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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 143. Köln, 15. November 1848.

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** Bern, 9. Nov.
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Bern, 11. Novbr.

Antwort des h. Vororts auf die Note der deutschen Centralgewalt.

Die Erwiederung auf die vorörtliche Note vom 5. vorigen Monats, welche Eure Exzellenz im Namen der provisorischen Centralgewalt für Deutschland an den schweizerischen Vorort bereits unterm 23. Oktbr. abhin[unleserliches Material]zu richten im Fall gewesen waren, ist durch den Hrn. Legationsrath v. Neuwall am 2. d. M. Nachmittags abgegeben worden, weßhalb die Antwort darauf, um die sonst der eidgen. Vorort nicht verlegen sein konnte, erst heute mit Gegenwärtigem erfolgt.

Nach den unumwundenen und loyalen Eröffnungen, welche bereits auf die frühere Note Eurer Exzellenz von Seite der schweizerischen Eidgenossenschaft abgegeben worden waren, mußte der eidg. Vorort in der Erwartung stehen, es würden dieselben geeignet gewesen sein, Vorurtheile aufzuklären, und im Wesentlichen zu beruhigen. Er durfte sich dessen nicht versehen, daß seine Note in Paraphrasen dazu ausgebeutet würde, längst widerlegte Vorwürfe zu erneuern und in verletzendster Sprache neue Anschuldigungen herzuführen. Hat sich der eidg. Vorort in seinen Erwartungen getäuscht gesehen, so liegt es dermalen vollkommen in seiner Stellung, auf die vorliegende Erwiederungsnote nur in wenigen allgemeinen Zügen zurückzukommen, indem es nachgerade klar ist, daß man auf seine Auseinandersetzung nicht näher eingehen will, sondern auf der Anschauungsweise, wie man sich dieselbe von vornherein gebildet hat, ohne weiteres zu beharren gesonnen ist. Der eidg. Vorort hätte zwar Grund und Ursache genug, auf manche Kränkungen hinzuweisen, welche abermals in so hohem Maße in der Erwiederungsnote gegen die Schweiz angehäuft sind. Es fühlt sich derselbe jedoch erhaben über den vorherrschend verletzenden Ton in derselben, und auch er hat die bestimmte Ueberzeugung gewonnen, daß der Wechsel bitterer Worte zu keinem Ziele führen kann, und daß, wenn ein gedeihliches Resultat gewonnen werden solle, man sich auf bestimmte Thatsachen zu beschränken habe; während er hinwieder gegen die Art und Weise, wie der Gedankengang in seiner Note vom 5. v. M. in der neuerlichen Depesche wieder gegeben und bis zur Unkenntlichkeit entstellt wird, Angesichts der schweizerischen wie der deutschen Nation auf das bestimmteste sich verwahrt.

Wenn Eure Excellenz sich veranlaßt fanden, die Behauptung aufzustellen, daß Anklagen der Saumseligkeit, der Nachgiebigkeit, ja der Mitschuld schweizerischer Behörden an den gesetzwidrigen Thaten der Flüchtlinge in den Archiven der Schweiz Raum genug einnehmen, so muß dieses abermals als eine völlige Verkennung der Verhältnisse, und wenn nicht geradezu als eine absichtliche, doch als eine auffallende Außerachtlassung aller derjenigen Schritte bezeichnet werden, welche nach den unzweideutigsten Nachweisen der Geschichte von der schweizerischen Eidgenossenschaft gegenüber den Flüchtlingen und zur Aufrechthaltung der internationalen Verpflichtungen selbst mit großen Opfern gethan worden sind. Hingegen hat die schweizerische Eidgenossenschaft sich der nämlichen loyalen Politik von Seite ihrer Nachbarn, und namentlich von Seite gewisser Staaten, in deren Namen die deutsche Centralgewalt auftritt, sich nicht immer zu erfreuen gehabt; wenn man sich nur daran erinnern will, daß vor kaum einem Jahr eine gegen die rechtmäßige Bundesgewalt aufständige Partei durch alle möglichen Mittel, durch Geld, Waffen, Munition, selbst durch Heerführer und andere Kampfgehülfen unterstützt worden ist. Diese letztere Bemerkung wird jedoch keineswegs deßhalb vorgebracht, um das Recht der Wiedervergeltung zu beschönigen, denn die Schweiz bedarf der Beschönigung nicht, weil sie sich bewußt ist, in guten Treuen stets gehandelt zu haben; es soll damit nur der beiderseitige Rechtsboden genau festgestellt und ein unverdienter Angriff geziemend zurückgewiesen werden.

Der eidgenössische Vorort hat in seiner frühern Denkschrift den unzweideutigen Willen ausgesprochen und bethätigt, nach Maßgabe seiner Kompetenz überall da einzuschreiten, wo von Seite einer schweizerischen Kantonalregierung eine Verabsäumniß des Völkerrechts, eine Convenienz gegen ruhestörisches Treiben der Flüchtlinge zu Tage getreten sein sollte; er hat dagegen aber auch die Zumuthung abgelehnt und ablehnen müssen, auf bloß allgemeine Gerüchte hin gegen Regierungen einzuschreiten, deren ehrenhafter Charakter über allen Zweifel erhaben ist und die in einem entgegengesetzten Verfahren mit Recht eine Beleidigung ihrer Würde hätten erblicken müssen. Der eidgenössische Vorort darf es mit Zuversicht dem öffentlichen Urtheile anheimstellen, ob er zu weit gegangen, wenn er zu Begründung der so schweren Anklagen nähere Nachweisungen verlangen zu sollen geglaubt hat, und ob es die Würde des großen Deutschlands verletzt hätte, wenn die Daten, in deren Besitz man zu sein behauptet, wirklich auch angegeben worden wären. Statt hierauf sich einzulassen, wiederholt die Erwiederungsnote lediglich nur die früheren ganz vagen und in ihrer Unstatthaftigkeit nachgewiesenen Klagen mit dem Beifügen, daß ein kontradiktorisches Verfahren zwischen Regierungen über weltkundige Dinge nicht in der Sitte der Völker liege. Es soll hier gar nicht in Abrede gestellt werden, daß die Flüchtlinge in Muttenz Besuche erhalten haben; im Gegentheil wird als bestimmt angenommen, daß unter jenen Wallfahrern, wie Eurer Exzellenz Note sie zu nennen beliebt, sich Koryphäen der ersten deutschen Kammern und selbst Mitglieder der deutschen Nationalversammlung befunden haben, denen der Eintritt auf das Schweizergebiet ohne Beeinträchtigung der nachbarlichen Gastfreundschaft nicht hätte versagt werden können; es ist aber auch Thatsache, daß diese Besuche demjenigen Leiter des ersten badischen Aufstandes gegolten haben, welcher vor einer zweiten Schilderhebung mit aller Entschiedenheit abgemahnt und jeder Mitwirkung dazu durch freiwillige Verbannung sich entzogen hat.

Von Rüstungen der Flüchtlinge längsder Grenze des Kantons Aargau, zum Zwecke der Invasion, kann um so weniger im Ernste die Rede sein, als es amtlich ermittelt ist, daß im Kanton Aargau zur Zeit des zweiten Aufstandes im Ganzen nur 25 Flüchtlinge sich befanden, von denen wiederum nur 10 sich zur Theilnahme an der zweiten Insurrektion im Großherzogthum Baden verleiten ließen, welche jedoch sämmtlich unbewaffnet und vereinzelt vom schweizerischen auf das badische Gebiet übergetreten sind. Seither sind die in der frühern Note bereits angedeuteten Maßregeln gegen die Flüchtlinge, so viel dem Vorort bekannt, überall genau zur Vollziehung gekommen, und es liegen hinlängliche Beweise vor, daß die Reklamationen der Großherzogl. badischen Bezirksämter bei den zuständigen schweizerischen Behörden alle Berücksichtung gefunden haben, während hingegen von den jenseitigen Stellen die verlangten konkordatsmäßigen Bedinungen selbst in der obschwebenden Angelegenheit nicht allemal erfüllt worden sind. Wie sehr es sowohl den Kantonsregierungen, als dem eidgenössischen Vorort Ernst ist, die völkerrechtlichen Verpflichtungen getreu zu erfüllen, dafür mögen die von den Gerichten des Kantons Bern gegen die Theilnehmer am ersten badischen Aufstande ausgefällten Strafurtheile, auch die im Konton Tessin zur Aufrechthaltung der Neutralität getroffenen Maßnahmen vollgültiges Zeugniß abgeben. Mit Rücksicht auf alle diese Umstände muß daher der eidgenössische Vorort die Insinnationen, als hege er eine den Nachbarstaaten und insbesondere Deutschland feindselige Tendenz, mit aller Entschiedenheit zurückweisen.

Abermals hat der eidgenössische Vorort die Ueberzeugung gewinnen müssen, daß die Quellen, aus welchen die jenseitige Note ihre Thatsachen geschöpft hat, keineswegs zu den verläßlichen gehören, sondern daß die Berichte von solchen Personen eingegeben sein müssen, welche ein Interesse daran hatten, die Schweiz und ihre Behörden in einem möglichst gehässigen Lichte darzustellen, ihre Verfahrungsweise als eine den Nachbarstaaten feindliche zu charakterisiren, die Flüchtlinge auf alle mögliche Weise zu ungesetzlichen Schritten zu provoziren, selbst von solchen Individuen, großherz. badischen Beamten, Zollwächtern, Gens'darmes u. s. w., welche in Tagen, die sie für sich unsicher glaubten, sich selbst, Weib und Kind auf das schweizerische Gebiet retteten, die nun keinen bessern Dank wissen, als in unerschöpflichen, wenn gleich haltlosen Klagen sich gegen dasjenige Land auszulassen, welches den muthlos Entflohenen s. Z. eine gefriedete Stätte bereitwillig gewährt hatte. Zum Beweise auch wie selbst da, wo vollkommene Oeffentlichkeit herrscht, die Vorkommenheiten auf eine schiefe und unrichtige Weise geschildert werden, hebt der eidgenössische Vorort in der Erwiederungsnote die Stelle hervor, in welcher dieselbe sich folgender Maßen vernehmen läßt: "Es darf hier an die Thatsache erinnert werden, daß über die deutsche Note vom 30. Juni d. J. in der Tagsatzung mehrere Wochen hindurch, bevor irgend eine Antwort erfolgte, in einem Tone verhandelt wurde, welcher zu jener Zeit einem Vertreter Deutschlands den Aufenthalt in der Schweiz unmöglich gemacht haben würde." Es ist nun aber im Gegentheil ein unwiderlegbares, aus den Akten zu erhärtendes Faktum, daß über diese fragliche Note im Schoße der hohen Tagsatzung ein einziges Mal verhandelt, und dieselbe sodann bis zur Berichterstattung durch die Kommission nicht weiter zur Sprache gekommen ist.

Am Schlusse drückt sich die Erwiderungsnote dahin aus, daß die deutsche Centralgewalt sich zu ihrem lebhaften Bedauern genöthigt gesehen, Entschließungen zu fassen, und Vorkehrungen zu treffen, deren Abwendung allein in den Händen der obersten Gewalt der Schweiz liege; sie hege aber den sehnlichsten Wunsch, jene Beschlüsse außer Kraft treten zu lassen, noch bevor ihre Folgen den Bewohnern beider Länder empfindlich sein werden, und Eure Excellenz hatten Befehl, auf der Stelle hiezu Anlaß zu geben, sobald auf das jenseitige Verlangen, welches in seinem vollen Umfange wiederholt werden müsse, eine bereitwillige und versöhnliche Antwort zugekommen sein werde.

Diese befriedigende und versöhnende Antwort glaubt der eidg. Vorort thatsächlich gegeben zu haben, theils indem er mit Bezugnahme auf seine frühere Note die erhobenen Anklagen in ihrer Unbegründetheit zurückweis't, und theils indem er auf die Garantie aufmerksam macht, welche zur Verhütung von Beunruhigung der Nachbarstaaten von sämmtlichen Regierungen mit aller Bereitwilligkeit aufgestellt worden sind.

Auch seinerseits müßte es der eidgen. Vorort lebhaft bedauern, wenn die freundschaftlichen und wohlwollenden Beziehungen, in die er zu dem neuerstandenen Deutschland zu treten hoffte, gleich von Anfang irgend gestört werden sollen, und wenn in den abgegebenen ruhigen Erklärungen nicht hinlänglicher Grund sich finden ließe, ein gutes internationales Verhältniß wiederum anzubahnen. Allein seinerseits gereicht es dem eidgen. Vorort zu hoher Beruhigung, daß nicht aus seiner Handlungsweise der Ursprung des Zerwürfnisses hergeleitet werden kann. Der eidgen. Vorort, von jeher der Einschüchterungspolitik fremd, wird auch fernerhin, so lange er noch zur Leitung der schweizerischen Angelegenheiten berufen ist, nur die Gebote der Ehre sich zur Richtschnur dienen und niemals durch andere Rücksichten von dieser seiner Lebensmaxime sich abbringen lassen.

Nach den Grundsätzen des Völkerrechtes kann die Achtung, welche eine Nation der andern schuldig ist, weder nach der geographischen Größe des Landes, noch nach der numerischen Stärke der Volksmassen bemessen werden; eine Nation ist der andern gegenüben vollkommen ebenbürtig, und jede hat auf das nämliche Maß von Rücksicht Anspruch, welches sie auch der andern angedeihen lassen soll. Die schweizerische Nation, stark durch ihren glücklich geordneten innern Staatshaushalt, wird auch fernerhin die Forderungen der Ehre und des Rechtes über augenblickliche materielle Vortheile zu setzen wissen. Sie will allfälligen Prüfungen, die über sie verhängt sein sollten, mit jenem Starkmuthe entgegen gehen, der sie schon trübere Tage ihres Ursprungs und providentieller Bestimmung würdig, hat überwinden lassen. Sollte jedoch die Schweiz durch unbillige Zumuthungen ihrerseits zu Maßregeln gezwungen werden, welche mit den Grundsätzen der Humanität im Widerspruche stehen, so müßte der eidgenössische Vorort die Verantwortung dieser beklagenswerthen Folgen von der schweizerischen Eidgenossenschaft, Mit- und Nachwelt, auf das Feierlichste ablehnen und denjenigen nach ihrer ganzen Inhaltsschwere überlassen, welche gerechten Gegenvorstellungen kein Gehör schenken zu sollen geglaubt hatten.

Der eidgen. Vorort benutzt den Anlaß etc.

Bern, den 4. November 1848.

Italien.
*

Die Insurrektion am Comersee scheint sich zu halten. Die Junta von Luino entwickelt eine ungemeine Thätigkeit. Sie läßt die Stadt befestigen und versorgt sich mit Waffen und Munition. Die Oestreicher haben sich ebenfalls in ihrer Stellung, 10 Meilen von Luino, verschanzt und scheinen die am Ufer des See's vereinigten Truppen der Insurrektion nicht angreifen zu wollen.

Die Patria vom 3. Nov. bringt eine wichtige Nachricht. Laut einem Briefe von Gazzoldo sollen sich nämlich die in Mantua liegenden Ungarn der Citadelle bemächtigt haben, indem sie die Kroaten bis San Antonio, auf die Straße Cremona zurückwarfen.

Fortwährend langen Ungarn in Alexandrien an und versichern, daß alle ihre Kameraden nur eine Gelegenheit abwarten, um ebenfalls zu desertiren. Sie sprechen die Namen Ferdinand und Radetzki nur voller Zorn aus; ihre Begeisterung für Koffuth kennt keine Grenzen. In Porto-Ferragio brach am 1. Nov. eine Bewegung los. Das Volk stand auf und bemächtigte sich der Forts, verjagte die Garnison und besetzte die Pulverthürme. In Sarignano, 11 Meilen von Turin, hatten ebenfalls blutige Auftritte statt.

Der Großherzog von Toskana hat auf den Rath des neuen Ministeriums das zu unpopulär gewordene Parlament aufgelöst; die allgemeinen Wahlen sind für den 20. Nov. festgetzt.

** Bern, 9. Nov.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Bern, 11. Novbr.

Antwort des h. Vororts auf die Note der deutschen Centralgewalt.

Die Erwiederung auf die vorörtliche Note vom 5. vorigen Monats, welche Eure Exzellenz im Namen der provisorischen Centralgewalt für Deutschland an den schweizerischen Vorort bereits unterm 23. Oktbr. abhin[unleserliches Material]zu richten im Fall gewesen waren, ist durch den Hrn. Legationsrath v. Neuwall am 2. d. M. Nachmittags abgegeben worden, weßhalb die Antwort darauf, um die sonst der eidgen. Vorort nicht verlegen sein konnte, erst heute mit Gegenwärtigem erfolgt.

Nach den unumwundenen und loyalen Eröffnungen, welche bereits auf die frühere Note Eurer Exzellenz von Seite der schweizerischen Eidgenossenschaft abgegeben worden waren, mußte der eidg. Vorort in der Erwartung stehen, es würden dieselben geeignet gewesen sein, Vorurtheile aufzuklären, und im Wesentlichen zu beruhigen. Er durfte sich dessen nicht versehen, daß seine Note in Paraphrasen dazu ausgebeutet würde, längst widerlegte Vorwürfe zu erneuern und in verletzendster Sprache neue Anschuldigungen herzuführen. Hat sich der eidg. Vorort in seinen Erwartungen getäuscht gesehen, so liegt es dermalen vollkommen in seiner Stellung, auf die vorliegende Erwiederungsnote nur in wenigen allgemeinen Zügen zurückzukommen, indem es nachgerade klar ist, daß man auf seine Auseinandersetzung nicht näher eingehen will, sondern auf der Anschauungsweise, wie man sich dieselbe von vornherein gebildet hat, ohne weiteres zu beharren gesonnen ist. Der eidg. Vorort hätte zwar Grund und Ursache genug, auf manche Kränkungen hinzuweisen, welche abermals in so hohem Maße in der Erwiederungsnote gegen die Schweiz angehäuft sind. Es fühlt sich derselbe jedoch erhaben über den vorherrschend verletzenden Ton in derselben, und auch er hat die bestimmte Ueberzeugung gewonnen, daß der Wechsel bitterer Worte zu keinem Ziele führen kann, und daß, wenn ein gedeihliches Resultat gewonnen werden solle, man sich auf bestimmte Thatsachen zu beschränken habe; während er hinwieder gegen die Art und Weise, wie der Gedankengang in seiner Note vom 5. v. M. in der neuerlichen Depesche wieder gegeben und bis zur Unkenntlichkeit entstellt wird, Angesichts der schweizerischen wie der deutschen Nation auf das bestimmteste sich verwahrt.

Wenn Eure Excellenz sich veranlaßt fanden, die Behauptung aufzustellen, daß Anklagen der Saumseligkeit, der Nachgiebigkeit, ja der Mitschuld schweizerischer Behörden an den gesetzwidrigen Thaten der Flüchtlinge in den Archiven der Schweiz Raum genug einnehmen, so muß dieses abermals als eine völlige Verkennung der Verhältnisse, und wenn nicht geradezu als eine absichtliche, doch als eine auffallende Außerachtlassung aller derjenigen Schritte bezeichnet werden, welche nach den unzweideutigsten Nachweisen der Geschichte von der schweizerischen Eidgenossenschaft gegenüber den Flüchtlingen und zur Aufrechthaltung der internationalen Verpflichtungen selbst mit großen Opfern gethan worden sind. Hingegen hat die schweizerische Eidgenossenschaft sich der nämlichen loyalen Politik von Seite ihrer Nachbarn, und namentlich von Seite gewisser Staaten, in deren Namen die deutsche Centralgewalt auftritt, sich nicht immer zu erfreuen gehabt; wenn man sich nur daran erinnern will, daß vor kaum einem Jahr eine gegen die rechtmäßige Bundesgewalt aufständige Partei durch alle möglichen Mittel, durch Geld, Waffen, Munition, selbst durch Heerführer und andere Kampfgehülfen unterstützt worden ist. Diese letztere Bemerkung wird jedoch keineswegs deßhalb vorgebracht, um das Recht der Wiedervergeltung zu beschönigen, denn die Schweiz bedarf der Beschönigung nicht, weil sie sich bewußt ist, in guten Treuen stets gehandelt zu haben; es soll damit nur der beiderseitige Rechtsboden genau festgestellt und ein unverdienter Angriff geziemend zurückgewiesen werden.

Der eidgenössische Vorort hat in seiner frühern Denkschrift den unzweideutigen Willen ausgesprochen und bethätigt, nach Maßgabe seiner Kompetenz überall da einzuschreiten, wo von Seite einer schweizerischen Kantonalregierung eine Verabsäumniß des Völkerrechts, eine Convenienz gegen ruhestörisches Treiben der Flüchtlinge zu Tage getreten sein sollte; er hat dagegen aber auch die Zumuthung abgelehnt und ablehnen müssen, auf bloß allgemeine Gerüchte hin gegen Regierungen einzuschreiten, deren ehrenhafter Charakter über allen Zweifel erhaben ist und die in einem entgegengesetzten Verfahren mit Recht eine Beleidigung ihrer Würde hätten erblicken müssen. Der eidgenössische Vorort darf es mit Zuversicht dem öffentlichen Urtheile anheimstellen, ob er zu weit gegangen, wenn er zu Begründung der so schweren Anklagen nähere Nachweisungen verlangen zu sollen geglaubt hat, und ob es die Würde des großen Deutschlands verletzt hätte, wenn die Daten, in deren Besitz man zu sein behauptet, wirklich auch angegeben worden wären. Statt hierauf sich einzulassen, wiederholt die Erwiederungsnote lediglich nur die früheren ganz vagen und in ihrer Unstatthaftigkeit nachgewiesenen Klagen mit dem Beifügen, daß ein kontradiktorisches Verfahren zwischen Regierungen über weltkundige Dinge nicht in der Sitte der Völker liege. Es soll hier gar nicht in Abrede gestellt werden, daß die Flüchtlinge in Muttenz Besuche erhalten haben; im Gegentheil wird als bestimmt angenommen, daß unter jenen Wallfahrern, wie Eurer Exzellenz Note sie zu nennen beliebt, sich Koryphäen der ersten deutschen Kammern und selbst Mitglieder der deutschen Nationalversammlung befunden haben, denen der Eintritt auf das Schweizergebiet ohne Beeinträchtigung der nachbarlichen Gastfreundschaft nicht hätte versagt werden können; es ist aber auch Thatsache, daß diese Besuche demjenigen Leiter des ersten badischen Aufstandes gegolten haben, welcher vor einer zweiten Schilderhebung mit aller Entschiedenheit abgemahnt und jeder Mitwirkung dazu durch freiwillige Verbannung sich entzogen hat.

Von Rüstungen der Flüchtlinge längsder Grenze des Kantons Aargau, zum Zwecke der Invasion, kann um so weniger im Ernste die Rede sein, als es amtlich ermittelt ist, daß im Kanton Aargau zur Zeit des zweiten Aufstandes im Ganzen nur 25 Flüchtlinge sich befanden, von denen wiederum nur 10 sich zur Theilnahme an der zweiten Insurrektion im Großherzogthum Baden verleiten ließen, welche jedoch sämmtlich unbewaffnet und vereinzelt vom schweizerischen auf das badische Gebiet übergetreten sind. Seither sind die in der frühern Note bereits angedeuteten Maßregeln gegen die Flüchtlinge, so viel dem Vorort bekannt, überall genau zur Vollziehung gekommen, und es liegen hinlängliche Beweise vor, daß die Reklamationen der Großherzogl. badischen Bezirksämter bei den zuständigen schweizerischen Behörden alle Berücksichtung gefunden haben, während hingegen von den jenseitigen Stellen die verlangten konkordatsmäßigen Bedinungen selbst in der obschwebenden Angelegenheit nicht allemal erfüllt worden sind. Wie sehr es sowohl den Kantonsregierungen, als dem eidgenössischen Vorort Ernst ist, die völkerrechtlichen Verpflichtungen getreu zu erfüllen, dafür mögen die von den Gerichten des Kantons Bern gegen die Theilnehmer am ersten badischen Aufstande ausgefällten Strafurtheile, auch die im Konton Tessin zur Aufrechthaltung der Neutralität getroffenen Maßnahmen vollgültiges Zeugniß abgeben. Mit Rücksicht auf alle diese Umstände muß daher der eidgenössische Vorort die Insinnationen, als hege er eine den Nachbarstaaten und insbesondere Deutschland feindselige Tendenz, mit aller Entschiedenheit zurückweisen.

Abermals hat der eidgenössische Vorort die Ueberzeugung gewinnen müssen, daß die Quellen, aus welchen die jenseitige Note ihre Thatsachen geschöpft hat, keineswegs zu den verläßlichen gehören, sondern daß die Berichte von solchen Personen eingegeben sein müssen, welche ein Interesse daran hatten, die Schweiz und ihre Behörden in einem möglichst gehässigen Lichte darzustellen, ihre Verfahrungsweise als eine den Nachbarstaaten feindliche zu charakterisiren, die Flüchtlinge auf alle mögliche Weise zu ungesetzlichen Schritten zu provoziren, selbst von solchen Individuen, großherz. badischen Beamten, Zollwächtern, Gens'darmes u. s. w., welche in Tagen, die sie für sich unsicher glaubten, sich selbst, Weib und Kind auf das schweizerische Gebiet retteten, die nun keinen bessern Dank wissen, als in unerschöpflichen, wenn gleich haltlosen Klagen sich gegen dasjenige Land auszulassen, welches den muthlos Entflohenen s. Z. eine gefriedete Stätte bereitwillig gewährt hatte. Zum Beweise auch wie selbst da, wo vollkommene Oeffentlichkeit herrscht, die Vorkommenheiten auf eine schiefe und unrichtige Weise geschildert werden, hebt der eidgenössische Vorort in der Erwiederungsnote die Stelle hervor, in welcher dieselbe sich folgender Maßen vernehmen läßt: „Es darf hier an die Thatsache erinnert werden, daß über die deutsche Note vom 30. Juni d. J. in der Tagsatzung mehrere Wochen hindurch, bevor irgend eine Antwort erfolgte, in einem Tone verhandelt wurde, welcher zu jener Zeit einem Vertreter Deutschlands den Aufenthalt in der Schweiz unmöglich gemacht haben würde.“ Es ist nun aber im Gegentheil ein unwiderlegbares, aus den Akten zu erhärtendes Faktum, daß über diese fragliche Note im Schoße der hohen Tagsatzung ein einziges Mal verhandelt, und dieselbe sodann bis zur Berichterstattung durch die Kommission nicht weiter zur Sprache gekommen ist.

Am Schlusse drückt sich die Erwiderungsnote dahin aus, daß die deutsche Centralgewalt sich zu ihrem lebhaften Bedauern genöthigt gesehen, Entschließungen zu fassen, und Vorkehrungen zu treffen, deren Abwendung allein in den Händen der obersten Gewalt der Schweiz liege; sie hege aber den sehnlichsten Wunsch, jene Beschlüsse außer Kraft treten zu lassen, noch bevor ihre Folgen den Bewohnern beider Länder empfindlich sein werden, und Eure Excellenz hatten Befehl, auf der Stelle hiezu Anlaß zu geben, sobald auf das jenseitige Verlangen, welches in seinem vollen Umfange wiederholt werden müsse, eine bereitwillige und versöhnliche Antwort zugekommen sein werde.

Diese befriedigende und versöhnende Antwort glaubt der eidg. Vorort thatsächlich gegeben zu haben, theils indem er mit Bezugnahme auf seine frühere Note die erhobenen Anklagen in ihrer Unbegründetheit zurückweis't, und theils indem er auf die Garantie aufmerksam macht, welche zur Verhütung von Beunruhigung der Nachbarstaaten von sämmtlichen Regierungen mit aller Bereitwilligkeit aufgestellt worden sind.

Auch seinerseits müßte es der eidgen. Vorort lebhaft bedauern, wenn die freundschaftlichen und wohlwollenden Beziehungen, in die er zu dem neuerstandenen Deutschland zu treten hoffte, gleich von Anfang irgend gestört werden sollen, und wenn in den abgegebenen ruhigen Erklärungen nicht hinlänglicher Grund sich finden ließe, ein gutes internationales Verhältniß wiederum anzubahnen. Allein seinerseits gereicht es dem eidgen. Vorort zu hoher Beruhigung, daß nicht aus seiner Handlungsweise der Ursprung des Zerwürfnisses hergeleitet werden kann. Der eidgen. Vorort, von jeher der Einschüchterungspolitik fremd, wird auch fernerhin, so lange er noch zur Leitung der schweizerischen Angelegenheiten berufen ist, nur die Gebote der Ehre sich zur Richtschnur dienen und niemals durch andere Rücksichten von dieser seiner Lebensmaxime sich abbringen lassen.

Nach den Grundsätzen des Völkerrechtes kann die Achtung, welche eine Nation der andern schuldig ist, weder nach der geographischen Größe des Landes, noch nach der numerischen Stärke der Volksmassen bemessen werden; eine Nation ist der andern gegenüben vollkommen ebenbürtig, und jede hat auf das nämliche Maß von Rücksicht Anspruch, welches sie auch der andern angedeihen lassen soll. Die schweizerische Nation, stark durch ihren glücklich geordneten innern Staatshaushalt, wird auch fernerhin die Forderungen der Ehre und des Rechtes über augenblickliche materielle Vortheile zu setzen wissen. Sie will allfälligen Prüfungen, die über sie verhängt sein sollten, mit jenem Starkmuthe entgegen gehen, der sie schon trübere Tage ihres Ursprungs und providentieller Bestimmung würdig, hat überwinden lassen. Sollte jedoch die Schweiz durch unbillige Zumuthungen ihrerseits zu Maßregeln gezwungen werden, welche mit den Grundsätzen der Humanität im Widerspruche stehen, so müßte der eidgenössische Vorort die Verantwortung dieser beklagenswerthen Folgen von der schweizerischen Eidgenossenschaft, Mit- und Nachwelt, auf das Feierlichste ablehnen und denjenigen nach ihrer ganzen Inhaltsschwere überlassen, welche gerechten Gegenvorstellungen kein Gehör schenken zu sollen geglaubt hatten.

Der eidgen. Vorort benutzt den Anlaß etc.

Bern, den 4. November 1848.

Italien.
*

Die Insurrektion am Comersee scheint sich zu halten. Die Junta von Luino entwickelt eine ungemeine Thätigkeit. Sie läßt die Stadt befestigen und versorgt sich mit Waffen und Munition. Die Oestreicher haben sich ebenfalls in ihrer Stellung, 10 Meilen von Luino, verschanzt und scheinen die am Ufer des See's vereinigten Truppen der Insurrektion nicht angreifen zu wollen.

Die Patria vom 3. Nov. bringt eine wichtige Nachricht. Laut einem Briefe von Gazzoldo sollen sich nämlich die in Mantua liegenden Ungarn der Citadelle bemächtigt haben, indem sie die Kroaten bis San Antonio, auf die Straße Cremona zurückwarfen.

Fortwährend langen Ungarn in Alexandrien an und versichern, daß alle ihre Kameraden nur eine Gelegenheit abwarten, um ebenfalls zu desertiren. Sie sprechen die Namen Ferdinand und Radetzki nur voller Zorn aus; ihre Begeisterung für Koffuth kennt keine Grenzen. In Porto-Ferragio brach am 1. Nov. eine Bewegung los. Das Volk stand auf und bemächtigte sich der Forts, verjagte die Garnison und besetzte die Pulverthürme. In Sarignano, 11 Meilen von Turin, hatten ebenfalls blutige Auftritte statt.

Der Großherzog von Toskana hat auf den Rath des neuen Ministeriums das zu unpopulär gewordene Parlament aufgelöst; die allgemeinen Wahlen sind für den 20. Nov. festgetzt.

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          <p>Nach den unumwundenen und loyalen Eröffnungen, welche bereits auf die frühere Note Eurer Exzellenz von Seite der schweizerischen Eidgenossenschaft abgegeben worden waren, mußte der eidg. Vorort in der Erwartung stehen, es würden dieselben geeignet gewesen sein, Vorurtheile aufzuklären, und im Wesentlichen zu beruhigen. Er durfte sich dessen nicht versehen, daß seine Note in Paraphrasen dazu ausgebeutet würde, längst widerlegte Vorwürfe zu erneuern und in verletzendster Sprache neue Anschuldigungen herzuführen. Hat sich der eidg. Vorort in seinen Erwartungen getäuscht gesehen, so liegt es dermalen vollkommen in seiner Stellung, auf die vorliegende Erwiederungsnote nur in wenigen allgemeinen Zügen zurückzukommen, indem es nachgerade klar ist, daß man auf seine Auseinandersetzung nicht näher eingehen will, sondern auf der Anschauungsweise, wie man sich dieselbe von vornherein gebildet hat, ohne weiteres zu beharren gesonnen ist. Der eidg. Vorort hätte zwar Grund und Ursache genug, auf manche Kränkungen hinzuweisen, welche abermals in so hohem Maße in der Erwiederungsnote gegen die Schweiz angehäuft sind. Es fühlt sich derselbe jedoch erhaben über den vorherrschend verletzenden Ton in derselben, und auch er hat die bestimmte Ueberzeugung gewonnen, daß der Wechsel bitterer Worte zu keinem Ziele führen kann, und daß, wenn ein gedeihliches Resultat gewonnen werden solle, man sich auf bestimmte Thatsachen zu beschränken habe; während er hinwieder gegen die Art und Weise, wie der Gedankengang in seiner Note vom 5. v. M. in der neuerlichen Depesche wieder gegeben und bis zur Unkenntlichkeit entstellt wird, Angesichts der schweizerischen wie der deutschen Nation auf das bestimmteste sich verwahrt.</p>
          <p>Wenn Eure Excellenz sich veranlaßt fanden, die Behauptung aufzustellen, daß Anklagen der Saumseligkeit, der Nachgiebigkeit, ja der Mitschuld schweizerischer Behörden an den gesetzwidrigen Thaten der Flüchtlinge in den Archiven der Schweiz Raum genug einnehmen, so muß dieses abermals als eine völlige Verkennung der Verhältnisse, und wenn nicht geradezu als eine absichtliche, doch als eine auffallende Außerachtlassung aller derjenigen Schritte bezeichnet werden, welche nach den unzweideutigsten Nachweisen der Geschichte von der schweizerischen Eidgenossenschaft gegenüber den Flüchtlingen und zur Aufrechthaltung der internationalen Verpflichtungen selbst mit großen Opfern gethan worden sind. Hingegen hat die schweizerische Eidgenossenschaft sich der nämlichen loyalen Politik von Seite ihrer Nachbarn, und namentlich von Seite gewisser Staaten, in deren Namen die deutsche Centralgewalt auftritt, sich nicht immer zu erfreuen gehabt; wenn man sich nur daran erinnern will, daß vor kaum einem Jahr eine gegen die rechtmäßige Bundesgewalt aufständige Partei durch alle möglichen Mittel, durch Geld, Waffen, Munition, selbst durch Heerführer und andere Kampfgehülfen unterstützt worden ist. Diese letztere Bemerkung wird jedoch keineswegs deßhalb vorgebracht, um das Recht der Wiedervergeltung zu beschönigen, denn die Schweiz bedarf der Beschönigung nicht, weil sie sich bewußt ist, in guten Treuen stets gehandelt zu haben; es soll damit nur der beiderseitige Rechtsboden genau festgestellt und ein unverdienter Angriff geziemend zurückgewiesen werden.</p>
          <p>Der eidgenössische Vorort hat in seiner frühern Denkschrift den unzweideutigen Willen ausgesprochen und bethätigt, nach Maßgabe seiner Kompetenz überall da einzuschreiten, wo von Seite einer schweizerischen Kantonalregierung eine Verabsäumniß des Völkerrechts, eine Convenienz gegen ruhestörisches Treiben der Flüchtlinge zu Tage getreten sein sollte; er hat dagegen aber auch die Zumuthung abgelehnt und ablehnen müssen, auf bloß allgemeine Gerüchte hin gegen Regierungen einzuschreiten, deren ehrenhafter Charakter über allen Zweifel erhaben ist und die in einem entgegengesetzten Verfahren mit Recht eine Beleidigung ihrer Würde hätten erblicken müssen. Der eidgenössische Vorort darf es mit Zuversicht dem öffentlichen Urtheile anheimstellen, ob er zu weit gegangen, wenn er zu Begründung der so schweren Anklagen nähere Nachweisungen verlangen zu sollen geglaubt hat, und ob es die Würde des großen Deutschlands verletzt hätte, wenn die Daten, in deren Besitz man zu sein behauptet, wirklich auch angegeben worden wären. Statt hierauf sich einzulassen, wiederholt die Erwiederungsnote lediglich nur die früheren ganz vagen und in ihrer Unstatthaftigkeit nachgewiesenen Klagen mit dem Beifügen, daß ein kontradiktorisches Verfahren zwischen Regierungen über weltkundige Dinge nicht in der Sitte der Völker liege. Es soll hier gar nicht in Abrede gestellt werden, daß die Flüchtlinge in Muttenz Besuche erhalten haben; im Gegentheil wird als bestimmt angenommen, daß unter jenen Wallfahrern, wie Eurer Exzellenz Note sie zu nennen beliebt, sich Koryphäen der ersten deutschen Kammern und selbst Mitglieder der deutschen Nationalversammlung befunden haben, denen der Eintritt auf das Schweizergebiet ohne Beeinträchtigung der nachbarlichen Gastfreundschaft nicht hätte versagt werden können; es ist aber auch Thatsache, daß diese Besuche demjenigen Leiter des ersten badischen Aufstandes gegolten haben, welcher vor einer zweiten Schilderhebung mit aller Entschiedenheit abgemahnt und jeder Mitwirkung dazu durch freiwillige Verbannung sich entzogen hat.</p>
          <p>Von Rüstungen der Flüchtlinge längsder Grenze des Kantons Aargau, zum Zwecke der Invasion, kann um so weniger im Ernste die Rede sein, als es amtlich ermittelt ist, daß im Kanton Aargau zur Zeit des zweiten Aufstandes im Ganzen nur 25 Flüchtlinge sich befanden, von denen wiederum nur 10 sich zur Theilnahme an der zweiten Insurrektion im Großherzogthum Baden verleiten ließen, welche jedoch sämmtlich unbewaffnet und vereinzelt vom schweizerischen auf das badische Gebiet übergetreten sind. Seither sind die in der frühern Note bereits angedeuteten Maßregeln gegen die Flüchtlinge, so viel dem Vorort bekannt, überall genau zur Vollziehung gekommen, und es liegen hinlängliche Beweise vor, daß die Reklamationen der Großherzogl. badischen Bezirksämter bei den zuständigen schweizerischen Behörden alle Berücksichtung gefunden haben, während hingegen von den jenseitigen Stellen die verlangten konkordatsmäßigen Bedinungen selbst in der obschwebenden Angelegenheit nicht allemal erfüllt worden sind. Wie sehr es sowohl den Kantonsregierungen, als dem eidgenössischen Vorort Ernst ist, die völkerrechtlichen Verpflichtungen getreu zu erfüllen, dafür mögen die von den Gerichten des Kantons Bern gegen die Theilnehmer am ersten badischen Aufstande ausgefällten Strafurtheile, auch die im Konton Tessin zur Aufrechthaltung der Neutralität getroffenen Maßnahmen vollgültiges Zeugniß abgeben. Mit Rücksicht auf alle diese Umstände muß daher der eidgenössische Vorort die Insinnationen, als hege er eine den Nachbarstaaten und insbesondere Deutschland feindselige Tendenz, mit aller Entschiedenheit zurückweisen.</p>
          <p>Abermals hat der eidgenössische Vorort die Ueberzeugung gewinnen müssen, daß die Quellen, aus welchen die jenseitige Note ihre Thatsachen geschöpft hat, keineswegs zu den verläßlichen gehören, sondern daß die Berichte von solchen Personen eingegeben sein müssen, welche ein Interesse daran hatten, die Schweiz und ihre Behörden in einem möglichst gehässigen Lichte darzustellen, ihre Verfahrungsweise als eine den Nachbarstaaten feindliche zu charakterisiren, die Flüchtlinge auf alle mögliche Weise zu ungesetzlichen Schritten zu provoziren, selbst von solchen Individuen, großherz. badischen Beamten, Zollwächtern, Gens'darmes u. s. w., welche in Tagen, die sie für sich unsicher glaubten, sich selbst, Weib und Kind auf das schweizerische Gebiet retteten, die nun keinen bessern Dank wissen, als in unerschöpflichen, wenn gleich haltlosen Klagen sich gegen dasjenige Land auszulassen, welches den muthlos Entflohenen s. Z. eine gefriedete Stätte bereitwillig gewährt hatte. Zum Beweise auch wie selbst da, wo vollkommene Oeffentlichkeit herrscht, die Vorkommenheiten auf eine schiefe und unrichtige Weise geschildert werden, hebt der eidgenössische Vorort in der Erwiederungsnote die Stelle hervor, in welcher dieselbe sich folgender Maßen vernehmen läßt: &#x201E;Es darf hier an die Thatsache erinnert werden, daß über die deutsche Note vom 30. Juni d. J. in der Tagsatzung mehrere Wochen hindurch, bevor irgend eine Antwort erfolgte, in einem Tone verhandelt wurde, welcher zu jener Zeit einem Vertreter Deutschlands den Aufenthalt in der Schweiz unmöglich gemacht haben würde.&#x201C; Es ist nun aber im Gegentheil ein unwiderlegbares, aus den Akten zu erhärtendes Faktum, daß über diese fragliche Note im Schoße der hohen Tagsatzung ein einziges Mal verhandelt, und dieselbe sodann bis zur Berichterstattung durch die Kommission nicht weiter zur Sprache gekommen ist.</p>
          <p>Am Schlusse drückt sich die Erwiderungsnote dahin aus, daß die deutsche Centralgewalt sich zu ihrem lebhaften Bedauern genöthigt gesehen, Entschließungen zu fassen, und Vorkehrungen zu treffen, deren Abwendung allein in den Händen der obersten Gewalt der Schweiz liege; sie hege aber den sehnlichsten Wunsch, jene Beschlüsse außer Kraft treten zu lassen, noch bevor ihre Folgen den Bewohnern beider Länder empfindlich sein werden, und Eure Excellenz hatten Befehl, auf der Stelle hiezu Anlaß zu geben, sobald auf das jenseitige Verlangen, welches in seinem vollen Umfange wiederholt werden müsse, eine bereitwillige und versöhnliche Antwort zugekommen sein werde.</p>
          <p>Diese befriedigende und versöhnende Antwort glaubt der eidg. Vorort thatsächlich gegeben zu haben, theils indem er mit Bezugnahme auf seine frühere Note die erhobenen Anklagen in ihrer Unbegründetheit zurückweis't, und theils indem er auf die Garantie aufmerksam macht, welche zur Verhütung von Beunruhigung der Nachbarstaaten von sämmtlichen Regierungen mit aller Bereitwilligkeit aufgestellt worden sind.</p>
          <p>Auch seinerseits müßte es der eidgen. Vorort lebhaft bedauern, wenn die freundschaftlichen und wohlwollenden Beziehungen, in die er zu dem neuerstandenen Deutschland zu treten hoffte, gleich von Anfang irgend gestört werden sollen, und wenn in den abgegebenen ruhigen Erklärungen nicht hinlänglicher Grund sich finden ließe, ein gutes internationales Verhältniß wiederum anzubahnen. Allein seinerseits gereicht es dem eidgen. Vorort zu hoher Beruhigung, daß nicht aus seiner Handlungsweise der Ursprung des Zerwürfnisses hergeleitet werden kann. Der eidgen. Vorort, von jeher der Einschüchterungspolitik fremd, wird auch fernerhin, so lange er noch zur Leitung der schweizerischen Angelegenheiten berufen ist, nur die Gebote der Ehre sich zur Richtschnur dienen und niemals durch andere Rücksichten von dieser seiner Lebensmaxime sich abbringen lassen.</p>
          <p>Nach den Grundsätzen des Völkerrechtes kann die Achtung, welche eine Nation der andern schuldig ist, weder nach der geographischen Größe des Landes, noch nach der numerischen Stärke der Volksmassen bemessen werden; eine Nation ist der andern gegenüben vollkommen ebenbürtig, und jede hat auf das nämliche Maß von Rücksicht Anspruch, welches sie auch der andern angedeihen lassen soll. Die schweizerische Nation, stark durch ihren glücklich geordneten innern Staatshaushalt, wird auch fernerhin die Forderungen der Ehre und des Rechtes über augenblickliche materielle Vortheile zu setzen wissen. Sie will allfälligen Prüfungen, die über sie verhängt sein sollten, mit jenem Starkmuthe entgegen gehen, der sie schon trübere Tage ihres Ursprungs und providentieller Bestimmung würdig, hat überwinden lassen. Sollte jedoch die Schweiz durch unbillige Zumuthungen ihrerseits zu Maßregeln gezwungen werden, welche mit den Grundsätzen der Humanität im Widerspruche stehen, so müßte der eidgenössische Vorort die Verantwortung dieser beklagenswerthen Folgen von der schweizerischen Eidgenossenschaft, Mit- und Nachwelt, auf das Feierlichste ablehnen und denjenigen nach ihrer ganzen Inhaltsschwere überlassen, welche gerechten Gegenvorstellungen kein Gehör schenken zu sollen geglaubt hatten.</p>
          <p>Der eidgen. Vorort benutzt den Anlaß etc.</p>
          <p>Bern, den 4. November 1848.</p>
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        <head>Italien.</head>
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          <p>Die Insurrektion am Comersee scheint sich zu halten. Die Junta von Luino entwickelt eine ungemeine Thätigkeit. Sie läßt die Stadt befestigen und versorgt sich mit Waffen und Munition. Die Oestreicher haben sich ebenfalls in ihrer Stellung, 10 Meilen von Luino, verschanzt und scheinen die am Ufer des See's vereinigten Truppen der Insurrektion nicht angreifen zu wollen.</p>
          <p>Die Patria vom 3. Nov. bringt eine wichtige Nachricht. Laut einem Briefe von Gazzoldo sollen sich nämlich die in Mantua liegenden Ungarn der Citadelle bemächtigt haben, indem sie die Kroaten bis San Antonio, auf die Straße Cremona zurückwarfen.</p>
          <p>Fortwährend langen Ungarn in Alexandrien an und versichern, daß alle ihre Kameraden nur eine Gelegenheit abwarten, um ebenfalls zu desertiren. Sie sprechen die Namen Ferdinand und Radetzki nur voller Zorn aus; ihre Begeisterung für Koffuth kennt keine Grenzen. In Porto-Ferragio brach am 1. Nov. eine Bewegung los. Das Volk stand auf und bemächtigte sich der Forts, verjagte die Garnison und besetzte die Pulverthürme. In Sarignano, 11 Meilen von Turin, hatten ebenfalls blutige Auftritte statt.</p>
          <p>Der Großherzog von Toskana hat auf den Rath des neuen Ministeriums das zu unpopulär gewordene Parlament aufgelöst; die allgemeinen Wahlen sind für den 20. Nov. festgetzt.</p>
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[0742/0002] ** Bern, 9. Nov. _ Bern, 11. Novbr. Antwort des h. Vororts auf die Note der deutschen Centralgewalt. Die Erwiederung auf die vorörtliche Note vom 5. vorigen Monats, welche Eure Exzellenz im Namen der provisorischen Centralgewalt für Deutschland an den schweizerischen Vorort bereits unterm 23. Oktbr. abhin_ zu richten im Fall gewesen waren, ist durch den Hrn. Legationsrath v. Neuwall am 2. d. M. Nachmittags abgegeben worden, weßhalb die Antwort darauf, um die sonst der eidgen. Vorort nicht verlegen sein konnte, erst heute mit Gegenwärtigem erfolgt. Nach den unumwundenen und loyalen Eröffnungen, welche bereits auf die frühere Note Eurer Exzellenz von Seite der schweizerischen Eidgenossenschaft abgegeben worden waren, mußte der eidg. Vorort in der Erwartung stehen, es würden dieselben geeignet gewesen sein, Vorurtheile aufzuklären, und im Wesentlichen zu beruhigen. Er durfte sich dessen nicht versehen, daß seine Note in Paraphrasen dazu ausgebeutet würde, längst widerlegte Vorwürfe zu erneuern und in verletzendster Sprache neue Anschuldigungen herzuführen. Hat sich der eidg. Vorort in seinen Erwartungen getäuscht gesehen, so liegt es dermalen vollkommen in seiner Stellung, auf die vorliegende Erwiederungsnote nur in wenigen allgemeinen Zügen zurückzukommen, indem es nachgerade klar ist, daß man auf seine Auseinandersetzung nicht näher eingehen will, sondern auf der Anschauungsweise, wie man sich dieselbe von vornherein gebildet hat, ohne weiteres zu beharren gesonnen ist. Der eidg. Vorort hätte zwar Grund und Ursache genug, auf manche Kränkungen hinzuweisen, welche abermals in so hohem Maße in der Erwiederungsnote gegen die Schweiz angehäuft sind. Es fühlt sich derselbe jedoch erhaben über den vorherrschend verletzenden Ton in derselben, und auch er hat die bestimmte Ueberzeugung gewonnen, daß der Wechsel bitterer Worte zu keinem Ziele führen kann, und daß, wenn ein gedeihliches Resultat gewonnen werden solle, man sich auf bestimmte Thatsachen zu beschränken habe; während er hinwieder gegen die Art und Weise, wie der Gedankengang in seiner Note vom 5. v. M. in der neuerlichen Depesche wieder gegeben und bis zur Unkenntlichkeit entstellt wird, Angesichts der schweizerischen wie der deutschen Nation auf das bestimmteste sich verwahrt. Wenn Eure Excellenz sich veranlaßt fanden, die Behauptung aufzustellen, daß Anklagen der Saumseligkeit, der Nachgiebigkeit, ja der Mitschuld schweizerischer Behörden an den gesetzwidrigen Thaten der Flüchtlinge in den Archiven der Schweiz Raum genug einnehmen, so muß dieses abermals als eine völlige Verkennung der Verhältnisse, und wenn nicht geradezu als eine absichtliche, doch als eine auffallende Außerachtlassung aller derjenigen Schritte bezeichnet werden, welche nach den unzweideutigsten Nachweisen der Geschichte von der schweizerischen Eidgenossenschaft gegenüber den Flüchtlingen und zur Aufrechthaltung der internationalen Verpflichtungen selbst mit großen Opfern gethan worden sind. Hingegen hat die schweizerische Eidgenossenschaft sich der nämlichen loyalen Politik von Seite ihrer Nachbarn, und namentlich von Seite gewisser Staaten, in deren Namen die deutsche Centralgewalt auftritt, sich nicht immer zu erfreuen gehabt; wenn man sich nur daran erinnern will, daß vor kaum einem Jahr eine gegen die rechtmäßige Bundesgewalt aufständige Partei durch alle möglichen Mittel, durch Geld, Waffen, Munition, selbst durch Heerführer und andere Kampfgehülfen unterstützt worden ist. Diese letztere Bemerkung wird jedoch keineswegs deßhalb vorgebracht, um das Recht der Wiedervergeltung zu beschönigen, denn die Schweiz bedarf der Beschönigung nicht, weil sie sich bewußt ist, in guten Treuen stets gehandelt zu haben; es soll damit nur der beiderseitige Rechtsboden genau festgestellt und ein unverdienter Angriff geziemend zurückgewiesen werden. Der eidgenössische Vorort hat in seiner frühern Denkschrift den unzweideutigen Willen ausgesprochen und bethätigt, nach Maßgabe seiner Kompetenz überall da einzuschreiten, wo von Seite einer schweizerischen Kantonalregierung eine Verabsäumniß des Völkerrechts, eine Convenienz gegen ruhestörisches Treiben der Flüchtlinge zu Tage getreten sein sollte; er hat dagegen aber auch die Zumuthung abgelehnt und ablehnen müssen, auf bloß allgemeine Gerüchte hin gegen Regierungen einzuschreiten, deren ehrenhafter Charakter über allen Zweifel erhaben ist und die in einem entgegengesetzten Verfahren mit Recht eine Beleidigung ihrer Würde hätten erblicken müssen. Der eidgenössische Vorort darf es mit Zuversicht dem öffentlichen Urtheile anheimstellen, ob er zu weit gegangen, wenn er zu Begründung der so schweren Anklagen nähere Nachweisungen verlangen zu sollen geglaubt hat, und ob es die Würde des großen Deutschlands verletzt hätte, wenn die Daten, in deren Besitz man zu sein behauptet, wirklich auch angegeben worden wären. Statt hierauf sich einzulassen, wiederholt die Erwiederungsnote lediglich nur die früheren ganz vagen und in ihrer Unstatthaftigkeit nachgewiesenen Klagen mit dem Beifügen, daß ein kontradiktorisches Verfahren zwischen Regierungen über weltkundige Dinge nicht in der Sitte der Völker liege. Es soll hier gar nicht in Abrede gestellt werden, daß die Flüchtlinge in Muttenz Besuche erhalten haben; im Gegentheil wird als bestimmt angenommen, daß unter jenen Wallfahrern, wie Eurer Exzellenz Note sie zu nennen beliebt, sich Koryphäen der ersten deutschen Kammern und selbst Mitglieder der deutschen Nationalversammlung befunden haben, denen der Eintritt auf das Schweizergebiet ohne Beeinträchtigung der nachbarlichen Gastfreundschaft nicht hätte versagt werden können; es ist aber auch Thatsache, daß diese Besuche demjenigen Leiter des ersten badischen Aufstandes gegolten haben, welcher vor einer zweiten Schilderhebung mit aller Entschiedenheit abgemahnt und jeder Mitwirkung dazu durch freiwillige Verbannung sich entzogen hat. Von Rüstungen der Flüchtlinge längsder Grenze des Kantons Aargau, zum Zwecke der Invasion, kann um so weniger im Ernste die Rede sein, als es amtlich ermittelt ist, daß im Kanton Aargau zur Zeit des zweiten Aufstandes im Ganzen nur 25 Flüchtlinge sich befanden, von denen wiederum nur 10 sich zur Theilnahme an der zweiten Insurrektion im Großherzogthum Baden verleiten ließen, welche jedoch sämmtlich unbewaffnet und vereinzelt vom schweizerischen auf das badische Gebiet übergetreten sind. Seither sind die in der frühern Note bereits angedeuteten Maßregeln gegen die Flüchtlinge, so viel dem Vorort bekannt, überall genau zur Vollziehung gekommen, und es liegen hinlängliche Beweise vor, daß die Reklamationen der Großherzogl. badischen Bezirksämter bei den zuständigen schweizerischen Behörden alle Berücksichtung gefunden haben, während hingegen von den jenseitigen Stellen die verlangten konkordatsmäßigen Bedinungen selbst in der obschwebenden Angelegenheit nicht allemal erfüllt worden sind. Wie sehr es sowohl den Kantonsregierungen, als dem eidgenössischen Vorort Ernst ist, die völkerrechtlichen Verpflichtungen getreu zu erfüllen, dafür mögen die von den Gerichten des Kantons Bern gegen die Theilnehmer am ersten badischen Aufstande ausgefällten Strafurtheile, auch die im Konton Tessin zur Aufrechthaltung der Neutralität getroffenen Maßnahmen vollgültiges Zeugniß abgeben. Mit Rücksicht auf alle diese Umstände muß daher der eidgenössische Vorort die Insinnationen, als hege er eine den Nachbarstaaten und insbesondere Deutschland feindselige Tendenz, mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Abermals hat der eidgenössische Vorort die Ueberzeugung gewinnen müssen, daß die Quellen, aus welchen die jenseitige Note ihre Thatsachen geschöpft hat, keineswegs zu den verläßlichen gehören, sondern daß die Berichte von solchen Personen eingegeben sein müssen, welche ein Interesse daran hatten, die Schweiz und ihre Behörden in einem möglichst gehässigen Lichte darzustellen, ihre Verfahrungsweise als eine den Nachbarstaaten feindliche zu charakterisiren, die Flüchtlinge auf alle mögliche Weise zu ungesetzlichen Schritten zu provoziren, selbst von solchen Individuen, großherz. badischen Beamten, Zollwächtern, Gens'darmes u. s. w., welche in Tagen, die sie für sich unsicher glaubten, sich selbst, Weib und Kind auf das schweizerische Gebiet retteten, die nun keinen bessern Dank wissen, als in unerschöpflichen, wenn gleich haltlosen Klagen sich gegen dasjenige Land auszulassen, welches den muthlos Entflohenen s. Z. eine gefriedete Stätte bereitwillig gewährt hatte. Zum Beweise auch wie selbst da, wo vollkommene Oeffentlichkeit herrscht, die Vorkommenheiten auf eine schiefe und unrichtige Weise geschildert werden, hebt der eidgenössische Vorort in der Erwiederungsnote die Stelle hervor, in welcher dieselbe sich folgender Maßen vernehmen läßt: „Es darf hier an die Thatsache erinnert werden, daß über die deutsche Note vom 30. Juni d. J. in der Tagsatzung mehrere Wochen hindurch, bevor irgend eine Antwort erfolgte, in einem Tone verhandelt wurde, welcher zu jener Zeit einem Vertreter Deutschlands den Aufenthalt in der Schweiz unmöglich gemacht haben würde.“ Es ist nun aber im Gegentheil ein unwiderlegbares, aus den Akten zu erhärtendes Faktum, daß über diese fragliche Note im Schoße der hohen Tagsatzung ein einziges Mal verhandelt, und dieselbe sodann bis zur Berichterstattung durch die Kommission nicht weiter zur Sprache gekommen ist. Am Schlusse drückt sich die Erwiderungsnote dahin aus, daß die deutsche Centralgewalt sich zu ihrem lebhaften Bedauern genöthigt gesehen, Entschließungen zu fassen, und Vorkehrungen zu treffen, deren Abwendung allein in den Händen der obersten Gewalt der Schweiz liege; sie hege aber den sehnlichsten Wunsch, jene Beschlüsse außer Kraft treten zu lassen, noch bevor ihre Folgen den Bewohnern beider Länder empfindlich sein werden, und Eure Excellenz hatten Befehl, auf der Stelle hiezu Anlaß zu geben, sobald auf das jenseitige Verlangen, welches in seinem vollen Umfange wiederholt werden müsse, eine bereitwillige und versöhnliche Antwort zugekommen sein werde. Diese befriedigende und versöhnende Antwort glaubt der eidg. Vorort thatsächlich gegeben zu haben, theils indem er mit Bezugnahme auf seine frühere Note die erhobenen Anklagen in ihrer Unbegründetheit zurückweis't, und theils indem er auf die Garantie aufmerksam macht, welche zur Verhütung von Beunruhigung der Nachbarstaaten von sämmtlichen Regierungen mit aller Bereitwilligkeit aufgestellt worden sind. Auch seinerseits müßte es der eidgen. Vorort lebhaft bedauern, wenn die freundschaftlichen und wohlwollenden Beziehungen, in die er zu dem neuerstandenen Deutschland zu treten hoffte, gleich von Anfang irgend gestört werden sollen, und wenn in den abgegebenen ruhigen Erklärungen nicht hinlänglicher Grund sich finden ließe, ein gutes internationales Verhältniß wiederum anzubahnen. Allein seinerseits gereicht es dem eidgen. Vorort zu hoher Beruhigung, daß nicht aus seiner Handlungsweise der Ursprung des Zerwürfnisses hergeleitet werden kann. Der eidgen. Vorort, von jeher der Einschüchterungspolitik fremd, wird auch fernerhin, so lange er noch zur Leitung der schweizerischen Angelegenheiten berufen ist, nur die Gebote der Ehre sich zur Richtschnur dienen und niemals durch andere Rücksichten von dieser seiner Lebensmaxime sich abbringen lassen. Nach den Grundsätzen des Völkerrechtes kann die Achtung, welche eine Nation der andern schuldig ist, weder nach der geographischen Größe des Landes, noch nach der numerischen Stärke der Volksmassen bemessen werden; eine Nation ist der andern gegenüben vollkommen ebenbürtig, und jede hat auf das nämliche Maß von Rücksicht Anspruch, welches sie auch der andern angedeihen lassen soll. Die schweizerische Nation, stark durch ihren glücklich geordneten innern Staatshaushalt, wird auch fernerhin die Forderungen der Ehre und des Rechtes über augenblickliche materielle Vortheile zu setzen wissen. Sie will allfälligen Prüfungen, die über sie verhängt sein sollten, mit jenem Starkmuthe entgegen gehen, der sie schon trübere Tage ihres Ursprungs und providentieller Bestimmung würdig, hat überwinden lassen. Sollte jedoch die Schweiz durch unbillige Zumuthungen ihrerseits zu Maßregeln gezwungen werden, welche mit den Grundsätzen der Humanität im Widerspruche stehen, so müßte der eidgenössische Vorort die Verantwortung dieser beklagenswerthen Folgen von der schweizerischen Eidgenossenschaft, Mit- und Nachwelt, auf das Feierlichste ablehnen und denjenigen nach ihrer ganzen Inhaltsschwere überlassen, welche gerechten Gegenvorstellungen kein Gehör schenken zu sollen geglaubt hatten. Der eidgen. Vorort benutzt den Anlaß etc. Bern, den 4. November 1848. Italien. * Die Insurrektion am Comersee scheint sich zu halten. Die Junta von Luino entwickelt eine ungemeine Thätigkeit. Sie läßt die Stadt befestigen und versorgt sich mit Waffen und Munition. Die Oestreicher haben sich ebenfalls in ihrer Stellung, 10 Meilen von Luino, verschanzt und scheinen die am Ufer des See's vereinigten Truppen der Insurrektion nicht angreifen zu wollen. Die Patria vom 3. Nov. bringt eine wichtige Nachricht. Laut einem Briefe von Gazzoldo sollen sich nämlich die in Mantua liegenden Ungarn der Citadelle bemächtigt haben, indem sie die Kroaten bis San Antonio, auf die Straße Cremona zurückwarfen. Fortwährend langen Ungarn in Alexandrien an und versichern, daß alle ihre Kameraden nur eine Gelegenheit abwarten, um ebenfalls zu desertiren. Sie sprechen die Namen Ferdinand und Radetzki nur voller Zorn aus; ihre Begeisterung für Koffuth kennt keine Grenzen. In Porto-Ferragio brach am 1. Nov. eine Bewegung los. Das Volk stand auf und bemächtigte sich der Forts, verjagte die Garnison und besetzte die Pulverthürme. In Sarignano, 11 Meilen von Turin, hatten ebenfalls blutige Auftritte statt. Der Großherzog von Toskana hat auf den Rath des neuen Ministeriums das zu unpopulär gewordene Parlament aufgelöst; die allgemeinen Wahlen sind für den 20. Nov. festgetzt.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 143. Köln, 15. November 1848, S. 0742. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz143_1848/2>, abgerufen am 28.03.2024.