ihnen, meine Herren,                         (an's Centrum) das Verdienst der Gegenwart, das Recht Minister zu machen;                         wir aber (nach links) behalten uns das Verdienst der Zukunft. Deswegen                         werden wir für vollständige Unabhängigkeit der <hi rendition="#g">Schule</hi> von der <hi rendition="#g">Kirche</hi> stimmen; wir sichern                         uns die wachsenden Generationen. (Langes Bravo.) Diese sollen uns nicht                         verdummen, dann mögen Sie kommen mit ihrer Vergangenheit, dann wagen Sie den                         Kampf mit uns, dem Heere der Zukunft. (Langes schallendes Bravo.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Jürgens,</hi> Pfarrer aus Braunschweig. Als Theologe und                         Kirchenhistoriker hat er Anträge gestellt von etwa 3 Seiten Umfang. Er                         erklärt sich gegen die Ausschußanträge.</p>
          <p>Der Probst <hi rendition="#g">Döllinger</hi> aus Baiern (Ultramontaner)                         bekämpft Hrn. Vogt und vorzüglich Hrn. v. Beisler. Mit Hrn. Vogt wird er                         kurz fertig werden, denn contra principia negantem non disputandum. Die                         Freiheit des Unglaubens bis zur äußersten Konsequenz zu treiben, ist mir                         unmöglich. Hr. Vogt hat uns einen Kampf auf Leben und Tod angekündigt. Wie                         nehmen ihn an, da er ja noch fern sein soll. Siegt Hr. Vogt und seine                         Partei, so müssen wir u. ein Theil des deutschen Volks auswandern. (Links,                         nein, nur die Ultramontanen&#x2025;) Der Redner wendet sich dann gegen Hrn. v.                         Beisler. Unter vielem Hin- und Herreden kommt er auch auf den Einfluß der                         Geistlichkeit bei den Wahlen zur Nationalversammlung zu sprechen Man hätte                         den Geistlichen unerlaubten Einfluß Schuld gegeben. (Links, ja Eisenmann,                         jawohl!) Redner: Hr. Eisenmann wird dies beweisen (Eisenmann: Ja gewiß.) Der                         Redner fährt fort: Und wenn es wahr ist, will man aus diesem Grund gegen die                         Unabhängigkeit der Kirche stimmen? Daß die hier angeregten Synoden noch                         nicht zu Stande gekommen sind, ist nicht unsere Schuld, sondern die des                         Polizeistaats.</p>
          <p>Minister v. <hi rendition="#g">Beckerath</hi> deklamirt sehr unverständlich                         unter öfterem Rufe, &#x201E;laut! laut!&#x201C; gegen Hrn. Vogt. Er schmeichelt sich,                         einer der freisinnigsten religiösen Genossenschaften anzugehören. Aus der                         Luft der eisigen Verstandesabstraktion steige ich hinein in meine                         Gefühlsluft. (Schallendes Bravo aller Gefühlsmenschen.) Er tritt den                         Ausschußvorschlägen bei, und schwatzt dann noch eine lange Zeit fort.</p>
          <p>Bischof <hi rendition="#g">Geritz</hi> aus Frauenburg in Preußen spricht ganz                         unverständlich. Die Versammlung schaart sich andächtig um die Tribüne und                         hört diesem alten Herrn bis zu Ende zu.</p>
          <p>Nach <hi rendition="#g">Böcler</hi> (aus Meklenburg), der sich für die                         Unabhängigkeit der Kirche ausspricht und dabei schrecklich gestikulirt,                         verlangt die ermüdete Versammlung (um 2 Uhr) Vertagung der Debatte.</p>
          <p><hi rendition="#g">Gagern</hi>: Es sind noch viele Redner eingeschrieben. Ich                         bitte Sie, lassen Sie die Diskussion fortgehen, und hören Sie heute                         wenigstens noch zwei Redner. Man hört.</p>
          <p><hi rendition="#g">Paur</hi> aus Augsburg: Als einziger protestantischer                         Aabgeordneter aus Baiern habe ich mich damals gefreut, als Hr. Döllinger (s.                         oben) mit der ganzen Gewalt seiner Dialektik des Ministers Abel Grundsätze                         vertheidigte (links, hört, hört!, dieselben offen angegriffen zu haben.                         (Bravos.) Die Ausschußvorschläge scheinen mir mit wenig Abänderungen das                         rechte Maaß der Freiheit zu geben. Gänzliche Freiheit des Glaubens und                         Unglaubens ist nicht rathsam. Selbst in Nordamerika wird, ehe 25 Jahre                         vergehen, wohl auch in die Konstitution ein jus circa sacra aufgenommen                         werden. (Oho! Widerspruch.) Stimmen Sie, ich bitte Sie, zwar für                         Unabhängigkeit der Kirche, aber gegen die Trennung der Kirche vom Staat.                         (Vielseitiger Applaus. Ruf: Vertagung!)</p>
          <p><hi rendition="#g">Präsident</hi> theilt einen Antrag von Reichensperger,                         Jucho, Radowitz etc. mit, &#x201E;die allgemeine Debatte über Artikel III. zu                         schließen.&#x201C;</p>
          <p>Verworfen, dagegen die Vertagung der Debatte um 2 1/2 Uhr beschlossen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Vicepräsident</hi> erstattet Bericht über eine große Menge                         Urlaube.</p>
          <p>Morgen keine Sitzung. Donnerstag Fortsetzung der Kirchendebatte.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar085_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin.</head>
          <p>Die &#x201E;große Aufregung&#x201C; der Berliner über die Charlottenburger Brutalitäten hat                         in der gewohnten Art aller Berliner &#x201E;Aufregung&#x201C; geendet. Unsere Leser mögen                         sich aus folgenden Nachrichten überzeugen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar085_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 22. August.</head>
          <p>Gestern Abend gegen 7 Uhr hatte der demokratische Club in Folge der                         Charlottenburger Ereignisse eine Ansprache an die &#x201E;Berliner Mitbürger&#x201C;                         erlassen, welche in der Bevölkerung Berlins eine allgemeine Aufregung                         hervorbrachte.</p>
          <p>Vor dem Opernhause versammelten sich viele Tausend Menschen, und nach 8 Uhr                         betraten viele bekannte Volksredner die Freitreppe des Opernhauses um zu der                         Versammlung zu sprechen. Die Charlottenburger Ereignisse wurden nur als ein                         Glied der großen Kette angesehen, welche die Reaktion durch das ganze Land                         hindurchgezogen, wovon neuerdings die Vorfälle in Schweidnitz wieder die                         besten Beispiele gewähren. Einer der Redner beantragte die Abdankung des                         Ministeriums, das er ein Krämerministerium nannte, welcher Antrag allgemeine                         Beistimmung fand. &#x2014; Ungefähr um 8 3/4 Uhr beschloß die Versammlung zuerst                         zum Minister <hi rendition="#g">Kühlwetter</hi> zu ziehen, um ihm durch eine                         Deputation Verantwortung abzuverlangen, daß er sein Abends vorher gegebenes                         Versprechen, eine sofortige <hi rendition="#g">strenge</hi> Untersuchung zu                         veranlassen, nicht gehalten habe. Die ganze Versammlung begab sich nach dem                         unter den Linden gelegenen Hotel des Ministers des Innern. Das Thor war                         verschlossen und da die im Hotel Anwesenden die Oeffnung verweigerten, weil                         der Minister nicht zu Hause sei, wurde das Thor durch die Andringenden                         aufgedrückt, ohne daß Gewaltmaßregeln angewendet wurden. (Dies ist, was man                         in Berlin &#x201E;Stürmen&#x201C; nennt.) Da die Deputation, die sich ins Hotel begab, den                         Minister nicht auffand, schlug man vor, zum Justizminister Märker zu ziehen,                         um von ihm eine Amnestie aller politischen Angeklagten zu verlangen. Dies                         wurde mit Beifall aufgenommen. Die Volksmenge, die sich vielleicht auf                         10,000 Köpfe vergrößert hatte, zog nach der nahen Wilhelmsstraße, wo man,                         dem Justizministerium gegenüber, das Hotel des Ministerpräsidenten glänzend                         erleuchtet fand. Eine große Soiree fand daselbst statt; alle Minister waren                         da zusammen und viele Abgeordnete der Rechten als Gäste anwesend. Die                         Deputation begab sich ins Hotel und verlangte nach dem Justizminister                         Märker. Jedoch kamen beinah alle Minister, und als die Deputation mit ihren                         Forderungen hervortrat und nur ungenügende Zusicherungen erhielt, da man                         zwar die Erlassung einer Amnestie in Aussicht stellte, aber die in Folge der                         Zeughausexcesse Angeklagten und Verurtheilten davon ausnehmen wollte, brach                         der Deputation die Geduld und man sagte den Ministern, daß sie unfähig wären                         das Land zu regieren und am besten thun würden, sofort abzudanken. (Der Ruf                         &#x201E;Abdanken!&#x201C; &#x201E;Die Minister müssen abdanken!&#x201C; erscholl von Zeit zu Zeit aus                         dem Volke.) Der Ministerpräsident erwiederte sehr gedrückt, daß dies doch                         nur die Meinung der Minorität sei, das Land werde durch die                         Vereinbarer-Versammlung vertreten, und deren Willen allein hätten sie sich                         zu unterwerfen. &#x2014; Einige Redner deducirten von philosophischem Standpunkt,                         daß die Minorität immer die Revolutionen gemacht und erst dann zur Majorität                         geworden wäre; man setzte den Ministern weitschweifig auseinander, wie                         nothwendig ihre Abdankung sei. &#x2014;</p>
          <p>Währenddem das Volk ruhig die Rückkehr seiner Deputation abwartete, kam auf                         einmal ein Trupp Constabler von ungefähr 40-50 Mann mit blanker Waffe, und                         begann sogleich einzuhauen, um den Platz zu säubern. Die Arbeiter, besonders                         die anwesenden Maschinenbauer geriethen dadurch in Wuth und warfen mit                         Steinen auf die Constabler, die diesem Angriff nicht widerstehen konnten und                         sich in das Ministerhotel flüchteten. Die Minister sahen die eingedrungenen                         Constabler für bewaffnetes Volk an und entflohen, indem sie die Deputation                         stehen ließen. Diese begab sich zur vorderen Thür zum Volke zurück, während                         die Minister, die eingeladenen Abgeordneten und die tapfern Constabler aus                         der Hinterthür durch den Garten flüchteten. Das Volk aber, welches die                         Steine einmal zum eigenen Schutz aufgerissen hatte, brauchte dieselbe nun,                         um damit alle Fenster des Hotel des Ministerpräsidenten zu zerstören. Um                         etwas zum Schutz gegen unvermuthete Angriffe in den Händen zu haben, rissen                         die Arbeiter die eisernen Gitter und eisernen Laternen-Pfähle vor den zwei                         Ministerhotels, und die eisernen Stangen unter den Linden aus den Steinen                         heraus. Aber diese Vorsicht war unnöthig. Die Constabler fürchteten die                         aufgeregte Menge und ließen sich nicht sehen, die Bürgerwehr hingegen                         schritt nicht ein, da ihre Befehlshaber sämmtlich zu einem dem Commandanten                         Rimpler gegebenen Feste im Krollschen Garten versammelt waren. &#x2014; Zwei                         Schüsse fielen gleich Anfangs in dem Augenblick, als die Demolirung der                         Fenster begann. Es ist unentschieden, von welcher Seite diese Schüsse                         gefallen sind, jedoch ist soviel gewiß, daß sie keinen Menschen getroffen                         und daß überhaupt bei den gestrigen Vorfällen kein Menschenleben verloren                         ging. Einige Constabler sollen, von Steinwürfen und Schlägen hart getroffen,                         ohnmächtig fortgetragen worden sein. Noch länger als eine Stunde blieb ein                         Haufen Neugieriger vor dem demolirten Hotel, und unter den Linden war es an                         der politischen Ecke von Mitgliedern des souveränen Clubs sehr lebhaft.                         Gegen Mitternacht endlich reinigte ein sanfter Regen und einige Bataillone                         Bürgerwehr die Linden und die angränzenden Straßen. &#x2014;</p>
          <p>Die Minister erschienen heute erst zwei Stunden nach Eröffnung der Sitzung                         der Vereinbarer-Versammlung in derselben. Sie hatten heute Morgen eine                         mehrstündige Sitzung in Folge der gestrigen Ereignisse und beriethen ein                         neues Gesetz, welches dergleichen Fällen vorbeugen soll. Die Annahme eines                         solchen Gesetzes ist sehr zu bezweifeln, umsomehr, da heute Abstimmungen                         stattfanden, in welchen die Majorität gegen den Willen des Ministeriums die                         Amendements zum §. 1. des Gesetzentwurfs annahm und das Amendement Otto nur                         dadurch mit einer kleinen Majorität verworfen wurde, weil einige Mitglieder                         fehlten. Bei der nächsten namentlichen Abstimmung hofft man eine Niederlage                         des Ministeriums. Man spricht, daß das Ministerium eine Art von                         Martialgesetz beantragen werde, wodurch die Clubs und die Plakate unter                         polizeiliche Aufsicht gestellt werden sollen. &#x2014;</p>
          <p>Die Aufregung hat sich heute nur in der ganzen Stadt vermehrt und man                         befürchtet für heute Abend neue Unruhen. Es bilden sich schon jetzt nach 7                         Uhr Atroupements unter den Linden. Der demokratische Club und der Commandant                         der Bürgerwehr haben neue Bekanntmachungen erlassen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar085_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 22. August.</head>
          <p>Sitzung der Vereinbarerversammlung. Tagesordnung: Berathung des Entwurfs                         eines Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit. Da die Minister                         sämmtlich Anfangs der Sitzung nicht anwesend sind, so werden die beantragten <hi rendition="#g">dringenden</hi> Interpellationen und Anträge bis nach                         Berathung des Gesetzentwurfs verschoben. Abgeordneter <hi rendition="#g">Waldeck</hi> verliest hierauf den Bericht der Central-Abtheilung.</p>
          <p>Abgeordneter <hi rendition="#g">Otto</hi> (von Liegnitz): Die sofortige                         Erlassung dieses Gesetzes ist durchaus nothwendig. Wir können aber dieselbe                         nicht bis zur vollständigen Organisation des ganzen Gerichtswesens anstehen                         lassen, denn wir befinden uns in einem vollständigen lügenhaften Zustand.                         Das frühere absolutistische System ist noch nicht aufgegeben. So lange ein                         solcher Zustand dauert, können wir keine Ruhe und Ordnung herbeiführen. Seit                         fünf Monaten existirt Preßfreiheit, trotzdem werden noch alle freien                         Aeußerungen, welche das Volk im Bewußtsein seiner errungenen Freiheit hören                         läßt, nach den Gesetzen des gestürzten Polizeisystems beurtheilt. Diesem                         lügenhaften Zustand muß ein Ende gemacht werden. Die persönliche Freiheit                         muß gewährleistet werden, zumal weder das Ministerium des Uebergangs noch                         das der That mit der Vorlegung einer Habeas-Corpus-Acte die Initiative                         ergriffen hat.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Zweifel</hi> hatte den Antrag gestellt: dies Gesetz                         nicht im Bezirke des Appellationsgerichts zu Köln zur Anwendung zu bringen,                         nimmt diesen Antrag aber jetzt zurück, da das Gesetz mehrere, der                         rheinischen Gesetzgebung entlehnte Zusätze erhalten habe.</p>
          <p>Die allgemeine Debatte wird geschlossen und vor der Diskussion der einzelnen                         Paragraphen wird die Vorfrage: &#x201E;ob überhaupt ein solches Gesetz <hi rendition="#g">vor</hi> der Verfassung und vor der Organisation zu                         erlassen sei?&#x201C; mit großer Majorität angenommen.</p>
          <p>Zu dem § 1 werden mehrere Amendements eingebracht.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Parrisius</hi> spricht gegen die Fassung der                         Kommission. Der Grundsatz, von welchem das Gesetz ausgehe, müsse an die                         Spitze gestellt werden. Der § 1 beginne sofort mit einer Ausnahme. Die                         Ansicht der Centralabtheilung, daß das Aussprechen des Grundsatzes: &#x201E;die                         persönliche Freiheit ist gewährleistet,&#x201C; in die Verfassung gehöre, sei                         richtig, aber dadurch ist derselbe aus diesem Gesetze noch nicht                         ausgeschlossen.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Knauth</hi> stellt den Zusatz: &#x201E;Jeder Angeschuldigte                         soll gegen Stellung einer vom Gericht zu bestimmenden Caution oder                         Bürgschaft der Haft entlassen werden, sofern nicht dringende Anzeigen eines                         schweren peinlichen Verbrechens gegen denselben vorliegen.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Minister d. Innern</hi>: Ich erlaube mir, die Stellung des                         Ministeriums zu dem vorliegenden Gesetze auseinanderzusetzen. Als der                         Abgeordnete Waldeck den Antrag machte, vier Paragraphen des                         Verfassungs-Entwurfs sofort als eine Habeas-Corpus-Acte zum Gesetz zu                         erheben, konnte sich die Regierung nur gegen einen solchen Antrag erklären.                         Die Regierung erkannte nicht, daß die Erlassung einer Habeas-Corpus-Acte                         nothwendig sei, und daß die Polizei und die Justiz da seien, um die Freiheit                         zu schützen und nicht um sie dem Staatsbürger zu rauben. &#x2014; Die Regierung                         begrüßt die Arbeit, wie sie aus der Centralabtheilung hervorgegangen, als                         eine vollständige, der sie ihre völlige Zustimmung giebt und wird für deren                         ungeänderte Annahme stimmen.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Harossewitz</hi> spricht gegen die Fassung des                         Kommissions Entwurfs. Man mache den Richter durch dasselbe zu einem                         Polizei-Beamten, denn nicht von dem Namen, sondern von den Befugnissen und                         Pflichten, hängt der offizielle Charakter ab. Der § 2 vernichte die schönen                         Hoffnungen wieder, welche § 1 errege. Wolle man es dem alleinigen Ermessen                         der Polizei überlassen, wann eine Verhaftung vorzunehmen sei, so möge man                         dies offen aussprechen, aber nicht durch falsche Vorspiegelungen                         ungegründete Hoffnungen erregen. Stellt demgemäß Amendements.</p>
          <p>Nachdem noch mehrere Redner gesprochen haben, kommt man zur Abstimmung über §                         1. Alle Amendements werden verworfen und nur das Amendement Parrisius                         angenommen. Demnach werden dem § 1 die Worte: &#x201E;die persönliche Freiheit ist                         gewährleistet&#x201C;, vorgesetzt und im ersten Satz desselben noch hinzugefügt,                         daß im Verhaftsbefehl auch die Bezeichnung der Person des Beschuldigten                         enthalten sein müsse.</p>
          <p>Der § 1 lautet demnach, nach der Annahme der andern Sätze des                         Kommissions-Entwurfs, folgendermaßen:</p>
          <p>&#x201E;Die persönliche Freiheit ist gewährleistet. Außer dem Falle der Ergreifung                         auf frischer That, darf eine Verhaftung nur kraft eines schriftlichen, die                         Beschuldigung und den Beschuldigten bezeichnenden richterlichen Befehls                         bewirkt werden. Dieser Befehl muß entweder bei der Verhaftung, oder                         spätestens innerhalb 24 Stunden dem Beschuldigten zugestellt werden. Bei                         jeder Verhaftung ist in gleicher Frist das Erforderliche zu veranlassen, um                         den Verhafteten dem zuständigen Richter vorzuführen.&#x201C;</p>
          <p>Nach der Debatte über den § 1 ergreift der <hi rendition="#g">Minister-Präsident</hi> das Wort, um der Versammlung mitzutheilen, daß,                         in Folge der gestrigen und vorgestrigen Ereignisse, welche die Ruhe und                         Ordnung gestört und die Sicherheit der Personen und des Eigenthums gefährdet                         haben, das Ministerium ein Gesetz in Vorschlag bringe, welches wo möglich                         noch heute dem Präsidenten zugesandt werden solle. Er bitte um dessen                         Priorität bei der nächsten Berathung. Ueber die Excesse selbst werde der                         Minister des Innern Mittheilung machen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Minister des Innern</hi>: Ich soll Ihnen ein Bild geben                         von den letzten bedauernswerthen Ereignissen. Ich will es versuchen, obschon                         ich theils selbst keine zuverlässigen Nachrichten besitze (!!) und theils                         durch persönliche Aufregung nicht befähigt bin. Es haben vorgestern bei der                         Gründung eines demokratischen Vereins in Charlottenburg Attroupements                         stattgefunden. Man hat einige Leute schändlich behandelt. Mir wurde erst                         Abends 7 Uhr Mittheilung von den Vorfällen in Charlottenburg und ich beeilte                         mich sogleich einen Kommissarius hinzusenden.</p>
          <p>Durch die Untersuchung hat sich bestätigt, daß mehrere Männer schmählich                         mißhandelt worden sind, und in Folge dessen sind auch schon 16                         Verhaftsbefehle in Charlottenburg erlassen worden und die Untersuchung wird                         ihren ferneren Lauf behalten.</p>
          <p>Die gestrigen Ereignisse knüpfen sich vielleicht an die Vorfälle in                         Charlottenburg. Man hat schon Vormittags Excesse vor dem Hotel des Ministers                         des Handels und der Arbeiten begangen, und die Nachricht wurde mir                         hinterbracht, daß man schon Nachmittags in einem bekannten Hause die                         Wiederhohlung dieser Excesse für den Abend festsetzte. Es wurden alle                         Maßregeln vor dem Hotel des Handelsministeriums getroffen. Unterdessen                         erschien eine Bekanntmachung des demokratischen Klubs, aus welcher ich Ihnen                         nur die letzten Sätze verlesen will, wonach Sie die Art und Weise                         beurtheilen können wie das Volk aufgeregt wurde. (Er verliest zwei Sätze der                         Bekanntmachung, worin es heißt, daß es nicht genug sei, untergeordnete                         Frevler zu bestrafen, daß man vielmehr die Unfähigen oder Böswilligen,                         welche an der Spitze stehen, entfernen müsse.) Gegen Abend fanden                         Attroupements vor dem Opernhause statt. Von der Treppe des Opernhauses sind                         aufregende Reden gehalten worden. Man zog zuerst vor mein Haus und erstürmte                         die Thür, drang in mein Schlafzimmer, und als man mich nicht fand, beschloß                         man zum Justizminister zu ziehen. Man fand denselben vor dem Hotel des                         Ministerpräsidenten und verlangte von ihm die Freilassung aller politischen                         Gefangenen. Der Justizminister erklärte der Deputation, die ihn darum                         anging, daß dies nicht gehe. Man sprach hierauf von Abdankung, und als der                         Ministerpräsident frug, wer denn die Abdankung verlange, antwortete die                         Deputation: Das Volk auf der Straße verlangt die Abdankung. Das Hotel des                         Ministerpräsidenten wurde hierauf mit Steinen beworfen, die Fenster                         eingeschlagen und große Steine flogen in die Salons, wo die Gesandten                         fremder Mächte und die Vertreter der Nation sich hinter die Pfeiler                         zurückziehen mußten, um sich vor dem Steinregen zu schützen. Selbst dem                         Justizminister fiel ein Stein auf den Fuß. Die Schutzmannschaften waren                         nicht vermögend die Excesse zu verhindern. Die Bürgerwehr erschien erst nach                         langer Zeit. &#x2014; Ein Staatsbürger muß für seine Person und sein Eigenthum                         gesichert sein, sei er Demokrat oder Minister, die Regierung wird Ihnen                         deshalb die geeigneten Vorschläge machen.</p>
          <p>Man schreitet hierauf zur Berathung des §. 2. des Gesetzentwurfs.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Walter</hi> beantragt, daß die Versammlung                         beschließe: statt des zu unbestimmten Ausdrucks des Entwurfs, &#x201E;durch die                         öffentliche Stimme,&#x201C; zu setzen: &#x201E;durch den lauten Ruf des Volkes,&#x201C; welcher                         Ausdruck dem des französischen Urtextes: &#x201E;par la clameur publique,&#x201C; mehr                         entspricht. Auch
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[0433/0001] Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No 85 Köln, Freitag 25. August 1848. Deutschland. * Köln, 24. August. Der Redakteur en chef der Neuen Rheinischen Zeitung, Karl Marx, ist gestern auf einige Tage nach Wien abgereist. !!! Frankfurt, 22. Aug. 64. Sitzung der Nat.-Versammlung. — Beginn der Sitzung halb 10 Uhr. — Präsident v. Gagern. Tagesordnung: Fortsetzung der gestrigen Debatte des Art III der Grundrechte. Verlesung des Protokoll von gestern. Die Bänke sind wie gewöhnlich bis halb 11 Uhr leer. Dr. Kalkberg tritt aus der Versammlung. Flottenbeiträge werden verlesen, das letzte Verzeichniß dieser Beiträge ergiebt 13,847 Fl. Die Totalsumme 41,195 Fl. Eisenmann erläutert seine gestrige Interpellation von wegen der deutschen Farben und Oestreichs politischer Stellung; und macht dazu einige geniale Anmerkungen. Zur Zeit als Latour, der schwarzgelbe, im Kabinet, waren darin noch so viel rothe Elemente, daß diese Mixtur noch ein leidliches schwarz-roth-gold abgab. (Man ist so gütig zu lachen.) Wir würden, sagen die Oestreicher, gern die deutschen Farben aufstecken, wenn wir uns vor den Slaven nicht fürchteten. Seine Rede schließt er patriotisch: „Wir wollen vor den äußersten Mitteln nicht zurückbeben, wenn es die Einheit Deutschlands gilt. (Bravo.) Hinter unsern Ministern steht die Nationalversammlung, hinter dieser das deutsche Volk.“ (Bravo der Patrioten.) Schmerling (Minister): Die Rede, der er unbedingten Beifall zollt, ist gar keine Interpellation. (Eisenmann ärgert sich.) Wenn darin die Frage liegen soll, ob das Ministerium die Interessen der deutschen Politik wahren wolle, so beantwortet er sie mit offenem „ja.“ (Bravo.) Eisenmann beruhigt sich nicht, sondern gebährdet sich sehr unwillig Gagern bringt ihn zur Ruhe. Tagesordnung. v. Beisler (Münchener Minister) stellt anstatt des § 14 den Antrag: „die Angelegenheiten der christlichen Kirche Deutschlands, namentlich ihrer Beziehung zum Staate, sollen durch eine Reichssynode geordnet werden.“ Unsre weltlichen Fürsten haben der Volksgewalt viel nachgeben müssen, verlangen wir dasselbe von den geistlichen Fürsten. (Anhaltendes Bravo; dürftiges Zischen der Ultramontanen.) Zittel, Pfarrer aus Baden: Ich will, wie der vorige Redner, den Sturz der Hierarchie. Ich halte den Satz des Art. 3 nur für eine Floskel, denn Glaubens- und Gewissensfreiheit hat jeder Mensch von Anno I. Organisation des religiösen Gemeinwesens ist die Hauptaufgabe unserer Zeit. Hier (in der Paulskirche) ist der Boden, wo die Kirchen sich endlich begegnen, sich endlich die Hand reichen sollen. Geben sie vollständige Religionsfreiheit. (Langer Beifall von allen Seiten.) Vogt: Ich spreche für dasselbe Prinzip wie der vorige Redner; wenn auch von ganz anderm Standpunkt aus. (Gelächter und Bravo.) Sie wissen es, ich bin ganz und gar ein Parteimann. (Bravo) Die heutige Frage anlangend, stehe ich aber erhaben über alle Parteien, vollkommen neutral, so neutral, daß ich fast gar keinen Standpunkt habe. (Gelächter und Bravo.) Doch auch in dieser Frage wird unsere Partei einig bleiben. Der Staat und die Kirche, hat man hier gesagt, haben sich sehr geliebt. Ja, etwa so wie Haifisch und Häring. (Gelächter und Bravo.) Ich bin für Trennung der Kirche vom Staat. Aber nur unter der Bedingung, daß, was man so Kirche nennt, ganz aufhört. Mag es zurückkehren in den Himmel, wohin es gehört. (Schauder der Ultramontanen. Bravo links und Gallerien.) Die Kirche ist ein Hemmschuh der Civilisation Ich will gar keine Kirche. (Schrecken.) Man sagt, die Kirche sei ein Institut der Sittlichkeit. Ich behaupte, es ist eine Zwangsanstalt, weil sie die Vergehen der Menschen mit Strafen bedroht, mit Fegefeuer u. s. w. (Gelächter.) Die Sittlichkeit muß frei sein. Es gibt noch Kirchen, die einen Pfarrer exkommuniziren möchten, wenn er eine weiße Hose trägt. (Gelächter.) Man hat gesagt, die Kirche sei demokratisch. Ich freue mich ein neues Element der Demokratie kennen zu lernen. Aber wenn sie wirklich demokratisch, so müßte sie aufhören, Kirche zu sein. Sie will die Freiheit nicht in ihrer Vollkommenheit, nur als Mittel für sich, zum Zweck der Unterdrückung Anderer will sie dieselbe. Wir wissen es, es naht der Kampf mit dem religiösen Fanatismus. Man hat gesagt, das Volk kann die Hierarchen verjagen, wenn es nur will. Aber, meine Herren, die Hierarchen kämpfen unter den Fahnen der Dummheit, und sie wissen, mit der Dummheit kämpfen selbst Götter vergebens. (Bravo.) Dennoch, wir fürchten diesen Feind nicht. Wir werden ihm entgegentreten mit dem blanken Stahl. Nur in der unbeschränkten Freiheit finde ich ein Gegengift gegen den Ultramontanismus. Wie der Glauben frei ist, muß der Unglauben frei sein, das müssen sie dekretiren. Wir wollen den Polizeistaat nicht nur politisch, sondern auch religiös vernichten. Ihnen, meine Herren, (nach rechts) lasse ich gern das Verdienst der Vergangenheit, ihnen, meine Herren, (an's Centrum) das Verdienst der Gegenwart, das Recht Minister zu machen; wir aber (nach links) behalten uns das Verdienst der Zukunft. Deswegen werden wir für vollständige Unabhängigkeit der Schule von der Kirche stimmen; wir sichern uns die wachsenden Generationen. (Langes Bravo.) Diese sollen uns nicht verdummen, dann mögen Sie kommen mit ihrer Vergangenheit, dann wagen Sie den Kampf mit uns, dem Heere der Zukunft. (Langes schallendes Bravo.) Jürgens, Pfarrer aus Braunschweig. Als Theologe und Kirchenhistoriker hat er Anträge gestellt von etwa 3 Seiten Umfang. Er erklärt sich gegen die Ausschußanträge. Der Probst Döllinger aus Baiern (Ultramontaner) bekämpft Hrn. Vogt und vorzüglich Hrn. v. Beisler. Mit Hrn. Vogt wird er kurz fertig werden, denn contra principia negantem non disputandum. Die Freiheit des Unglaubens bis zur äußersten Konsequenz zu treiben, ist mir unmöglich. Hr. Vogt hat uns einen Kampf auf Leben und Tod angekündigt. Wie nehmen ihn an, da er ja noch fern sein soll. Siegt Hr. Vogt und seine Partei, so müssen wir u. ein Theil des deutschen Volks auswandern. (Links, nein, nur die Ultramontanen‥) Der Redner wendet sich dann gegen Hrn. v. Beisler. Unter vielem Hin- und Herreden kommt er auch auf den Einfluß der Geistlichkeit bei den Wahlen zur Nationalversammlung zu sprechen Man hätte den Geistlichen unerlaubten Einfluß Schuld gegeben. (Links, ja Eisenmann, jawohl!) Redner: Hr. Eisenmann wird dies beweisen (Eisenmann: Ja gewiß.) Der Redner fährt fort: Und wenn es wahr ist, will man aus diesem Grund gegen die Unabhängigkeit der Kirche stimmen? Daß die hier angeregten Synoden noch nicht zu Stande gekommen sind, ist nicht unsere Schuld, sondern die des Polizeistaats. Minister v. Beckerath deklamirt sehr unverständlich unter öfterem Rufe, „laut! laut!“ gegen Hrn. Vogt. Er schmeichelt sich, einer der freisinnigsten religiösen Genossenschaften anzugehören. Aus der Luft der eisigen Verstandesabstraktion steige ich hinein in meine Gefühlsluft. (Schallendes Bravo aller Gefühlsmenschen.) Er tritt den Ausschußvorschlägen bei, und schwatzt dann noch eine lange Zeit fort. Bischof Geritz aus Frauenburg in Preußen spricht ganz unverständlich. Die Versammlung schaart sich andächtig um die Tribüne und hört diesem alten Herrn bis zu Ende zu. Nach Böcler (aus Meklenburg), der sich für die Unabhängigkeit der Kirche ausspricht und dabei schrecklich gestikulirt, verlangt die ermüdete Versammlung (um 2 Uhr) Vertagung der Debatte. Gagern: Es sind noch viele Redner eingeschrieben. Ich bitte Sie, lassen Sie die Diskussion fortgehen, und hören Sie heute wenigstens noch zwei Redner. Man hört. Paur aus Augsburg: Als einziger protestantischer Aabgeordneter aus Baiern habe ich mich damals gefreut, als Hr. Döllinger (s. oben) mit der ganzen Gewalt seiner Dialektik des Ministers Abel Grundsätze vertheidigte (links, hört, hört!, dieselben offen angegriffen zu haben. (Bravos.) Die Ausschußvorschläge scheinen mir mit wenig Abänderungen das rechte Maaß der Freiheit zu geben. Gänzliche Freiheit des Glaubens und Unglaubens ist nicht rathsam. Selbst in Nordamerika wird, ehe 25 Jahre vergehen, wohl auch in die Konstitution ein jus circa sacra aufgenommen werden. (Oho! Widerspruch.) Stimmen Sie, ich bitte Sie, zwar für Unabhängigkeit der Kirche, aber gegen die Trennung der Kirche vom Staat. (Vielseitiger Applaus. Ruf: Vertagung!) Präsident theilt einen Antrag von Reichensperger, Jucho, Radowitz etc. mit, „die allgemeine Debatte über Artikel III. zu schließen.“ Verworfen, dagegen die Vertagung der Debatte um 2 1/2 Uhr beschlossen. Vicepräsident erstattet Bericht über eine große Menge Urlaube. Morgen keine Sitzung. Donnerstag Fortsetzung der Kirchendebatte. 103 Berlin. Die „große Aufregung“ der Berliner über die Charlottenburger Brutalitäten hat in der gewohnten Art aller Berliner „Aufregung“ geendet. Unsere Leser mögen sich aus folgenden Nachrichten überzeugen. 103 Berlin, 22. August. Gestern Abend gegen 7 Uhr hatte der demokratische Club in Folge der Charlottenburger Ereignisse eine Ansprache an die „Berliner Mitbürger“ erlassen, welche in der Bevölkerung Berlins eine allgemeine Aufregung hervorbrachte. Vor dem Opernhause versammelten sich viele Tausend Menschen, und nach 8 Uhr betraten viele bekannte Volksredner die Freitreppe des Opernhauses um zu der Versammlung zu sprechen. Die Charlottenburger Ereignisse wurden nur als ein Glied der großen Kette angesehen, welche die Reaktion durch das ganze Land hindurchgezogen, wovon neuerdings die Vorfälle in Schweidnitz wieder die besten Beispiele gewähren. Einer der Redner beantragte die Abdankung des Ministeriums, das er ein Krämerministerium nannte, welcher Antrag allgemeine Beistimmung fand. — Ungefähr um 8 3/4 Uhr beschloß die Versammlung zuerst zum Minister Kühlwetter zu ziehen, um ihm durch eine Deputation Verantwortung abzuverlangen, daß er sein Abends vorher gegebenes Versprechen, eine sofortige strenge Untersuchung zu veranlassen, nicht gehalten habe. Die ganze Versammlung begab sich nach dem unter den Linden gelegenen Hotel des Ministers des Innern. Das Thor war verschlossen und da die im Hotel Anwesenden die Oeffnung verweigerten, weil der Minister nicht zu Hause sei, wurde das Thor durch die Andringenden aufgedrückt, ohne daß Gewaltmaßregeln angewendet wurden. (Dies ist, was man in Berlin „Stürmen“ nennt.) Da die Deputation, die sich ins Hotel begab, den Minister nicht auffand, schlug man vor, zum Justizminister Märker zu ziehen, um von ihm eine Amnestie aller politischen Angeklagten zu verlangen. Dies wurde mit Beifall aufgenommen. Die Volksmenge, die sich vielleicht auf 10,000 Köpfe vergrößert hatte, zog nach der nahen Wilhelmsstraße, wo man, dem Justizministerium gegenüber, das Hotel des Ministerpräsidenten glänzend erleuchtet fand. Eine große Soiree fand daselbst statt; alle Minister waren da zusammen und viele Abgeordnete der Rechten als Gäste anwesend. Die Deputation begab sich ins Hotel und verlangte nach dem Justizminister Märker. Jedoch kamen beinah alle Minister, und als die Deputation mit ihren Forderungen hervortrat und nur ungenügende Zusicherungen erhielt, da man zwar die Erlassung einer Amnestie in Aussicht stellte, aber die in Folge der Zeughausexcesse Angeklagten und Verurtheilten davon ausnehmen wollte, brach der Deputation die Geduld und man sagte den Ministern, daß sie unfähig wären das Land zu regieren und am besten thun würden, sofort abzudanken. (Der Ruf „Abdanken!“ „Die Minister müssen abdanken!“ erscholl von Zeit zu Zeit aus dem Volke.) Der Ministerpräsident erwiederte sehr gedrückt, daß dies doch nur die Meinung der Minorität sei, das Land werde durch die Vereinbarer-Versammlung vertreten, und deren Willen allein hätten sie sich zu unterwerfen. — Einige Redner deducirten von philosophischem Standpunkt, daß die Minorität immer die Revolutionen gemacht und erst dann zur Majorität geworden wäre; man setzte den Ministern weitschweifig auseinander, wie nothwendig ihre Abdankung sei. — Währenddem das Volk ruhig die Rückkehr seiner Deputation abwartete, kam auf einmal ein Trupp Constabler von ungefähr 40-50 Mann mit blanker Waffe, und begann sogleich einzuhauen, um den Platz zu säubern. Die Arbeiter, besonders die anwesenden Maschinenbauer geriethen dadurch in Wuth und warfen mit Steinen auf die Constabler, die diesem Angriff nicht widerstehen konnten und sich in das Ministerhotel flüchteten. Die Minister sahen die eingedrungenen Constabler für bewaffnetes Volk an und entflohen, indem sie die Deputation stehen ließen. Diese begab sich zur vorderen Thür zum Volke zurück, während die Minister, die eingeladenen Abgeordneten und die tapfern Constabler aus der Hinterthür durch den Garten flüchteten. Das Volk aber, welches die Steine einmal zum eigenen Schutz aufgerissen hatte, brauchte dieselbe nun, um damit alle Fenster des Hotel des Ministerpräsidenten zu zerstören. Um etwas zum Schutz gegen unvermuthete Angriffe in den Händen zu haben, rissen die Arbeiter die eisernen Gitter und eisernen Laternen-Pfähle vor den zwei Ministerhotels, und die eisernen Stangen unter den Linden aus den Steinen heraus. Aber diese Vorsicht war unnöthig. Die Constabler fürchteten die aufgeregte Menge und ließen sich nicht sehen, die Bürgerwehr hingegen schritt nicht ein, da ihre Befehlshaber sämmtlich zu einem dem Commandanten Rimpler gegebenen Feste im Krollschen Garten versammelt waren. — Zwei Schüsse fielen gleich Anfangs in dem Augenblick, als die Demolirung der Fenster begann. Es ist unentschieden, von welcher Seite diese Schüsse gefallen sind, jedoch ist soviel gewiß, daß sie keinen Menschen getroffen und daß überhaupt bei den gestrigen Vorfällen kein Menschenleben verloren ging. Einige Constabler sollen, von Steinwürfen und Schlägen hart getroffen, ohnmächtig fortgetragen worden sein. Noch länger als eine Stunde blieb ein Haufen Neugieriger vor dem demolirten Hotel, und unter den Linden war es an der politischen Ecke von Mitgliedern des souveränen Clubs sehr lebhaft. Gegen Mitternacht endlich reinigte ein sanfter Regen und einige Bataillone Bürgerwehr die Linden und die angränzenden Straßen. — Die Minister erschienen heute erst zwei Stunden nach Eröffnung der Sitzung der Vereinbarer-Versammlung in derselben. Sie hatten heute Morgen eine mehrstündige Sitzung in Folge der gestrigen Ereignisse und beriethen ein neues Gesetz, welches dergleichen Fällen vorbeugen soll. Die Annahme eines solchen Gesetzes ist sehr zu bezweifeln, umsomehr, da heute Abstimmungen stattfanden, in welchen die Majorität gegen den Willen des Ministeriums die Amendements zum §. 1. des Gesetzentwurfs annahm und das Amendement Otto nur dadurch mit einer kleinen Majorität verworfen wurde, weil einige Mitglieder fehlten. Bei der nächsten namentlichen Abstimmung hofft man eine Niederlage des Ministeriums. Man spricht, daß das Ministerium eine Art von Martialgesetz beantragen werde, wodurch die Clubs und die Plakate unter polizeiliche Aufsicht gestellt werden sollen. — Die Aufregung hat sich heute nur in der ganzen Stadt vermehrt und man befürchtet für heute Abend neue Unruhen. Es bilden sich schon jetzt nach 7 Uhr Atroupements unter den Linden. Der demokratische Club und der Commandant der Bürgerwehr haben neue Bekanntmachungen erlassen. 103 Berlin, 22. August. Sitzung der Vereinbarerversammlung. Tagesordnung: Berathung des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit. Da die Minister sämmtlich Anfangs der Sitzung nicht anwesend sind, so werden die beantragten dringenden Interpellationen und Anträge bis nach Berathung des Gesetzentwurfs verschoben. Abgeordneter Waldeck verliest hierauf den Bericht der Central-Abtheilung. Abgeordneter Otto (von Liegnitz): Die sofortige Erlassung dieses Gesetzes ist durchaus nothwendig. Wir können aber dieselbe nicht bis zur vollständigen Organisation des ganzen Gerichtswesens anstehen lassen, denn wir befinden uns in einem vollständigen lügenhaften Zustand. Das frühere absolutistische System ist noch nicht aufgegeben. So lange ein solcher Zustand dauert, können wir keine Ruhe und Ordnung herbeiführen. Seit fünf Monaten existirt Preßfreiheit, trotzdem werden noch alle freien Aeußerungen, welche das Volk im Bewußtsein seiner errungenen Freiheit hören läßt, nach den Gesetzen des gestürzten Polizeisystems beurtheilt. Diesem lügenhaften Zustand muß ein Ende gemacht werden. Die persönliche Freiheit muß gewährleistet werden, zumal weder das Ministerium des Uebergangs noch das der That mit der Vorlegung einer Habeas-Corpus-Acte die Initiative ergriffen hat. Abg. Zweifel hatte den Antrag gestellt: dies Gesetz nicht im Bezirke des Appellationsgerichts zu Köln zur Anwendung zu bringen, nimmt diesen Antrag aber jetzt zurück, da das Gesetz mehrere, der rheinischen Gesetzgebung entlehnte Zusätze erhalten habe. Die allgemeine Debatte wird geschlossen und vor der Diskussion der einzelnen Paragraphen wird die Vorfrage: „ob überhaupt ein solches Gesetz vor der Verfassung und vor der Organisation zu erlassen sei?“ mit großer Majorität angenommen. Zu dem § 1 werden mehrere Amendements eingebracht. Abg. Parrisius spricht gegen die Fassung der Kommission. Der Grundsatz, von welchem das Gesetz ausgehe, müsse an die Spitze gestellt werden. Der § 1 beginne sofort mit einer Ausnahme. Die Ansicht der Centralabtheilung, daß das Aussprechen des Grundsatzes: „die persönliche Freiheit ist gewährleistet,“ in die Verfassung gehöre, sei richtig, aber dadurch ist derselbe aus diesem Gesetze noch nicht ausgeschlossen. Abg. Knauth stellt den Zusatz: „Jeder Angeschuldigte soll gegen Stellung einer vom Gericht zu bestimmenden Caution oder Bürgschaft der Haft entlassen werden, sofern nicht dringende Anzeigen eines schweren peinlichen Verbrechens gegen denselben vorliegen.“ Minister d. Innern: Ich erlaube mir, die Stellung des Ministeriums zu dem vorliegenden Gesetze auseinanderzusetzen. Als der Abgeordnete Waldeck den Antrag machte, vier Paragraphen des Verfassungs-Entwurfs sofort als eine Habeas-Corpus-Acte zum Gesetz zu erheben, konnte sich die Regierung nur gegen einen solchen Antrag erklären. Die Regierung erkannte nicht, daß die Erlassung einer Habeas-Corpus-Acte nothwendig sei, und daß die Polizei und die Justiz da seien, um die Freiheit zu schützen und nicht um sie dem Staatsbürger zu rauben. — Die Regierung begrüßt die Arbeit, wie sie aus der Centralabtheilung hervorgegangen, als eine vollständige, der sie ihre völlige Zustimmung giebt und wird für deren ungeänderte Annahme stimmen. Abg. Harossewitz spricht gegen die Fassung des Kommissions Entwurfs. Man mache den Richter durch dasselbe zu einem Polizei-Beamten, denn nicht von dem Namen, sondern von den Befugnissen und Pflichten, hängt der offizielle Charakter ab. Der § 2 vernichte die schönen Hoffnungen wieder, welche § 1 errege. Wolle man es dem alleinigen Ermessen der Polizei überlassen, wann eine Verhaftung vorzunehmen sei, so möge man dies offen aussprechen, aber nicht durch falsche Vorspiegelungen ungegründete Hoffnungen erregen. Stellt demgemäß Amendements. Nachdem noch mehrere Redner gesprochen haben, kommt man zur Abstimmung über § 1. Alle Amendements werden verworfen und nur das Amendement Parrisius angenommen. Demnach werden dem § 1 die Worte: „die persönliche Freiheit ist gewährleistet“, vorgesetzt und im ersten Satz desselben noch hinzugefügt, daß im Verhaftsbefehl auch die Bezeichnung der Person des Beschuldigten enthalten sein müsse. Der § 1 lautet demnach, nach der Annahme der andern Sätze des Kommissions-Entwurfs, folgendermaßen: „Die persönliche Freiheit ist gewährleistet. Außer dem Falle der Ergreifung auf frischer That, darf eine Verhaftung nur kraft eines schriftlichen, die Beschuldigung und den Beschuldigten bezeichnenden richterlichen Befehls bewirkt werden. Dieser Befehl muß entweder bei der Verhaftung, oder spätestens innerhalb 24 Stunden dem Beschuldigten zugestellt werden. Bei jeder Verhaftung ist in gleicher Frist das Erforderliche zu veranlassen, um den Verhafteten dem zuständigen Richter vorzuführen.“ Nach der Debatte über den § 1 ergreift der Minister-Präsident das Wort, um der Versammlung mitzutheilen, daß, in Folge der gestrigen und vorgestrigen Ereignisse, welche die Ruhe und Ordnung gestört und die Sicherheit der Personen und des Eigenthums gefährdet haben, das Ministerium ein Gesetz in Vorschlag bringe, welches wo möglich noch heute dem Präsidenten zugesandt werden solle. Er bitte um dessen Priorität bei der nächsten Berathung. Ueber die Excesse selbst werde der Minister des Innern Mittheilung machen. Minister des Innern: Ich soll Ihnen ein Bild geben von den letzten bedauernswerthen Ereignissen. Ich will es versuchen, obschon ich theils selbst keine zuverlässigen Nachrichten besitze (!!) und theils durch persönliche Aufregung nicht befähigt bin. Es haben vorgestern bei der Gründung eines demokratischen Vereins in Charlottenburg Attroupements stattgefunden. Man hat einige Leute schändlich behandelt. Mir wurde erst Abends 7 Uhr Mittheilung von den Vorfällen in Charlottenburg und ich beeilte mich sogleich einen Kommissarius hinzusenden. Durch die Untersuchung hat sich bestätigt, daß mehrere Männer schmählich mißhandelt worden sind, und in Folge dessen sind auch schon 16 Verhaftsbefehle in Charlottenburg erlassen worden und die Untersuchung wird ihren ferneren Lauf behalten. Die gestrigen Ereignisse knüpfen sich vielleicht an die Vorfälle in Charlottenburg. Man hat schon Vormittags Excesse vor dem Hotel des Ministers des Handels und der Arbeiten begangen, und die Nachricht wurde mir hinterbracht, daß man schon Nachmittags in einem bekannten Hause die Wiederhohlung dieser Excesse für den Abend festsetzte. Es wurden alle Maßregeln vor dem Hotel des Handelsministeriums getroffen. Unterdessen erschien eine Bekanntmachung des demokratischen Klubs, aus welcher ich Ihnen nur die letzten Sätze verlesen will, wonach Sie die Art und Weise beurtheilen können wie das Volk aufgeregt wurde. (Er verliest zwei Sätze der Bekanntmachung, worin es heißt, daß es nicht genug sei, untergeordnete Frevler zu bestrafen, daß man vielmehr die Unfähigen oder Böswilligen, welche an der Spitze stehen, entfernen müsse.) Gegen Abend fanden Attroupements vor dem Opernhause statt. Von der Treppe des Opernhauses sind aufregende Reden gehalten worden. Man zog zuerst vor mein Haus und erstürmte die Thür, drang in mein Schlafzimmer, und als man mich nicht fand, beschloß man zum Justizminister zu ziehen. Man fand denselben vor dem Hotel des Ministerpräsidenten und verlangte von ihm die Freilassung aller politischen Gefangenen. Der Justizminister erklärte der Deputation, die ihn darum anging, daß dies nicht gehe. Man sprach hierauf von Abdankung, und als der Ministerpräsident frug, wer denn die Abdankung verlange, antwortete die Deputation: Das Volk auf der Straße verlangt die Abdankung. Das Hotel des Ministerpräsidenten wurde hierauf mit Steinen beworfen, die Fenster eingeschlagen und große Steine flogen in die Salons, wo die Gesandten fremder Mächte und die Vertreter der Nation sich hinter die Pfeiler zurückziehen mußten, um sich vor dem Steinregen zu schützen. Selbst dem Justizminister fiel ein Stein auf den Fuß. Die Schutzmannschaften waren nicht vermögend die Excesse zu verhindern. Die Bürgerwehr erschien erst nach langer Zeit. — Ein Staatsbürger muß für seine Person und sein Eigenthum gesichert sein, sei er Demokrat oder Minister, die Regierung wird Ihnen deshalb die geeigneten Vorschläge machen. Man schreitet hierauf zur Berathung des §. 2. des Gesetzentwurfs. Abg. Walter beantragt, daß die Versammlung beschließe: statt des zu unbestimmten Ausdrucks des Entwurfs, „durch die öffentliche Stimme,“ zu setzen: „durch den lauten Ruf des Volkes,“ welcher Ausdruck dem des französischen Urtextes: „par la clameur publique,“ mehr entspricht. Auch

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 85. Köln, 25. August 1848, S. 0433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz085_1848/1>, abgerufen am 28.03.2024.