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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 204. Köln, 25. Januar 1849.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 204. Köln, Donnerstag den 25 Januar. 1849.
Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die Wahlen. -- Die Wahlen beim Militär. -- Wahlmanöver des konstitutionellen Central-Ausschusses.) Worringen, Gladbach, Emmerich, Essen, Warendorf, Aachen, Düren, aus dem Siegkreise. (Wahlsieg der Demokraten.) Elberfeld. (Niederlage der Heuler.) Aus dem Bergischen. (Stiehl und Diesterweg.) Berlin. (Neuestes Schreiben Temme's an Hrn. Rintelen. -- Wahlangelegenheiten. -- Niederlage der Reactionärs) Breslau. (Ein "Preis-Courant.") Prag. (Windischgrätz und die Juni-Akten.) Posen. (Der letzte Weihnachtsabend in Warschau.) Prenzlau. (Schwarz-weiße Kandidaten) Bamberg. (Militär-Exzesse.) Frankfurt. (National-Versammlung.)

Franz. Republik. Paris. (Weitere Frechheiten der Ordnungsfreunde. -- Der 21. Januar. -- Kommentarien über Boulay. -- Ledru-Rollin's Rede. -- Ein Brief Huber's. -- Vermischtes. -- National-Versammlung)

Italien. Rom. (Die Wahlen) Livorno. (Angebliches Attentat auf Ferdinand von Neapel. -- Bannstrahl gegen Bannstrahl.) Aus der Lombardei. (Protestation der lombardischen Emigrirten.)

Deutschland.
* Köln, 24. Jan.

Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit Ehren-Brüggemann nach einer neuen "rettenden That der Krone". Derselbe tiefe Denker, der noch vor nicht gar langer Zeit das allgemeine Stimmrecht als eine der glorreichsten und kostbarsten "Märzerrungenschaften" pries; derselbe grundehrliche Mann ist heute der Meinung, daß selbst das jetzige octroyirte und beschränkte Stimmrecht wieder weg-octroyirt werden müsse.

"So viel, sagt Ehren-Brüggemann, so viel muß dem Beobachter, welcher Partei er auch angehöre, gestern klar geworden sein -- das gegenwärtige Wahlgesetz macht, so lange nicht durch andere politische Institutionen eine allgemeinere Theilnahme an den Wahlen und eine häufigere Berührung und bessere gegenseitige Kenntniß der Bezirksgenossen erwirkt ist, vernünftige und maßgebende Wahlen unmöglich." Und warum nicht? Mit einem tiefen Seufzer antwortet Brüggemann:

"Es unterliegt keinem Zweifel mehr, daß im Ganzen die vereinigten Linken mit ihren Kandidaten (in ihrem Schmerz bringt es die Kölnische fertig, noch schlechteres Deutsch zu schreiben, als gewöhnlich) über die Kandidaten der konstitutionellen Partei den Sieg davon getragen haben."

Und wo die konstitutionelle Partei, diese "wahre Majorität", dieser "Kern der Bevölkerung", so geschlagen wird, wie hier in Köln vorgestern, da kann natürlich von "vernünftigen und maßgebenden Wahlen" nicht die Rede sein. Das ist keine Volksvertretung. Die besten Leute, die Stützen der braven Konstitutionellen haben offenbar nicht mitgestimmt. Eine kleine, aber thätige Minorität hat in Abwesenheit der Majorität die Wahlen eskamotirt. Hört nur den weisen Brüggemann:

"Den Hauptgrund dieses unerwarteten Ausfalls haben wir in der erschreckenden Theilnahmlosigkeit des mittleren Bürgerstandes zu suchen."

Also das ist das Resultat der 182,000 Flugblätter und 162,000 Abdrücke in der edlen "Kölnischen" -- die erschreckende Theilnahmlosigkeit des mittleren Bürgerstandes! Welche "erschreckende" Langweiligkeit und Leere muß der "mittlere Bürgerstand" in diesen sechszehn konstitutionellen Flugblättern entdeckt haben! Welche Naivetät der Bürgervereinszeitung, gerade in der Wirkungslosigkeit und Ohnmacht ihrer krampfhaftesten Anstrengungen den "Haupt-Grund" der Niederlage zu sehen!

Aber wie sieht es aus mit dieser "erschreckenden Theilnahmlosigkeit des mittleren Bürgerstandes?"

Man sehe doch die Listen der gewählten Wahlmänner durch, ob nicht die Majorität gerade dem "mittleren Bürgerstande" angehören! Man sehe die Kandidatenlisten der Konstitutionellen an, ob sie nicht der Mehrzahl nach Kandidaten enthalten, die nicht dem mittleren Bürgerstande angehören, sondern "eine gesellschaftliche Stellung" besitzen! Man vergleiche diese Listen mit den demokratischen, ob nicht überall der Reichthum, das hergebrachte Ansehen, die amtliche Stellung, gerade dem "mittleren Bürgerstande erlegen ist!

Nur einige Beispiele:

Im 3. Wahlbezirk wurde den fünf demokratischen Kandidaten Hr. Pastor Busch fünfmal entgegengestellt, und fiel fünfmal durch gegen einen Gymnasiallehrer, einen Leineweber, einen Anstreicher, einen Kammmacher und einen Fabrikanten.

Im 9. Bezirk siegten fünf demokratische Kandidaten über fünf Herren von der höheren Bourgeoisie, worunter ein Stadtrath und ein Quadratfüßler.

Im 29. Bezirk fiel Hr. Stadtrath Michels fünfmal durch gegen Kandidaten, die sämmtlich zum mittleren Bürgerstande gezählt werden können.

Im 30. Bezirk siegte ein Schneidergesell über einen sehr vermögenden Pumpenmacher, ein Spezereihändler über den Kanzler des Domkapitels Hrn. v. Groote, ein Branntweinbrenner über den Domkapitular Hrn. Trost u. s. w.

Im 32. Bezirk siegten die fünf Hauptkandidaten, worunter drei Advokaten, aus dem einfachen Grunde, weil 138 Wähler aus dem mittleren Bürgerstande, nicht mitstimmten. Die Mehrzahl davon hätte für die Demokraten gestimmt. "Die erschreckende Theilnahmlosigkeit des mittleren Bürgerstandes" verhalf also gerade hier nicht den Demokraten, sondern den Konstitutionellen zum Sieg!

Im 49. Bezirk fiel Hr. Karl Boisseree, Kohlenhändler etc. durchaus nicht dem mittleren Bürgerstande angehörig, achtmal durch gegen acht Demokraten aus dem "mittleren Bürgerstande."

Endlich im 45. Bezirk, doch hören wir zuerst Hrn. Brüggemann selbst:

"Im 45. Bezirk, der 530 Urwähler enthält, wurde in der ersten Wahl bei 242 wirklich Wählenden der Kommandant, Herr Oberst Engels, in der dritten Wahl, nachdem die Demokraten über Mittag einigen Sukkurs geholt, bei 260 wirklich Wählenden als Kandidat der Letztern ein Wahlmann von der alleräußersten sozialistisch-demokratischen Gesinnung gewählt! Was ist nun die Ueberzeugung und Gesinnung des 45. Bezirks?"

Letztere Frage könnte sich Ehren-Brüggemann selbst beantworten, da er bekanntlich im Wahllokal des 45. Bezirks sich die ganzen beiden Wahltage aufgehalten und den Sieg der konstitutionellen Kandidaten in diesem Hauptquartier des Bürgervereins mit allen Mitteln durchzusetzen suchte. Aber vergebens, und daher die Thränen!

Im 45. Wahlbezirk -- Sie müssen es wissen, Herr Brüggemann -- ging es folgendermaßen her:

Die Herren vom Bürgerverein hatten sich höchst pünktlich zur bestimmten Stunde eingefunden. Die Demokraten blieben etwas länger aus. Sofort schritten die Herren vom Bürgerverein zur Wahl, und setzten den Oberst Engels -- hört, hört -- mit Einer Stimme Majorität -- durch. Und dieser Eine entscheidende Stimmzettel enthielt weiter nichts als den Namen "Engels" ohne weitere Qualifikation. Gegen diesen glorreichen Wahlsieg des Hrn. Engels vermittelst Einer zweifelhaften Stimme haben aber zwei Hundert vier und dreißig Urwähler des Bezirks Protest eingelegt -- also fast doppelt soviel, als für Hrn. Engels stimmten.

Wie aber ging es den übrigen sieben Kandidaten des Bürgervereins?

Der zweite Kandidat war Herr Stupp, der wohlbekannte Ex-Abgeordnete, der in Berlin davonlief und nach Brandenburg ging. Hr. Stupp fiel durch gegen Herrn Hummelsheim, einen entschiedenen Demokraten aus dem "mittleren Bürgerstande".

Der dritte war der wohlangesehene und sehr wohlhabende Kaufmann Herr Franz Heuser, der, wie wir oben sehen, zum großen Entsetzen des Herrn Brüggemann gegen einen "alleräußersten demokratisch-sozialistischen" Kandidaten durchfiel.

Aber die Demokraten hatten "Sukkurs geholt"!

Ei Herr Brüggemann, und warum holten Sie denn keinen Sukkurs? Warum liefen Sie und die übrigen Herren vom Bürgerverein nicht von Haus zu Haus, um den "mittleren Bürgerstand" aus seiner "erschreckenden Theilnahmlosigkeit" emporzurütteln? Warum drückten Sie den Leuten nicht noch einige Exemplare jener wunderthätigen, 344,000 mal abgezognen Flugblätter in die Hand? Ach, es wäre umsonst gewesen! Die Demokraten waren zu übermächtig. Sie sehen es ein, verkannter Brüggemann, vous aviez travaille pour le roi de Prusse!

Doch weiter. Der vierte Kandidat war Hr. Advokat-Anwalt Fay, Mit-Chef des Bürgervereins und Inhaber der Lösung der sozialen Frage. Auch du, Brutus! Die unbarmherzigen Wähler opferten ihn einem Buchdruckereibesitzer "aus dem mittleren Bürgerstande", und Herr Fay fiel durch.

Der fünfter war Herr Advokat-Anwalt Compes, Ex-Nationalversammelter von Frankfurt. Aber auch ihm leuchtete kein guter Stern: er fiel durch gegen den Schlossermeister Monius "aus dem mittleren Bürgerstande."

Der sechste war Herr Ochse-Stern, der Leihhausverwalter, der mit seinen Pfandzetteln das ganze Proletariat und den ganzen mittleren Bürgerstand beherrscht. Er fiel durch gegen den Privatmann Froitzheim "aus dem mittleren Bürgerstande."

Der siebente war Herr Advokat-Anwalt Esser II., Ex-Abgeordneter in Berlin, der mit Hrn. Stupp am 9. Oktober im Davonlaufen wetteiferte. Er folgte seinem Genossen auch hier; er fiel durch gegen den Schneider Tilz "aus dem mittleren Bürgerstande."

Der achte endlich, Hr. Pastor Rollertz, erlag ebenfalls einem Gegner aus dem "mittleren Bürgerstande", dem Kaufmann Hrn. Hospelt.

Also sieben demokratische Wahlmänner, fast alle "aus dem mittleren Bürgerstande", siegten gegen sieben Lokalgrößen, worunter zwei Exdeputirte, ein Pastor, ein Nationalversammelter, und ein Löser der sozialen Frage -- und nur Ein nicht dem "mittleren Bürgerstand" angehöriger Heulerwahlmann ging durch, und noch obendrein mit Einer zweifelhaften Stimme und verfolgt von einem Protest mit 234 Unterschriften!

Und diesen Bezirk wählt Hr. Brüggemann, um auszurufen: Was ist nun die Gesinnung und Ueberzeugung dieses Bezirks! Diesen Bezirk, in dem der mittlere Bürgerstand entschieden siegte, wählt er, um "die erschreckende Theilnahmlosigkeit des mittleren Bürgerstandes" zu beweisen! Armer Brüggemann! Die Beklemmung raubt ihm den letzten Rest von Besinnung.

Uebrigens stehen auf den Armenlisten der Stadt Köln 25,000 Köpfe, die öffentliche Unterstützung erhalten. Diese 25,000 Köpfe, d. h. gerade 29 pCt. oder fast ein Drittel der Gesammtbevölkerung, sind nicht vertreten. Ferner sind die vielen Arbeiter nicht vertreten, die entweder noch keine 6 Monate hier, oder die keine Preußen sind. Nun ziehe man diese Kategorieen von der Gesammtmasse des Proletariats ab, und wie viel Proletarier bleiben übrig, die das Stimmrecht haben? Wahrhaftig, wenn das Proletariat und die kleine Bourgeoisie nicht zusammengehalten hätten, die konservative größere Bourgeoisie hätte siegen müssen! Und dabei faselt ein Brüggemann von erschreckender Theilnahmlosigkeit des mittleren Bürgerstandes!

Die Sache ist einfach: Wo der Sieg der einen oder der andern Partei gewiß war, da blieben manche Wähler beider Parteien aus, oder erschienen erst wenn das Resultat zu schwanken anfing. Gerade die Sicherheit des Resultats machte die Leute scheinbar gleichgültig. Aber hätte er sie alle herbeigetrieben, Hr. Brüggemann hätte doch seiner braven Partei keinen Sieg verschafft. Dafür haben die "rettenden Thaten der Krone" gesorgt.

Uebrigens mögen die Demokraten nicht zu übermüthig sein. Es ist nicht zu läugnen, daß gerade hier in Köln die Wahlen unentschiedener ausgefallen sind als sonst in der Provinz. Die Demokraten mögen sorgen, daß unsere Gegner nicht durch Intriguen und Spaltungen bei den Wahlmännern wenigstens ein Stück des verlornen Terrains wieder gewinnen. Von der Thätigkeit der Demokraten hängt es ab, ob der errungene Sieg vollständig ausgebeutet werden wird. So lange die Deputirten nicht ernannt sind, so lange dürfen wir nicht ruhen. Also wachsam und thätig!

* Köln, 23. Jan.

Wie man die Wahlangelegenheit in der Blankenheimerhof-Kaserne betrieben hat, darüber geben wir dem Publikum in Nachstehendem eine kurze erbauliche Vorstellung:

Zuvor wurden -- auf Befehl der königl. Kommandantur -- sechs außerhalb der Kaserne wohnende Offiziere und zwar

1) Hauptmann von Uttenhoven, 2) Hauptmann Koeber, 3) Hauptmann von Dorpowski, 4) Prem.-Lieut. von Bulow, 5) Prem.-Lieut. von Woisky, 6) Prem.-Lieut. von Woringen,
zu den Urwählern in der Kaserne abgetheilt, der v. Dorpowski noch dazu als Wahlkommissarius bestellt.

Die Genannten haben vom 20. bis 22. in der Kaserne geschlafen. Ist dies der Grund der Zutheilung oder ist sie auf Grund mündlichen Cirkulärs von oben herunter geschehen? So viel haben wir gehört, daß diese Urwähler-Vertheilung auf Befehl des jüngst noch für seine Bravour in der Belagerungszeit Kölns mit dem rothen Adler-Orden beschenkten Kommandanten Engels, im Kommandantur-Bureau vorgenommen sein soll.

Die Folge von diesen Wahl-Umtrieben war, daß Freitag den 19. d. Mts. bei jeder Kompagnie des 2. Bat. 16. Inf.-Regiments (dieses Bataillon wählte von den in der Kaserne liegenden 3 Bataillons allein und zwar 9 Wahlmänner) 3 Vertrauensmänner ernannt wurden, wobei die Unteroffiziere den Gemeinen einen Offizier oder Feldwebel angaben und dann fragten: ob sie gegen diesen Etwas zu erinnern hätten? Natürlich hatte bei Anwesenheit der p. p. Offiziere Keiner die Dreistigkeit -- die ihm vielleicht übel zu stehen gekommen wäre -- Etwas einzuwenden. Die Hrn. Vertrauensmänner brachten nun heute Morgen ein Verzeichniß der von ihnen aufgestellten Wahlmänner herbei. Dieses wurde dann unter die Soldaten vertheilt und nachdem dies geschehen, wurden die Soldaten in Reih und Glied zur Wahl abgeführt. Jede Kompagnie wurde allein gestellt und dadurch jede Verbindung und Besprechung untereinander abgeschnitten. Der Hauptmann von Uttenhoven -- kürzlich zum Kapitain erster Klasse mit einem Gehalt von 100 Thlr. monatlich, ernannt und als ächt preußischer Reaktionär bekannt -- befahl hierbei seinen Leuten, daß Keiner sich entfernen sollte, bis erst 3 Wahlmänner durchgebracht seien (er war nämlich der 3. auf dem Zettel Bezeichnete!); auch überzeugte er sich mehrmal durch Oeffnen der Stimmzettel, ob seine Leute auch nach seinen Befehlen verfuhren, und Wehe dem, der es nicht gethan!

Die Soldaten, hierdurch ganz irre geführt, wurden nun durch die Offiziere und Unteroffiziere, denen sich auch der Hr. Kommandant Engels anschloß, so bearbeitet, daß sogar die bei den Unteroffizieren und Gemeinen am meisten verhaßten Offiziere gewählt wurden. Natürlich wurde kein Mittel geschont, um die Soldaten zu dieser Wahl zu verleiten, ja, der Herr Wahlkommissar äußerte: "Hätten sie (die Soldaten) voriges Jahr gut gewählt, so wären die Reservisten längst zu Hause!" Also, mit andern Worten: "Wählet mich!" Ueberhaupt, wählet lauter ächt "Schwarzweiße", lauter Krautjunker und müßige Verzehrer am Beutel des Volkes, wählt Leute, die es gründlich verstehen, euch und euere Eltern und euere Angehörigen und Freunde und die Bewohner des ganzen Landes in einen schlimmern Zustand zurückzuwerfen, als selbst der seit 1817 war. Und doch war dieser Zustand so, daß man glaubte, es könne nichts mehr darüber hinausgehen!

068 Köln, 24. Jan.

Der hiesige rheinisch-westphälische Centralheulerausschuß hat folgenden Cirkulär-Bericht über seine Centralwahlklüngeleien und Agitationen veröffentlicht:

An den konstitutionellen Verein zu ***

Unserm Auftrage auf die Wahlen einzuwirken, haben wir vor der Hand durch Verbreitung von Flugblätern und durch Rundschreiben an die einzelnen Vereine, durch welche die Gleichmäßigkeit der Bemühungen erzielt werden sollte, zu genügen versucht.

Da morgen die Urwahlen für die zweite Kammer Statt finden werden so ist dem ersten Theile unserer Thätigkeit ein Ziel gesetzt.

Es bleibt uns jetzt noch übrig, auf die Urwahlen für die erste Kammer und auf die Wahlmänner für die zweite eine Wirkung zu erlangen zu suchen.

Wir fühlen dabei das dringende Bedürfniß einer Besprechung mit unseren Gesinnungsgenossen. Einen förmlichen Congreß deshalb abzuhalten, würde zu weitläufig sein, demnach ersuchen wir Sie, eins oder einige Mitglieder Ihres Vereins zu einer Besprechung abzuordnen, welche wir auf Mittwoch den 24. d., Nachmittags 3 Uhr, im "Prinzen Carl" in Deutz festsetzen. Dürfte es auch den uns ferner wohnenden Vereinen nicht thunlich erscheinen, diese Zusammenkunft zu beschicken, so hoffen wir doch, daß die uns näher liegenden uns mit ihrem Besuche erfreuen werden.

Wir wünschen namentlich Aufschluß über den Ausfall der Urwahlen vom 22. d. M., über die Aussicht für die Urwahlen zur ersten Kammer und über die Kandidaten, die bereits aufgestellt sind, Letzteres, damit möglicherweise Doppelwahlen vermieden werden.

Wir wünschten ferner Rechenschaft über unsere bisherige Thätigkeit abzulegen und zu erfahren, ob wir damit den Wünschen unserer Verbündeten Genüge geleistet haben.

Wir haben bis jetzt 16 Flugblätter, jedes zu einer Auflage von 12,000 Exemplaren drucken lassen und dieselben nach Möglichkeit, mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln verbreitet.

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 204. Köln, Donnerstag den 25 Januar. 1849.
Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die Wahlen. — Die Wahlen beim Militär. — Wahlmanöver des konstitutionellen Central-Ausschusses.) Worringen, Gladbach, Emmerich, Essen, Warendorf, Aachen, Düren, aus dem Siegkreise. (Wahlsieg der Demokraten.) Elberfeld. (Niederlage der Heuler.) Aus dem Bergischen. (Stiehl und Diesterweg.) Berlin. (Neuestes Schreiben Temme's an Hrn. Rintelen. — Wahlangelegenheiten. — Niederlage der Reactionärs) Breslau. (Ein „Preis-Courant.“) Prag. (Windischgrätz und die Juni-Akten.) Posen. (Der letzte Weihnachtsabend in Warschau.) Prenzlau. (Schwarz-weiße Kandidaten) Bamberg. (Militär-Exzesse.) Frankfurt. (National-Versammlung.)

Franz. Republik. Paris. (Weitere Frechheiten der Ordnungsfreunde. — Der 21. Januar. — Kommentarien über Boulay. — Ledru-Rollin's Rede. — Ein Brief Huber's. — Vermischtes. — National-Versammlung)

Italien. Rom. (Die Wahlen) Livorno. (Angebliches Attentat auf Ferdinand von Neapel. — Bannstrahl gegen Bannstrahl.) Aus der Lombardei. (Protestation der lombardischen Emigrirten.)

Deutschland.
* Köln, 24. Jan.

Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit Ehren-Brüggemann nach einer neuen „rettenden That der Krone“. Derselbe tiefe Denker, der noch vor nicht gar langer Zeit das allgemeine Stimmrecht als eine der glorreichsten und kostbarsten „Märzerrungenschaften“ pries; derselbe grundehrliche Mann ist heute der Meinung, daß selbst das jetzige octroyirte und beschränkte Stimmrecht wieder weg-octroyirt werden müsse.

„So viel, sagt Ehren-Brüggemann, so viel muß dem Beobachter, welcher Partei er auch angehöre, gestern klar geworden sein — das gegenwärtige Wahlgesetz macht, so lange nicht durch andere politische Institutionen eine allgemeinere Theilnahme an den Wahlen und eine häufigere Berührung und bessere gegenseitige Kenntniß der Bezirksgenossen erwirkt ist, vernünftige und maßgebende Wahlen unmöglich.“ Und warum nicht? Mit einem tiefen Seufzer antwortet Brüggemann:

„Es unterliegt keinem Zweifel mehr, daß im Ganzen die vereinigten Linken mit ihren Kandidaten (in ihrem Schmerz bringt es die Kölnische fertig, noch schlechteres Deutsch zu schreiben, als gewöhnlich) über die Kandidaten der konstitutionellen Partei den Sieg davon getragen haben.“

Und wo die konstitutionelle Partei, diese „wahre Majorität“, dieser „Kern der Bevölkerung“, so geschlagen wird, wie hier in Köln vorgestern, da kann natürlich von „vernünftigen und maßgebenden Wahlen“ nicht die Rede sein. Das ist keine Volksvertretung. Die besten Leute, die Stützen der braven Konstitutionellen haben offenbar nicht mitgestimmt. Eine kleine, aber thätige Minorität hat in Abwesenheit der Majorität die Wahlen eskamotirt. Hört nur den weisen Brüggemann:

„Den Hauptgrund dieses unerwarteten Ausfalls haben wir in der erschreckenden Theilnahmlosigkeit des mittleren Bürgerstandes zu suchen.“

Also das ist das Resultat der 182,000 Flugblätter und 162,000 Abdrücke in der edlen „Kölnischen“ — die erschreckende Theilnahmlosigkeit des mittleren Bürgerstandes! Welche „erschreckende“ Langweiligkeit und Leere muß der „mittlere Bürgerstand“ in diesen sechszehn konstitutionellen Flugblättern entdeckt haben! Welche Naivetät der Bürgervereinszeitung, gerade in der Wirkungslosigkeit und Ohnmacht ihrer krampfhaftesten Anstrengungen den „Haupt-Grund“ der Niederlage zu sehen!

Aber wie sieht es aus mit dieser „erschreckenden Theilnahmlosigkeit des mittleren Bürgerstandes?“

Man sehe doch die Listen der gewählten Wahlmänner durch, ob nicht die Majorität gerade dem „mittleren Bürgerstande“ angehören! Man sehe die Kandidatenlisten der Konstitutionellen an, ob sie nicht der Mehrzahl nach Kandidaten enthalten, die nicht dem mittleren Bürgerstande angehören, sondern „eine gesellschaftliche Stellung“ besitzen! Man vergleiche diese Listen mit den demokratischen, ob nicht überall der Reichthum, das hergebrachte Ansehen, die amtliche Stellung, gerade dem „mittleren Bürgerstande erlegen ist!

Nur einige Beispiele:

Im 3. Wahlbezirk wurde den fünf demokratischen Kandidaten Hr. Pastor Busch fünfmal entgegengestellt, und fiel fünfmal durch gegen einen Gymnasiallehrer, einen Leineweber, einen Anstreicher, einen Kammmacher und einen Fabrikanten.

Im 9. Bezirk siegten fünf demokratische Kandidaten über fünf Herren von der höheren Bourgeoisie, worunter ein Stadtrath und ein Quadratfüßler.

Im 29. Bezirk fiel Hr. Stadtrath Michels fünfmal durch gegen Kandidaten, die sämmtlich zum mittleren Bürgerstande gezählt werden können.

Im 30. Bezirk siegte ein Schneidergesell über einen sehr vermögenden Pumpenmacher, ein Spezereihändler über den Kanzler des Domkapitels Hrn. v. Groote, ein Branntweinbrenner über den Domkapitular Hrn. Trost u. s. w.

Im 32. Bezirk siegten die fünf Hauptkandidaten, worunter drei Advokaten, aus dem einfachen Grunde, weil 138 Wähler aus dem mittleren Bürgerstande, nicht mitstimmten. Die Mehrzahl davon hätte für die Demokraten gestimmt. „Die erschreckende Theilnahmlosigkeit des mittleren Bürgerstandes“ verhalf also gerade hier nicht den Demokraten, sondern den Konstitutionellen zum Sieg!

Im 49. Bezirk fiel Hr. Karl Boisseree, Kohlenhändler etc. durchaus nicht dem mittleren Bürgerstande angehörig, achtmal durch gegen acht Demokraten aus dem „mittleren Bürgerstande.“

Endlich im 45. Bezirk, doch hören wir zuerst Hrn. Brüggemann selbst:

„Im 45. Bezirk, der 530 Urwähler enthält, wurde in der ersten Wahl bei 242 wirklich Wählenden der Kommandant, Herr Oberst Engels, in der dritten Wahl, nachdem die Demokraten über Mittag einigen Sukkurs geholt, bei 260 wirklich Wählenden als Kandidat der Letztern ein Wahlmann von der alleräußersten sozialistisch-demokratischen Gesinnung gewählt! Was ist nun die Ueberzeugung und Gesinnung des 45. Bezirks?“

Letztere Frage könnte sich Ehren-Brüggemann selbst beantworten, da er bekanntlich im Wahllokal des 45. Bezirks sich die ganzen beiden Wahltage aufgehalten und den Sieg der konstitutionellen Kandidaten in diesem Hauptquartier des Bürgervereins mit allen Mitteln durchzusetzen suchte. Aber vergebens, und daher die Thränen!

Im 45. Wahlbezirk — Sie müssen es wissen, Herr Brüggemann — ging es folgendermaßen her:

Die Herren vom Bürgerverein hatten sich höchst pünktlich zur bestimmten Stunde eingefunden. Die Demokraten blieben etwas länger aus. Sofort schritten die Herren vom Bürgerverein zur Wahl, und setzten den Oberst Engels — hört, hört — mit Einer Stimme Majorität — durch. Und dieser Eine entscheidende Stimmzettel enthielt weiter nichts als den Namen „Engels“ ohne weitere Qualifikation. Gegen diesen glorreichen Wahlsieg des Hrn. Engels vermittelst Einer zweifelhaften Stimme haben aber zwei Hundert vier und dreißig Urwähler des Bezirks Protest eingelegt — also fast doppelt soviel, als für Hrn. Engels stimmten.

Wie aber ging es den übrigen sieben Kandidaten des Bürgervereins?

Der zweite Kandidat war Herr Stupp, der wohlbekannte Ex-Abgeordnete, der in Berlin davonlief und nach Brandenburg ging. Hr. Stupp fiel durch gegen Herrn Hummelsheim, einen entschiedenen Demokraten aus dem „mittleren Bürgerstande“.

Der dritte war der wohlangesehene und sehr wohlhabende Kaufmann Herr Franz Heuser, der, wie wir oben sehen, zum großen Entsetzen des Herrn Brüggemann gegen einen „alleräußersten demokratisch-sozialistischen“ Kandidaten durchfiel.

Aber die Demokraten hatten „Sukkurs geholt“!

Ei Herr Brüggemann, und warum holten Sie denn keinen Sukkurs? Warum liefen Sie und die übrigen Herren vom Bürgerverein nicht von Haus zu Haus, um den „mittleren Bürgerstand“ aus seiner „erschreckenden Theilnahmlosigkeit“ emporzurütteln? Warum drückten Sie den Leuten nicht noch einige Exemplare jener wunderthätigen, 344,000 mal abgezognen Flugblätter in die Hand? Ach, es wäre umsonst gewesen! Die Demokraten waren zu übermächtig. Sie sehen es ein, verkannter Brüggemann, vous aviez travaillé pour le roi de Prusse!

Doch weiter. Der vierte Kandidat war Hr. Advokat-Anwalt Fay, Mit-Chef des Bürgervereins und Inhaber der Lösung der sozialen Frage. Auch du, Brutus! Die unbarmherzigen Wähler opferten ihn einem Buchdruckereibesitzer „aus dem mittleren Bürgerstande“, und Herr Fay fiel durch.

Der fünfter war Herr Advokat-Anwalt Compes, Ex-Nationalversammelter von Frankfurt. Aber auch ihm leuchtete kein guter Stern: er fiel durch gegen den Schlossermeister Monius „aus dem mittleren Bürgerstande.“

Der sechste war Herr Ochse-Stern, der Leihhausverwalter, der mit seinen Pfandzetteln das ganze Proletariat und den ganzen mittleren Bürgerstand beherrscht. Er fiel durch gegen den Privatmann Froitzheim „aus dem mittleren Bürgerstande.“

Der siebente war Herr Advokat-Anwalt Esser II., Ex-Abgeordneter in Berlin, der mit Hrn. Stupp am 9. Oktober im Davonlaufen wetteiferte. Er folgte seinem Genossen auch hier; er fiel durch gegen den Schneider Tilz „aus dem mittleren Bürgerstande.“

Der achte endlich, Hr. Pastor Rollertz, erlag ebenfalls einem Gegner aus dem „mittleren Bürgerstande“, dem Kaufmann Hrn. Hospelt.

Also sieben demokratische Wahlmänner, fast alle „aus dem mittleren Bürgerstande“, siegten gegen sieben Lokalgrößen, worunter zwei Exdeputirte, ein Pastor, ein Nationalversammelter, und ein Löser der sozialen Frage — und nur Ein nicht dem „mittleren Bürgerstand“ angehöriger Heulerwahlmann ging durch, und noch obendrein mit Einer zweifelhaften Stimme und verfolgt von einem Protest mit 234 Unterschriften!

Und diesen Bezirk wählt Hr. Brüggemann, um auszurufen: Was ist nun die Gesinnung und Ueberzeugung dieses Bezirks! Diesen Bezirk, in dem der mittlere Bürgerstand entschieden siegte, wählt er, um „die erschreckende Theilnahmlosigkeit des mittleren Bürgerstandes“ zu beweisen! Armer Brüggemann! Die Beklemmung raubt ihm den letzten Rest von Besinnung.

Uebrigens stehen auf den Armenlisten der Stadt Köln 25,000 Köpfe, die öffentliche Unterstützung erhalten. Diese 25,000 Köpfe, d. h. gerade 29 pCt. oder fast ein Drittel der Gesammtbevölkerung, sind nicht vertreten. Ferner sind die vielen Arbeiter nicht vertreten, die entweder noch keine 6 Monate hier, oder die keine Preußen sind. Nun ziehe man diese Kategorieen von der Gesammtmasse des Proletariats ab, und wie viel Proletarier bleiben übrig, die das Stimmrecht haben? Wahrhaftig, wenn das Proletariat und die kleine Bourgeoisie nicht zusammengehalten hätten, die konservative größere Bourgeoisie hätte siegen müssen! Und dabei faselt ein Brüggemann von erschreckender Theilnahmlosigkeit des mittleren Bürgerstandes!

Die Sache ist einfach: Wo der Sieg der einen oder der andern Partei gewiß war, da blieben manche Wähler beider Parteien aus, oder erschienen erst wenn das Resultat zu schwanken anfing. Gerade die Sicherheit des Resultats machte die Leute scheinbar gleichgültig. Aber hätte er sie alle herbeigetrieben, Hr. Brüggemann hätte doch seiner braven Partei keinen Sieg verschafft. Dafür haben die „rettenden Thaten der Krone“ gesorgt.

Uebrigens mögen die Demokraten nicht zu übermüthig sein. Es ist nicht zu läugnen, daß gerade hier in Köln die Wahlen unentschiedener ausgefallen sind als sonst in der Provinz. Die Demokraten mögen sorgen, daß unsere Gegner nicht durch Intriguen und Spaltungen bei den Wahlmännern wenigstens ein Stück des verlornen Terrains wieder gewinnen. Von der Thätigkeit der Demokraten hängt es ab, ob der errungene Sieg vollständig ausgebeutet werden wird. So lange die Deputirten nicht ernannt sind, so lange dürfen wir nicht ruhen. Also wachsam und thätig!

* Köln, 23. Jan.

Wie man die Wahlangelegenheit in der Blankenheimerhof-Kaserne betrieben hat, darüber geben wir dem Publikum in Nachstehendem eine kurze erbauliche Vorstellung:

Zuvor wurden — auf Befehl der königl. Kommandantur — sechs außerhalb der Kaserne wohnende Offiziere und zwar

1) Hauptmann von Uttenhoven, 2) Hauptmann Koeber, 3) Hauptmann von Dorpowski, 4) Prem.-Lieut. von Bulow, 5) Prem.-Lieut. von Woisky, 6) Prem.-Lieut. von Woringen,
zu den Urwählern in der Kaserne abgetheilt, der v. Dorpowski noch dazu als Wahlkommissarius bestellt.

Die Genannten haben vom 20. bis 22. in der Kaserne geschlafen. Ist dies der Grund der Zutheilung oder ist sie auf Grund mündlichen Cirkulärs von oben herunter geschehen? So viel haben wir gehört, daß diese Urwähler-Vertheilung auf Befehl des jüngst noch für seine Bravour in der Belagerungszeit Kölns mit dem rothen Adler-Orden beschenkten Kommandanten Engels, im Kommandantur-Bureau vorgenommen sein soll.

Die Folge von diesen Wahl-Umtrieben war, daß Freitag den 19. d. Mts. bei jeder Kompagnie des 2. Bat. 16. Inf.-Regiments (dieses Bataillon wählte von den in der Kaserne liegenden 3 Bataillons allein und zwar 9 Wahlmänner) 3 Vertrauensmänner ernannt wurden, wobei die Unteroffiziere den Gemeinen einen Offizier oder Feldwebel angaben und dann fragten: ob sie gegen diesen Etwas zu erinnern hätten? Natürlich hatte bei Anwesenheit der p. p. Offiziere Keiner die Dreistigkeit — die ihm vielleicht übel zu stehen gekommen wäre — Etwas einzuwenden. Die Hrn. Vertrauensmänner brachten nun heute Morgen ein Verzeichniß der von ihnen aufgestellten Wahlmänner herbei. Dieses wurde dann unter die Soldaten vertheilt und nachdem dies geschehen, wurden die Soldaten in Reih und Glied zur Wahl abgeführt. Jede Kompagnie wurde allein gestellt und dadurch jede Verbindung und Besprechung untereinander abgeschnitten. Der Hauptmann von Uttenhoven — kürzlich zum Kapitain erster Klasse mit einem Gehalt von 100 Thlr. monatlich, ernannt und als ächt preußischer Reaktionär bekannt — befahl hierbei seinen Leuten, daß Keiner sich entfernen sollte, bis erst 3 Wahlmänner durchgebracht seien (er war nämlich der 3. auf dem Zettel Bezeichnete!); auch überzeugte er sich mehrmal durch Oeffnen der Stimmzettel, ob seine Leute auch nach seinen Befehlen verfuhren, und Wehe dem, der es nicht gethan!

Die Soldaten, hierdurch ganz irre geführt, wurden nun durch die Offiziere und Unteroffiziere, denen sich auch der Hr. Kommandant Engels anschloß, so bearbeitet, daß sogar die bei den Unteroffizieren und Gemeinen am meisten verhaßten Offiziere gewählt wurden. Natürlich wurde kein Mittel geschont, um die Soldaten zu dieser Wahl zu verleiten, ja, der Herr Wahlkommissar äußerte: „Hätten sie (die Soldaten) voriges Jahr gut gewählt, so wären die Reservisten längst zu Hause!“ Also, mit andern Worten: „Wählet mich!“ Ueberhaupt, wählet lauter ächt „Schwarzweiße“, lauter Krautjunker und müßige Verzehrer am Beutel des Volkes, wählt Leute, die es gründlich verstehen, euch und euere Eltern und euere Angehörigen und Freunde und die Bewohner des ganzen Landes in einen schlimmern Zustand zurückzuwerfen, als selbst der seit 1817 war. Und doch war dieser Zustand so, daß man glaubte, es könne nichts mehr darüber hinausgehen!

068 Köln, 24. Jan.

Der hiesige rheinisch-westphälische Centralheulerausschuß hat folgenden Cirkulär-Bericht über seine Centralwahlklüngeleien und Agitationen veröffentlicht:

An den konstitutionellen Verein zu ***

Unserm Auftrage auf die Wahlen einzuwirken, haben wir vor der Hand durch Verbreitung von Flugblätern und durch Rundschreiben an die einzelnen Vereine, durch welche die Gleichmäßigkeit der Bemühungen erzielt werden sollte, zu genügen versucht.

Da morgen die Urwahlen für die zweite Kammer Statt finden werden so ist dem ersten Theile unserer Thätigkeit ein Ziel gesetzt.

Es bleibt uns jetzt noch übrig, auf die Urwahlen für die erste Kammer und auf die Wahlmänner für die zweite eine Wirkung zu erlangen zu suchen.

Wir fühlen dabei das dringende Bedürfniß einer Besprechung mit unseren Gesinnungsgenossen. Einen förmlichen Congreß deshalb abzuhalten, würde zu weitläufig sein, demnach ersuchen wir Sie, eins oder einige Mitglieder Ihres Vereins zu einer Besprechung abzuordnen, welche wir auf Mittwoch den 24. d., Nachmittags 3 Uhr, im „Prinzen Carl“ in Deutz festsetzen. Dürfte es auch den uns ferner wohnenden Vereinen nicht thunlich erscheinen, diese Zusammenkunft zu beschicken, so hoffen wir doch, daß die uns näher liegenden uns mit ihrem Besuche erfreuen werden.

Wir wünschen namentlich Aufschluß über den Ausfall der Urwahlen vom 22. d. M., über die Aussicht für die Urwahlen zur ersten Kammer und über die Kandidaten, die bereits aufgestellt sind, Letzteres, damit möglicherweise Doppelwahlen vermieden werden.

Wir wünschten ferner Rechenschaft über unsere bisherige Thätigkeit abzulegen und zu erfahren, ob wir damit den Wünschen unserer Verbündeten Genüge geleistet haben.

Wir haben bis jetzt 16 Flugblätter, jedes zu einer Auflage von 12,000 Exemplaren drucken lassen und dieselben nach Möglichkeit, mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln verbreitet.

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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No 204. Köln, Donnerstag den 25 Januar. 1849.</docDate>
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        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland</hi>. Köln. (Die Wahlen. &#x2014; Die Wahlen beim Militär. &#x2014; Wahlmanöver des konstitutionellen Central-Ausschusses.) Worringen, Gladbach, Emmerich, Essen, Warendorf, Aachen, Düren, aus dem Siegkreise. (Wahlsieg der Demokraten.) Elberfeld. (Niederlage der Heuler.) Aus dem Bergischen. (Stiehl und Diesterweg.) Berlin. (Neuestes Schreiben Temme's an Hrn. Rintelen. &#x2014; Wahlangelegenheiten. &#x2014; Niederlage der Reactionärs) Breslau. (Ein &#x201E;Preis-Courant.&#x201C;) Prag. (Windischgrätz und die Juni-Akten.) Posen. (Der letzte Weihnachtsabend in Warschau.) Prenzlau. (Schwarz-weiße Kandidaten) Bamberg. (Militär-Exzesse.) Frankfurt. (National-Versammlung.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Franz. Republik</hi>. Paris. (Weitere Frechheiten der Ordnungsfreunde. &#x2014; Der 21. Januar. &#x2014; Kommentarien über Boulay. &#x2014; Ledru-Rollin's Rede. &#x2014; Ein Brief Huber's. &#x2014; Vermischtes. &#x2014; National-Versammlung)</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien</hi>. Rom. (Die Wahlen) Livorno. (Angebliches Attentat auf Ferdinand von Neapel. &#x2014; Bannstrahl gegen Bannstrahl.) Aus der Lombardei. (Protestation der lombardischen Emigrirten.)</p>
      </div>
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        <head>Deutschland.</head>
        <div xml:id="ar204_001" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 24. Jan.</head>
          <p>Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit Ehren-Brüggemann nach einer neuen &#x201E;<hi rendition="#g">rettenden That der Krone</hi>&#x201C;. Derselbe tiefe Denker, der noch vor nicht gar langer Zeit das allgemeine Stimmrecht als eine der glorreichsten und kostbarsten &#x201E;Märzerrungenschaften&#x201C; pries; derselbe grundehrliche Mann ist heute der Meinung, daß selbst das jetzige octroyirte und <hi rendition="#g">beschränkte</hi> Stimmrecht wieder weg-octroyirt werden müsse.</p>
          <p>&#x201E;So viel, sagt Ehren-Brüggemann, so viel muß dem Beobachter, welcher Partei er auch angehöre, gestern klar geworden sein &#x2014; das gegenwärtige Wahlgesetz macht, so lange nicht durch andere politische Institutionen eine allgemeinere Theilnahme an den Wahlen und eine häufigere Berührung und bessere gegenseitige Kenntniß der Bezirksgenossen erwirkt ist, <hi rendition="#g">vernünftige und maßgebende Wahlen unmöglich</hi>.&#x201C; Und warum nicht? Mit einem tiefen Seufzer antwortet Brüggemann:</p>
          <p>&#x201E;Es unterliegt keinem Zweifel mehr, daß im Ganzen die vereinigten Linken mit ihren Kandidaten (in ihrem Schmerz bringt es die Kölnische fertig, noch schlechteres Deutsch zu schreiben, als gewöhnlich) über die Kandidaten der konstitutionellen Partei den Sieg davon getragen haben.&#x201C;</p>
          <p>Und wo die konstitutionelle Partei, diese &#x201E;wahre Majorität&#x201C;, dieser &#x201E;Kern der Bevölkerung&#x201C;, so geschlagen wird, wie hier in Köln vorgestern, da kann natürlich von &#x201E;vernünftigen und maßgebenden Wahlen&#x201C; nicht die Rede sein. Das ist keine Volksvertretung. Die besten Leute, die Stützen der braven Konstitutionellen haben offenbar nicht mitgestimmt. Eine kleine, aber thätige Minorität hat in Abwesenheit der Majorität die Wahlen eskamotirt. Hört nur den weisen Brüggemann:</p>
          <p>&#x201E;Den Hauptgrund dieses unerwarteten Ausfalls haben wir in der <hi rendition="#g">erschreckenden Theilnahmlosigkeit des mittleren Bürgerstandes</hi> zu suchen.&#x201C;</p>
          <p>Also das ist das Resultat der 182,000 Flugblätter und 162,000 Abdrücke in der edlen &#x201E;Kölnischen&#x201C; &#x2014; die erschreckende Theilnahmlosigkeit des mittleren Bürgerstandes! Welche &#x201E;erschreckende&#x201C; Langweiligkeit und Leere muß der &#x201E;mittlere Bürgerstand&#x201C; in diesen sechszehn konstitutionellen Flugblättern entdeckt haben! Welche Naivetät der Bürgervereinszeitung, gerade in der Wirkungslosigkeit und Ohnmacht ihrer krampfhaftesten Anstrengungen den &#x201E;Haupt-Grund&#x201C; der Niederlage zu sehen!</p>
          <p>Aber wie sieht es aus mit dieser &#x201E;erschreckenden Theilnahmlosigkeit des mittleren Bürgerstandes?&#x201C;</p>
          <p>Man sehe doch die Listen der gewählten Wahlmänner durch, ob nicht die Majorität gerade dem &#x201E;mittleren Bürgerstande&#x201C; angehören! Man sehe die Kandidatenlisten der Konstitutionellen an, ob sie nicht der Mehrzahl nach Kandidaten enthalten, die <hi rendition="#g">nicht</hi> dem mittleren Bürgerstande angehören, sondern &#x201E;eine gesellschaftliche Stellung&#x201C; besitzen! Man vergleiche diese Listen mit den demokratischen, ob nicht überall der Reichthum, das hergebrachte Ansehen, die amtliche Stellung, gerade dem &#x201E;mittleren Bürgerstande erlegen ist!</p>
          <p>Nur einige Beispiele:</p>
          <p>Im 3. Wahlbezirk wurde den fünf demokratischen Kandidaten Hr. Pastor Busch fünfmal entgegengestellt, und fiel fünfmal durch gegen einen Gymnasiallehrer, einen Leineweber, einen Anstreicher, einen Kammmacher und einen Fabrikanten.</p>
          <p>Im 9. Bezirk siegten fünf demokratische Kandidaten über fünf Herren von der höheren Bourgeoisie, worunter ein Stadtrath und ein Quadratfüßler.</p>
          <p>Im 29. Bezirk fiel Hr. Stadtrath Michels fünfmal durch gegen Kandidaten, die sämmtlich zum mittleren Bürgerstande gezählt werden können.</p>
          <p>Im 30. Bezirk siegte ein Schneidergesell über einen sehr vermögenden Pumpenmacher, ein Spezereihändler über den Kanzler des Domkapitels Hrn. v. <hi rendition="#g">Groote,</hi> ein Branntweinbrenner über den Domkapitular Hrn. <hi rendition="#g">Trost</hi> u. s. w.</p>
          <p>Im 32. Bezirk siegten die fünf Hauptkandidaten, worunter drei Advokaten, aus dem einfachen Grunde, weil 138 Wähler aus dem mittleren Bürgerstande, nicht mitstimmten. Die Mehrzahl davon hätte für die Demokraten gestimmt. &#x201E;Die erschreckende Theilnahmlosigkeit des mittleren Bürgerstandes&#x201C; verhalf also gerade hier nicht den Demokraten, sondern den <hi rendition="#g">Konstitutionellen</hi> zum Sieg!</p>
          <p>Im 49. Bezirk fiel Hr. Karl Boisseree, Kohlenhändler etc. durchaus nicht dem mittleren Bürgerstande angehörig, achtmal durch gegen acht Demokraten aus dem &#x201E;mittleren Bürgerstande.&#x201C;</p>
          <p>Endlich im 45. Bezirk, doch hören wir zuerst Hrn. Brüggemann selbst:</p>
          <p>&#x201E;Im 45. Bezirk, der 530 Urwähler enthält, wurde in der ersten Wahl bei 242 wirklich Wählenden der Kommandant, Herr Oberst Engels, in der dritten Wahl, nachdem die Demokraten über Mittag einigen Sukkurs geholt, bei 260 wirklich Wählenden als Kandidat der Letztern ein Wahlmann von der alleräußersten sozialistisch-demokratischen Gesinnung gewählt! Was ist nun die Ueberzeugung und Gesinnung des 45. Bezirks?&#x201C;</p>
          <p>Letztere Frage könnte sich Ehren-Brüggemann selbst beantworten, da er bekanntlich im Wahllokal des 45. Bezirks sich die ganzen beiden Wahltage aufgehalten und den Sieg der konstitutionellen Kandidaten in diesem Hauptquartier des Bürgervereins mit allen Mitteln durchzusetzen suchte. Aber vergebens, und daher die Thränen!</p>
          <p>Im 45. Wahlbezirk &#x2014; Sie müssen es wissen, Herr Brüggemann &#x2014; ging es folgendermaßen her:</p>
          <p>Die Herren vom Bürgerverein hatten sich höchst pünktlich zur bestimmten Stunde eingefunden. Die Demokraten blieben etwas länger aus. Sofort schritten die Herren vom Bürgerverein zur Wahl, und setzten den Oberst Engels &#x2014; hört, hört &#x2014; mit Einer Stimme Majorität &#x2014; durch. Und dieser Eine entscheidende Stimmzettel enthielt weiter nichts als den Namen &#x201E;Engels&#x201C; ohne weitere Qualifikation. Gegen diesen glorreichen Wahlsieg des Hrn. Engels vermittelst Einer zweifelhaften Stimme haben aber <hi rendition="#g">zwei Hundert vier und dreißig</hi> Urwähler des Bezirks <hi rendition="#g">Protest</hi> eingelegt &#x2014; also fast doppelt soviel, als für Hrn. Engels stimmten.</p>
          <p>Wie aber ging es den übrigen sieben Kandidaten des Bürgervereins?</p>
          <p>Der zweite Kandidat war Herr <hi rendition="#g">Stupp,</hi> der wohlbekannte Ex-Abgeordnete, der in Berlin davonlief und nach Brandenburg ging. Hr. Stupp fiel durch gegen Herrn Hummelsheim, einen entschiedenen Demokraten aus dem &#x201E;mittleren Bürgerstande&#x201C;.</p>
          <p>Der dritte war der wohlangesehene und sehr wohlhabende Kaufmann Herr Franz <hi rendition="#g">Heuser,</hi> der, wie wir oben sehen, zum großen Entsetzen des Herrn Brüggemann gegen einen &#x201E;alleräußersten demokratisch-sozialistischen&#x201C; Kandidaten durchfiel.</p>
          <p>Aber die Demokraten hatten &#x201E;Sukkurs geholt&#x201C;!</p>
          <p>Ei Herr Brüggemann, und warum holten Sie denn keinen Sukkurs? Warum liefen Sie und die übrigen Herren vom Bürgerverein nicht von Haus zu Haus, um den &#x201E;mittleren Bürgerstand&#x201C; aus seiner &#x201E;erschreckenden Theilnahmlosigkeit&#x201C; emporzurütteln? Warum drückten Sie den Leuten nicht noch einige Exemplare jener wunderthätigen, 344,000 mal abgezognen Flugblätter in die Hand? Ach, es wäre umsonst gewesen! Die Demokraten waren zu übermächtig. Sie sehen es ein, verkannter Brüggemann, vous aviez travaillé pour le roi de Prusse!</p>
          <p>Doch weiter. Der vierte Kandidat war Hr. Advokat-Anwalt <hi rendition="#g">Fay</hi>, Mit-Chef des Bürgervereins und Inhaber der Lösung der sozialen Frage. Auch du, Brutus! Die unbarmherzigen Wähler opferten ihn einem Buchdruckereibesitzer &#x201E;aus dem mittleren Bürgerstande&#x201C;, und Herr Fay fiel durch.</p>
          <p>Der fünfter war Herr Advokat-Anwalt <hi rendition="#g">Compes</hi>, Ex-Nationalversammelter von Frankfurt. Aber auch ihm leuchtete kein guter Stern: er fiel durch gegen den Schlossermeister Monius &#x201E;aus dem mittleren Bürgerstande.&#x201C;</p>
          <p>Der sechste war Herr <hi rendition="#g">Ochse-Stern,</hi> der Leihhausverwalter, der mit seinen Pfandzetteln das ganze Proletariat und den ganzen mittleren Bürgerstand beherrscht. Er fiel durch gegen den Privatmann Froitzheim &#x201E;aus dem mittleren Bürgerstande.&#x201C;</p>
          <p>Der siebente war Herr Advokat-Anwalt <hi rendition="#g">Esser II</hi>., Ex-Abgeordneter in Berlin, der mit Hrn. Stupp am 9. Oktober im Davonlaufen wetteiferte. Er folgte seinem Genossen auch hier; er fiel durch gegen den Schneider Tilz &#x201E;aus dem mittleren Bürgerstande.&#x201C;</p>
          <p>Der achte endlich, Hr. Pastor <hi rendition="#g">Rollertz</hi>, erlag ebenfalls einem Gegner aus dem &#x201E;mittleren Bürgerstande&#x201C;, dem Kaufmann Hrn. Hospelt.</p>
          <p>Also sieben demokratische Wahlmänner, fast alle &#x201E;aus dem mittleren Bürgerstande&#x201C;, siegten gegen sieben Lokalgrößen, worunter zwei Exdeputirte, ein Pastor, ein Nationalversammelter, und ein Löser der sozialen Frage &#x2014; und nur Ein nicht dem &#x201E;mittleren Bürgerstand&#x201C; angehöriger Heulerwahlmann ging durch, und noch obendrein mit <hi rendition="#g">Einer</hi> zweifelhaften Stimme und verfolgt von einem Protest mit 234 Unterschriften!</p>
          <p>Und diesen Bezirk wählt Hr. Brüggemann, um auszurufen: Was ist nun die Gesinnung und Ueberzeugung dieses Bezirks! Diesen Bezirk, in dem der mittlere Bürgerstand entschieden siegte, wählt er, um &#x201E;die erschreckende Theilnahmlosigkeit des mittleren Bürgerstandes&#x201C; zu beweisen! Armer Brüggemann! Die Beklemmung raubt ihm den letzten Rest von Besinnung.</p>
          <p>Uebrigens stehen auf den Armenlisten der Stadt Köln 25,000 Köpfe, die öffentliche Unterstützung erhalten. Diese 25,000 Köpfe, d. h. gerade 29 pCt. oder fast ein Drittel der Gesammtbevölkerung, sind nicht vertreten. Ferner sind die vielen Arbeiter nicht vertreten, die entweder noch keine 6 Monate hier, oder die keine Preußen sind. Nun ziehe man diese Kategorieen von der Gesammtmasse des Proletariats ab, und wie viel Proletarier bleiben übrig, die das Stimmrecht haben? Wahrhaftig, wenn das Proletariat und die kleine Bourgeoisie nicht zusammengehalten hätten, die konservative größere Bourgeoisie hätte siegen <hi rendition="#g">müssen</hi>! Und dabei faselt ein Brüggemann von erschreckender Theilnahmlosigkeit des mittleren Bürgerstandes!</p>
          <p>Die Sache ist einfach: Wo der Sieg der einen oder der andern Partei gewiß war, da blieben manche Wähler beider Parteien aus, oder erschienen erst wenn das Resultat zu schwanken anfing. Gerade die Sicherheit des Resultats machte die Leute scheinbar gleichgültig. Aber hätte er sie alle herbeigetrieben, Hr. Brüggemann hätte doch seiner braven Partei keinen Sieg verschafft. Dafür haben die &#x201E;rettenden Thaten der Krone&#x201C; gesorgt.</p>
          <p>Uebrigens mögen die Demokraten nicht zu übermüthig sein. Es ist nicht zu läugnen, daß gerade hier in Köln die Wahlen unentschiedener ausgefallen sind als sonst in der Provinz. Die Demokraten mögen sorgen, daß unsere Gegner nicht durch Intriguen und Spaltungen bei den Wahlmännern wenigstens ein Stück des verlornen Terrains wieder gewinnen. Von der Thätigkeit der Demokraten hängt es ab, ob der errungene Sieg vollständig ausgebeutet werden wird. So lange die Deputirten nicht ernannt sind, so lange dürfen wir nicht ruhen. Also wachsam und thätig!</p>
        </div>
        <div xml:id="ar204_002" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 23. Jan.</head>
          <p>Wie man die Wahlangelegenheit in der Blankenheimerhof-Kaserne betrieben hat, darüber geben wir dem Publikum in Nachstehendem eine kurze erbauliche Vorstellung:</p>
          <p>Zuvor wurden &#x2014; auf Befehl der königl. Kommandantur &#x2014; sechs außerhalb der Kaserne wohnende Offiziere und zwar<lb/><list><item>1) Hauptmann von Uttenhoven,</item><item>2) Hauptmann Koeber,</item><item>3) Hauptmann von Dorpowski,</item><item>4) Prem.-Lieut. von Bulow,</item><item>5) Prem.-Lieut. von Woisky,</item><item>6) Prem.-Lieut. von Woringen,</item></list> zu den Urwählern in der Kaserne abgetheilt, der v. Dorpowski noch dazu als Wahlkommissarius bestellt.</p>
          <p>Die Genannten haben vom 20. bis 22. in der Kaserne geschlafen. Ist dies der Grund der Zutheilung oder ist sie auf Grund mündlichen Cirkulärs von oben herunter geschehen? So viel haben wir gehört, daß diese Urwähler-Vertheilung auf Befehl des jüngst noch für seine Bravour in der Belagerungszeit Kölns mit dem rothen Adler-Orden beschenkten Kommandanten Engels, im Kommandantur-Bureau vorgenommen sein soll.</p>
          <p>Die Folge von diesen Wahl-Umtrieben war, daß Freitag den 19. d. Mts. bei jeder Kompagnie des 2. Bat. 16. Inf.-Regiments (dieses Bataillon wählte von den in der Kaserne liegenden 3 Bataillons allein und zwar 9 Wahlmänner) 3 Vertrauensmänner ernannt wurden, wobei die Unteroffiziere den Gemeinen einen Offizier oder Feldwebel angaben und dann fragten: ob sie gegen diesen Etwas zu erinnern hätten? Natürlich hatte bei Anwesenheit der p. p. Offiziere Keiner die Dreistigkeit &#x2014; die ihm vielleicht übel zu stehen gekommen wäre &#x2014; Etwas einzuwenden. Die Hrn. Vertrauensmänner brachten nun heute Morgen ein Verzeichniß der von ihnen aufgestellten Wahlmänner herbei. Dieses wurde dann unter die Soldaten vertheilt und nachdem dies geschehen, wurden die Soldaten in Reih und Glied zur Wahl abgeführt. Jede Kompagnie wurde allein gestellt und dadurch jede Verbindung und Besprechung untereinander abgeschnitten. Der Hauptmann von Uttenhoven &#x2014; kürzlich zum Kapitain erster Klasse mit einem Gehalt von 100 Thlr. monatlich, ernannt und als ächt preußischer Reaktionär bekannt &#x2014; befahl hierbei seinen Leuten, daß Keiner sich entfernen sollte, bis erst 3 Wahlmänner durchgebracht seien (er war nämlich der 3. auf dem Zettel Bezeichnete!); auch überzeugte er sich mehrmal durch Oeffnen der Stimmzettel, ob seine Leute auch nach seinen Befehlen verfuhren, und Wehe dem, der es nicht gethan!</p>
          <p>Die Soldaten, hierdurch ganz irre geführt, wurden nun durch die Offiziere und Unteroffiziere, denen sich auch der Hr. Kommandant Engels anschloß, so bearbeitet, daß sogar die bei den Unteroffizieren und Gemeinen am meisten verhaßten Offiziere gewählt wurden. Natürlich wurde kein Mittel geschont, um die Soldaten zu dieser Wahl zu verleiten, ja, der Herr Wahlkommissar äußerte: &#x201E;Hätten sie (die Soldaten) voriges Jahr gut gewählt, so wären die Reservisten längst zu Hause!&#x201C; Also, mit andern Worten: &#x201E;Wählet mich!&#x201C; Ueberhaupt, wählet lauter ächt &#x201E;Schwarzweiße&#x201C;, lauter Krautjunker und müßige Verzehrer am Beutel des Volkes, wählt Leute, die es gründlich verstehen, euch und euere Eltern und euere Angehörigen und Freunde und die Bewohner des ganzen Landes in einen schlimmern Zustand zurückzuwerfen, als selbst der seit 1817 war. Und doch war dieser Zustand so, daß man glaubte, es könne nichts mehr darüber hinausgehen!</p>
        </div>
        <div xml:id="ar204_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>068</author></bibl> Köln, 24. Jan.</head>
          <p>Der hiesige rheinisch-westphälische Centralheulerausschuß hat folgenden Cirkulär-Bericht über seine Centralwahlklüngeleien und Agitationen veröffentlicht:</p>
          <p rendition="#et">An den konstitutionellen Verein zu ***</p>
          <p>Unserm Auftrage auf die Wahlen einzuwirken, haben wir vor der Hand durch Verbreitung von Flugblätern und durch Rundschreiben an die einzelnen Vereine, durch welche die Gleichmäßigkeit der Bemühungen erzielt werden sollte, zu genügen versucht.</p>
          <p>Da morgen die Urwahlen für die zweite Kammer Statt finden werden so ist dem ersten Theile unserer Thätigkeit ein Ziel gesetzt.</p>
          <p>Es bleibt uns jetzt noch übrig, auf die Urwahlen für die erste Kammer und auf die Wahlmänner für die zweite eine Wirkung zu erlangen zu suchen.</p>
          <p>Wir fühlen dabei das dringende Bedürfniß einer Besprechung mit unseren Gesinnungsgenossen. Einen förmlichen Congreß deshalb abzuhalten, würde zu weitläufig sein, demnach ersuchen wir Sie, eins oder einige Mitglieder Ihres Vereins zu einer Besprechung abzuordnen, welche wir auf Mittwoch den 24. d., Nachmittags 3 Uhr, im &#x201E;Prinzen Carl&#x201C; in Deutz festsetzen. Dürfte es auch den uns ferner wohnenden Vereinen nicht thunlich erscheinen, diese Zusammenkunft zu beschicken, so hoffen wir doch, daß die uns näher liegenden uns mit ihrem Besuche erfreuen werden.</p>
          <p>Wir wünschen namentlich Aufschluß über den Ausfall der Urwahlen vom 22. d. M., über die Aussicht für die Urwahlen zur ersten Kammer und über die Kandidaten, die bereits aufgestellt sind, Letzteres, damit möglicherweise Doppelwahlen vermieden werden.</p>
          <p>Wir wünschten ferner Rechenschaft über unsere bisherige Thätigkeit abzulegen und zu erfahren, ob wir damit den Wünschen unserer Verbündeten Genüge geleistet haben.</p>
          <p>Wir haben bis jetzt 16 Flugblätter, jedes zu einer Auflage von 12,000 Exemplaren drucken lassen und dieselben nach Möglichkeit, mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln verbreitet.</p>
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[1111/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 204. Köln, Donnerstag den 25 Januar. 1849. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Die Wahlen. — Die Wahlen beim Militär. — Wahlmanöver des konstitutionellen Central-Ausschusses.) Worringen, Gladbach, Emmerich, Essen, Warendorf, Aachen, Düren, aus dem Siegkreise. (Wahlsieg der Demokraten.) Elberfeld. (Niederlage der Heuler.) Aus dem Bergischen. (Stiehl und Diesterweg.) Berlin. (Neuestes Schreiben Temme's an Hrn. Rintelen. — Wahlangelegenheiten. — Niederlage der Reactionärs) Breslau. (Ein „Preis-Courant.“) Prag. (Windischgrätz und die Juni-Akten.) Posen. (Der letzte Weihnachtsabend in Warschau.) Prenzlau. (Schwarz-weiße Kandidaten) Bamberg. (Militär-Exzesse.) Frankfurt. (National-Versammlung.) Franz. Republik. Paris. (Weitere Frechheiten der Ordnungsfreunde. — Der 21. Januar. — Kommentarien über Boulay. — Ledru-Rollin's Rede. — Ein Brief Huber's. — Vermischtes. — National-Versammlung) Italien. Rom. (Die Wahlen) Livorno. (Angebliches Attentat auf Ferdinand von Neapel. — Bannstrahl gegen Bannstrahl.) Aus der Lombardei. (Protestation der lombardischen Emigrirten.) Deutschland. * Köln, 24. Jan. Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit Ehren-Brüggemann nach einer neuen „rettenden That der Krone“. Derselbe tiefe Denker, der noch vor nicht gar langer Zeit das allgemeine Stimmrecht als eine der glorreichsten und kostbarsten „Märzerrungenschaften“ pries; derselbe grundehrliche Mann ist heute der Meinung, daß selbst das jetzige octroyirte und beschränkte Stimmrecht wieder weg-octroyirt werden müsse. „So viel, sagt Ehren-Brüggemann, so viel muß dem Beobachter, welcher Partei er auch angehöre, gestern klar geworden sein — das gegenwärtige Wahlgesetz macht, so lange nicht durch andere politische Institutionen eine allgemeinere Theilnahme an den Wahlen und eine häufigere Berührung und bessere gegenseitige Kenntniß der Bezirksgenossen erwirkt ist, vernünftige und maßgebende Wahlen unmöglich.“ Und warum nicht? Mit einem tiefen Seufzer antwortet Brüggemann: „Es unterliegt keinem Zweifel mehr, daß im Ganzen die vereinigten Linken mit ihren Kandidaten (in ihrem Schmerz bringt es die Kölnische fertig, noch schlechteres Deutsch zu schreiben, als gewöhnlich) über die Kandidaten der konstitutionellen Partei den Sieg davon getragen haben.“ Und wo die konstitutionelle Partei, diese „wahre Majorität“, dieser „Kern der Bevölkerung“, so geschlagen wird, wie hier in Köln vorgestern, da kann natürlich von „vernünftigen und maßgebenden Wahlen“ nicht die Rede sein. Das ist keine Volksvertretung. Die besten Leute, die Stützen der braven Konstitutionellen haben offenbar nicht mitgestimmt. Eine kleine, aber thätige Minorität hat in Abwesenheit der Majorität die Wahlen eskamotirt. Hört nur den weisen Brüggemann: „Den Hauptgrund dieses unerwarteten Ausfalls haben wir in der erschreckenden Theilnahmlosigkeit des mittleren Bürgerstandes zu suchen.“ Also das ist das Resultat der 182,000 Flugblätter und 162,000 Abdrücke in der edlen „Kölnischen“ — die erschreckende Theilnahmlosigkeit des mittleren Bürgerstandes! Welche „erschreckende“ Langweiligkeit und Leere muß der „mittlere Bürgerstand“ in diesen sechszehn konstitutionellen Flugblättern entdeckt haben! Welche Naivetät der Bürgervereinszeitung, gerade in der Wirkungslosigkeit und Ohnmacht ihrer krampfhaftesten Anstrengungen den „Haupt-Grund“ der Niederlage zu sehen! Aber wie sieht es aus mit dieser „erschreckenden Theilnahmlosigkeit des mittleren Bürgerstandes?“ Man sehe doch die Listen der gewählten Wahlmänner durch, ob nicht die Majorität gerade dem „mittleren Bürgerstande“ angehören! Man sehe die Kandidatenlisten der Konstitutionellen an, ob sie nicht der Mehrzahl nach Kandidaten enthalten, die nicht dem mittleren Bürgerstande angehören, sondern „eine gesellschaftliche Stellung“ besitzen! Man vergleiche diese Listen mit den demokratischen, ob nicht überall der Reichthum, das hergebrachte Ansehen, die amtliche Stellung, gerade dem „mittleren Bürgerstande erlegen ist! Nur einige Beispiele: Im 3. Wahlbezirk wurde den fünf demokratischen Kandidaten Hr. Pastor Busch fünfmal entgegengestellt, und fiel fünfmal durch gegen einen Gymnasiallehrer, einen Leineweber, einen Anstreicher, einen Kammmacher und einen Fabrikanten. Im 9. Bezirk siegten fünf demokratische Kandidaten über fünf Herren von der höheren Bourgeoisie, worunter ein Stadtrath und ein Quadratfüßler. Im 29. Bezirk fiel Hr. Stadtrath Michels fünfmal durch gegen Kandidaten, die sämmtlich zum mittleren Bürgerstande gezählt werden können. Im 30. Bezirk siegte ein Schneidergesell über einen sehr vermögenden Pumpenmacher, ein Spezereihändler über den Kanzler des Domkapitels Hrn. v. Groote, ein Branntweinbrenner über den Domkapitular Hrn. Trost u. s. w. Im 32. Bezirk siegten die fünf Hauptkandidaten, worunter drei Advokaten, aus dem einfachen Grunde, weil 138 Wähler aus dem mittleren Bürgerstande, nicht mitstimmten. Die Mehrzahl davon hätte für die Demokraten gestimmt. „Die erschreckende Theilnahmlosigkeit des mittleren Bürgerstandes“ verhalf also gerade hier nicht den Demokraten, sondern den Konstitutionellen zum Sieg! Im 49. Bezirk fiel Hr. Karl Boisseree, Kohlenhändler etc. durchaus nicht dem mittleren Bürgerstande angehörig, achtmal durch gegen acht Demokraten aus dem „mittleren Bürgerstande.“ Endlich im 45. Bezirk, doch hören wir zuerst Hrn. Brüggemann selbst: „Im 45. Bezirk, der 530 Urwähler enthält, wurde in der ersten Wahl bei 242 wirklich Wählenden der Kommandant, Herr Oberst Engels, in der dritten Wahl, nachdem die Demokraten über Mittag einigen Sukkurs geholt, bei 260 wirklich Wählenden als Kandidat der Letztern ein Wahlmann von der alleräußersten sozialistisch-demokratischen Gesinnung gewählt! Was ist nun die Ueberzeugung und Gesinnung des 45. Bezirks?“ Letztere Frage könnte sich Ehren-Brüggemann selbst beantworten, da er bekanntlich im Wahllokal des 45. Bezirks sich die ganzen beiden Wahltage aufgehalten und den Sieg der konstitutionellen Kandidaten in diesem Hauptquartier des Bürgervereins mit allen Mitteln durchzusetzen suchte. Aber vergebens, und daher die Thränen! Im 45. Wahlbezirk — Sie müssen es wissen, Herr Brüggemann — ging es folgendermaßen her: Die Herren vom Bürgerverein hatten sich höchst pünktlich zur bestimmten Stunde eingefunden. Die Demokraten blieben etwas länger aus. Sofort schritten die Herren vom Bürgerverein zur Wahl, und setzten den Oberst Engels — hört, hört — mit Einer Stimme Majorität — durch. Und dieser Eine entscheidende Stimmzettel enthielt weiter nichts als den Namen „Engels“ ohne weitere Qualifikation. Gegen diesen glorreichen Wahlsieg des Hrn. Engels vermittelst Einer zweifelhaften Stimme haben aber zwei Hundert vier und dreißig Urwähler des Bezirks Protest eingelegt — also fast doppelt soviel, als für Hrn. Engels stimmten. Wie aber ging es den übrigen sieben Kandidaten des Bürgervereins? Der zweite Kandidat war Herr Stupp, der wohlbekannte Ex-Abgeordnete, der in Berlin davonlief und nach Brandenburg ging. Hr. Stupp fiel durch gegen Herrn Hummelsheim, einen entschiedenen Demokraten aus dem „mittleren Bürgerstande“. Der dritte war der wohlangesehene und sehr wohlhabende Kaufmann Herr Franz Heuser, der, wie wir oben sehen, zum großen Entsetzen des Herrn Brüggemann gegen einen „alleräußersten demokratisch-sozialistischen“ Kandidaten durchfiel. Aber die Demokraten hatten „Sukkurs geholt“! Ei Herr Brüggemann, und warum holten Sie denn keinen Sukkurs? Warum liefen Sie und die übrigen Herren vom Bürgerverein nicht von Haus zu Haus, um den „mittleren Bürgerstand“ aus seiner „erschreckenden Theilnahmlosigkeit“ emporzurütteln? Warum drückten Sie den Leuten nicht noch einige Exemplare jener wunderthätigen, 344,000 mal abgezognen Flugblätter in die Hand? Ach, es wäre umsonst gewesen! Die Demokraten waren zu übermächtig. Sie sehen es ein, verkannter Brüggemann, vous aviez travaillé pour le roi de Prusse! Doch weiter. Der vierte Kandidat war Hr. Advokat-Anwalt Fay, Mit-Chef des Bürgervereins und Inhaber der Lösung der sozialen Frage. Auch du, Brutus! Die unbarmherzigen Wähler opferten ihn einem Buchdruckereibesitzer „aus dem mittleren Bürgerstande“, und Herr Fay fiel durch. Der fünfter war Herr Advokat-Anwalt Compes, Ex-Nationalversammelter von Frankfurt. Aber auch ihm leuchtete kein guter Stern: er fiel durch gegen den Schlossermeister Monius „aus dem mittleren Bürgerstande.“ Der sechste war Herr Ochse-Stern, der Leihhausverwalter, der mit seinen Pfandzetteln das ganze Proletariat und den ganzen mittleren Bürgerstand beherrscht. Er fiel durch gegen den Privatmann Froitzheim „aus dem mittleren Bürgerstande.“ Der siebente war Herr Advokat-Anwalt Esser II., Ex-Abgeordneter in Berlin, der mit Hrn. Stupp am 9. Oktober im Davonlaufen wetteiferte. Er folgte seinem Genossen auch hier; er fiel durch gegen den Schneider Tilz „aus dem mittleren Bürgerstande.“ Der achte endlich, Hr. Pastor Rollertz, erlag ebenfalls einem Gegner aus dem „mittleren Bürgerstande“, dem Kaufmann Hrn. Hospelt. Also sieben demokratische Wahlmänner, fast alle „aus dem mittleren Bürgerstande“, siegten gegen sieben Lokalgrößen, worunter zwei Exdeputirte, ein Pastor, ein Nationalversammelter, und ein Löser der sozialen Frage — und nur Ein nicht dem „mittleren Bürgerstand“ angehöriger Heulerwahlmann ging durch, und noch obendrein mit Einer zweifelhaften Stimme und verfolgt von einem Protest mit 234 Unterschriften! Und diesen Bezirk wählt Hr. Brüggemann, um auszurufen: Was ist nun die Gesinnung und Ueberzeugung dieses Bezirks! Diesen Bezirk, in dem der mittlere Bürgerstand entschieden siegte, wählt er, um „die erschreckende Theilnahmlosigkeit des mittleren Bürgerstandes“ zu beweisen! Armer Brüggemann! Die Beklemmung raubt ihm den letzten Rest von Besinnung. Uebrigens stehen auf den Armenlisten der Stadt Köln 25,000 Köpfe, die öffentliche Unterstützung erhalten. Diese 25,000 Köpfe, d. h. gerade 29 pCt. oder fast ein Drittel der Gesammtbevölkerung, sind nicht vertreten. Ferner sind die vielen Arbeiter nicht vertreten, die entweder noch keine 6 Monate hier, oder die keine Preußen sind. Nun ziehe man diese Kategorieen von der Gesammtmasse des Proletariats ab, und wie viel Proletarier bleiben übrig, die das Stimmrecht haben? Wahrhaftig, wenn das Proletariat und die kleine Bourgeoisie nicht zusammengehalten hätten, die konservative größere Bourgeoisie hätte siegen müssen! Und dabei faselt ein Brüggemann von erschreckender Theilnahmlosigkeit des mittleren Bürgerstandes! Die Sache ist einfach: Wo der Sieg der einen oder der andern Partei gewiß war, da blieben manche Wähler beider Parteien aus, oder erschienen erst wenn das Resultat zu schwanken anfing. Gerade die Sicherheit des Resultats machte die Leute scheinbar gleichgültig. Aber hätte er sie alle herbeigetrieben, Hr. Brüggemann hätte doch seiner braven Partei keinen Sieg verschafft. Dafür haben die „rettenden Thaten der Krone“ gesorgt. Uebrigens mögen die Demokraten nicht zu übermüthig sein. Es ist nicht zu läugnen, daß gerade hier in Köln die Wahlen unentschiedener ausgefallen sind als sonst in der Provinz. Die Demokraten mögen sorgen, daß unsere Gegner nicht durch Intriguen und Spaltungen bei den Wahlmännern wenigstens ein Stück des verlornen Terrains wieder gewinnen. Von der Thätigkeit der Demokraten hängt es ab, ob der errungene Sieg vollständig ausgebeutet werden wird. So lange die Deputirten nicht ernannt sind, so lange dürfen wir nicht ruhen. Also wachsam und thätig! * Köln, 23. Jan. Wie man die Wahlangelegenheit in der Blankenheimerhof-Kaserne betrieben hat, darüber geben wir dem Publikum in Nachstehendem eine kurze erbauliche Vorstellung: Zuvor wurden — auf Befehl der königl. Kommandantur — sechs außerhalb der Kaserne wohnende Offiziere und zwar 1) Hauptmann von Uttenhoven, 2) Hauptmann Koeber, 3) Hauptmann von Dorpowski, 4) Prem.-Lieut. von Bulow, 5) Prem.-Lieut. von Woisky, 6) Prem.-Lieut. von Woringen, zu den Urwählern in der Kaserne abgetheilt, der v. Dorpowski noch dazu als Wahlkommissarius bestellt. Die Genannten haben vom 20. bis 22. in der Kaserne geschlafen. Ist dies der Grund der Zutheilung oder ist sie auf Grund mündlichen Cirkulärs von oben herunter geschehen? So viel haben wir gehört, daß diese Urwähler-Vertheilung auf Befehl des jüngst noch für seine Bravour in der Belagerungszeit Kölns mit dem rothen Adler-Orden beschenkten Kommandanten Engels, im Kommandantur-Bureau vorgenommen sein soll. Die Folge von diesen Wahl-Umtrieben war, daß Freitag den 19. d. Mts. bei jeder Kompagnie des 2. Bat. 16. Inf.-Regiments (dieses Bataillon wählte von den in der Kaserne liegenden 3 Bataillons allein und zwar 9 Wahlmänner) 3 Vertrauensmänner ernannt wurden, wobei die Unteroffiziere den Gemeinen einen Offizier oder Feldwebel angaben und dann fragten: ob sie gegen diesen Etwas zu erinnern hätten? Natürlich hatte bei Anwesenheit der p. p. Offiziere Keiner die Dreistigkeit — die ihm vielleicht übel zu stehen gekommen wäre — Etwas einzuwenden. Die Hrn. Vertrauensmänner brachten nun heute Morgen ein Verzeichniß der von ihnen aufgestellten Wahlmänner herbei. Dieses wurde dann unter die Soldaten vertheilt und nachdem dies geschehen, wurden die Soldaten in Reih und Glied zur Wahl abgeführt. Jede Kompagnie wurde allein gestellt und dadurch jede Verbindung und Besprechung untereinander abgeschnitten. Der Hauptmann von Uttenhoven — kürzlich zum Kapitain erster Klasse mit einem Gehalt von 100 Thlr. monatlich, ernannt und als ächt preußischer Reaktionär bekannt — befahl hierbei seinen Leuten, daß Keiner sich entfernen sollte, bis erst 3 Wahlmänner durchgebracht seien (er war nämlich der 3. auf dem Zettel Bezeichnete!); auch überzeugte er sich mehrmal durch Oeffnen der Stimmzettel, ob seine Leute auch nach seinen Befehlen verfuhren, und Wehe dem, der es nicht gethan! Die Soldaten, hierdurch ganz irre geführt, wurden nun durch die Offiziere und Unteroffiziere, denen sich auch der Hr. Kommandant Engels anschloß, so bearbeitet, daß sogar die bei den Unteroffizieren und Gemeinen am meisten verhaßten Offiziere gewählt wurden. Natürlich wurde kein Mittel geschont, um die Soldaten zu dieser Wahl zu verleiten, ja, der Herr Wahlkommissar äußerte: „Hätten sie (die Soldaten) voriges Jahr gut gewählt, so wären die Reservisten längst zu Hause!“ Also, mit andern Worten: „Wählet mich!“ Ueberhaupt, wählet lauter ächt „Schwarzweiße“, lauter Krautjunker und müßige Verzehrer am Beutel des Volkes, wählt Leute, die es gründlich verstehen, euch und euere Eltern und euere Angehörigen und Freunde und die Bewohner des ganzen Landes in einen schlimmern Zustand zurückzuwerfen, als selbst der seit 1817 war. Und doch war dieser Zustand so, daß man glaubte, es könne nichts mehr darüber hinausgehen! 068 Köln, 24. Jan. Der hiesige rheinisch-westphälische Centralheulerausschuß hat folgenden Cirkulär-Bericht über seine Centralwahlklüngeleien und Agitationen veröffentlicht: An den konstitutionellen Verein zu *** Unserm Auftrage auf die Wahlen einzuwirken, haben wir vor der Hand durch Verbreitung von Flugblätern und durch Rundschreiben an die einzelnen Vereine, durch welche die Gleichmäßigkeit der Bemühungen erzielt werden sollte, zu genügen versucht. Da morgen die Urwahlen für die zweite Kammer Statt finden werden so ist dem ersten Theile unserer Thätigkeit ein Ziel gesetzt. Es bleibt uns jetzt noch übrig, auf die Urwahlen für die erste Kammer und auf die Wahlmänner für die zweite eine Wirkung zu erlangen zu suchen. Wir fühlen dabei das dringende Bedürfniß einer Besprechung mit unseren Gesinnungsgenossen. Einen förmlichen Congreß deshalb abzuhalten, würde zu weitläufig sein, demnach ersuchen wir Sie, eins oder einige Mitglieder Ihres Vereins zu einer Besprechung abzuordnen, welche wir auf Mittwoch den 24. d., Nachmittags 3 Uhr, im „Prinzen Carl“ in Deutz festsetzen. Dürfte es auch den uns ferner wohnenden Vereinen nicht thunlich erscheinen, diese Zusammenkunft zu beschicken, so hoffen wir doch, daß die uns näher liegenden uns mit ihrem Besuche erfreuen werden. Wir wünschen namentlich Aufschluß über den Ausfall der Urwahlen vom 22. d. M., über die Aussicht für die Urwahlen zur ersten Kammer und über die Kandidaten, die bereits aufgestellt sind, Letzteres, damit möglicherweise Doppelwahlen vermieden werden. Wir wünschten ferner Rechenschaft über unsere bisherige Thätigkeit abzulegen und zu erfahren, ob wir damit den Wünschen unserer Verbündeten Genüge geleistet haben. Wir haben bis jetzt 16 Flugblätter, jedes zu einer Auflage von 12,000 Exemplaren drucken lassen und dieselben nach Möglichkeit, mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln verbreitet.

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Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 204. Köln, 25. Januar 1849, S. 1111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz204_1849/1>, abgerufen am 23.04.2024.