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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 126. Köln, 26. Oktober 1848.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 126. Köln, Donnerstag den 26. Oktober. 1848.
Uebersicht.

Deutschland. Wien. (Der Reichstagsverrath. - Vermischtes. - Eine Neuigkeit der "Neuen Pr. Ztg.") Prag. (Die zwei Manifeste des Kaisers. - Die Reaktionäre in Prag. - Reiseschwierigkeiten von Wien aus. - Einberufung des böhmischen Provinziallandtags.) Berlin. (Vereinbarersitzung. - Das Ministerium. - Die Vorfälle in Elbing. - Bodelschwingh Vereinbarer.) Birnbaum. (Pfuel, Vereinbarer.) Dortmund. (Westphalens Vertreter.) Minden. (Militärisches.) Bielefeld. (Volksversammlung.) Koblenz. (Mißtrauensadresse gegen Schlink.) Frankfurt. (Nationalversammlung.) Aus dem deutschen Reiche. (Reichstruppen.)

Ungarn. Pesth. (Ungarns Kampf mit Oestreich in Rußland. - Simonich. - Nachrichten vom Banater Kriegsschauplatz. - Der walachische Aufstand in Siebenbürgen unterdrückt

Italien. Turin. (Bevorstehender Ministerwechsel. - Meinung der "Concordia" über Karl Albert. - Kriegsluft. - Aufstand zu Como.

Französische Republik. Paris. (Sociale Casus. - Eine Adresse an Lamartine. - Vermischtes. - Nationalversammlung.

Großbritannien. London. (Thoros Grey . - Rothschild Pabst in spe.) Dublin. (Meagher verurtheilt.) Liverpoole. (Die "Amerika" angekommen.) Durham. (Dr. Walleckey

Türkei. Konstantinopel. (Cholera.)

Deutschland.
61 Wien, 19. Oktober.

Reichstagssitzung. Eröffnung 2 Uhr unter Smolka's Prasidium.

Schuselka steht auf der Tribüne und verlies't eine an den Ausschuß gerichtete Eingabe des Grafen Wickenburg, Gouverneurs von Steiermark, in welcher diese Provinz, die den Herrn Grafen, der zu den höchst schwarz-gelben Tory's gehört und daher zu diesem Schritte gewiß genöthigt worden ist, verlangt, daß der Reichstag ihr alle seit dem 6. Oktober entflohenen steier'schen Abgeordneten namhaft mache. (Bravo.)

Umlauft, früher Polizeispion Metternich's, jetzt linker Demokrat, will, daß man noch 3 Tage abwarte, weil die Deserteure wieder eintreffen könnten.

Popiel: Man mache die Namen aller derer bekannt, die sich am 7. Oktober zur Reichstagskasse gedrängt haben, um Reisegeld zu erhalten. (Beifall der Galerien.)

Smereker: Ich trete dem Antrage bei, selbst wenn er auch den Anschein einer Proskription hätte.

Potocki sucht auszuführen, daß der Antrag gegen die Würde der Versammlung verstoße, indem man nicht wissen könne, welche Gründe die Abwesenden bewogen, sich zu entfernen. Am 7. Oktober seien ihnen 14 Tage zur Rückkehr bestimmt worden, die man, da sie erst am 22. abliefen, auch einhalten müsse.

Königshofer: Wir müssen auch die hier Anwesenden namhaft machen.

Demel: Wir müssen, da es noch nicht geschehen, den Beschluß fassen, daß nach den 14 Tagen eine Neuwahl stattfinde.

Ein Abgeordneter: Viele Abgeordnete halten sich in Schlupfwinkeln verborgen, während ihre Komittenten glauben, sie seien unter uns.

Ein Anderer: Das Loos der Monarchie steht auf dem Spiele, und der Gouverneur muß gewichtige Gründe gehabt haben, daß er diesen Schritt gethan.

Zöpfl: Die Abneigung gegen den Reichstag nimmt im Publikum täglich zu, wir müssen uns daher einmal zeigen. (Wie muthig!)

Schuselka, des Reichstags hochprivilegirter Esel: Ich bedaure die Wendung der Debatte; es handelt sich ja nur um die Sache, nicht um Persönlichkeiten; wir haben nur dafür zu sorgen, daß die nöthige Anzahl von Abgeordneten hier sei. Von diesem Standpunkte aus, nicht aber vom persönlichen wollen wir dem Herrn Gouverneur blos antworten, wir wollen ihm keine Proskriptionsliste schicken. - (Wie verlautet, sollen die Herrn des permanenten Auschusses mit dem Gelde und mit den Versprechungen der Kamarilla sämmtlich erkauft sein. Die Sache ist sehr wahrscheinlich.) - Die Abstimmung soll geschehen, aber es zeigt sich, daß nur 183 Abgeordnete anwesend sind, der Reichstag also nicht beschlußfähig (193) ist. Unterbrechung. Die Abgeordneten werden herbeigeholt.

Einer: Der Abgeordnete Beck hat viele beredet, hinwegzugehen. (Aufregung, Zischen.)

Schuselka, unterdessen fortfahrend: Ueber das Ankommen oder Nichtankommen der Ungarn werden durch Plakate verschiedene Gerüchte verbreitet. - Für uns war es eine Unmöglichkeit, die Ungarn zur Herkunft aufzufordern, der Reichstag hatte dazu nicht die legale Gewalt. Wir würden im andern Falle unserm konstitutionellen Kaiser ja den Krieg erklärt haben. (Ist euer Defensivzustand denn etwas anderes, konntet ihr den Ungarn nicht wenigstens antworten, ihr Nichtswürdigen!) Wir haben genug gethan, daß wir die Adresse der Ungarn vorgetragen und dieselbe per acclamationem angenommen worden ist. Diejenigen, welche mit dem, was wir gethan, nicht zufrieden sind, wollen den Untergang Oesterreich's, unterdessen sie eine andere Macht sich friedlich entwickeln lassen; ich muß dawider protestiren.

Es sind 190 Mitglieder anwesend, das Protokoll wird verlesen, kann aber erst nach einigen Worten angenommen werden. - Darauf wird beschlossen, dem Gouverneur die Abwesenden Steiermark's anzuzeigen, ferner, daß in Beziehung der Deserteure aller Provinzen nach Ablauf der 14 Tage Neuwahl stattfinde.

Einer, davonlaufend: Wir sind nicht beschlußfähig.

Ein Anderer: Ich trage an, daß die Namen der Abgeordneten verlesen werden, damit wir erfahren, ob wir beschlußfähig sind. Es geschieht, 193 werden zusammengebracht.

Borrosch hält unter entsetzlichem Beifall eine magnetisirte Demokratenpredigt, damit der Aufruf zur Wiederkehr der Deputirten wirke.

Paul: Wir müssen noch einmal abstimmen.

Pillersdorf hat sich fortgemacht, Krauß läßt sich seit 4 Sitzungen nicht mehr sehen. Jeder will, um seinen Muth zu zeigen, noch das Wort nehmen. Drunter und drüber.

Fischoff will, daß man den Abgeordneten, die entflohen, noch 10 Tage Zeit zur Rückkehr gebe, weil eine Vermittlung und Versöhnung möglich sei.

Hierauf wird der Antrag Goldmarks, die Neuwahl nach Ablauf der 14tägigen Frist auszuschreiben und dies durch die Zeitungen bekannt zu machen, angenommen. Ebenso ein Zusatzantrag, daß jeder Abgeordnete sein Ausbleiben entschuldigen (d. h. demnach fortbleiben) könne. Es fällt keinem einzigen der Patrone ein, die abtrünnigen Czechen für Hochverräther zu erklären und ohne Umstände eine Neuwahl zu beantragen; es fällt überhaupt niemand ein, sich muthvoll, energisch, kurz revolutionär zu zeigen. Lauter erbärmliche, käufliche und erkaufte Gesellen der germanischen und germanisirten jüdischen Niederträchtigkeit. Zum Schlusse stellt sich heraus, daß 3 galizische Wahlbezirke durch die Hintertreibungen der Büreaukratie noch gar nicht vertreten sind.

Der treffliche Muth und Geist des Ausschusses hat es nun bereits so weit gebracht, daß die Ungarn nicht kommen, obwohl ich ich ihre politische Empfindlichkeit tadele; daß auch Windischgrätz eine höchst bedeutende Truppenmacht um Wien konzentrirt hat, und daß uns am Ende nichts übrig bleiben wird, als die Waffen abzulegen, zu Kreuz zu kriechen und die Esel, Verräther und Verruchten zu verfluchen, die seit dem 6. die Bewegung geleitet haben. Die linken Deputirten aus Frankfurt haben im Frack, gelben Handschuhen und hochweiser Wäsche eine offizielle Vorstellung im Gemeinderathe durchgemacht; Blum hat eine Rede gehalten, Stifft hat eine Gegenrede gehalten. Alles wunderschön. Die Prager Zeitung brachte bisher aus der Feder der Ultra-Czechen die nichtswürdigsten Berichte über die hiesigen Vorfälle, welche ebenso allgemeine Entrüstung erregen, als die Berichte der Ober-Post-Amts- und Augsb. Allg. Zeitung. Für Geld kann man ja Alles haben, besonders in unserer Zeit, wo die Verruchtheit so viele Mitglieder zählt. Kuranda und Schütte sollen die Lieferanten der Augsburgerin sein.

Wien, 20. Octbr.

Der Kaiser hat an das mährische Volk eine Proklamation gerichtet, in welcher versichert wird, daß die Robot- und Zehentaufhebung bleibe. Diese Proklamation ist von dem Minister Wessenberg kontrasignirt.

Wien ist von dem heutigen Tage an förmlich cernirt; von allen Seiten ist die Zufuhr abgeschnitten, ohne daß von irgend einer Provinz eine nachdrückliche Hülfe geboten würde. Wien ist in diesem Augenblicke ganz sich selbst überlassen und doch ist daselbst noch keine Spur von Entmuthigung zu finden. Es herrscht nur eine Spannung, mit welcher man dem Ausgange dieser Wirren entgegensieht. Man spricht von einer Proklamation, in welcher den Wienern von dem Kaiser die Bedingungen des Friedens vorgezeichnet werden; man will wissen, daß zu diesen Bedingungen: Beschränkung der Presse und Auflösung der akademischen Legion gehören.

Deputationen auf Deputationen gehen nach Olmütz. Auch der Gemeinderath hat eine aus seiner Mitte mit einer Adresse abgeschickt, in welcher das Verlangen ausgesprochen wird, daß 1) Jellechich und Windischgrätz abziehen. 2) Die Truppen v. Auersperg mit Ausnahme von Nassau-Infanterie und Wrbna-Kavallerie als Garnison die Wiener Kasernen beziehen. 3) Die Nationalgarde reorganisirt werde mit Beibehaltung der mobilen Corps. 4) Der Kaiser zurückkehre und ein volksthümliches Ministerium einsetze. Dieser Deputation folgte eine andere aus Nationalgarden und Legionären bestehend, um sich mit ihr zu vereinigen. Man will legale Schritte gethan haben, bevor es zum blutigen Kampfe kommen soll. Die Proklamation an die östreichischen Völker ist gestern noch nicht fertig geworden.

Eine von Windischgrätz erlassene telegraphische Depesche an das Kommando zu Prerau enthält den Befehl, daß mit allen vorkommenden Nationalgarden in derselben Weise zu verfahren sei, wie mit denen von Bielitz; daß nämlich der Führer wie der Fürst Sulkowski nach Olmütz gebracht werde und daß man die Anderen ohne Waffen ihre Heimath gehen lasse.

Die Nordbahn bei Gänserndorf ist von dem Militär demolirt worden, um die Zufuhr aus Ungarn nach Wien unmöglich zu machen; wodurch die Kommunikation mit Norddeutschland bedeutend erschwert ist.

Die hierhergesandten Reichskommissäre Welker und Mosle haben sich hier gar nicht aufgehalten, sondern sind sogleich nach Olmütz abgereist.

Das Regiment Baden aus Oberöstreichern bestehend, welches gegen Wien beordert war, hat auf halbem Wege mit sammt seinen Offizieren rechtsum gemacht, indem es erklärte, daß es wohl bereit sei für Wien, aber nicht gegen dasselbe zu kämpfen. General Hammerstein soll mit 10,000 Mann k. k. Militärs von Galizien aus in Ungarn eingefallen sein.

In Mailand herrscht große Aufregung. Im Scala-Theater soll ein Streit zwischen Volk und Militär ausgebrochen sein. Der Waffenstillstand endet am 23. d. Mts. und an diesem Tage erwartet man einen Angriff der Piemontesen.

Das Zeughaus von Prag wurde keineswegs gestürmt, sondern von dem Volke bloß benutzt, um sich zu bewaffnen. In Prag soll die Sympathie für Wien immer mehr und mehr zum Durchbruch kommen, so daß die entronnenen ultra-czechischen Deputirten sehr viele Gegner daselbst bekommen haben.

(Privat-Telegraph.)
Wien.

Die "Neue Preußische Zeitung" (Landwehrkreuz-Zeitung) bringt großgedruckt folgende Nachricht:

Berlin, 23. Oktbr. An der Börse hatte man heute von zuverlässiger Quelle die Nachricht, daß Wessenberg als Premierminister den Reichstag aufgelöst, das Proletariat geplündert, die Rechte sich unter den Schutz des englischen und russischen Gesandten gestellt, die Linke geflohen und Windischgrätz als k. k. Generalissimus ohne Schwert in Wien eingerückt sei. Die fliegenden Korps und die Aula sind entwaffnet.

Prag, 21. Oktober.

Zwei Manifeste des Kaisers aus Olmütz vom 16. und 19. Okt. liegen vor uns. Der Form nach sind sie zwar konstitutionell, sie sind vom Minister Wessenberg contrasignirt, allein ihr Inhalt ist so betrübend, daß wir vorgezogen hätten, sie wären ohne Contrasignatur erlassen worden. In dem einen vom 16. Okt. spricht der Monarch von gesetzlicher Regelung der bisher mit zügellosem Mißbrauche gehandhabten Presse, des Vereinsrechts und der Volkswehr. In dem andern heißt es: Es ist unser unveränderlicher Wille, daß die unsern Völkrrn gewährten Rechte und Freiheiten in ihrer ganzen Ausdehnung ungeschmälert bleiben. Wer den Styl, in dem solche Manifeste geschrieben sind, kennt, weiß, was gesetzliche Regelung im Munde der Kamarilla bedeutet. Wie mir aus zuverlässiger Quelle bekannt ist, wollte man auch die Auflösung des Reichstags aussprechen, allein nicht wie die hiesigen Blätter melden, Dr. Brauner, sondern Graf Woyna, war es, der dem Kaiser die schrecklichen Folgen davon vorstellte. Schwer wäre es zu schildern, wie das Manifest hier aufgenommen wurde. Die gesinnungslosen Deutschen, leider ist deren Anzahl hier unendlich groß, freuten sich, daß es doch nun endlich einmal Ruhe werden wird. Die Czechen jubelten, daß die Wiener endlich mit Strenge angegriffen, und daß das, doch etwas deutsche, Ministerium durch ein czechenfreundliches ersetzt werde. So ist die Stimmung der hiesigen Bevölkerung. Was aber wird der wahrscheinliche Ausgang sein? Die Absicht der Regierung ist, Wien durch Hunger zur Uebergabe zu zwingen; dies wird ihr längstens binnen 14 Tagen gelingen. Dann wird Wien in Belagerungszustand erklärt, Windisch-Grätz zum Civil- und Militärgouverneur ernannt, die demokratischen Journale werden unterdrückt, die akademische Legion entwaffnet, die Nationalgarde ausgemustert, das Assoeiationsrecht suspendirt. Während dessen wird der Reichstag nach Linz oder Olmütz verlegt und die Verfassung beendet.

(A. D. Z.)
Prag, 20. Okt.

Reisende, welche Wien durch die Taborlinie verlassen, werden außerhalb derselben von Nationalgarden untersucht; wer keinen Geleitschein hat, wird zurückgewiesen; die Waffen werden abgenommen. Die ärarische Taborbrücke ist auf keine Art gesperrt. Auf der Eisenbahnbrücke sind die Schienen nicht abgerissen, sondern sie ist verbarrikadirt, so daß kein Train passiren kann. Der Bahnhof ist von Nationalgarden besetzt, ebenso die Station Floridsdorf. Zwischen Floridsdorf und Wagram, dann bei Gänserndorf, sind von dem dort stationirten Militär einige Bahnschienen ausgehoben, um die Trains sicher aufzuhalten. Der Postzug vom 19. Okt. wurde vom Militär durchsucht, und einige Personen, darunter ein Student, zurückbehalten. Die vorgefundenen Waffen wurden abgenommen. Von nun an soll zwischen Wien und Gänserndorf kein Train mehr verkehren. Der größte Theil der Nordbahn und die Bahnhöfe sind vom Militär besetzt. An Lebensmitteln ist in Wien noch kein Mangel. Alles ist zum kräftigsten Widerstande vorbereitet, und die Erbitterung nimmt wo möglich noch immer zu.

Prag, 19. Oktbr.

Gestern ist in der Sitzung des politischen Senats der Antrag auf Einberufung des böhmischen Landtags gemacht worden. Es ist dies jedenfalls eine höchst wichtige Maßnahme, denn es soll eventualiter der Provinziallandtag die Beschlüsse des Reichstages für Böhmen aufheben. - Windischgrätz hat sich eine Feldpresse nachschicken lassen.

(A. D. Z.)
103 Berlin, 23. Okt.

Sitzung der Vereinbarer-Versammlung.

Tagesordnung: Fortsetzung der Berathung des ersten Titels der Verfassungsurkunde.

Minister Eichmann: Die Debatte ist in der letzten Sitzung so weit gediehen, daß es Pflicht der Regierung ist, ihre Ansichten auch mitzutheilen. Wir müssen zuerst den Beschlüssen der Frankfurter Versammlung uns anschließen, aber auch unsere Verhältnisse zum Großherzogthum Posen im Auge haben. Es handelt sich bei dieser Angelegenheit um keine Staatsgeheimnisse. Die Verträge und Zusicherungen von 1815 liegen offen da. Wir können aber nicht bei 1815 stehen bleiben, wir müssen die Zusicherungen dieses Jahres sowohl an die deutsche als an die polnische Bevölkerung in der Provinz Posen berücksichtigen. Die Aufnahme eines Theils der Provinz in den deutschen Bund ist ein völkerrechtlicher Akt. Ich erinnere Sie nun, daß gerade in diesem Augenblicke in Frankfurt über die Rechte der fremden Nationalitäten in Deutschland verhandelt wird. Sie können die dortigen Verhandlungen nicht ignoriren. Um nun allen Widerspruch zu vermeiden, kann Ihnen die Regierung nichts besseres vorschlagen, als die Annahme des ursprünglichen Entwurfs, verbessert durch das Amendement Auerswald.

Abg. Hartmann: Das alte Unrecht, was den Polen geschehen ist, wäre schon längst gesühnt. Preußen hätte dies Unrecht nicht mehr gut zu machen, denn es hat die Provinz Posen in einem gerechten Kriege mit dem Großherzogthum Warschau erobert. Man sagt, es wären den Bewohnern der Provinz Posen, die Versprechungen von 1815 nicht erfüllt worden? Es ist unsere Pflicht, die Bewohner deutscher Nationalität in der Provinz Posen gegen die Unterdrückung der Fremden zu schützen Da wir nur eine Verfassung für Preußen, für Deutsche vereinbaren wollen, so müssen die Polen davon ausgeschlossen werden, und ich erkläre mich demnach gegen das Amendement Philipps.

Abg. Plönnies erklärt sich für das Amendement Auerswald. Der Kommissionsenwurf habe den Regierungsentwurf abgeändert. Das Amendement sucht nun den letzteren wieder herzustellen. Die Frage, die wir hier besprechen, fällt vollkommen zusammen mit der deutschen Frage. In Frankfurt hat man das Gebiet des deutschen Reichs festgestellt. Die Trennung in der Provinz Posen bliebe noch einer spätern Festsetzung vorbehalten. Wir

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 126. Köln, Donnerstag den 26. Oktober. 1848.
Uebersicht.

Deutschland. Wien. (Der Reichstagsverrath. ‒ Vermischtes. ‒ Eine Neuigkeit der „Neuen Pr. Ztg.“) Prag. (Die zwei Manifeste des Kaisers. ‒ Die Reaktionäre in Prag. ‒ Reiseschwierigkeiten von Wien aus. ‒ Einberufung des böhmischen Provinziallandtags.) Berlin. (Vereinbarersitzung. ‒ Das Ministerium. ‒ Die Vorfälle in Elbing. ‒ Bodelschwingh Vereinbarer.) Birnbaum. (Pfuel, Vereinbarer.) Dortmund. (Westphalens Vertreter.) Minden. (Militärisches.) Bielefeld. (Volksversammlung.) Koblenz. (Mißtrauensadresse gegen Schlink.) Frankfurt. (Nationalversammlung.) Aus dem deutschen Reiche. (Reichstruppen.)

Ungarn. Pesth. (Ungarns Kampf mit Oestreich in Rußland. ‒ Simonich. ‒ Nachrichten vom Banater Kriegsschauplatz. ‒ Der walachische Aufstand in Siebenbürgen unterdrückt

Italien. Turin. (Bevorstehender Ministerwechsel. ‒ Meinung der „Concordia“ über Karl Albert. ‒ Kriegsluft. ‒ Aufstand zu Como.

Französische Republik. Paris. (Sociale Casus. ‒ Eine Adresse an Lamartine. ‒ Vermischtes. ‒ Nationalversammlung.

Großbritannien. London. (Thoros Grey . ‒ Rothschild Pabst in spe.) Dublin. (Meagher verurtheilt.) Liverpoole. (Die „Amerika“ angekommen.) Durham. (Dr. Walleckey

Türkei. Konstantinopel. (Cholera.)

Deutschland.
61 Wien, 19. Oktober.

Reichstagssitzung. Eröffnung 2 Uhr unter Smolka's Prasidium.

Schuselka steht auf der Tribüne und verlies't eine an den Ausschuß gerichtete Eingabe des Grafen Wickenburg, Gouverneurs von Steiermark, in welcher diese Provinz, die den Herrn Grafen, der zu den höchst schwarz-gelben Tory's gehört und daher zu diesem Schritte gewiß genöthigt worden ist, verlangt, daß der Reichstag ihr alle seit dem 6. Oktober entflohenen steier'schen Abgeordneten namhaft mache. (Bravo.)

Umlauft, früher Polizeispion Metternich's, jetzt linker Demokrat, will, daß man noch 3 Tage abwarte, weil die Deserteure wieder eintreffen könnten.

Popiel: Man mache die Namen aller derer bekannt, die sich am 7. Oktober zur Reichstagskasse gedrängt haben, um Reisegeld zu erhalten. (Beifall der Galerien.)

Smereker: Ich trete dem Antrage bei, selbst wenn er auch den Anschein einer Proskription hätte.

Potocki sucht auszuführen, daß der Antrag gegen die Würde der Versammlung verstoße, indem man nicht wissen könne, welche Gründe die Abwesenden bewogen, sich zu entfernen. Am 7. Oktober seien ihnen 14 Tage zur Rückkehr bestimmt worden, die man, da sie erst am 22. abliefen, auch einhalten müsse.

Königshofer: Wir müssen auch die hier Anwesenden namhaft machen.

Demel: Wir müssen, da es noch nicht geschehen, den Beschluß fassen, daß nach den 14 Tagen eine Neuwahl stattfinde.

Ein Abgeordneter: Viele Abgeordnete halten sich in Schlupfwinkeln verborgen, während ihre Komittenten glauben, sie seien unter uns.

Ein Anderer: Das Loos der Monarchie steht auf dem Spiele, und der Gouverneur muß gewichtige Gründe gehabt haben, daß er diesen Schritt gethan.

Zöpfl: Die Abneigung gegen den Reichstag nimmt im Publikum täglich zu, wir müssen uns daher einmal zeigen. (Wie muthig!)

Schuselka, des Reichstags hochprivilegirter Esel: Ich bedaure die Wendung der Debatte; es handelt sich ja nur um die Sache, nicht um Persönlichkeiten; wir haben nur dafür zu sorgen, daß die nöthige Anzahl von Abgeordneten hier sei. Von diesem Standpunkte aus, nicht aber vom persönlichen wollen wir dem Herrn Gouverneur blos antworten, wir wollen ihm keine Proskriptionsliste schicken. ‒ (Wie verlautet, sollen die Herrn des permanenten Auschusses mit dem Gelde und mit den Versprechungen der Kamarilla sämmtlich erkauft sein. Die Sache ist sehr wahrscheinlich.) ‒ Die Abstimmung soll geschehen, aber es zeigt sich, daß nur 183 Abgeordnete anwesend sind, der Reichstag also nicht beschlußfähig (193) ist. Unterbrechung. Die Abgeordneten werden herbeigeholt.

Einer: Der Abgeordnete Beck hat viele beredet, hinwegzugehen. (Aufregung, Zischen.)

Schuselka, unterdessen fortfahrend: Ueber das Ankommen oder Nichtankommen der Ungarn werden durch Plakate verschiedene Gerüchte verbreitet. ‒ Für uns war es eine Unmöglichkeit, die Ungarn zur Herkunft aufzufordern, der Reichstag hatte dazu nicht die legale Gewalt. Wir würden im andern Falle unserm konstitutionellen Kaiser ja den Krieg erklärt haben. (Ist euer Defensivzustand denn etwas anderes, konntet ihr den Ungarn nicht wenigstens antworten, ihr Nichtswürdigen!) Wir haben genug gethan, daß wir die Adresse der Ungarn vorgetragen und dieselbe per acclamationem angenommen worden ist. Diejenigen, welche mit dem, was wir gethan, nicht zufrieden sind, wollen den Untergang Oesterreich's, unterdessen sie eine andere Macht sich friedlich entwickeln lassen; ich muß dawider protestiren.

Es sind 190 Mitglieder anwesend, das Protokoll wird verlesen, kann aber erst nach einigen Worten angenommen werden. ‒ Darauf wird beschlossen, dem Gouverneur die Abwesenden Steiermark's anzuzeigen, ferner, daß in Beziehung der Deserteure aller Provinzen nach Ablauf der 14 Tage Neuwahl stattfinde.

Einer, davonlaufend: Wir sind nicht beschlußfähig.

Ein Anderer: Ich trage an, daß die Namen der Abgeordneten verlesen werden, damit wir erfahren, ob wir beschlußfähig sind. Es geschieht, 193 werden zusammengebracht.

Borrosch hält unter entsetzlichem Beifall eine magnetisirte Demokratenpredigt, damit der Aufruf zur Wiederkehr der Deputirten wirke.

Paul: Wir müssen noch einmal abstimmen.

Pillersdorf hat sich fortgemacht, Krauß läßt sich seit 4 Sitzungen nicht mehr sehen. Jeder will, um seinen Muth zu zeigen, noch das Wort nehmen. Drunter und drüber.

Fischoff will, daß man den Abgeordneten, die entflohen, noch 10 Tage Zeit zur Rückkehr gebe, weil eine Vermittlung und Versöhnung möglich sei.

Hierauf wird der Antrag Goldmarks, die Neuwahl nach Ablauf der 14tägigen Frist auszuschreiben und dies durch die Zeitungen bekannt zu machen, angenommen. Ebenso ein Zusatzantrag, daß jeder Abgeordnete sein Ausbleiben entschuldigen (d. h. demnach fortbleiben) könne. Es fällt keinem einzigen der Patrone ein, die abtrünnigen Czechen für Hochverräther zu erklären und ohne Umstände eine Neuwahl zu beantragen; es fällt überhaupt niemand ein, sich muthvoll, energisch, kurz revolutionär zu zeigen. Lauter erbärmliche, käufliche und erkaufte Gesellen der germanischen und germanisirten jüdischen Niederträchtigkeit. Zum Schlusse stellt sich heraus, daß 3 galizische Wahlbezirke durch die Hintertreibungen der Büreaukratie noch gar nicht vertreten sind.

Der treffliche Muth und Geist des Ausschusses hat es nun bereits so weit gebracht, daß die Ungarn nicht kommen, obwohl ich ich ihre politische Empfindlichkeit tadele; daß auch Windischgrätz eine höchst bedeutende Truppenmacht um Wien konzentrirt hat, und daß uns am Ende nichts übrig bleiben wird, als die Waffen abzulegen, zu Kreuz zu kriechen und die Esel, Verräther und Verruchten zu verfluchen, die seit dem 6. die Bewegung geleitet haben. Die linken Deputirten aus Frankfurt haben im Frack, gelben Handschuhen und hochweiser Wäsche eine offizielle Vorstellung im Gemeinderathe durchgemacht; Blum hat eine Rede gehalten, Stifft hat eine Gegenrede gehalten. Alles wunderschön. Die Prager Zeitung brachte bisher aus der Feder der Ultra-Czechen die nichtswürdigsten Berichte über die hiesigen Vorfälle, welche ebenso allgemeine Entrüstung erregen, als die Berichte der Ober-Post-Amts- und Augsb. Allg. Zeitung. Für Geld kann man ja Alles haben, besonders in unserer Zeit, wo die Verruchtheit so viele Mitglieder zählt. Kuranda und Schütte sollen die Lieferanten der Augsburgerin sein.

Wien, 20. Octbr.

Der Kaiser hat an das mährische Volk eine Proklamation gerichtet, in welcher versichert wird, daß die Robot- und Zehentaufhebung bleibe. Diese Proklamation ist von dem Minister Wessenberg kontrasignirt.

Wien ist von dem heutigen Tage an förmlich cernirt; von allen Seiten ist die Zufuhr abgeschnitten, ohne daß von irgend einer Provinz eine nachdrückliche Hülfe geboten würde. Wien ist in diesem Augenblicke ganz sich selbst überlassen und doch ist daselbst noch keine Spur von Entmuthigung zu finden. Es herrscht nur eine Spannung, mit welcher man dem Ausgange dieser Wirren entgegensieht. Man spricht von einer Proklamation, in welcher den Wienern von dem Kaiser die Bedingungen des Friedens vorgezeichnet werden; man will wissen, daß zu diesen Bedingungen: Beschränkung der Presse und Auflösung der akademischen Legion gehören.

Deputationen auf Deputationen gehen nach Olmütz. Auch der Gemeinderath hat eine aus seiner Mitte mit einer Adresse abgeschickt, in welcher das Verlangen ausgesprochen wird, daß 1) Jellechich und Windischgrätz abziehen. 2) Die Truppen v. Auersperg mit Ausnahme von Nassau-Infanterie und Wrbna-Kavallerie als Garnison die Wiener Kasernen beziehen. 3) Die Nationalgarde reorganisirt werde mit Beibehaltung der mobilen Corps. 4) Der Kaiser zurückkehre und ein volksthümliches Ministerium einsetze. Dieser Deputation folgte eine andere aus Nationalgarden und Legionären bestehend, um sich mit ihr zu vereinigen. Man will legale Schritte gethan haben, bevor es zum blutigen Kampfe kommen soll. Die Proklamation an die östreichischen Völker ist gestern noch nicht fertig geworden.

Eine von Windischgrätz erlassene telegraphische Depesche an das Kommando zu Prerau enthält den Befehl, daß mit allen vorkommenden Nationalgarden in derselben Weise zu verfahren sei, wie mit denen von Bielitz; daß nämlich der Führer wie der Fürst Sulkowski nach Olmütz gebracht werde und daß man die Anderen ohne Waffen ihre Heimath gehen lasse.

Die Nordbahn bei Gänserndorf ist von dem Militär demolirt worden, um die Zufuhr aus Ungarn nach Wien unmöglich zu machen; wodurch die Kommunikation mit Norddeutschland bedeutend erschwert ist.

Die hierhergesandten Reichskommissäre Welker und Moslè haben sich hier gar nicht aufgehalten, sondern sind sogleich nach Olmütz abgereist.

Das Regiment Baden aus Oberöstreichern bestehend, welches gegen Wien beordert war, hat auf halbem Wege mit sammt seinen Offizieren rechtsum gemacht, indem es erklärte, daß es wohl bereit sei für Wien, aber nicht gegen dasselbe zu kämpfen. General Hammerstein soll mit 10,000 Mann k. k. Militärs von Galizien aus in Ungarn eingefallen sein.

In Mailand herrscht große Aufregung. Im Scala-Theater soll ein Streit zwischen Volk und Militär ausgebrochen sein. Der Waffenstillstand endet am 23. d. Mts. und an diesem Tage erwartet man einen Angriff der Piemontesen.

Das Zeughaus von Prag wurde keineswegs gestürmt, sondern von dem Volke bloß benutzt, um sich zu bewaffnen. In Prag soll die Sympathie für Wien immer mehr und mehr zum Durchbruch kommen, so daß die entronnenen ultra-czechischen Deputirten sehr viele Gegner daselbst bekommen haben.

(Privat-Telegraph.)
Wien.

Die „Neue Preußische Zeitung“ (Landwehrkreuz-Zeitung) bringt großgedruckt folgende Nachricht:

Berlin, 23. Oktbr. An der Börse hatte man heute von zuverlässiger Quelle die Nachricht, daß Wessenberg als Premierminister den Reichstag aufgelöst, das Proletariat geplündert, die Rechte sich unter den Schutz des englischen und russischen Gesandten gestellt, die Linke geflohen und Windischgrätz als k. k. Generalissimus ohne Schwert in Wien eingerückt sei. Die fliegenden Korps und die Aula sind entwaffnet.

Prag, 21. Oktober.

Zwei Manifeste des Kaisers aus Olmütz vom 16. und 19. Okt. liegen vor uns. Der Form nach sind sie zwar konstitutionell, sie sind vom Minister Wessenberg contrasignirt, allein ihr Inhalt ist so betrübend, daß wir vorgezogen hätten, sie wären ohne Contrasignatur erlassen worden. In dem einen vom 16. Okt. spricht der Monarch von gesetzlicher Regelung der bisher mit zügellosem Mißbrauche gehandhabten Presse, des Vereinsrechts und der Volkswehr. In dem andern heißt es: Es ist unser unveränderlicher Wille, daß die unsern Völkrrn gewährten Rechte und Freiheiten in ihrer ganzen Ausdehnung ungeschmälert bleiben. Wer den Styl, in dem solche Manifeste geschrieben sind, kennt, weiß, was gesetzliche Regelung im Munde der Kamarilla bedeutet. Wie mir aus zuverlässiger Quelle bekannt ist, wollte man auch die Auflösung des Reichstags aussprechen, allein nicht wie die hiesigen Blätter melden, Dr. Brauner, sondern Graf Woyna, war es, der dem Kaiser die schrecklichen Folgen davon vorstellte. Schwer wäre es zu schildern, wie das Manifest hier aufgenommen wurde. Die gesinnungslosen Deutschen, leider ist deren Anzahl hier unendlich groß, freuten sich, daß es doch nun endlich einmal Ruhe werden wird. Die Czechen jubelten, daß die Wiener endlich mit Strenge angegriffen, und daß das, doch etwas deutsche, Ministerium durch ein czechenfreundliches ersetzt werde. So ist die Stimmung der hiesigen Bevölkerung. Was aber wird der wahrscheinliche Ausgang sein? Die Absicht der Regierung ist, Wien durch Hunger zur Uebergabe zu zwingen; dies wird ihr längstens binnen 14 Tagen gelingen. Dann wird Wien in Belagerungszustand erklärt, Windisch-Grätz zum Civil- und Militärgouverneur ernannt, die demokratischen Journale werden unterdrückt, die akademische Legion entwaffnet, die Nationalgarde ausgemustert, das Assoeiationsrecht suspendirt. Während dessen wird der Reichstag nach Linz oder Olmütz verlegt und die Verfassung beendet.

(A. D. Z.)
Prag, 20. Okt.

Reisende, welche Wien durch die Taborlinie verlassen, werden außerhalb derselben von Nationalgarden untersucht; wer keinen Geleitschein hat, wird zurückgewiesen; die Waffen werden abgenommen. Die ärarische Taborbrücke ist auf keine Art gesperrt. Auf der Eisenbahnbrücke sind die Schienen nicht abgerissen, sondern sie ist verbarrikadirt, so daß kein Train passiren kann. Der Bahnhof ist von Nationalgarden besetzt, ebenso die Station Floridsdorf. Zwischen Floridsdorf und Wagram, dann bei Gänserndorf, sind von dem dort stationirten Militär einige Bahnschienen ausgehoben, um die Trains sicher aufzuhalten. Der Postzug vom 19. Okt. wurde vom Militär durchsucht, und einige Personen, darunter ein Student, zurückbehalten. Die vorgefundenen Waffen wurden abgenommen. Von nun an soll zwischen Wien und Gänserndorf kein Train mehr verkehren. Der größte Theil der Nordbahn und die Bahnhöfe sind vom Militär besetzt. An Lebensmitteln ist in Wien noch kein Mangel. Alles ist zum kräftigsten Widerstande vorbereitet, und die Erbitterung nimmt wo möglich noch immer zu.

Prag, 19. Oktbr.

Gestern ist in der Sitzung des politischen Senats der Antrag auf Einberufung des böhmischen Landtags gemacht worden. Es ist dies jedenfalls eine höchst wichtige Maßnahme, denn es soll eventualiter der Provinziallandtag die Beschlüsse des Reichstages für Böhmen aufheben. ‒ Windischgrätz hat sich eine Feldpresse nachschicken lassen.

(A. D. Z.)
103 Berlin, 23. Okt.

Sitzung der Vereinbarer-Versammlung.

Tagesordnung: Fortsetzung der Berathung des ersten Titels der Verfassungsurkunde.

Minister Eichmann: Die Debatte ist in der letzten Sitzung so weit gediehen, daß es Pflicht der Regierung ist, ihre Ansichten auch mitzutheilen. Wir müssen zuerst den Beschlüssen der Frankfurter Versammlung uns anschließen, aber auch unsere Verhältnisse zum Großherzogthum Posen im Auge haben. Es handelt sich bei dieser Angelegenheit um keine Staatsgeheimnisse. Die Verträge und Zusicherungen von 1815 liegen offen da. Wir können aber nicht bei 1815 stehen bleiben, wir müssen die Zusicherungen dieses Jahres sowohl an die deutsche als an die polnische Bevölkerung in der Provinz Posen berücksichtigen. Die Aufnahme eines Theils der Provinz in den deutschen Bund ist ein völkerrechtlicher Akt. Ich erinnere Sie nun, daß gerade in diesem Augenblicke in Frankfurt über die Rechte der fremden Nationalitäten in Deutschland verhandelt wird. Sie können die dortigen Verhandlungen nicht ignoriren. Um nun allen Widerspruch zu vermeiden, kann Ihnen die Regierung nichts besseres vorschlagen, als die Annahme des ursprünglichen Entwurfs, verbessert durch das Amendement Auerswald.

Abg. Hartmann: Das alte Unrecht, was den Polen geschehen ist, wäre schon längst gesühnt. Preußen hätte dies Unrecht nicht mehr gut zu machen, denn es hat die Provinz Posen in einem gerechten Kriege mit dem Großherzogthum Warschau erobert. Man sagt, es wären den Bewohnern der Provinz Posen, die Versprechungen von 1815 nicht erfüllt worden? Es ist unsere Pflicht, die Bewohner deutscher Nationalität in der Provinz Posen gegen die Unterdrückung der Fremden zu schützen Da wir nur eine Verfassung für Preußen, für Deutsche vereinbaren wollen, so müssen die Polen davon ausgeschlossen werden, und ich erkläre mich demnach gegen das Amendement Philipps.

Abg. Plönnies erklärt sich für das Amendement Auerswald. Der Kommissionsenwurf habe den Regierungsentwurf abgeändert. Das Amendement sucht nun den letzteren wieder herzustellen. Die Frage, die wir hier besprechen, fällt vollkommen zusammen mit der deutschen Frage. In Frankfurt hat man das Gebiet des deutschen Reichs festgestellt. Die Trennung in der Provinz Posen bliebe noch einer spätern Festsetzung vorbehalten. Wir

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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No 126. Köln, Donnerstag den 26. Oktober. 1848.</docDate>
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        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Wien. (Der Reichstagsverrath. &#x2012; Vermischtes. &#x2012; Eine Neuigkeit der &#x201E;Neuen Pr. Ztg.&#x201C;) Prag. (Die zwei Manifeste des Kaisers. &#x2012; Die Reaktionäre in Prag. &#x2012; Reiseschwierigkeiten von Wien aus. &#x2012; Einberufung des böhmischen Provinziallandtags.) Berlin. (Vereinbarersitzung. &#x2012; Das Ministerium. &#x2012; Die Vorfälle in Elbing. &#x2012; Bodelschwingh Vereinbarer.) Birnbaum. (Pfuel, Vereinbarer.) Dortmund. (Westphalens Vertreter.) Minden. (Militärisches.) Bielefeld. (Volksversammlung.) Koblenz. (Mißtrauensadresse gegen Schlink.) Frankfurt. (Nationalversammlung.) Aus dem deutschen Reiche. (Reichstruppen.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Ungarn.</hi> Pesth. (Ungarns Kampf mit Oestreich in Rußland. &#x2012; Simonich. &#x2012; Nachrichten vom Banater Kriegsschauplatz. &#x2012; Der walachische Aufstand in Siebenbürgen unterdrückt</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> Turin. (Bevorstehender Ministerwechsel. &#x2012; Meinung der &#x201E;Concordia&#x201C; über Karl Albert. &#x2012; Kriegsluft. &#x2012; Aufstand zu Como.</p>
        <p><hi rendition="#g">Französische Republik.</hi> Paris. (Sociale Casus. &#x2012; Eine Adresse an Lamartine. &#x2012; Vermischtes. &#x2012; Nationalversammlung.</p>
        <p><hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> London. (Thoros Grey . &#x2012; Rothschild Pabst in spe.) Dublin. (Meagher verurtheilt.) Liverpoole. (Die &#x201E;Amerika&#x201C; angekommen.) Durham. (Dr. Walleckey </p>
        <p><hi rendition="#g">Türkei.</hi> Konstantinopel. (Cholera.)</p>
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        <head>Deutschland.</head>
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          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 19. Oktober.</head>
          <p>Reichstagssitzung. Eröffnung 2 Uhr unter Smolka's Prasidium.</p>
          <p><hi rendition="#g">Schuselka</hi> steht auf der Tribüne und verlies't eine an den Ausschuß gerichtete Eingabe des Grafen Wickenburg, Gouverneurs von Steiermark, in welcher diese Provinz, die den Herrn Grafen, der zu den höchst schwarz-gelben Tory's gehört und daher zu diesem Schritte gewiß genöthigt worden ist, verlangt, daß der Reichstag ihr alle seit dem 6. Oktober entflohenen steier'schen Abgeordneten namhaft mache. (Bravo.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Umlauft,</hi> früher Polizeispion Metternich's, jetzt linker Demokrat, will, daß man noch 3 Tage abwarte, weil die Deserteure wieder eintreffen könnten.</p>
          <p><hi rendition="#g">Popiel:</hi> Man mache die Namen aller derer bekannt, die sich am 7. Oktober zur Reichstagskasse gedrängt haben, um Reisegeld zu erhalten. (Beifall der Galerien.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Smereker:</hi> Ich trete dem Antrage bei, selbst wenn er auch den Anschein einer Proskription hätte.</p>
          <p><hi rendition="#g">Potocki</hi> sucht auszuführen, daß der Antrag gegen die Würde der Versammlung verstoße, indem man nicht wissen könne, welche Gründe die Abwesenden bewogen, sich zu entfernen. Am 7. Oktober seien ihnen 14 Tage zur Rückkehr bestimmt worden, die man, da sie erst am 22. abliefen, auch einhalten müsse.</p>
          <p><hi rendition="#g">Königshofer:</hi> Wir müssen auch die hier Anwesenden namhaft machen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Demel:</hi> Wir müssen, da es noch nicht geschehen, den Beschluß fassen, daß nach den 14 Tagen eine Neuwahl stattfinde.</p>
          <p><hi rendition="#g">Ein Abgeordneter:</hi> Viele Abgeordnete halten sich in Schlupfwinkeln verborgen, während ihre Komittenten glauben, sie seien unter uns.</p>
          <p><hi rendition="#g">Ein Anderer:</hi> Das Loos der Monarchie steht auf dem Spiele, und der Gouverneur muß gewichtige Gründe gehabt haben, daß er diesen Schritt gethan.</p>
          <p><hi rendition="#g">Zöpfl:</hi> Die Abneigung gegen den Reichstag nimmt im Publikum täglich zu, wir müssen uns daher einmal zeigen. (Wie muthig!)</p>
          <p><hi rendition="#g">Schuselka,</hi> des Reichstags hochprivilegirter Esel: Ich bedaure die Wendung der Debatte; es handelt sich ja nur um die Sache, nicht um Persönlichkeiten; wir haben nur dafür zu sorgen, daß die nöthige Anzahl von Abgeordneten hier sei. Von diesem Standpunkte aus, nicht aber vom persönlichen wollen wir dem Herrn Gouverneur blos <hi rendition="#g">antworten,</hi> wir wollen ihm keine Proskriptionsliste schicken. &#x2012; (Wie verlautet, sollen die Herrn des permanenten Auschusses mit dem Gelde und mit den Versprechungen der Kamarilla sämmtlich erkauft sein. Die Sache ist sehr wahrscheinlich.) &#x2012; Die Abstimmung soll geschehen, aber es zeigt sich, daß nur 183 Abgeordnete anwesend sind, der Reichstag also nicht beschlußfähig (193) ist. Unterbrechung. Die Abgeordneten werden herbeigeholt.</p>
          <p><hi rendition="#g">Einer:</hi> Der Abgeordnete Beck hat viele beredet, hinwegzugehen. (Aufregung, Zischen.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Schuselka,</hi> unterdessen fortfahrend: Ueber das Ankommen oder Nichtankommen der Ungarn werden durch Plakate verschiedene Gerüchte verbreitet. &#x2012; Für uns war es eine Unmöglichkeit, die Ungarn zur Herkunft aufzufordern, der Reichstag hatte dazu nicht die legale Gewalt. Wir würden im andern Falle unserm konstitutionellen Kaiser ja den Krieg erklärt haben. (Ist euer Defensivzustand denn etwas anderes, konntet ihr den Ungarn nicht wenigstens antworten, ihr Nichtswürdigen!) Wir haben genug gethan, daß wir die Adresse der Ungarn vorgetragen und dieselbe per acclamationem angenommen worden ist. Diejenigen, welche mit dem, was wir gethan, nicht zufrieden sind, wollen den Untergang Oesterreich's, unterdessen sie eine andere Macht sich friedlich entwickeln lassen; ich muß dawider protestiren.</p>
          <p>Es sind 190 Mitglieder anwesend, das Protokoll wird verlesen, kann aber erst nach einigen Worten angenommen werden. &#x2012; Darauf wird beschlossen, dem Gouverneur die Abwesenden Steiermark's anzuzeigen, ferner, daß in Beziehung der Deserteure aller Provinzen nach Ablauf der 14 Tage Neuwahl stattfinde.</p>
          <p><hi rendition="#g">Einer,</hi> davonlaufend: Wir sind nicht beschlußfähig.</p>
          <p><hi rendition="#g">Ein Anderer:</hi> Ich trage an, daß die Namen der Abgeordneten verlesen werden, damit wir erfahren, ob wir beschlußfähig sind. Es geschieht, 193 werden zusammengebracht.</p>
          <p><hi rendition="#g">Borrosch</hi> hält unter entsetzlichem Beifall eine magnetisirte Demokratenpredigt, damit der Aufruf zur Wiederkehr der Deputirten wirke.</p>
          <p><hi rendition="#g">Paul:</hi> Wir müssen noch einmal abstimmen.</p>
          <p>Pillersdorf hat sich fortgemacht, Krauß läßt sich seit 4 Sitzungen nicht mehr sehen. Jeder will, um seinen Muth zu zeigen, noch das Wort nehmen. Drunter und drüber.</p>
          <p><hi rendition="#g">Fischoff</hi> will, daß man den Abgeordneten, die entflohen, noch 10 Tage Zeit zur Rückkehr gebe, weil eine Vermittlung und Versöhnung möglich sei.</p>
          <p>Hierauf wird der Antrag Goldmarks, die Neuwahl nach Ablauf der 14tägigen Frist auszuschreiben und dies durch die Zeitungen bekannt zu machen, angenommen. Ebenso ein Zusatzantrag, daß jeder Abgeordnete sein Ausbleiben entschuldigen (d. h. demnach fortbleiben) könne. Es fällt keinem einzigen der Patrone ein, die abtrünnigen Czechen für Hochverräther zu erklären und ohne Umstände eine Neuwahl zu beantragen; es fällt überhaupt niemand ein, sich muthvoll, energisch, kurz revolutionär zu zeigen. Lauter erbärmliche, käufliche und erkaufte Gesellen der germanischen und germanisirten jüdischen Niederträchtigkeit. Zum Schlusse stellt sich heraus, daß 3 galizische Wahlbezirke durch die Hintertreibungen der Büreaukratie noch gar nicht vertreten sind.</p>
          <p>Der treffliche Muth und Geist des Ausschusses hat es nun bereits so weit gebracht, daß die Ungarn nicht kommen, obwohl ich ich ihre politische Empfindlichkeit tadele; daß auch Windischgrätz eine höchst bedeutende Truppenmacht um Wien konzentrirt hat, und daß uns am Ende nichts übrig bleiben wird, als die Waffen abzulegen, zu Kreuz zu kriechen und die Esel, Verräther und Verruchten zu verfluchen, die seit dem 6. die Bewegung geleitet haben. Die linken Deputirten aus Frankfurt haben im Frack, gelben Handschuhen und hochweiser Wäsche eine offizielle Vorstellung im Gemeinderathe durchgemacht; Blum hat eine Rede gehalten, Stifft hat eine Gegenrede gehalten. Alles wunderschön. Die Prager Zeitung brachte bisher aus der Feder der Ultra-Czechen die nichtswürdigsten Berichte über die hiesigen Vorfälle, welche ebenso allgemeine Entrüstung erregen, als die Berichte der Ober-Post-Amts- und Augsb. Allg. Zeitung. Für Geld kann man ja Alles haben, besonders in unserer Zeit, wo die Verruchtheit so viele Mitglieder zählt. Kuranda und Schütte sollen die Lieferanten der Augsburgerin sein.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar126_002" type="jArticle">
          <head>Wien, 20. Octbr.</head>
          <p>Der Kaiser hat an das mährische Volk eine Proklamation gerichtet, in welcher versichert wird, daß die Robot- und Zehentaufhebung bleibe. Diese Proklamation ist von dem Minister Wessenberg kontrasignirt.</p>
          <p>Wien ist von dem heutigen Tage an förmlich cernirt; von allen Seiten ist die Zufuhr abgeschnitten, ohne daß von irgend einer Provinz eine nachdrückliche Hülfe geboten würde. Wien ist in diesem Augenblicke ganz sich selbst überlassen und doch ist daselbst noch keine Spur von Entmuthigung zu finden. Es herrscht nur eine Spannung, mit welcher man dem Ausgange dieser Wirren entgegensieht. Man spricht von einer Proklamation, in welcher den Wienern von dem Kaiser die Bedingungen des Friedens vorgezeichnet werden; man will wissen, daß zu diesen Bedingungen: Beschränkung der Presse und Auflösung der akademischen Legion gehören.</p>
          <p>Deputationen auf Deputationen gehen nach Olmütz. Auch der Gemeinderath hat eine aus seiner Mitte mit einer Adresse abgeschickt, in welcher das Verlangen ausgesprochen wird, daß 1) Jellechich und Windischgrätz abziehen. 2) Die Truppen v. Auersperg mit Ausnahme von Nassau-Infanterie und Wrbna-Kavallerie als Garnison die Wiener Kasernen beziehen. 3) Die Nationalgarde reorganisirt werde mit Beibehaltung der mobilen Corps. 4) Der Kaiser zurückkehre und ein volksthümliches Ministerium einsetze. Dieser Deputation folgte eine andere aus Nationalgarden und Legionären bestehend, um sich mit ihr zu vereinigen. Man will legale Schritte gethan haben, bevor es zum blutigen Kampfe kommen soll. Die Proklamation an die östreichischen Völker ist gestern noch nicht fertig geworden.</p>
          <p>Eine von Windischgrätz erlassene telegraphische Depesche an das Kommando zu Prerau enthält den Befehl, daß mit allen vorkommenden Nationalgarden in derselben Weise zu verfahren sei, wie mit denen von Bielitz; daß nämlich der Führer wie der Fürst Sulkowski nach Olmütz gebracht werde und daß man die Anderen ohne Waffen ihre Heimath gehen lasse.</p>
          <p>Die Nordbahn bei Gänserndorf ist von dem Militär demolirt worden, um die Zufuhr aus Ungarn nach Wien unmöglich zu machen; wodurch die Kommunikation mit Norddeutschland bedeutend erschwert ist.</p>
          <p>Die hierhergesandten Reichskommissäre Welker und Moslè haben sich hier gar nicht aufgehalten, sondern sind sogleich nach Olmütz abgereist.</p>
          <p>Das Regiment Baden aus Oberöstreichern bestehend, welches gegen Wien beordert war, hat auf halbem Wege mit sammt seinen Offizieren rechtsum gemacht, indem es erklärte, daß es wohl bereit sei für Wien, aber nicht gegen dasselbe zu kämpfen. General Hammerstein soll mit 10,000 Mann k. k. Militärs von Galizien aus in Ungarn eingefallen sein.</p>
          <p>In Mailand herrscht große Aufregung. Im Scala-Theater soll ein Streit zwischen Volk und Militär ausgebrochen sein. Der Waffenstillstand endet am 23. d. Mts. und an diesem Tage erwartet man einen Angriff der Piemontesen.</p>
          <p>Das Zeughaus von Prag wurde keineswegs gestürmt, sondern von dem Volke bloß benutzt, um sich zu bewaffnen. In Prag soll die Sympathie für Wien immer mehr und mehr zum Durchbruch kommen, so daß die entronnenen ultra-czechischen Deputirten sehr viele Gegner daselbst bekommen haben.</p>
          <bibl>(Privat-Telegraph.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar126_003" type="jArticle">
          <head>Wien.</head>
          <p>Die &#x201E;Neue Preußische Zeitung&#x201C; (Landwehrkreuz-Zeitung) bringt großgedruckt folgende Nachricht:</p>
          <p><hi rendition="#g">Berlin,</hi> 23. Oktbr. An der Börse hatte man heute von zuverlässiger Quelle die Nachricht, daß Wessenberg als Premierminister den Reichstag aufgelöst, das Proletariat geplündert, die Rechte sich unter den Schutz des englischen und russischen Gesandten gestellt, die Linke geflohen und Windischgrätz als k. k. Generalissimus ohne Schwert in Wien eingerückt sei. Die fliegenden Korps und die Aula sind entwaffnet.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar126_004" type="jArticle">
          <head>Prag, 21. Oktober.</head>
          <p>Zwei Manifeste des Kaisers aus Olmütz vom 16. und 19. Okt. liegen vor uns. Der Form nach sind sie zwar konstitutionell, sie sind vom Minister Wessenberg contrasignirt, allein ihr Inhalt ist so betrübend, daß wir vorgezogen hätten, sie wären ohne Contrasignatur erlassen worden. In dem einen vom 16. Okt. spricht der Monarch von gesetzlicher Regelung der bisher mit zügellosem Mißbrauche gehandhabten Presse, des Vereinsrechts und der Volkswehr. In dem andern heißt es: Es ist unser unveränderlicher Wille, daß die unsern Völkrrn gewährten Rechte und Freiheiten in ihrer ganzen Ausdehnung ungeschmälert bleiben. Wer den Styl, in dem solche Manifeste geschrieben sind, kennt, weiß, was gesetzliche Regelung im Munde der Kamarilla bedeutet. Wie mir aus zuverlässiger Quelle bekannt ist, wollte man auch die Auflösung des Reichstags aussprechen, allein nicht wie die hiesigen Blätter melden, Dr. Brauner, sondern Graf Woyna, war es, der dem Kaiser die schrecklichen Folgen davon vorstellte. Schwer wäre es zu schildern, wie das Manifest hier aufgenommen wurde. Die gesinnungslosen Deutschen, leider ist deren Anzahl hier unendlich groß, freuten sich, daß es doch nun endlich einmal Ruhe werden wird. Die Czechen jubelten, daß die Wiener endlich mit Strenge angegriffen, und daß das, doch etwas deutsche, Ministerium durch ein czechenfreundliches ersetzt werde. So ist die Stimmung der hiesigen Bevölkerung. Was aber wird der wahrscheinliche Ausgang sein? Die Absicht der Regierung ist, Wien durch Hunger zur Uebergabe zu zwingen; dies wird ihr längstens binnen 14 Tagen gelingen. Dann wird Wien in Belagerungszustand erklärt, Windisch-Grätz zum Civil- und Militärgouverneur ernannt, die demokratischen Journale werden unterdrückt, die akademische Legion entwaffnet, die Nationalgarde ausgemustert, das Assoeiationsrecht suspendirt. Während dessen wird der Reichstag nach Linz oder Olmütz verlegt und die Verfassung beendet.</p>
          <bibl>(A. D. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar126_005" type="jArticle">
          <head>Prag, 20. Okt.</head>
          <p>Reisende, welche Wien durch die Taborlinie verlassen, werden außerhalb derselben von Nationalgarden untersucht; wer keinen Geleitschein hat, wird zurückgewiesen; die Waffen werden abgenommen. Die ärarische Taborbrücke ist auf keine Art gesperrt. Auf der Eisenbahnbrücke sind die Schienen nicht abgerissen, sondern sie ist verbarrikadirt, so daß kein Train passiren kann. Der Bahnhof ist von Nationalgarden besetzt, ebenso die Station Floridsdorf. Zwischen Floridsdorf und Wagram, dann bei Gänserndorf, sind von dem dort stationirten Militär einige Bahnschienen ausgehoben, um die Trains sicher aufzuhalten. Der Postzug vom 19. Okt. wurde vom Militär durchsucht, und einige Personen, darunter ein Student, zurückbehalten. Die vorgefundenen Waffen wurden abgenommen. Von nun an soll zwischen Wien und Gänserndorf kein Train mehr verkehren. Der größte Theil der Nordbahn und die Bahnhöfe sind vom Militär besetzt. An Lebensmitteln ist in Wien noch kein Mangel. Alles ist zum kräftigsten Widerstande vorbereitet, und die Erbitterung nimmt wo möglich noch immer zu.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar126_006" type="jArticle">
          <head>Prag, 19. Oktbr.</head>
          <p>Gestern ist in der Sitzung des politischen Senats der Antrag auf Einberufung des böhmischen Landtags gemacht worden. Es ist dies jedenfalls eine höchst wichtige Maßnahme, denn es soll eventualiter der Provinziallandtag die Beschlüsse des Reichstages für Böhmen aufheben. &#x2012; Windischgrätz hat sich eine Feldpresse nachschicken lassen.</p>
          <bibl>(A. D. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar126_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 23. Okt.</head>
          <p>Sitzung der Vereinbarer-Versammlung.</p>
          <p>Tagesordnung: Fortsetzung der Berathung des ersten Titels der Verfassungsurkunde.</p>
          <p>Minister <hi rendition="#g">Eichmann:</hi> Die Debatte ist in der letzten Sitzung so weit gediehen, daß es Pflicht der Regierung ist, ihre Ansichten auch mitzutheilen. Wir müssen zuerst den Beschlüssen der Frankfurter Versammlung uns anschließen, aber auch unsere Verhältnisse zum Großherzogthum Posen im Auge haben. Es handelt sich bei dieser Angelegenheit um keine Staatsgeheimnisse. Die Verträge und Zusicherungen von 1815 liegen offen da. Wir können aber nicht bei 1815 stehen bleiben, wir müssen die Zusicherungen dieses Jahres sowohl an die deutsche als an die polnische Bevölkerung in der Provinz Posen berücksichtigen. Die Aufnahme eines Theils der Provinz in den deutschen Bund ist ein völkerrechtlicher Akt. Ich erinnere Sie nun, daß gerade in diesem Augenblicke in Frankfurt über die Rechte der fremden Nationalitäten in Deutschland verhandelt wird. Sie können die dortigen Verhandlungen nicht ignoriren. Um nun allen Widerspruch zu vermeiden, kann Ihnen die Regierung nichts besseres vorschlagen, als die Annahme des ursprünglichen Entwurfs, verbessert durch das Amendement Auerswald.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Hartmann:</hi> Das alte Unrecht, was den Polen geschehen ist, wäre schon längst gesühnt. Preußen hätte dies Unrecht nicht mehr gut zu machen, denn es hat die Provinz Posen in einem gerechten Kriege mit dem Großherzogthum Warschau erobert. Man sagt, es wären den Bewohnern der Provinz Posen, die Versprechungen von 1815 nicht erfüllt worden? Es ist unsere Pflicht, die Bewohner deutscher Nationalität in der Provinz Posen gegen die Unterdrückung der Fremden zu schützen Da wir nur eine Verfassung für Preußen, für Deutsche vereinbaren wollen, so müssen die Polen davon ausgeschlossen werden, und ich erkläre mich demnach gegen das Amendement Philipps.</p>
          <p>Abg. <hi rendition="#g">Plönnies</hi> erklärt sich für das Amendement Auerswald. Der Kommissionsenwurf habe den Regierungsentwurf abgeändert. Das Amendement sucht nun den letzteren wieder herzustellen. Die Frage, die wir hier besprechen, fällt vollkommen zusammen mit der deutschen Frage. In Frankfurt hat man das Gebiet des deutschen Reichs festgestellt. Die Trennung in der Provinz Posen bliebe noch einer spätern Festsetzung vorbehalten. Wir
</p>
        </div>
      </div>
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</TEI>
[0633/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 126. Köln, Donnerstag den 26. Oktober. 1848. Uebersicht. Deutschland. Wien. (Der Reichstagsverrath. ‒ Vermischtes. ‒ Eine Neuigkeit der „Neuen Pr. Ztg.“) Prag. (Die zwei Manifeste des Kaisers. ‒ Die Reaktionäre in Prag. ‒ Reiseschwierigkeiten von Wien aus. ‒ Einberufung des böhmischen Provinziallandtags.) Berlin. (Vereinbarersitzung. ‒ Das Ministerium. ‒ Die Vorfälle in Elbing. ‒ Bodelschwingh Vereinbarer.) Birnbaum. (Pfuel, Vereinbarer.) Dortmund. (Westphalens Vertreter.) Minden. (Militärisches.) Bielefeld. (Volksversammlung.) Koblenz. (Mißtrauensadresse gegen Schlink.) Frankfurt. (Nationalversammlung.) Aus dem deutschen Reiche. (Reichstruppen.) Ungarn. Pesth. (Ungarns Kampf mit Oestreich in Rußland. ‒ Simonich. ‒ Nachrichten vom Banater Kriegsschauplatz. ‒ Der walachische Aufstand in Siebenbürgen unterdrückt Italien. Turin. (Bevorstehender Ministerwechsel. ‒ Meinung der „Concordia“ über Karl Albert. ‒ Kriegsluft. ‒ Aufstand zu Como. Französische Republik. Paris. (Sociale Casus. ‒ Eine Adresse an Lamartine. ‒ Vermischtes. ‒ Nationalversammlung. Großbritannien. London. (Thoros Grey . ‒ Rothschild Pabst in spe.) Dublin. (Meagher verurtheilt.) Liverpoole. (Die „Amerika“ angekommen.) Durham. (Dr. Walleckey Türkei. Konstantinopel. (Cholera.) Deutschland. 61 Wien, 19. Oktober. Reichstagssitzung. Eröffnung 2 Uhr unter Smolka's Prasidium. Schuselka steht auf der Tribüne und verlies't eine an den Ausschuß gerichtete Eingabe des Grafen Wickenburg, Gouverneurs von Steiermark, in welcher diese Provinz, die den Herrn Grafen, der zu den höchst schwarz-gelben Tory's gehört und daher zu diesem Schritte gewiß genöthigt worden ist, verlangt, daß der Reichstag ihr alle seit dem 6. Oktober entflohenen steier'schen Abgeordneten namhaft mache. (Bravo.) Umlauft, früher Polizeispion Metternich's, jetzt linker Demokrat, will, daß man noch 3 Tage abwarte, weil die Deserteure wieder eintreffen könnten. Popiel: Man mache die Namen aller derer bekannt, die sich am 7. Oktober zur Reichstagskasse gedrängt haben, um Reisegeld zu erhalten. (Beifall der Galerien.) Smereker: Ich trete dem Antrage bei, selbst wenn er auch den Anschein einer Proskription hätte. Potocki sucht auszuführen, daß der Antrag gegen die Würde der Versammlung verstoße, indem man nicht wissen könne, welche Gründe die Abwesenden bewogen, sich zu entfernen. Am 7. Oktober seien ihnen 14 Tage zur Rückkehr bestimmt worden, die man, da sie erst am 22. abliefen, auch einhalten müsse. Königshofer: Wir müssen auch die hier Anwesenden namhaft machen. Demel: Wir müssen, da es noch nicht geschehen, den Beschluß fassen, daß nach den 14 Tagen eine Neuwahl stattfinde. Ein Abgeordneter: Viele Abgeordnete halten sich in Schlupfwinkeln verborgen, während ihre Komittenten glauben, sie seien unter uns. Ein Anderer: Das Loos der Monarchie steht auf dem Spiele, und der Gouverneur muß gewichtige Gründe gehabt haben, daß er diesen Schritt gethan. Zöpfl: Die Abneigung gegen den Reichstag nimmt im Publikum täglich zu, wir müssen uns daher einmal zeigen. (Wie muthig!) Schuselka, des Reichstags hochprivilegirter Esel: Ich bedaure die Wendung der Debatte; es handelt sich ja nur um die Sache, nicht um Persönlichkeiten; wir haben nur dafür zu sorgen, daß die nöthige Anzahl von Abgeordneten hier sei. Von diesem Standpunkte aus, nicht aber vom persönlichen wollen wir dem Herrn Gouverneur blos antworten, wir wollen ihm keine Proskriptionsliste schicken. ‒ (Wie verlautet, sollen die Herrn des permanenten Auschusses mit dem Gelde und mit den Versprechungen der Kamarilla sämmtlich erkauft sein. Die Sache ist sehr wahrscheinlich.) ‒ Die Abstimmung soll geschehen, aber es zeigt sich, daß nur 183 Abgeordnete anwesend sind, der Reichstag also nicht beschlußfähig (193) ist. Unterbrechung. Die Abgeordneten werden herbeigeholt. Einer: Der Abgeordnete Beck hat viele beredet, hinwegzugehen. (Aufregung, Zischen.) Schuselka, unterdessen fortfahrend: Ueber das Ankommen oder Nichtankommen der Ungarn werden durch Plakate verschiedene Gerüchte verbreitet. ‒ Für uns war es eine Unmöglichkeit, die Ungarn zur Herkunft aufzufordern, der Reichstag hatte dazu nicht die legale Gewalt. Wir würden im andern Falle unserm konstitutionellen Kaiser ja den Krieg erklärt haben. (Ist euer Defensivzustand denn etwas anderes, konntet ihr den Ungarn nicht wenigstens antworten, ihr Nichtswürdigen!) Wir haben genug gethan, daß wir die Adresse der Ungarn vorgetragen und dieselbe per acclamationem angenommen worden ist. Diejenigen, welche mit dem, was wir gethan, nicht zufrieden sind, wollen den Untergang Oesterreich's, unterdessen sie eine andere Macht sich friedlich entwickeln lassen; ich muß dawider protestiren. Es sind 190 Mitglieder anwesend, das Protokoll wird verlesen, kann aber erst nach einigen Worten angenommen werden. ‒ Darauf wird beschlossen, dem Gouverneur die Abwesenden Steiermark's anzuzeigen, ferner, daß in Beziehung der Deserteure aller Provinzen nach Ablauf der 14 Tage Neuwahl stattfinde. Einer, davonlaufend: Wir sind nicht beschlußfähig. Ein Anderer: Ich trage an, daß die Namen der Abgeordneten verlesen werden, damit wir erfahren, ob wir beschlußfähig sind. Es geschieht, 193 werden zusammengebracht. Borrosch hält unter entsetzlichem Beifall eine magnetisirte Demokratenpredigt, damit der Aufruf zur Wiederkehr der Deputirten wirke. Paul: Wir müssen noch einmal abstimmen. Pillersdorf hat sich fortgemacht, Krauß läßt sich seit 4 Sitzungen nicht mehr sehen. Jeder will, um seinen Muth zu zeigen, noch das Wort nehmen. Drunter und drüber. Fischoff will, daß man den Abgeordneten, die entflohen, noch 10 Tage Zeit zur Rückkehr gebe, weil eine Vermittlung und Versöhnung möglich sei. Hierauf wird der Antrag Goldmarks, die Neuwahl nach Ablauf der 14tägigen Frist auszuschreiben und dies durch die Zeitungen bekannt zu machen, angenommen. Ebenso ein Zusatzantrag, daß jeder Abgeordnete sein Ausbleiben entschuldigen (d. h. demnach fortbleiben) könne. Es fällt keinem einzigen der Patrone ein, die abtrünnigen Czechen für Hochverräther zu erklären und ohne Umstände eine Neuwahl zu beantragen; es fällt überhaupt niemand ein, sich muthvoll, energisch, kurz revolutionär zu zeigen. Lauter erbärmliche, käufliche und erkaufte Gesellen der germanischen und germanisirten jüdischen Niederträchtigkeit. Zum Schlusse stellt sich heraus, daß 3 galizische Wahlbezirke durch die Hintertreibungen der Büreaukratie noch gar nicht vertreten sind. Der treffliche Muth und Geist des Ausschusses hat es nun bereits so weit gebracht, daß die Ungarn nicht kommen, obwohl ich ich ihre politische Empfindlichkeit tadele; daß auch Windischgrätz eine höchst bedeutende Truppenmacht um Wien konzentrirt hat, und daß uns am Ende nichts übrig bleiben wird, als die Waffen abzulegen, zu Kreuz zu kriechen und die Esel, Verräther und Verruchten zu verfluchen, die seit dem 6. die Bewegung geleitet haben. Die linken Deputirten aus Frankfurt haben im Frack, gelben Handschuhen und hochweiser Wäsche eine offizielle Vorstellung im Gemeinderathe durchgemacht; Blum hat eine Rede gehalten, Stifft hat eine Gegenrede gehalten. Alles wunderschön. Die Prager Zeitung brachte bisher aus der Feder der Ultra-Czechen die nichtswürdigsten Berichte über die hiesigen Vorfälle, welche ebenso allgemeine Entrüstung erregen, als die Berichte der Ober-Post-Amts- und Augsb. Allg. Zeitung. Für Geld kann man ja Alles haben, besonders in unserer Zeit, wo die Verruchtheit so viele Mitglieder zählt. Kuranda und Schütte sollen die Lieferanten der Augsburgerin sein. Wien, 20. Octbr. Der Kaiser hat an das mährische Volk eine Proklamation gerichtet, in welcher versichert wird, daß die Robot- und Zehentaufhebung bleibe. Diese Proklamation ist von dem Minister Wessenberg kontrasignirt. Wien ist von dem heutigen Tage an förmlich cernirt; von allen Seiten ist die Zufuhr abgeschnitten, ohne daß von irgend einer Provinz eine nachdrückliche Hülfe geboten würde. Wien ist in diesem Augenblicke ganz sich selbst überlassen und doch ist daselbst noch keine Spur von Entmuthigung zu finden. Es herrscht nur eine Spannung, mit welcher man dem Ausgange dieser Wirren entgegensieht. Man spricht von einer Proklamation, in welcher den Wienern von dem Kaiser die Bedingungen des Friedens vorgezeichnet werden; man will wissen, daß zu diesen Bedingungen: Beschränkung der Presse und Auflösung der akademischen Legion gehören. Deputationen auf Deputationen gehen nach Olmütz. Auch der Gemeinderath hat eine aus seiner Mitte mit einer Adresse abgeschickt, in welcher das Verlangen ausgesprochen wird, daß 1) Jellechich und Windischgrätz abziehen. 2) Die Truppen v. Auersperg mit Ausnahme von Nassau-Infanterie und Wrbna-Kavallerie als Garnison die Wiener Kasernen beziehen. 3) Die Nationalgarde reorganisirt werde mit Beibehaltung der mobilen Corps. 4) Der Kaiser zurückkehre und ein volksthümliches Ministerium einsetze. Dieser Deputation folgte eine andere aus Nationalgarden und Legionären bestehend, um sich mit ihr zu vereinigen. Man will legale Schritte gethan haben, bevor es zum blutigen Kampfe kommen soll. Die Proklamation an die östreichischen Völker ist gestern noch nicht fertig geworden. Eine von Windischgrätz erlassene telegraphische Depesche an das Kommando zu Prerau enthält den Befehl, daß mit allen vorkommenden Nationalgarden in derselben Weise zu verfahren sei, wie mit denen von Bielitz; daß nämlich der Führer wie der Fürst Sulkowski nach Olmütz gebracht werde und daß man die Anderen ohne Waffen ihre Heimath gehen lasse. Die Nordbahn bei Gänserndorf ist von dem Militär demolirt worden, um die Zufuhr aus Ungarn nach Wien unmöglich zu machen; wodurch die Kommunikation mit Norddeutschland bedeutend erschwert ist. Die hierhergesandten Reichskommissäre Welker und Moslè haben sich hier gar nicht aufgehalten, sondern sind sogleich nach Olmütz abgereist. Das Regiment Baden aus Oberöstreichern bestehend, welches gegen Wien beordert war, hat auf halbem Wege mit sammt seinen Offizieren rechtsum gemacht, indem es erklärte, daß es wohl bereit sei für Wien, aber nicht gegen dasselbe zu kämpfen. General Hammerstein soll mit 10,000 Mann k. k. Militärs von Galizien aus in Ungarn eingefallen sein. In Mailand herrscht große Aufregung. Im Scala-Theater soll ein Streit zwischen Volk und Militär ausgebrochen sein. Der Waffenstillstand endet am 23. d. Mts. und an diesem Tage erwartet man einen Angriff der Piemontesen. Das Zeughaus von Prag wurde keineswegs gestürmt, sondern von dem Volke bloß benutzt, um sich zu bewaffnen. In Prag soll die Sympathie für Wien immer mehr und mehr zum Durchbruch kommen, so daß die entronnenen ultra-czechischen Deputirten sehr viele Gegner daselbst bekommen haben. (Privat-Telegraph.) Wien. Die „Neue Preußische Zeitung“ (Landwehrkreuz-Zeitung) bringt großgedruckt folgende Nachricht: Berlin, 23. Oktbr. An der Börse hatte man heute von zuverlässiger Quelle die Nachricht, daß Wessenberg als Premierminister den Reichstag aufgelöst, das Proletariat geplündert, die Rechte sich unter den Schutz des englischen und russischen Gesandten gestellt, die Linke geflohen und Windischgrätz als k. k. Generalissimus ohne Schwert in Wien eingerückt sei. Die fliegenden Korps und die Aula sind entwaffnet. Prag, 21. Oktober. Zwei Manifeste des Kaisers aus Olmütz vom 16. und 19. Okt. liegen vor uns. Der Form nach sind sie zwar konstitutionell, sie sind vom Minister Wessenberg contrasignirt, allein ihr Inhalt ist so betrübend, daß wir vorgezogen hätten, sie wären ohne Contrasignatur erlassen worden. In dem einen vom 16. Okt. spricht der Monarch von gesetzlicher Regelung der bisher mit zügellosem Mißbrauche gehandhabten Presse, des Vereinsrechts und der Volkswehr. In dem andern heißt es: Es ist unser unveränderlicher Wille, daß die unsern Völkrrn gewährten Rechte und Freiheiten in ihrer ganzen Ausdehnung ungeschmälert bleiben. Wer den Styl, in dem solche Manifeste geschrieben sind, kennt, weiß, was gesetzliche Regelung im Munde der Kamarilla bedeutet. Wie mir aus zuverlässiger Quelle bekannt ist, wollte man auch die Auflösung des Reichstags aussprechen, allein nicht wie die hiesigen Blätter melden, Dr. Brauner, sondern Graf Woyna, war es, der dem Kaiser die schrecklichen Folgen davon vorstellte. Schwer wäre es zu schildern, wie das Manifest hier aufgenommen wurde. Die gesinnungslosen Deutschen, leider ist deren Anzahl hier unendlich groß, freuten sich, daß es doch nun endlich einmal Ruhe werden wird. Die Czechen jubelten, daß die Wiener endlich mit Strenge angegriffen, und daß das, doch etwas deutsche, Ministerium durch ein czechenfreundliches ersetzt werde. So ist die Stimmung der hiesigen Bevölkerung. Was aber wird der wahrscheinliche Ausgang sein? Die Absicht der Regierung ist, Wien durch Hunger zur Uebergabe zu zwingen; dies wird ihr längstens binnen 14 Tagen gelingen. Dann wird Wien in Belagerungszustand erklärt, Windisch-Grätz zum Civil- und Militärgouverneur ernannt, die demokratischen Journale werden unterdrückt, die akademische Legion entwaffnet, die Nationalgarde ausgemustert, das Assoeiationsrecht suspendirt. Während dessen wird der Reichstag nach Linz oder Olmütz verlegt und die Verfassung beendet. (A. D. Z.) Prag, 20. Okt. Reisende, welche Wien durch die Taborlinie verlassen, werden außerhalb derselben von Nationalgarden untersucht; wer keinen Geleitschein hat, wird zurückgewiesen; die Waffen werden abgenommen. Die ärarische Taborbrücke ist auf keine Art gesperrt. Auf der Eisenbahnbrücke sind die Schienen nicht abgerissen, sondern sie ist verbarrikadirt, so daß kein Train passiren kann. Der Bahnhof ist von Nationalgarden besetzt, ebenso die Station Floridsdorf. Zwischen Floridsdorf und Wagram, dann bei Gänserndorf, sind von dem dort stationirten Militär einige Bahnschienen ausgehoben, um die Trains sicher aufzuhalten. Der Postzug vom 19. Okt. wurde vom Militär durchsucht, und einige Personen, darunter ein Student, zurückbehalten. Die vorgefundenen Waffen wurden abgenommen. Von nun an soll zwischen Wien und Gänserndorf kein Train mehr verkehren. Der größte Theil der Nordbahn und die Bahnhöfe sind vom Militär besetzt. An Lebensmitteln ist in Wien noch kein Mangel. Alles ist zum kräftigsten Widerstande vorbereitet, und die Erbitterung nimmt wo möglich noch immer zu. Prag, 19. Oktbr. Gestern ist in der Sitzung des politischen Senats der Antrag auf Einberufung des böhmischen Landtags gemacht worden. Es ist dies jedenfalls eine höchst wichtige Maßnahme, denn es soll eventualiter der Provinziallandtag die Beschlüsse des Reichstages für Böhmen aufheben. ‒ Windischgrätz hat sich eine Feldpresse nachschicken lassen. (A. D. Z.) 103 Berlin, 23. Okt. Sitzung der Vereinbarer-Versammlung. Tagesordnung: Fortsetzung der Berathung des ersten Titels der Verfassungsurkunde. Minister Eichmann: Die Debatte ist in der letzten Sitzung so weit gediehen, daß es Pflicht der Regierung ist, ihre Ansichten auch mitzutheilen. Wir müssen zuerst den Beschlüssen der Frankfurter Versammlung uns anschließen, aber auch unsere Verhältnisse zum Großherzogthum Posen im Auge haben. Es handelt sich bei dieser Angelegenheit um keine Staatsgeheimnisse. Die Verträge und Zusicherungen von 1815 liegen offen da. Wir können aber nicht bei 1815 stehen bleiben, wir müssen die Zusicherungen dieses Jahres sowohl an die deutsche als an die polnische Bevölkerung in der Provinz Posen berücksichtigen. Die Aufnahme eines Theils der Provinz in den deutschen Bund ist ein völkerrechtlicher Akt. Ich erinnere Sie nun, daß gerade in diesem Augenblicke in Frankfurt über die Rechte der fremden Nationalitäten in Deutschland verhandelt wird. Sie können die dortigen Verhandlungen nicht ignoriren. Um nun allen Widerspruch zu vermeiden, kann Ihnen die Regierung nichts besseres vorschlagen, als die Annahme des ursprünglichen Entwurfs, verbessert durch das Amendement Auerswald. Abg. Hartmann: Das alte Unrecht, was den Polen geschehen ist, wäre schon längst gesühnt. Preußen hätte dies Unrecht nicht mehr gut zu machen, denn es hat die Provinz Posen in einem gerechten Kriege mit dem Großherzogthum Warschau erobert. Man sagt, es wären den Bewohnern der Provinz Posen, die Versprechungen von 1815 nicht erfüllt worden? Es ist unsere Pflicht, die Bewohner deutscher Nationalität in der Provinz Posen gegen die Unterdrückung der Fremden zu schützen Da wir nur eine Verfassung für Preußen, für Deutsche vereinbaren wollen, so müssen die Polen davon ausgeschlossen werden, und ich erkläre mich demnach gegen das Amendement Philipps. Abg. Plönnies erklärt sich für das Amendement Auerswald. Der Kommissionsenwurf habe den Regierungsentwurf abgeändert. Das Amendement sucht nun den letzteren wieder herzustellen. Die Frage, die wir hier besprechen, fällt vollkommen zusammen mit der deutschen Frage. In Frankfurt hat man das Gebiet des deutschen Reichs festgestellt. Die Trennung in der Provinz Posen bliebe noch einer spätern Festsetzung vorbehalten. Wir

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 126. Köln, 26. Oktober 1848, S. 0633. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz126_1848/1>, abgerufen am 10.10.2024.